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Urdabai, Plentzia-Mungia und Enkarterri

Die baskische Provinz Bizkaia verfügt über 59 Orte von hohem geologischen Wert, die auch im internationalen Maßstab teilweise eine große Bedeutung haben und unbedingt erhalten werden sollten. Das Programm zur Konservierung geologischer Vielfalt der baskischen Regierung listet die Gebiete Urdaibai, Plentzia-Mungia und Enkarterri unter den Top fünf in der Autonomen Region Baskenland (CAV) auf. Gefährdet sind die geologischen Werte insbesondere von urbanistischen Eingriffen, Mülldeponien und Tourismus.

Zum Erhalt schützenswerter geologischer Orte im Baskenland hat die baskische Regierung den Katalog „Strategie der Geo-Diversität“ angelegt, in dem genaue Regeln der Benutzung oder Nichtbenutzung festgelegt sind. Enthalten sind weltweit einmalige geologische Formationen.

Einige dieser Orte befinden sich unter der Erdoberfläche, andere sind offen sichtbar. Doch trotz Sichtbarkeit gehören auch sie zu den großen Unbekannten, die die Erdelemente im Laufe vieler Jahrtausende modelliert haben. Zusammen betrachtet stellen diese Orte ein Kulturgut dar, das konserviert werden muss, so gut es geht. Innerhalb der drei baskische Provinzen der Region CAV steht Bizkaia an erster Stelle in der Inventarliste solcher Kulturgüter. Von insgesamt 150 Orten, die im Katalog „Strategie der Geo-Diversität“ aufgelistet wurden, liegen 59 in Bizkaia.

Geologische Kronjuwelen

geo02Die baskische Regierung verwaltet eine Erbschaft, die in einigen Fällen weltweite Dimensionen annimmt. Urdaibai, Plentzia-Mungia und der Landkreis Enkarterri sind offene Bücher der Erdgeschichte. Es sind die Gebiete mit der größten Dichte an geologischen Schätzen. Bis zum Jahr 2020 soll die Verwaltung dieses Kulturerbes und seiner Umgebung optimiert werden. Innerhalb der 7.200 Quadratkilometer Fläche der Region Baskenland liegen diese schützenswerten Orte in Gebieten von unterschiedlichen Schutz-Bestimmungen.

Die Liste der geologischen Juwelen beinhaltet nicht nur die einzelnen Orte. Beschrieben wird auch, ob und wie die einzelnen Objekte bedroht sind. Es wird versucht, das Risiko von Beschädigung oder Zerstörung der sogenannten „Orte von geologischem Interesse“ abzuschätzen (span: Lugares de Interés Geologico – LIG). Dazu wird die aktuelle Situation der Konservierung bewertet, sowie die Pflege und Verwaltung.

Laut der Abteilung Umwelt und Territorial-Politik der baskischen Regierung weisen 19 dieser 59 LIG-Orte aufgrund innewohnender Charakteristika eine große oder sogar sehr große Verletzbarkeit auf. Weitere 31 Objekte sind ebenfalls gefährdet, wenn auch in weniger hohem Maße. Zu den am meisten gefährdeten Zonen gehören die drei „Kronjuwelen“ der bizkainischen Landschaft: die Höhlen von Pozalagua in Karrantza, die Goikoetxea in Urdaibai, sowie die ebenfalls in Enkarterri liegende „Torca del Carlista“ (1). Diese drei von Karstgestein geprägten Orte sind außergewöhnlich empfindlich, was minimale äußere Einflüsse angeht. Teilweise ist bloßer Kontakt bereits schädlich, ebenso jegliche denkbare Änderung der natürlichen Bedingungen.

LIG Beispiel: Küstenstreifen Barrika - Punta Galea (Getxo)

geo03Es handelt sich um einen mehr als 7 Kilometer langen und etwa ein Kilometer breiten Küstenstreifen nördlich von Bilbao, der im Quartär entstand. Das Quartär ist der jüngste Zeitabschnitt der Erdgeschichte einschließlich des Holozäns und damit der Gegenwart. Die Wissenschaft, die sich mit der Erforschung des Quartärs beschäftigt, ist die Quartärforschung (Wikipedia). Konkret sind das geschätzte 50.000 bis 100.000 Jahren, als ein großer Teil des Bizkaia-Territoriums von Meer bedeckt war, so heißt es in der LIG-Beschreibung. Es handelt sich um die flächenmäßig größte geologische Formation in Bizkaia. Ihr geomorphologischer Wert ist sehr hoch. Entstehungshintergrund dieser Formationen sind die Veränderung des Meeresspiegel und tektonische Bewegungen. Was heute zu sehen ist sind abrupte Abschnitte von Steilküste von bis zu 20 Metern Höhe. An verschiedenen Stellen ist der Steinstrand über Treppen und Abstiege zu erreichen zu Betrachtung der Formationen, insbesondere am Strand von Sopela (span: Sopelana). Dieser Küstenstreifen wurde und wird weiter an vielen stellen bebaut, teilweise in völlig unverantwortlicher Weise, wie das Beispiel Sopelmar zeigt. Bei diesem aus urbanistischer Sicht äußerst attraktiven Küstenstreifen ist die Herausforderung an die Schutzfunktion des Geo-Katalogs besonders groß.

Rote Liste der gefährdeten Objekte

Die Mehrheit dieser in einer roten Liste aufgeführten gefährdeten Umgebungen liegen in Bizkaia. Für insgesamt 85 der 150 Orte gelten bestimmte Risikofaktoren. An erster Stelle stehen dabei menschliche Einflüsse, das heißt, die Folgen menschlichen Handelns. Natürliche Erosion und von Menschen verursachter Müll gefährdet ein Drittel (50) der geologisch wertvollen Orte. Wenige der hochsensiblen LIG-Orte werden hingegen von urbanistischen Maßnahmen bedroht, in dieser Hinsicht stehen nur vier zu Buche, keiner davon in Bizkaia. Was mögliche Plünderung anbelangt, werden 38 Zonen aufgeführt, die hierbei anfällig sein könnten. Dabei handelt es sich vorwiegend um uralte archäologische Fundorte, in denen es relativ einfach ist, lose aber wertvolle Elemente wie Fossilien oder Steine zu finden und zu mitzunehmen.

geo04Beim Geo-Katalog handelt es sich um Orte, Elemente oder Formationen aus den vergangenen 360 Millionen Jahren der geologischen Geschichte des Baskenlandes. Mit dem kurzfristigen Aktionsplan soll das geologische Erbe geschützt und die geologische Vielfalt garantiert werden. Dazu wurden 50 konkrete Aktionsideen aufgelistet, die sich auf den direkten Schutz und auf die Verwaltung der Objekte bezieht.

Weitere im Aktionsplan definierte Ziele sind Erziehung und Ausbildung, insbesondere hinsichtlich des aufkommenden Geo-Tourismus. Gleichzeitig soll auf internationaler Ebene die geologische Vielfalt des Baskenlandes bekannt gemacht werden. Auch ist die Liste noch lange nicht abgeschlossen. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder neue wertvolle und schützenswerte Objekte entdeckt, an teilweise schon lange bekannten Orten. Möglich gemacht haben dies neue wissenschaftliche Forschungsmethoden und neue Technologien.

LIG-Beispiel: Steinbruch Ereño

Der rote Kalkstein im Marmor-Steinbruch von Ereño, auch bekannt unter den Namen „Roter Ereño“ und „Roter Bilbao“ wurde seit dem 1. Jahrhundert vor Christus ausgebeutet, also bereits in Zeiten der römischen Kolonisierung. Dabei hatte der rötliche Marmorstein insbesondere eine Zierfunktion. Der Abbau zog sich bis in die 1980er Jahre. Ereño ist Teil des äußeren Randes des Biosphären-Reservats Urdaibai. Der Steinbruch ist ein Beispiel menschlichen Eingriffs, bei dem hochwertiges Stein-Material gefördert wurde von großem stratigraphischen und paläologischen Wert. Zur geologischen Bedeutung des Ortes kommt sein Wert als Kulturgut in der baskischen Geschichte. Im Nachbarort Gautegiz-Arteaga existieren ähnliche Fundstellen. Der ehemalige Steinbruch ist öffentlich zugänglich, der Eingang ist nicht einfach zu finden. Hier herrscht Wildwuchs, die alten Fabrikinstallationen sind eingewachsen.

LIG-Beispiel: Pozalagua-Höhle

In der Pozalagua-Höhle ist die Magie der Sedimente zu sehen. Sie liegt versteckt im Bergmassiv der Ranero-Gipfels in Karrantza (span: Carranza), im südlichen Landkreis Enkarterri (span: Encartaciones). Ihr Entstehen wird in der jüngeren Kreidezeit vor 140 bis 100 Millionen Jahren angesiedelt, die Kreidezeit ist das erdgeschichtliche Zeitalter nach dem Jura. Zu finden sind in Pozalagua verschiedene Höhlenmineralien, das heißt Mineral-Ablagerungen, die in verschiedenen Phasen entstanden sind. Im Innern der Höhle ist die weltweit größte Ansammlung von exzentrischen Stalaktiten zu finden. Entsprechend ernst genommen wird ihre Bewahrung – was nicht bedeutet, dass sie nicht besucht werden könnte. Pozalagua hat einen sehr hohen geomorphologischen und steinkundlich-petrologischen Wert.

geo05Entdeckt wurde die beeindruckend große Höhle (125 Meter lang, 70 Meter breit, 12 Meter hoch) zufällig im Jahr 1957 – bei einer Sprengung im benachbarten Steinbruch, der dennoch lange Zeit in Betrieb blieb. Durch die Sprengungen wurde ein Teil der Höhle beschädigt bzw. zerstört, viele Stalaktiten stürzten herab. Zum Komplex im Ranero-Berg gehört auch die riesige Höhle „Torca del Carlista“, in die das bilbainische Guggenheim-Museum mehrfach hineinpassen würde (500 auf 230 Meter). Sie ist nur von oben zugänglich, also nur für Höhlenforscher*innen. Um sie touristisch auszubeuten, gab es einst den Vorschlag, einen künstlichen Quereingang zu bauen, sprengen oder bohren, was unter Naturschützer*innen und Archäolog*innen heftigen Widerspruch auslöste.

Seit 1991 ist Pozalagua öffentlich zugänglich und empfängt seither Zehntausende von Besucher*innen. Umso mehr, nachdem sie 2013 von einem Reiseführer zum schönsten Winkel der iberischen Halbinsel gewählt wurde. Gerade Pozalagua macht die Problematik der touristischen Nutzung eines einzigartigen Ortes deutlich. Für den ansonsten landwirtschaftlich geprägten und etwas abseits liegenden Landkreis ist sie praktisch der beste Anziehungspunkt. Doch lockt der Ruhm der Einzigartigkeit eine Masse an Publikum an. In der bei Gernika liegenden Santimamiñe-Höhle, die Malereien aufweist, wurde das Problem auf andere Art behandelt. Nur noch ihr Eingangsbereich ist öffentlich zugänglich, die Höhle und ihre uralten Schätze werden über einem virtuellen Höhlenbesuch in Form eines Videos vorgestellt. Die Besuchsgruppen sind limitiert. Ähnliches wird in der ebenfalls spektakulären Höhle von Ekain (Gipuzkoa) praktiziert, über der Höhle ist ein ganzes Höhlen-Museum entstanden.

Der Geo-Katalog

Bis vor Kurzem gab es keine einheitliche Vorgehensweise zur Konservierung der geologischen Vielfalt im Baskenland. Das hat sich im Jahr 2014 geändert, als die baskische Regierung einen Katalog mit 150 „Orte von geologischem Interesse“ (Lugares de Interés Geológico – LIG) anlegte. Seither verfügt die Administration über einheitliche Kriterien für den Erhalt des geologischen Kulturguts. Verwaltet wird der Katalog von der Abteilung Umwelt und Territorial-Politik der Regierung. Deren Sprecherin hebt den universellen und themenübergreifenden Charakter der LIG-Verwaltung hervor, bei der es um Konservierung und folgenlose nachhaltige Benutzung geht innerhalb des wirtschaftlichen Entwicklungsplans für ländliche Gebiete. Es versteht sich von selbst, dass der Erfolg des Katalogs und des entsprechenden Aktionsplans steht und fällt mit der konsequenten und strengen Auslegung der Kriterien, ohne aus wirtschaftlichen oder urbanistischen Gründen Ausnahmen zu machen.

Aktionsplan Konservierung und Bewahrung

geo06Im Strategie-Dokument sind mehr als 50 konkrete Aktionskriterien genannt, die zu diesem Ziel beitragen sollen. Unterschieden wird dabei zwischen Konservierung und Bewahrung. Der erste Begriff beinhaltet eine sorgfältige Benutzung des erhaltenswerten Ortes, zu wissenschaftlichen oder erzieherischen Zwecken. Der zweite Begriff bedeutet den vollständigen Schutz des Ortes, ohne jegliche Nutzung. Das Ziel ist klar: Die Geo-Konservierung soll die Beschädigung oder Zerstörung der Orte verhindern und mögliche negative Einflüsse korrigieren und minimisieren bzw. verhindern. Die Notwendigkeit dieser Maßnahmen wurde in der Vergangenheit mehrfach deutlich. Ohne formal geregelte Schutzmechanismen haben verschiedene Orte von geologischem Wert Schaden genommen, durch Bauarbeiten, Bergbau, Sprengungen, Deponien, Steinbrüche, illegale Mineraliensammlung, touristische Infrastruktur, sportliche oder andere Arten von Nutzung.

Was auf den ersten Blick wie eine Einschränkung aussieht, kann zu einem wissenschaftlichen oder erzieherischen Vorteil und Gewinn werden, hob die Sprecherin hervor. Selbst eine sorgfältige und kontrollierte wirtschaftliche Nutzung sei dabei vorstellbar – wobei sicherlich in erster Linie an Tourismus gedacht wird, der gerade für ländliche Gebiete eine besondere Bedeutung hat, weil es dort besonders schwerfällt, Reisende anzuziehen. Die implizite Gefahr der Massifizierung ist dennoch in mehr als einem Ort deutlich geworden. Gaztelugatxe an der bizkainischen Küste oder die Salzminen von Gesaltza in Araba sind negative und warnende Beispiele. Seit Erstellung des Katalogs wurden in Bilbao und Zumaia (dem Ort der Flysch-Formationen an der Küste) Messen und Kongresse durchgeführt, um den Wert der katalogisierten Orte darzustellen.

Weltweit einmalig

Die Region „Autonome Gemeinschaft Baskenland“ (CAV) beherbergt drei der 64 weltweit existierenden sogenannten Stratotypen. Die Stratigraphie ist eine Teildisziplin der Geologie, die wichtige Methoden zur Datierung von fossilführenden Sedimentgesteinen, aber auch von fossilfreien Lavaströmen oder Vulkanaschen zur Verfügung stellt. Sie ist in eine Reihe von Teildisziplinen aufgeteilt, deren kombinierter Einsatz in Verbindung mit der Geochronologie recht genau die relative und absolute Altersbestimmung von Gesteinen und damit eine Rekonstruktion der Erdgeschichte ermöglicht (2). Bei Stratotypen handelt es sich um äußerst seltene oder einmaligen Geo-Formationen, die ein Licht werfen auf die Erdgeschichte und sie interpretierbar machen. Dazu kommen in der CAV fünf geologische Orte von internationaler Bedeutung, die im „Projekt Geosites“ dokumentiert sind (3). Dieses Kulturerbe umfasst eine Zeit von 60 Millionen Jahren des Planeten Erde.

Nach Landkreisen geordnet

Das Biosphären-Reservat Urdaibai, zum Landkreis Busturialdea gehörend, weist mit 17 Punkten die meisten geologischen Attraktionen der Provinz Bizkaia auf. Ihr folgen das Gebiet Plentzia-Mungia und Enkarterri (span: Encartaciones) mit jeweils 12 Punkten. In der Liste folgen der Großraum Bilbao (11), der Landkreis Arratia-Nerbioi (5), der Landkreis Durangaldea (3) und der Landkreis Lea-Artibai (2).

Nach Orten geordnet

Die in viele kleine Orte aufgeteilte Stadt Karrantza (span: Carranza) im Süden Bizkaias zählt 8 Punkte von geologischem Interesse, gefolgt von Bermeo, Ibarrangelu und Getxo mit jeweils 5. Danach folgt Busturialdea mit 4 LIGs.

Katalogisierung

Bei der Auswahl der „Orte von geologischem Interesse“ (LIG – Lugares de Interés Geológico) wurden geomorphologische, hidrogeologische, tektonische, stratigraphische, sedimentologische, paläontologische und petrologisch-steinkundliche Aspekte berücksichtigt. Dazu kommen mit Bergbau in Zusammenhang stehende Fundorte. (4)

Schutz der LIGs

Der Aktionsplan „Strategie der Geovielfalt“ soll den Schutz der erhaltenswerten Orte garantieren und innerhalb des wirtschaftlichen und ländlichen Entwicklungsplans Kriterien festlegen für ihren Gebrauch bzw. Besuch, ohne sie zu gefährden. 

(Publikation baskultur.info 2019-02-03)

 

ANMERKUNGEN:

(1) „Bizkaia suma 59 emplazamientos de alto interés geológico a conservar” (Bizkaia verfügt über erhaltenswerte 59 Orte von hohem geologischen Wert) Tageszeitung Deia, Imanol Fradua, 2015-09-21

(2) Stratigraphie (Wikipedia)

(3) Projekt Geosites (Link)

(4) „Orte von geologischem Interesse“ (span: Lugares de Interés Geológico), Abkz: LIG (Link)

ABBILDUNGEN:

(1) Zumaia (FAT)

(2) Pozalagua Höhle (repsol)

(3) Barrika (FAT)

(4) Urdaibai (FAT)

(5) Pozalagua Höhle (tokitan.tv)

(6) Ereño Marmor (FAT)

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