Reinigungskräfte im Streik
Äußerlich glänzt die Titan-Haut des Guggenheim-Museums in Bilbao, Paradestück des baskischen Massentourismus, mit und ohne Sonne. Doch im Innern gärt es wieder einmal. Den ausländischen Besucher*innen soll Kunst vom Feinsten geboten werden, den einheimischen Museums-Angestellten werden elementare gewerkschaftliche Rechte verwehrt. Deshalb sind die Reinigungskräfte seit 72 Tagen im Streik. Bereits der zweite große Streik nach den pädagogischen Kräften im Jahr 2016. Eine vorläufige Streik-Bilanz.
Nach dem pädagogischen Personal im Jahr 2016 streiken im Guggenheim-Museum jetzt die Reinigungskräfte für bessere Arbeitsbedingungen und Gleichbezahlung zwischen Männern und Frauen. Jeden Tag machen sie sich – vor post-pandemisch internationalem Sommer-Publikum – auf der Museums-Esplanade lautstark bemerkbar.
“Auch die Guggenheim-Toiletten werden mit einem Lohngefälle zwischen den Geschlechtern gereinigt“, so titelt die alternative Publikation “El Salto Diario“ die derzeitigen Ereignisse im berühmtesten Museum des Baskenlandes. Tatsächlich ist das Reinigungspersonal des New Yorker Guggenheim-Ablegers seit 72 Tagen im Streik (Stand 21.8.2021). Gefordert werden die Anerkennung und Abschaffung des Lohngefälles zwischen den Geschlechtern und die Anwendung des Tarifvertrags, der auch für die Straßenreinigung gilt. Damit soll der prekären Beschäftigung ein Ende bereitet werden. Der Streik ist unbefristet. (1)
Nichts definiert ein Unternehmen besser als seine Lohn- und Personalpolitik. Susana Marcos, eine streikende Reinigungskraft aus dem Guggenheim-Museum in Bilbao, sagt: "Am 8. März reden sie von Gleichheit, aber was wir hier jeden Tag erleben, ist ein Lohngefälle zwischen Kolleginnen und Kollegen". Um genau zu sein, gibt es zwei Gefälle: eine große und eine kleine Lücke.
Das Reinigungspersonal der Kunstgalerie besteht aus insgesamt fünfzehn Frauen und vier Männern, einschließlich der beiden Verantwortlichen. Nur ein Vorarbeiter und zwei weibliche Beschäftigte nehmen nicht an dem Streik teil. Der Betriebsrat des vom Museum mit der Reinigung beauftragten Sub-Unternehmens setzt sich ausschließlich aus Mitgliedern der Gewerkschaft ELA zusammen. Diese Gewerkschaft ist bei den Unternehmen für ihre solidarische Widerstandskasse bekannt, in der Vergangenheit wurden Streiks begleitet, die mehr als zwei Jahre dauerten. Wie zum Beispiel der erfolgreiche Streik in den Altersheimen vor der Pandemie.
Streikbruch durch das Rathaus
Auch die Stadtverwaltung von Bilbo beteiligt sich an der unnachgiebigen Blockadepolitik, erklären die Arbeiter*innen. Denn seit Streikbeginn reinigen städtische Angestellte täglich den Vorplatz des Museums, obwohl es sich um keinen öffentlichen Raum handelt. Die Streikenden prangern an, dass die Stadtverwaltung "mit einigen Tricks" Reinigungskräfte für das Innere des Museums eingestellt hat, "da wir alle wissen, dass streikende Arbeiterinnen nicht durch Neu-Einstellungen ersetzt werden dürfen. Doch genau das geschieht." So konnte das Guggenheim verhindern, dass es wegen nicht erfolgter Reinigung im Sommer geschlossen wurde oder als das schmutzige Museum in die Schlagzeilen gerät, in dem Touristen nicht einmal pinkeln gehen dürfen. Genau das war vor fünf Jahren im Museum der Schönen Künste Bilbao geschehen, ebenfalls zur Sommerzeit. (2) (3)
In jenem Fall war es das gesamte durch Untervertrag angestellte Personal, Sicherheitsleute eingeschlossen, die aus ähnlichen Gründen in den Streik gingen. Zur besten Besuchszeit blieb die Einrichtung sieben Wochen lang geschlossen und am Ende erreichte die Gewerkschaft – ebenfalls ELA – ihre Ziele weitgehend. Im Guggenheim, dessen Name in Bilbao niemand richtig aussprechen kann, bleibt nun von den vier Toiletten im Inneren mindestens eine geöffnet. Die Beschäftigten beklagen zudem, dass sie Nötigungen und Drohungen ausgesetzt sind, weil sie zum Streik aufgerufen oder ihn aktiv unterstützt haben. Das sind mafiöse Machenschaften, die im krassen Widerspruch zum Bild von einer Kultureinrichtung mit internationalem Renommée stehen.
Das Unternehmen Guggenheim vergibt seit mehr als zwanzig Jahren seine Reinigungsdienste an Sub-Unternehmen. In diesem Jahr hat Ferrovial den Zuschlag erhalten. "Unser Verhandlungs-Vorschlag erschien ihnen übertrieben, sie haben versucht, die Lösung der Probleme auf vier oder gar fünf Jahre hinauszuschieben", sagt Carmen Casas, Beauftragte der Gewerkschaft ELA. Bislang wurden vier Verhandlungs-Sitzungen abgehalten, bei denen aber keine Vereinbarungen erzielt werden konnten.
Streikziele
Das Streikkomitee will zwei Dinge erreichen: dass das Unternehmen das Lohngefälle anerkennt und dem Tarifvertrag für die Straßenreinigung beitritt, der für alle männlichen Reinigungskräfte gilt. Das Durchschnitts-Gehalt für weibliche Beschäftigte im Guggenheim liegt bei 15.943 Euro; das Durchschnittsgehalt für Straßenreiniger beträgt 23.884 Euro, Nacht- und Giftzuschläge nicht eingerechnet. Fast 8.000 Euro pro Jahr liegen zwischen den Verdiensten der Innenreinigung – einer Frauentätigkeit – und der Außenreinigung – einer Männertätigkeit.
Wie bei jedem Lohngefälle sind auch bei den Guggenheim-Leuten die drei in Teilzeit beschäftigten Personen Frauen. Wie Susana Marcos, deren Monatsgehalt weniger als 630 Euro für 20 Stunden pro Woche beträgt (der volle Arbeitstag geht über 5 Stunden). Und diejenigen, die mehr verdienen (rund 2.000 Euro im Jahr) sind die vier Kollegen, die ebenfalls streiken. Sie erhalten Prämien für den Umgang mit Maschinen und sind für die vertikale Reinigung von Titan und Stein zuständig. Mit anderen Worten: Sie sind für die Außenreinigung des Museums zuständig. "Sie sollten uns einfach beibringen, wie man die Maschinen bedient", sagt Susana Marcos.
Juan Manuel Lago ist einer der Besserverdienenden. Der spezialisierte Arbeiter ist der Meinung, dass "unsere Bezahlung ebenfalls prekär ist, also kämpfen wir gemeinsam, denn wenn wir zufrieden wären und die Forderungen nicht unterstützen würden, wäre der Kampf nicht so stark". Lago arbeitet seit 16 Jahren in dem Unternehmen und erhält mit Dienstalters-Zulagen 1.210 Euro in einem Monat mit 31 Tagen. Bei einem Verhandlungs-Treffen bot ihnen das Unternehmen eine Erhöhung um 20 Euro pro Monat und jährlich kostenlose Kontrolluntersuchungen bei einem Urologen an. "Sie machen sich über uns lustig", resümiert er.
Mafiös und peinlich
Iker Alustiza von der Gewerkschaft ELA fügt hinzu, dass es "traurig ist, dass das Guggenheim die Situation der Untervergabe ausnutzt, um Menschen auszubeuten und eine Situation von Unsicherheit am Arbeitsplatz aufrechtzuerhalten, die sich seit mehr als zwanzig Jahren hinzieht". Er hält es für "lächerlich und bedauerlich, dass eine Einrichtung wie diese die Öffentlichkeit um Geld bittet, um eine künstlerische Figur wie die Hundefigur Puppy am Museumseingang über Spenden zu renovieren, während die Beschäftigten gleichzeitig in prekären Arbeitsverhältnissen gehalten werden". Das Museum hatte im Juli eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, mit der es 100.000 Euro für die Restaurierung des Innenraums der Blumenskulptur von Jeff Koons sammeln will. Peinlich!
Am Morgen des 65. Streiktages führten die 16 Streikenden eine auffällige Aktion durch, um die neugierigen Blicke der ankommenden Tourist*innen anzuziehen: ein Fußballspiel zwischen den Teams von Athletic Garbikuntza und Prekarität United. Dazu markierten sie ein Fußballfeld mit Papierschnipseln, die auf der Promenade zurückgelassen wurden. "Jede Woche veranstalten wir eine neue Aufführung. Wir kommen, um zu singen, zu tanzen, was weiß ich, um gehört zu werden, um gesehen zu werden und um das zu tun, was wir seit 20 Jahren nicht mehr getan haben: uns schmutzig machen, denn bisher haben wir nur aufgeräumt", sagt Susana Marcos. Das Spiel fand auf der Esplanade des Guggenheim statt, die vor dem Streik und seit mehr als zwei Jahrzehnten von den Reinigungskräften des Guggenheim für wenig mehr als 900 Euro im Monat blitzsauber gehalten wurde.
ANMERKUNGEN:
(1) “Los baños del Guggenheim también se limpian con brecha salarial” (Auch die Guggenheim-Toiletten werden mit einem Lohngefälle gereinigt), Zeitung El Salto Diario, 2021-08-14 (LINK)
(2) “Streik im Guggenheim-Museum – Geschäfte auf dem Rücken der Beschäftigten“, 2016-09-09, Baskultur.info (LINK)
(3) “Streik im Museum – Schöne Künste, schöne Bescherung“, 2016-07-15, Baskultur.info (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Guggenheim-Streik (elsaltodiario)
(2) Guggenheim-Streik (ecuador etxea)
(3) Guggenheim-Streik (ecuador etxea)
(4) Guggenheim-Streik (elsaltodiario)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-08-21)