sklav1Ein kastilisches Monopol

Der Kultur-TV-Sender Canal Historia stellt die neue Eigenproduktion "In Ketten" (Encadenados) vor, die den kastilischen Sklavenhandel über 400 Jahre hinweg analysiert: Die erste Serie, die das Schweigen über die Geschichte der Sklaverei im spanischen Staat bricht. Ähnliches gilt für das Baskenland. Analysiert wird die Bedeutung des Sklavenhandels für die Entwicklung des frühen Kapitalismus, von der Kolonisierung Amerikas bis zur industriellen Revolution. Sklaverei als Grundlage der spanischen Wirtschaft.

Vier Jahrhunderte lang war das Königreich Kastilien (heute Spanien) eine der führenden Sklavenhalter-Mächte der Welt und das letzte Land, das die Sklaverei in seinem gesamten Hoheitsgebiet abschaffte. Canal Historia präsentiert die vierteilige Miniserie "In Ketten".

"Es ist die erste Serie, die das Schweigen über die Geschichte der Sklaverei in Kastilien und Spanien bricht (1). Ohne Vorurteile oder Anschuldigungen", verteidigt Sergio Ramos, Vizepräsident für Dokumentar- und Tatsachen-Programme von AMC Networks International Southern Europe die Produktion. Er erklärt, dass mit der Serie "versucht wird, den Schleier über eine weitgehend unbekannte historische Realität zu lüften". Und zwar mit der gewohnten inhaltlichen "Strenge", die den Themenkanal auszeichnet. "Mit Hilfe renommierter Experten auf diesem Gebiet und in einer Zeit großer globaler Aufmerksamkeit beleuchtet die Serie einige grundlegende Fakten, um wenig bekannte Aspekte dieser Vergangenheit zu entdecken. Spuren, die bis heute sichtbar sind" (2).

“In Ketten" wurde in Zusammenarbeit mit Lavinia Audiovisual produziert, die Serie beleuchtet die Sklaverei in der Weltwirtschaft und geht von der Kolonisierung Amerikas aus, bei der Kastilien sowohl in der europäischen Metropole selbst als auch in den “entdeckten“ Gebieten und Kolonien eine wesentliche Rolle spielte. Im Mittelpunkt der Serie stehen die Häfen von Sevilla, Cádiz und Barcelona, die "eine Schlüsselrolle im internationalen System des Sklavenhandels" spielten.

Bekannterweise spielten auch baskische Seeleute, Händler und später Industrielle bei der Kolonisierung und im Sklavenhandel eine wichtige Rolle. In Sevilla, dem Ausgangspunkt für alle Expeditionen, die zum amerikanischen Kontinent nach Westen gingen, hatten die Basken ständige Handelsniederlassungen, um so nah wie möglich am profitablen Geschehen zu sein. In vorangegangenen Artikeln wurde die baskische Beteiligung an Kolonisierung, Ausbeutung und Sklavenhandeln bereits angedeutet. (3) (4)

Alle hatten Sklaven

sklav2"Damals war es üblich, Sklaven zu besitzen. Adlige und Geistliche hatten Sklaven, aber auch Kaufleute, Handwerker, sogar Bauern besaßen welche", wurde bei der Vorstellung erklärt. Die Miniserie geht den Spuren des großen Reichtums nach, den sich einige der Kolonisatoren, später auch spanische Amerika-Migranten aneignen konnten. Dieser Reichtum wurde nicht zuletzt "durch den Einsatz von Sklavenarbeit erreicht, die für die langsame Industrialisierung Kastilien-Spaniens und die städtische Entwicklung von Städten wie Madrid und Barcelona unerlässlich war". Geschätzt wird, dass in einigen Städten wie Cádiz und Sevilla der Anteil der Sklavenbevölkerung bis zu 15% betrug.

Die Idee zu "In Ketten" entstand während einer Voruntersuchung über das Erbe der “Indianos“ im spanischen Staat. Indianos werden bis heute jene Amerika-Migranten genannt, die zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert in großer Zahl nach Westen auswanderten und in kleiner Zahl reich zurückkehrten. Weil Kolumbus angenommen hatte, die Westroute nach Indien gefunden zu haben, bürgerte sich der fälschliche Begriff “Indien“ ein, die Karibik-Inseln zwischen Florida und Venezuela werden bis heute Westindische Inseln genannt, obwohl sie genau betrachtet im Osten von Indien liegen.

Indianos waren die reichen Rückkehrer, die sich im Anschluss häufig in die Politik einmischten, zu karitativen Mäzenen wurden und sich als Zeichen ihres Reichtums luxuriöse Paläste bauen ließen. Immer mit Palmen daneben, in Orten wie Lanestosa oder Gordexola (Enkarterri Landkreis in Bizkaia) sind viele solcher Villen bis heute zu sehen. An der kantabrisch-asturischen Grenze, in Colombres, ist ein beeindruckendes Indiano-Museum zu finden in einem ebenso beeindruckenden ehemaligen Indiano-Palast. "Wir haben erkannt, dass der Reichtum der Indianos auf die Anhäufung von Kapital zurückzuführen ist, das mit dem Sklavenhandel oder der Sklavenarbeit zu tun hat", sagte der Regisseur der Produktion, Jordi Ferrerons.

Kapital-Akkumulation

Während der Arbeitsphase der Dokumentation wurde mit Hilfe von José Antonio Piqueras, Professor für Zeitgeschichte an der Universität in Castellón, festgestellt, dass die Bedeutung des Zuckers für Spanien einer der Hauptgründe für die späte Abschaffung der Sklaverei war. Erst 1886 wurden die letzten 25.000 Sklaven in Kuba befreit. Zum Vergleich: Abschaffung der Sklaverei in Dänemark 1722, Portugal 1761, Frankreich 1804, USA 1865, Brasilien 1888, Deutschland 1891. "Bei den Sklaven handelte es sich um Menschen-Material, das für die Finanzbilanzen dieses Landes von großer Bedeutung war. Die großen Reichtümer wurden mit Zucker gemacht", betont Jordi.

Kuba war seit seiner Kolonisierung die "große Sklaven-Insel" der spanischen Imperialmacht. Der Eroberer-Priester Bartolomé de las Casas erreichte 1542 die Verabschiedung von Gesetzen zum Schutz der indianischen Eingeborenen, eine der wenigen humanistischen Entscheidungen der hispanischen Geschichte. Aber das imperiale Reich nahm nicht die gleiche Rücksicht auf die Afro-Kubaner, die zu Tausenden die Plantagen der eroberten Karibik zu füllen begannen. (5)

Sklaveninsel Kuba

sklav3Die Sklaverei in Spanien vor den amerikanischen Eroberungen geht auf die ersten portugiesischen Sklavenhändler in Handelsstädten wie Sevilla zurück. Portugal war die Vorhut, "Pioniere der atlantischen Sklaverei" – die Kastilier nahmen sich ein Beispiel. Kuba wurde zur wichtigsten Drehscheibe für die “Einfuhr“ von Sklavenarbeitern. Dennoch betrug ihre Zahl im Jahr 1544 nicht mehr als 1.000. Im Vergleich zu Portugal, das damals mehr als 50.000 Sklaven zählte. Die wirtschaftliche Ausbeutung konzentrierte sich generell noch wenig auf Zuckeranbau und sehr stark auf den amerikanischen Kontinent und die dortigen Edelmetalle. (5)

Erst im 18. Jahrhundert änderte sich etwas. Das bourbonische Sklaven-Monopol wurde mit der Eroberung Havannas im Jahr 1762 durch das Vereinigte Königreich aufgehoben. Diese Herrschaft dauerte nur ein Jahr, "öffnete jedoch die Insel für den Handel mit afrikanischen Sklaven". Die Zahl der Zwangs-Arbeitskräfte stieg jeden Monat um mindestens 4.000 Sklaven. Obwohl die Zuckermühlen, die für die wirtschaftliche Belebung der Kolonie von entscheidender Bedeutung waren, schon früher entstanden, wuchs ihre Zahl bald und mit ihr die Zahl der nach Kuba gebrachten Afrikaner. Zwischen 1763 und 1792 wurden 70.000 verschleppt, als Arbeitskräfte für ein florierendes Bürgertum, das vom Zucker lebte. Das änderte sich mit der Revolte der französischen Sklaven in Haiti im Jahr 1794 (in der Folge der französischen Revolution), die auch auf Kuba Auswirkungen hatte. 1804 war die Revolution in Haiti erfolgreich, ein unabhängiger Staat wurde gegründet.

Der wirtschaftliche Zusammenbruch der ehemaligen französischen Kolonie brachte die kubanische Ökonomie in Schwung und machte das Land aufgrund seiner wachsenden Zuckerproduktion zu einem begehrten Ziel für andere Mächte. Die erste Eisenbahnlinie verband bereits 1837 Havanna und Bejucal – es sollte noch mehr als zehn Jahre dauern, bis das hispanische Land selbst über eine Eisenbahnverbindung zwischen Barcelona und Mataró verfügte.

Bereits 1795 kam es in Kuba zu Aufständen, die von freigelassenen Sklaven angeführt wurden. Der wichtigste Aufstand 1809 war jedoch kreolisch. Die Metropole war in der Lage, alle Verschwörungen zu kontrollieren. Kuba war eine der wenigen Kolonien, die sich der imperialen Macht Spaniens nicht entziehen konnte, obwohl es im Osten zu verschiedenen von Mulatten angeführten Sklavenaufständen kam. Die Unterdrückung durch die liberalen spanischen Regierungen war brutal und erreichte 1844 ihren Höhepunkt mit der Erschießung von 78 Aufständischen nach einer "angeblichen" Verschwörung zum Massaker an Weißen. (5)

Verantwortung übernehmen

sklav4Der spanische Staat, so der Zeitgeschichtler Piqueras, sollte diese "historische Verantwortung" in Bezug auf die Sklaverei übernehmen, "die Fakten" eingestehen sowie "ihre Verbreitung erleichtern". Die "Wiedergutmachungs-Maßnahmen sind schwer zu definieren, aber wir müssen die Vergangenheit anerkennen. Wir können die Vergangenheit nicht zu einem Familiengeheimnis machen", fügt der Experte hinzu. Für Ferrerons hingegen existiert die Vergangenheit der Sklavenhalter nicht im "spanischen Kollektiv-Bewusstsein". "Hier geschah historisch gesehen dasselbe wie in anderen Ländern, von denen einige sich jedoch um Anerkennung bemüht haben. Aber hier nicht", beklagt er. (1)

"In Ketten“ wurde an verschiedenen Orten des Landes gedreht, wo sich die beschriebenen Ereignisse abspielen, in Madrid, Katalonien, Kantabrien und im Baskenland. Die erste Folge der Serie erzählt, wie im Laufe von drei Jahrhunderten 2,1 Millionen Sklaven aus Afrika in die kastilischen Überseegebiete verfrachtet wurden, die meisten von ihnen auf Schiffen des Imperiums. Eineinhalb Jahrhunderte lang war der Sklavenhandel in Kastilien ein königliches Monopol der Borbonen (die auch heute noch die Krone dominieren).

ANMERKUNGEN:

(1) Im Originaltext ist durchweg von “Spanien” als Kolonialmacht die Rede. Der Begriff ist historisch gesehen nur bedingt korrekt. Es handelte sich um das Königreich Kastilien und Aragon, deren Herrscher nach der erfolgreichen Rekonquista gegen die maurischen Emirate (Stichwort Cordoba 1492) Konquistadoren nach Westen schickten, um über die westliche Erdseite “nach Indien zu kommen”. Das doppelte Königreich war durch die Heirat von Isabel von Kastilien und Ferdinand von Aragon (die katholischen Könige) zustande gekommen, es folgte ab 1516 Carlos I. Hispanien ist ebenfalls ein alter Begriff. “Spanien” ist hingegen eine Benennung, die erst seit dem frühen 19. Jahrhundert offiziell wurde. Als die Sklaverei in allen zum Staat gehörenden Territorien abgeschafft wurde, war der Name tatsächlich “Spanien”.

(2) “La primera serie que rompe el silencio de la historia del esclavismo en España” (Die erste Serie, die das Schweigen über die Sklaverei in Spanien bricht), Tageszeitung El Correo, J. Moreno, 2022-03-07 (LINK)

(3) “Baskische Sklavenhändler (1) – Louisiana, Sklavenschiffe und Dreieckshandel”, Baskultur.info, 2020-08-07 (LINK)

(4) “Baskische Sklavenhändler (2) – Pedro de Morga aus Gernika”, Baskultur.info, 2021-02-21 (LINK)

(5) “Breve historia de la esclavitud en España” (Kurze Geschichte der Sklaverei in Spanien), Internet-Portal CTXT, 2020-06-01 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Sklaverei (elmundo)

(2) Sklaverei (eldiario)

(3) In Ketten (elcorreo)

(4) Sklaven-Aufstand (ctxt)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-03-14)

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