clapton1Kicken gegen den Strom

Obwohl er weit von professionellen Ambitionen entfernt ist, wurde der Clapton Community Football Club aus dem Londoner Nordosten weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannt. Dieser antifaschistische Verein, dessen Wurzeln in den Kämpfen der Arbeiterbewegung liegen, widersetzt sich den Trends des modernen Fußballs. Hier wird Palästina ebenso verteidigt wie die schwarze und transsexuelle Gemeinschaft. Erinnert wird an die Geschichte der Internationalen Brigaden aus der Zeit des Spanienkrieges.

Der Fußballclub Clapton CFC gehört zu den wenigen, die sich als antifaschistisch, antirassistisch bezeichnen. Im Nordosten von London wird auf die Verteidigung der Rechte von Minderheiten gesetzt und auf internationale Solidarität, nicht zuletzt mit Palästina.

Der Stadtbezirk Newham liegt Nordosten der geschäftigen Londoner Metropole, geprägt von seiner industriellen Vergangenheit und den Kämpfen der Arbeiterbewegung. In den Straßen in einem der am stärksten benachteiligten Stadtbezirke der Hauptstadt sind viele verschiedene Sprachen, Akzente und Dialekte zu hören, die soziale und wirtschaftliche Krise sowie die Spannungen im Zusammenhang mit dem Brexit prägen den Alltag. Dort, im Distrikt Forest Gate wurde ein Amateur-Sportverein gegründet, ohne Präsident. Ein Club, der sich offen als anti-faschistisch, anti-rassistisch, anti-xenophob definiert, der die Rechte der LGTBI-Gemeinschaft verteidigt und im Schatten des modernen Fußballs gegen den Strom schwimmt.

Newham Geschichte

clapton2aDer London Borough of Newham ist ein Stadtbezirk von London. Er liegt im Nordosten der Stadt. Bei der Gründung der Verwaltungsregion Greater London im Jahr 1965 entstand er aus dem County Borough of East Ham und dem County Borough of West Ham, zwei kreisfreien Städten in der Grafschaft Essex. Hinzu kamen Teile des Metropolitan Borough of Woolwich nördlich der Themse und des Borough of Barking westlich des Flusses Roding. Die Bevölkerung von Newham setzte sich 2011 zusammen aus 29% Weißen, 43,5% "Asian" (Indien, Pakistan und Bangladesch), 19,6% Schwarzen und 1,3% Personen aus China. Newham ist neben Brent einer von zwei Bezirken, in denen ethnische Minderheiten die Bevölkerungs-Mehrheit stellen.

Den südlichen Teil von Newham bilden die Docklands, das ehemalige Hafengebiet, welches die größte Stadtentwicklungs-Zone Londons ist. Dort liegt auch der London City Airport. Ein weiterer Entwicklungs-Schwerpunkt ist Stratford im Westen des Bezirks. Dort befindet sich der Olympiapark mit den wichtigsten Sportanlagen der Olympischen Sommerspiele 2012, einschließlich des Olympiastadions. Der Premier-League-Club West Ham United trägt hier seine Heimspiele aus.

Clapton Community Football Club

Bekannt ist der Clapton Community Football Club dafür, dass er als zweites Trikot die Farben der Zweiten Spanischen Republik trägt, als Hommage an die Männer und Frauen der Internationalen Brigaden, die im Spanienkrieg 1937-1938 gegen die aufständischen faschistischen Truppen kämpften. Auf der Rückseite der Trikots steht: "No Pasarán" (Sie kommen nicht durch).

Als Erbe eines der ältesten Vereine Englands trägt der Clapton CFC seine Spiele auf dem „Old Spotted Dog“ aus, dem ältesten Fußballplatz Londons. Bei Spielen zu sehen sind LGTBI-Flaggen, Bukaneros-Schals, "Skinheads St. Pauli"- oder "Blacks Lives Matter"-Transparente. Wandbilder schmücken das Gelände, an der Geschäftsstelle sind alle möglichen antifaschistischen Slogans zu finden. Dort erklärt Kevin Blowe, ein Vereinsmitglied, die lange Geschichte dieses speziellen Clubs.

Arbeiter-Tradition

"Der Clapton F.C. spielt seit den späten 1880er Jahren auf diesem Platz, einer Zeit, in der die meisten Vereine Amateure waren. Damals war er einer der großen Vereine, aber sein Schicksal änderte sich, als der Fußball nach dem Ersten Weltkrieg professionalisiert wurde", erzählt er. Das Team blieb im Amateur-Status. Ab 2012 füllte ein Publikum aus verschiedenen linken Traditionen, von Sozialisten bis zu Anarchisten, die kleinen Tribünen. "Weil sie so wenige waren, nannten sie sich scherzhaft Clapton Ultras. Aber es sprach sich herum, und Anfang 2017 kamen regelmäßig 500, 600, 700 Leute zu den Spielen, während andere Vereine der gleichen Kategorie nur 50 Fans hatten."

In jenem Jahr kam unter diesen Fans die Frage auf, ob und wie sie an den Entscheidungen des Vereins teilhaben konnten. Einige hatten 2013 versucht, dem Verein beizutreten und erfahren, dass wegen Umstrukturierung keine neuen Mitglieder mehr aufgenommen werden sollten, diese Entscheidung wurde nie zurückgenommen. "Das war eine Art, die Fans auszusperren. Doch im April 2017 versuchten die Eigentümer der Organisation, die das Spielfeld gepachtet hatte, den Verein aufzulösen. Also dieselben Leute, die den Verein leiteten, wollten nun ihre Vermögenswerte verkaufen. Ein paar Leute haben das vor Gericht angefochten, und die Auflösung wurde vorübergehend blockiert", so Blowe.

Boykott und Neugründung

clapton3Die Fans begannen mit einem Boykott und kamen nicht mehr zu den Spielen. "Es gibt da eine Gasse, die am Spielfeld entlangführt, und wir benutzten Müll-Gegenstände, die dort lagen, wie einen Kühlschrank oder eine alte Toilette, um das Spiel über den Zaun zu verfolgen. Die Leute brachten sogar Stufen mit, sehr zum Ärger der Besitzer. Die Zahl der Zuschauer auf der Tribüne sank von 500 oder 600 auf praktisch null", erzählt Blowe.

Nach Protesten, Verhandlungen und mehreren Treffen mit der Football Supporters Association (Vereinigung der Fußball-Anhänger) wurde beschlossen, dass die beste Lösung sei, einen neuen Verein zu gründen. "Im Grunde genommen wurde in diesem Moment der Clapton Community Football Club geboren. Wir mussten einige Absprachen treffen, eine besteht darin, dass Clapton F.C. und unser Clapton CFC zwei völlig unterschiedliche Fußballvereine sind", fügt er hinzu.

Wir mussten also bei Null anfangen. "Wir hatten zwar alle Fans, aber kein Geld, keinen Platz und keine Spieler", erinnert sich Blowe. Schließlich bekamen sie einen Trainer, Geoff Ocran, Kapitän des vorherigen Männerteams, der viele Spieler mitbrachte. Es gelang ihnen, einen Platz in Walthamstow zu mieten, ihr erstes Freundschaftsspiel bestritten sie gegen den Holland FC. Ende Juli 2018 fand dann das erste Auswärtsspiel statt. "Das war der Startpunkt von allem. Es war ein sehr wichtiges Spiel für unsere weitere Entwicklung als Verein, denn wir trugen zum ersten Mal unser mittlerweile berühmtes Trikot zu Ehren der Internationalen Brigaden", so Blowe.

Der Verkaufserfolg der Trikots überraschte alle Vereinsmitglieder. "Die Leute haben Fotos von den Spielern auf dem Spielfeld gemacht, jemand hat das getwittert, es wurde geteilt und plötzlich ging alles rund. Innerhalb einer Woche hatten wir 6.000 Bestellungen. Die meisten davon kamen aus Spanien, aber auch aus dem Baskenland und Katalonien", erzählt er. "Ursprünglich hatten wir damit gerechnet, vielleicht 50, im besten Fall 250 T-Shirts zu verkaufen. Jetzt haben wir insgesamt 18.000 verkauft". Die Trikots sind über die Website zum Preis von 25 Pfund erhältlich.

Antifaschismus in Londons ältestem Stadion

Im Jahr 2018 musste die Konkurrenz vom Clapton F.C. auf den Besitz des Stadions "The Old Spotted Dog" verzichten, das nun vom Clapton CFC erworben wurde, unter anderem dank der Gewinne aus dem Verkauf der T-Shirts der Zweiten Republik und der Finanzierung über eine Genossenschaft. Die Funktionsweise des Vereins ist auch eines seiner Markenzeichen: "Wir haben das Amt des Präsidenten abgeschafft. Anfangs mussten wir einen Vorstand haben, weil das britische Recht aus rechtlichen Gründen keine genossenschaftlichen Strukturen anerkennt. Aber die meisten Entscheidungen wurden auf separate Komitees für verschiedene Arbeitsbereiche delegiert, wie Mitgliedschaft, Merchandising, Kommunikation, Männerteam, Frauenteam, Gelände, Rechenschaftspflicht ... wir wollten, dass alle an dem beteiligt sind, was sie gerne machen", sagt Blowe.

Antifaschismus, internationale Solidarität

clapton4Mittlerweile gibt es sogar einen Ausschuss für offenen Zugang, der sich vor allem um Frauen, Trans-Personen und nicht-binäre Spieler*innen kümmert, die zum Fußball zurückkehren, nachdem sie jahrelang nicht mehr gespielt haben. Heute spielt das Herrenteam des Clapton Comunity C.F. in der Eastern Counties League Division One South, der sechsten Liga. Das Frauenteam hingegen spielt in der Division One North der London and South East Regional Women's Football League. Im Frauen-FA-Cup gelang ihnen der größte Erfolg der Vereinsgeschichte, als sie in der dritten Runde Hounslow WFC ausschalteten.

Alles in allem ist der Clapton CFC stolz auf seinen Amateurstatus. "Wir hoffen, dass wir in den nächsten 10-15 Jahren ein paar Stufen aufsteigen können. Es gibt jedoch einige Probleme, wie Sicherheitsvorkehrungen, die Zulassung der Polizei, mehr Einschränkungen durch den Fußballverband und die Gefahr, dass der Spaß am Fußball verloren geht. Und ich glaube, die meisten Leute wollen, dass wir so lange wie möglich ein Amateurverein bleiben", betont Blowe. Im Moment können die Zuschauer die Spiele noch umsonst sehen, aber der Verein bittet um Spenden in Höhe von 4 Pfund oder einen Verzehr in der Stadionkneipe, um die Kosten des Vereins zu decken.

Blowe vermutet, dass der Verein wegen einiger politischer Äußerungen "Ärger" mit dem FA-Verband bekommen könnte. "Sie wissen, dass wir uns als antifaschistischer Fußballverein verstehen. Wir haben eine entschiedene Position zur Unterstützung der Solidarität mit Palästina eingenommen. Wir sind einer der ersten Vereine, die sich als Zone frei von zionistischer Apartheid definiert haben. Wir setzen uns stark für Einwanderung ein und sind gegen Razzien. Ich denke, je höher wir aufsteigen, desto mehr Druck wird auf uns ausgeübt, damit wir damit aufhören und einfach nur ein Fußballverein sind", sagt Blowe.

Die Identität des Clubs ergibt sich aus den Fans, aber auch aus einem Arbeiterviertel, in dem es eine lange Tradition des Kampfes gegen Rassismus und Faschismus gibt. "Die Leute, die in den 1930er Jahren nach Spanien gingen, um für die Republik zu kämpfen, wurden als Teil eines Kampfes gesehen, der auch in East London stattfand. Heute haben wir immer noch die extreme Rechte, die durch den Brexit einen großen Auftrieb erhalten hat. Und die bröckelnde Wirtschaftslage, die Krise bei den Lebenshaltungskosten und all das sind nicht gerade hilfreich. In Europa passiert das Gleiche, das ist der beste Nährboden für die Ultrarechten. Und es ist wichtig, dass die Menschen jetzt Stellung beziehen und nicht erst, wenn sie plötzlich direkt damit konfrontiert werden", erklärt Blowe.

Ihre Absicht war, den Club zu einem Anziehungspunkt für Menschen zu machen, die sich als Antifaschisten bezeichnen, aber auch zu einem Treffpunkt für verschiedene gesellschaftliche Kollektive. Sie haben an verschiedenen Kampagnen mitgewirkt, um die geplante Abschiebung von Asylbewerbern nach Ruanda zu stoppen, während der Pandemie Geld für die am stärksten benachteiligten Menschen zu sammeln und sich für das Thema Transsexualität stark zu machen. "Die Menschen suchen einen Verein, in dem einige der schlimmsten Aspekte des Fußballs wie Sexismus, Homophobie und rassistische Gesänge abgelehnt werden und in dem die gesamte Gemeinschaft an Entscheidungen teilhaben kann. Fußballvereine können großartige Erfahrungen darstellen, nicht wahr?"

Gegen das typische Geschwätz, Fußball habe nichts mit Politik zu tun, wird beim Clapton CFC argumentiert, Fußball sei Teil der Gesellschaft und könne daher nicht am Rande stehen. "Sie wollen gerne so tun, als würde der Sport isoliert vom Rest der Welt existieren. Aber zum Beispiel die Entscheidung, in diesem Land saudi-arabische Investitionen in Fußballvereinen zuzulassen, ist eindeutig politisch. Die Entscheidung, den Besitz von Fußballplätzen im Wert von mehreren Millionen zuzulassen, ohne jegliche Kontrolle, ist ebenfalls politisch. Wir sind der Ansicht, dass wir überhaupt nicht getrennt sind von der Gesellschaft, in der wir leben. Unglücklicherweise leben wir in einer Gesellschaft, in der die Prioritäten bei den Reichen liegen und nicht bei den Armen und Unterdrückten. Wir haben uns entschieden, die entgegengesetzte Position zu vertreten. Also keine rechten Mistkerle zu sein, die Migrantinnen für alles verantwortlich machen. Auch das ist auch Politik", endet Blowe.

ANMERKUNGEN:

(1) "En el este de Londres la hinchada corea ¡No pasarán!" (Im Osten Londons rufen die Fans: Sie kommen nicht durch!), Tageszeitung Gara, 2023-09-10 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Clapton CFC (collage)

(2) Clapton CFC (ccfc)

(3) Clapton CFC (razón)

(4) Clapton CFC (gara)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-09-12)

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