Handwerkstraditionen
Die Topografie des Baskenlands zeichnet sich durch zwei charakterische Landschaften aus: das Meer und die Berge. Beide Landschaften haben die dort lebenden Menschen geprägt. Das Meer führte zu einer entwickelten Kultur von Fischfang und Schiffsbau. Baskische Schiffe fuhren ins unentdeckte Amerika lange bevor Kolumbus geboren wurde. In den Bergen wurden Tiere gehütet, im Sommer auf den Almen, im Winter in den Tälern. Eine differenzierte Käsekultur entstand. Vom Wein der südlichen Ebenen später.
Von guter Weide kommt guter Käse. So könnte das Motto von Enrique Etxebarria lauten, einem Schäfer aus dem bizkainischen Zeanuri. Schon 70 Jahre hat der Landwirt auf dem Buckel, das Handwerk hat er von seinem Vater geerbt und gelernt. Perfekt kennt er die Eigenschaften der Grasweiden von Arraba, auf denen er seine Herden grasen lässt. Das schlägt sich nieder in der Qualität der Milch, die er zwei Mal täglich abholt, nachdem sie auf traditionelle Weise gemolken wurde. Um eine heutzutage fast verschwundene Tradition fortzusetzen, wandert Enrique Anfang Juli mit seiner Herde ins Gorbea-Massiv, wo sie zum Weiden bleibt bis zu ihrer Rückkehr im späten August. Doch nicht in allen Fällen wird die Milch am selben Tag vom Berg geholt. Ist der Höhenunterschied zu groß, wie zum Beipsiel in den Pyrenäen, fertigen die Hirtinnen oder Hirten in den Berghütten selbst den Käse an. Manche Sorten reifen sogar in Höhlen, in denen besondere Bakterien zu Reifung beitragen.
Auch in diesem Jahr wird sich der Schafhirte nicht allein auf den Weg machen in Richtung Gipfel. Begleitet wird er von einer Gruppe von Bergfreunden (bask: mendizaleak), die neugierig sind, einmal einen anderen Weg nach Arraba kennen zu lernen. Sie werden Zeugen der alten Tradition der Transhumanz, die in früheren Jahrhunderten in allen Bergdörfern üblich war, heute jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten und kaum noch zu sehen ist. Der Tross beginnt mit einer religiösen Segnung am Elexartza-Hof von Enrique. Verantwortlich dafür, dass die Schafe einen ordentlichen Weg finden und einen ebenso guten Aufenthalt in ihrer Sommerresidenz haben, ist Enriques Schwester, Ana Mari. "San Joanek jagon daizala Arrabako landan" wird der beschwörende Ruf des Schäfers lauten, damit der Heilige Johannes sich der Obhut der Herde annimmt, während sie oben auf der Alm sind.
Trotz des scheinbaren Endes der Tradition der Transhumanz und Bergschäferei gab es in den vergangenen Jahren auch Lichtblicke, was den alten Beruf betrifft. Vor allem junge Leute, Männer wie Frauen, haben begonnen, das alte Handwerk erneut zu lernen und sind dafür bereit, Tage und Wochen außerhalb der Reichweite von Internet und Mobiltelefonen zu verbringen. Die allgemeine Arbeitslosigkeit hat sicher beigetragen zu diesem Rückgriff auf den Traditionsberuf, aber auch die Suche nach neuen authentischen Lebensinhalten, abseits von Konsum und technologisierter Welt.
Die Wandergefährten von Enrique Etxebarria treffen sich frühmorgens am Hof und machen sich gemeinsam auf den Weg. Erster Halt ist Enriques Berghütte bei Peña Lekanda. Unterwegs wird der Schäfer seine Begleiterinnen zu einem späten Frühstück einladen, dem traditionell baskischen Hamaiketako, mit hausgemachten Produkten von Elexartza versteht sich.
(Quelle und Foto: DEIA 2014-06-28)