F8M01
Gegen Patriarchat, Sexismus und Ausbeutung

Der bevorstehende Internationale Frauentag wird mit früheren Mobilisierungs-Tagen nicht vergleichbar sein. Das hoffen jedenfalls Hunderte von feministischen Frauengruppen, die seit Monaten und Jahren auf dieses Datum zuarbeiten. Auch im Baskenland gab es in jeder Großstadt Vollversammlungen, in Gewerkschaften wurde über die Tragweite der Mobilisierung diskutiert. Von Teilstreik ist die Rede, aber auch von Generalstreik, zu dem einige Gewerkschaften und Frauen-Organisationen aufgerufen haben.

Am kommenden 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag sollen Frauen ihre Arbeit ruhen lassen, die bezahlte und unbezahlte. Sie sollen nicht konsumieren und die Lücken aufzeigen, die durch ihren Ausstand entstehen. Streiks sollen den Druck erhöhen in Richtung Gleichberechtigung und einer nicht-sexistischen Gesellschaft.

F8M02Der 8. März 2018 soll anders werden als die vorherigen Internationalen Frauenkampftage. Mit Streiks – zum Teil oder generell – soll eine neue Qualität von Kampf um Gleichberechtigung und gegen die patriarchalen Strukturen der Gesellschaft erreicht werden. In mehr als 150 Ländern wurde zu Aktionen und Streiks aufgerufen, aus Anlass des Internationalen Frauentags, der auch Frauenkampftag oder Tag der arbeitenden Frauen genannt wird. Die Koordination für den Streiktag findet auf internationaler Ebene statt, neu an den Mobilisierungen ist der Streikaufruf. Zwar gibt es in dieser Hinsicht bereits Erfahrungen aus vergangenen Jahren, doch zu einem Ausstand auf breiterer Ebene kam es bisher nicht.

Mit Aufrufen in 150 Ländern verdient der Kampftag mehr denn je das Attribut „international“. Dennoch gibt es wenige Tage vor Beginn des Streiks noch einige Unklarheiten und Zweifel. Zum Beispiel die Frage, was am Streiktag die Rolle von Männern sein kann und soll, angesichts eines Generalstreiks, zu dem sie nicht aufgerufen sind.

In allen großen baskischen Städten gab es Vollversammlungen, an denen Frauengruppen teilnahmen, die in unterschiedlicher Form an den Mobilisierungen beteiligt sein wollen. Die wichtigste Frage ist die nach dem Umfang des Streiks, entsprechend unterschiedlich sehen die Aufrufe der verschiedenen Organisationen aus.

Wer ist zum Streik aufgerufen?

Aufgerufen sind alle Frauen. Dabei ist der feministische Streik ein Ausstand mit einem besonderen Charakter. Er bezieht sich nicht allein auf Fabriken und Büros. Gleichzeitig der Streik auch eine Mobilisierung gegen jegliche Art von patriarchaler Gewalt, die Frauen erleiden weil sie Frauen sind. Deutlich werden soll: wenn alle Frauen streiken, steht die Welt still. Deshalb sind alle Frauen zur Teilnahme aufgerufen. Nicht nur jene, die eine bezahlte Arbeit ausüben, auch jene, die zu Hause arbeiten oder in Haushalten von anderen. Alle Frauen, die Kinder und alte Menschen versorgen, oder sich um Personen kümmern, die nicht alleine leben können. Frauen aus Städten und vom Land, aus allen Ländern und Kulturen – alle sind zum Streik eingeladen und aufgerufen. Der direkten Umgebung, aber auch der Gesellschaft insgesamt soll bewusst gemacht werden, welche Aufgaben Frauen erledigen und unter welchen Bedingungen. Die baskische Bildungsgewerkschaft STEILAS hat deutlich gemacht, dass mit dem Streikaufruf ausschließlich Frauen gemeint sind, nicht Männer.

Was ist ein feministischer Streik?

F8M03Weil es kein „normaler“ Streik ist, beschränkt sich der Ausstand am 8. März nicht nur auf bezahlte Arbeit aller Art. Thematisiert wird auch die häufig unbezahlte Arbeit in Form von Versorgung, Erziehung, Hausarbeit, vorwiegend sogenannte „emotionale Tätigkeiten“. Die Idee dieses Streiks ist, all diese Tätigkeiten, die für die Außenwelt meist unsichtbar sind, einen Tag lang nicht zu erledigen. Diese „Arbeit im Stillen“ soll sichtbar gemacht werden, ihre gesellschaftliche Bedeutung soll zum Ausdruck kommen. Der Aufruf beinhaltet ebenfalls einen Konsumstreik. Das heißt, an diesem Tag keine Einkäufe zu machen. Damit soll symbolisch klar gemacht werden, wie stark Frauenkörper zu Reklamezwecken ge- und missbraucht werden, durch den sogenannten freien Konsum- und Werbe-Markt werden sie systematisch einer esthetischen Tyrannei unterworfen.

In Bezug auf Lohnarbeit sollen Ungleichheiten deutlich gemacht werden: die unterschiedliche Bezahlung nach Geschlecht, der schwierige Weg für Frauen in Führungspositionen, die prekären Arbeitsbedingungen von Frauen, der Zwang zur Teilzeitarbeit – und als Folge all dessen die Feminisierung der Armut. Zum Streik aufgerufen sind auch alle Frauen aus dem Bildungsbereich mit der Forderung nach einem öffentlichen, laizistischen und feministischen Bildungssystem.

Island, Polen, Argentinien

Die erste Frauenbewegung, die am 8. März nicht nur demonstrierte, sondern zum Mittel des Streiks griff, waren 1975 die Isländerinnen. Sie forderten Gleichbehandlung, denn bis dahin stellten sie nur 5% der Abgeordneten. 90% der Frauen legten die Arbeit nieder und leisteten weder Haus- noch Erziehungsarbeit. Schulen, Kindergärten, Läden und Banken mussten schließen, das Land war praktisch lahmgelegt. Bis zum nächsten Frauenstreik sollten 41 Jahre vergehen. 2016 streikten polnische Frauen an einem 3. Oktober einen Tag lang gegen die Kriminalisierung der Abtreibung. Zwei Wochen später streikten in Argentinien Frauen gegen systematische Morde an Frauen (Femizid). Erneut in Polen streikten Frauen gegen sexistische Gewalt und Ignoranz gegenüber Frauen. Danach wurde die Gruppe International Women’s Strike (IWS) gegründet, in der heute 54 Länder aus allen Kontinenten vertreten sind. (1)

F8M04Ein besonderer Protagonismus in der Streikbewegung fällt lateinamerikanischen Frauen zu. Von ihnen stammt die ursprüngliche Initiative zu einem weltweiten Streiktag am 8. März. Ein Blick auf die vielfältigen Aktivitäten, Bewegungen, Vernetzungen und Organsiationen zur Stärkung feministischer Kämpfe macht die Bedeutung von Frauen aus Mittel- und Südamerika deutlich. Auch die erste Frauen-Versammlung in Donostia ging auf eine Initiative von der anderen Seite des Atlantiks zurück. Danach schloss sich die baskische Frauenbewegung dem seit dem Jahr 2000 organisierten Welt-Frauen-Marsch an.

Wer ruft zum Streik auf?

Die Aktionen des Internationalen Fraunetages werden koordiniert von der „Kommission 8. März“, die in jeder Stadt existiert und in der feministische Kollektive verschiedenster Art zusammenkommen. Diese Kommissionen haben sich bereits 2017 konstituiert und vor einem Jahr am 8. März zum erwähnten 30-Minuten-Streik aufgerufen. Die Gewerkschaften bzw. ihre Frauen-Abteilungen waren nicht von Beginn an in diesen Kommissionen vertreten, ihnen kommt jedoch als Vertreung von Arbeiterinnen und als Massenorganisation im bevorstehendem Streik eine wichtige Rolle zu.

Alle großen Gewerkschaften haben sich in der einen oder anderen Form dem Aufruf angeschlossen. Die sozialdemokratische UGT und die ehemals kommunistisch inspirierte CCOO rufen offiziell und formal zu einem zweistündigen Ausstand auf. Das ist insofern von Bedeutung, weil es in Ländern wie Frankreich, Spanien oder Italien, die keine Einheits-, sondern Richtungs-Gewerkschaften aufweisen, den Generalstreik als politische und rechtliche Figur gibt. In Deutschland wäre ein Generalstreik (oder ein Aufruf dazu) illegal. Durch die Beteiligung von Gewerkschaften erhält der Streik – teilweise oder ganz – seine rechtliche Legitimität. Für die anarchosyndikalistischen Gewerkschaften CNT und CGT sind zwei Stunden nicht ausreichend, um die Forderungen des Frauenstreiks zu unterstreichen, sie haben zum 24-stüdnigen Generalstreik aufgerufen. Jede zum Streik bereite Frau kann sich – je nach ihrer politischen Orientierung – für die eine oder andere Form des Ausstands entscheiden.

F8M05Ein wichtiges Merkmal bei diesem Streik ist, dass er von unten nach oben organisiert wurde und nicht – wie sonst üblich – umgekehrt. Das heißt, die Initiative zum Streik entstand in feministischen Frauenbewegungen, auf der Straße und in Stadtteilen, sie sind gereift über offene Versammlungen. Es handelte sich nicht um einen Vorschlag von Gewerkschaften, der Anstoß kam aus der feministischen Bewegung selbst.

Für gewerkschaftlich Organisierte und Nichtorganisiserte

Damit ein Streik legalen Charakter bekommt, muss er von Gewerkschaften ausgerufen werden. Nachdem dies erfolgt ist, können alle teilnehmen, ob sie nun in einer Gewerkschaft Mitglied sind oder nicht. Klar ist, dass Gewerkschaften zu keinem Streik ausschließlich für Frauen aufrufen können. Insofern gilt der Aufruf auch für Männer und bietet ihnen rechtlichen Schutz, falls sie teilnehmen wollen. Wie bei allen Streiks kann die Konsequenz sein, dass es zu Lohnabzügen kommt. Die Gewerkschaften raten Streikteilnehmer*innen, dem Arbeitgeber ihr Fernbleiben vorher anzukündigen.

Können Männer mitstreiken?

Rein legal gesehen können Männer am feministischen Streik teilnehmen. Die feministische Streikkommission hat jedoch darauf hingewiesen, dass der Frauenstreik einen Teil seines Sinnes verliert, wenn sich auch Männer beteiligen. Es gehe darum, den Unterschied deutlich zu machen zwischen einem feministischen und einem Generalstreik, aufgezeigt werden sollten die „Leerräume“, die entstehen, wenn Frauen ihre Arbeiten verweigern. Deshalb rufen die Organisatorinnen nur Frauen zum Streik auf.

Wenn Männer dennoch teilnehmen wollen?

Die zum Streik aufrufende feministische Bewegung empfiehlt Männern, nach anderen Formen der Unterstützung zu suchen. Zum Beispiel, indem sie ihren Kolleginnen bei der Arbeit oder in Bildungseinrichtungen den Rücken freihalten, damit sie am Streik teilnehmen können. Oder sich um Kinder, Alte oder von Begleitung abhängige Personen zu kümmern, die normalerweise von Frauen betreut werden. Männer sollen Frauen den Protagonismus des Tages überlassen und ermöglichen.

Streik im Baskenland

F8M06Für das Baskenland rufen die Streik-Kommissionen zum Ausstand zwischen 11 und 15 Uhr auf, sowie zwischen 18 und 22 Uhr. Daneben gibt es Mobilisierungen in kleinen und großen Städten, sowie einen Streik im Bildungsbereich. Öffentlich sichtbar werden soll der Streik auch durch das Aufhängen von Schürzen an Fenstern und Balkonen. Besondere Bedeutung beim Streik hat für die baskischen Initiatorinnen der Bereich Hausarbeit und Versorgung. „Wir wollen die Situation von Frauen, Migrantinnen, Lesben, Transmenschen in den Mittelpunkt stellen, alle, die in diesem Bereich arbeiten, insbesondere die Haushalts-Helferinnen. Dieser Bereich zeichnet sich stark aus durch Rassismus, Heterosexismus und wilden Kapitalismus“, so eine Initiatorin. 87% der Haushalts-Helferinnen sind Migrantinnen, 46% leben sogar in diesen Haushalten und ein Drittel von ihnen hat keinen Arbeitsvertrag.

Thema im Bildungsbereich ist, dass die Rolle von Frauen in der Geschichte unsichtbar ist und gemacht wird. In Büchern und Chroniken kommen sie häufig einfach nicht vor. Die Betreuung in Schulen, bei der Hausaufgabenbetreuung und bei Essensausgaben fällt vorwiegend in die Zuständigkeit von Frauen. Für Frauen der Streik-Kommission geht es am 8. März nicht einfach nur um Gleichberechtigung, sondern „um eine Strategie gegen das kapitalistische, rassistische, patriarchale und kolonialistische System. Dies wird der erste feministische Streik im Baskenland sein, aber sicher nicht der letzte. Wir arbeiten daran, das diese Streiks immer breitere Kreise ziehen“.

Wie kam es zum Internationalen Frauentag?

Die deutsche Sozialistin Clara Zetkin schlug auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentages vor, ohne ein bestimmtes Datum zu favorisieren. Die Idee dazu kam aus den USA. Dort hatten Frauen der Sozialistischen Partei Amerikas 1908 ein Nationales Frauenkomitee gegründet, welches beschloss, einen besonderen nationalen Kampftag für das Frauenstimmrecht zu initiieren. Dieser erste Frauentag in den USA am 28. Februar 1909 war ein Erfolg – auch weil sich bürgerliche Frauenrechtlerinnen den Forderungen nach dem Frauenwahlrecht anschlossen und gemeinsam mit den Sozialistinnen demonstrierten. Während die US-Amerikanerin May Wood Simons die Idee zu einem solchen Tag nach Kopenhagen brachte, waren es die deutschen Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker, die sich auf dem Treffen in Dänemark für den Frauentag einsetzten und den Beschluss forcierten. (2)

F8M07

Der erste Frauentag wurde am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz organisiert. Mit der Wahl des Datums sollte der revolutionäre Charakter des Frauentags hervorgehoben werden, denn der Vortag, der 18. März, war der Gedenktag für die Gefallenen während der Märzrevolution 1848. Außerdem hatte auch die Pariser Kommune 1871 im März begonnen. Das alles beherrschende Thema der ersten Jahre war die Forderung nach dem freien, geheimen und gleichen Frauenwahlrecht. Die Sozialdemokraten sahen in diesem Wahlrecht eine Chance, ihre Anhängerschaft zu vergrößern. Zweifelsohne profitierte die SPD vom ersten Internationalen Frauentag auf deutschem Boden. So wuchs die Zahl der weiblichen Mitglieder stark an.

1917 war ein entscheidendes Jahr. Am 8. März 1917 streikten in Petrograd die Bewohnerinnen der armen Stadtviertel. Arbeiterinnen, die Ehefrauen von Soldaten und erstmals auch Bäuerinnen gingen auf die Straße und lösten die F

ebruarrevolution aus. Zu Ehren der Rolle der Frauen in der Revolution wurde auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 in Moskau der 8. März als internationaler Gedenktag eingeführt. Über den Ursprung des Internationalen Frauentages am 8. März gibt es im Übrigen verschiedene Theorien und Deutungen.

ANMERKUNGEN:

(1) Information und Zitate aus: „Huelga del 8-M, un hito en la lucha feminista”, Tageszeitung Gara vom 2018-02-26 (Streik am 8. März, ein Markstein im feministischen Kampf)

(2) Wikipedia: Internationaler Frauentag

ABBILDUNGEN:

(1) Plakat-Collage FAT

(2) Streikaufruf CGT (David Fernandez)

(3) Guerrilla Girls (Expo NY)

(4) Gegen Sexismus (Graffiti)

(5) Streikaufruf (Unai Beroiz)

(6) Frauenarbeit unsichtbar (Junge Welt)

(7) Streikaufruf

Für den Betrieb unserer Webseite benutzen wir Cookies. Wenn Sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, akzeptieren Sie unseren Einsatz von Cookies. Mehr Information