Urbane Nomaden und prekäres Leben
Was touristische Unterkünfte anbelangt ist die Internet-Plattform Airbnb mittlerweile in aller Munde. Was für Tourist*innen eine billige Pension ist, bedeutet für viele Einheimische den Verlust an Mietoptionen. Viele Immobilien-Besitzer sind bereits in das lohnende Geschäft eingestiegen. Airbnb fördert die Immobilien-Spekulation und entzieht dem Markt Mietwohnungen. Neben dem Wohnungsmangel steigen die Mieten, arme Bevölkerungsgruppen werden vertrieben, ihre ganze Lebenswelt verändert sich.
Airbnb ist ein 2008 gegründeter Community-Marktplatz zur Vermietung touristischer Unterkünfte. Sowohl private als auch gewerbliche Vermieter vermieten über die Plattform ihre Immobilie oder einen Teil davon. Mittlerweile ist Airbnb ein Milliardengeschäft, das weltweit Millionen von Vermittlungen tätigt und in vielen Städten – wie Bilbao oder Donostia – einen nachhaltig negativen Einfluss auf den Mietwohnungs-Markt ausübt.
In den wenigen Jahren ihrer Existenz haben Airbnb und ähnliche Plattformen den Wohnungsmarkt in vielen Städten weltweit nachhaltig verändert –mit dem Mietwohnungs-Markt haben sie gleichzeitig Stadtstrukturen und Lebenswelten der Bevölkerung verändert.
Als der Verband der Wohnungsbesitzer ASOVITUR (Verband der touristischen Wohnungen in Bizkaia) im Jahr 2017 in Bilbao zur Pressekonferenz einlud, ging es um die entschiedene Ablehnung einer Regierungs-Verordnung, mit der versucht werden sollte, den Wildwuchs an privaten touristischen Vermietungen einzudämmen. Die Regelung besagte, dass pro Gebäude nur eine Wohnung touristischen Zwecken zukommen darf und dies maximal im ersten Stockwerk. Für die von Wohnungsnot Betroffenen griff die Regelung viel zu kurz – für den Rechtsanwalt des Vermieterverbandes war sie ein unerträglicher Eingriff in die freie Marktwirtschaft, gegen den geklagt werden sollte.
Zur Pressekonferenz kamen nicht nur Medien, sondern auch von Preissteigerung und Wohnungsmangel betroffene Menschen, denen über Airbnb nahezu jegliche Möglichkeit genommen wird, in der Altstadt eine bezahlbare Wohnung zu finden. In einem Redebeitrag versuchten sie, ihre Situation darzustellen, stießen jedoch auf der anderen Seite auf taube Ohren. Was der Verband will ist freie Hand und freie Verfügbarkeit über Wohnungsbesitz, egal ob Nachbarn unter touristischer Dauerparty zu leiden haben, egal, wer sich die wenigen auf dem Markt verbleibenden Wohnungen überhaupt noch leisten kann. Der Beginn einer Entwicklung, die in Barcelona zum Beispiel zur faktischen Entvölkerung bestimmter Barrios geführt hat. „Eigentum ohne jegliche gesellschaftliche Verantwortung – Kapitalismus brutal“ – so der Tenor der Kritiker*innen.
Veränderungen in Bilbao und Donostia
In den Altstädten von Donostia (San Sebastian) und Bilbao hat sich in nur drei Jahren die Situation dramatisch verändert. Fast alle tauglichen Mietwohnungen gehen an Tourist*innen, der „normale“ Mietmarkt, auf den insbesondere jüngere Leute angewiesen sind, wenn sie das Elternhaus verlassen wollen, ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Mieten stiegen im Jahr 2017 in der Altstadt Bilbao um 30%, im Nachbar-Barrio Atxuri um 25%. Auch in den Arbeiter-Vierteln auf der anderen Seite des Flusses hat Airbnb Wurzeln geschlagen. Die Airbnb-Legende spricht davon, dass bedürftige Vermieter ein Zimmer der Wohnung an Tourist*innen untervermieten und es dabei sogar zu freundschaftlichen Beziehungen komme, was den Charakter einer Austausch-Wirtschaft ausmache – davon ist im Fall Bilbaos absolut nichts zu erkennen. So gut wie alle Tourismus-Wohnungen werden komplett vermietet und somit dem üblichen Mietmarkt entzogen.
Auch was die Ladenstruktur anbelangt, bieten die beiden Altstädte düstere Bilder. Alteingesessene Läden – in denen es alles zum Leben gab – weichen Geschäften für touristische Interessen. 25% der Läden bedienen direkt den Tourismus, knapp 20% stehen damit in Zusammenhang. Mieten werden drastisch erhöht, um alte Gewerbe zu vertreiben und iberischem Schinken, Souvenirs, Restaurants, Saftläden, Mini-Supermärkten oder Eisdielen Platz zu machen. Diese Tendenzen sind in den Altstädten beider Städte gleichermaßen zu beobachten. Der Unterschied zwischen den beiden Orten ist, dass sich in Bilbo neben dem Guggenheim alles auf die Altstadt konzentriert – Donostia hingegen hat aufgrund seiner Meerlage mit Kilometer langen Stränden eine weit größere Touri-Meile, die konsumiert werden kann. Hier ist Tourismus keine neue Erscheinung, sondern seit 150 Jahren bekannt.
Die Folgen von Airbnb
„Airbnb schafft urbane Nomaden und prekäres Leben”, sagt der Wissenschaftler Javier Gil, er arbeitet an einer Diplomarbeit über die spanische Fern-Universität UNED. Sein Thema: das Phänomen der touristischen Vermietung, die ganze Städte grundlegend verändert. (1) „Es stimmt nicht, dass es in Madrid keine leerstehenden Wohnungen gäbe, schau dir dieses Gebäude an“, sagt Javier Gil (Madrid 1985). Er zeigt auf den ehemaligen Patio Maravillas, ein Gebäude, das einst ein besetztes Sozialzentrum war und seit Jahren im Zentrum der Stadt leer steht. In den nächsten Tagen reicht Javier Gil seine Diplomarbeit ein, sie handelt schwerpunktmäßig von der Wohnungs-Agentur Airbnb und davon, wie durch diese Praxis Städte verändert werden. Im folgenden ein Interview mit Javier Gil. (2)
F: Wie ist Airbnb entstanden?
Das hat mit der vergangenen Wirtschaftskrise zu tun. Gleichzeitig handelt es sich auch um ein neues Subjekt auf dem Markt, das der Neoliberalismus hervorgebracht hat: als Prosument bist du gleichzeitig Produzent und Konsument (3). Du vermietest eine Wohnung und mietest dich gleichzeitig in der Wohnung eines anderen ein, im besten Fall zur Miete, um deine Ferien da zu verbringen.
A: Was ist die Neuheit daran?
Airbnb hat einen spekulativen Anteil: es entzieht dem Mietwohnungs-Markt Objekte, um sie für den touristischen Gebrauch anzubieten. Das neue daran ist, dass es Leute gibt, die das mit der eigenen Wohnung machen. Verschiedene Profile sind dabei zu erkennen. Zum Beispiel als sporadische Gastgeber: weil viele Menschen wenig Geld haben gibt es immer mehr, die ein Zimmer vermieten müssen, um die eigene Miete zu bezahlen oder die Hypothek. Es gibt immer mehr geschiedene Frauen mit Kindern. Oder städtische Nomaden: Leute, die am Wochenende ins Haus von Angehörigen gehen und die ihre eigene Wohnung über Airbnb vermieten. Was ich gesehen habe, das machen sogar Familien mit kleinen Kindern, oder Renter*innen, die wirtschaftlich sonst nicht über die Runden kommen. Das schafft prekäres Leben.
F: Handelt es sich also um eine Wirtschaft der gegenseitigen Hilfe, des gegenseitigen Austausches?
Ich habe Airbnb in mehr als 20 Städten untersucht. Wir können nicht von einem Modell des gegenseitigen Austausches sprechen (3). Das sind Märkte, auf denen Spekulation herrscht. Madrid ist ein Markt, wo viel Spekulation zu beobachten ist. Vor dem Hintergrund einer Immobilien-Spekulation, die darauf fußt, dass in vielen Stadtteilen starke Gentrifizierungsprozesse ablaufen (4). In dieser Stadt gibt es einen Eigentümer, der 200 Wohnungen kontrolliert. Gleichzeitig gibt es eine Wohnungskrise. Airbnb wird durch den Diskurs über eine angebliche „Wirtschaft des gegenseitigen Austausches“ legitimiert. Gleichzeitig wird eine Schein-Wirtschaft geschaffen. Es handelt sich um spekulative Ökonomie, bei der noch eine Portion Sensibilität verkauft wird, das Trugbild von gemeinsamer Nutzung und sozialen Beziehungen.
F: Warum das?
Die Absicht ist, den Marktcharakter zu verhüllen, der dahinter steht. Es ist wenig sinnvoll, von der Arbeit nach Hause zu kommen und die Wohnung teilen zu müssen mit Unbekannten, die alle fünf Tage wechseln. Denn die Gastgeber haben normalerweise wenig Beziehungen mit den Gästen. In der Werbung heißt es, dass dabei menschliche Beziehungen entstehen, aber in Wirklichkeit steckt nichts als wirtschaftliches Interesse dahinter. Die Ursache für dieses wirtschaftliche Interesse ist die eigene Prekarität. Der Gastgeber will nicht, sondern muss ein Zimmer vermieten, um zu überleben. Und bei den Touristen handelt es sich häufig um Leute, die sich eben kein Hotel leisten können oder wollen.
F: Kann das gebremst werden?
Klar. Wenn zum Beispiel nur Wohnungen vermietet werden dürfen, die einen ersten Wohnsitz darstellen, also bewohnt sind. Das müsste kontrolliert werden, dann würde es sich um eine Wirtschaft gegenseitigen Austausches handeln. Doch auch das könnte pervertiert werden: wir müssen uns nur vorstellen, jemand mietet sich eine Wohnung mit vier Zimmern und vermietet drei davon über Airbnb.
F: Welche Rolle spielt Airbnb hier?
In keiner der zwanzig Städte, die ich untersucht habe, gibt es ein derartig umfangreiches Airbnb-Angebot wie im Zentrumsdistrikt von Madrid. Das ist völlig aus dem Ruder gelaufen, absolut unhaltbar. Mehr als 50% des Angebots der Stadt bezieht sich auf diesen Distrikt. In einigen Barrios machen die Airbnb-Wohnungen bereits mehr als 25% der Gesamtzahl der Mietwohnungen aus. Die Tourist*innen haben in der Regel mehr Geld und wechseln auch die Stadtteile.
F: Wie läuft dieser Wandlungs-Prozess ab?
Auf ziemlich massive Weise. Die Vermieter verlängern Mietverträge nicht mehr und die Wohnung erscheint bei Airbnb. Das ist das Spannungsfeld, es handelt sich um einen sehr schnellen und weitgehend unsichtbaren Prozess. Wenn wir uns dessen bewusst werden ist es schon zu spät. Der Plan der Stadtverwaltung sieht vor, die Vermietung im Zentrum zu verbieten, aber an der Periferie wird sie zugelassen. Das ist enorm gefährlich.
F: Welchen Anteil hat Airbnb an der Immobilien-Spekulation?
Airbnb ist nicht die Ursache, aber sie dynamisiert und beschleunigt den Prozess. Spanien ist eines der Länder in Europa mit der höchsten Rate an leeren Wohnungen pro Einwohner*in. Spekulation funktioniert mit Investition, Geduld und Abwarten: je stärker die Preise steigen, desto größer die Erwartung, dass sie weiter steigen. Airbnb beschleunigt die Erwartung auf Gewinn.
Diplomarbeit über Tourismus-Wohnungen
Der Forscher Javier Gil arbeitet an einer Diplomarbeit im Bereich Innovative Technologien und gesellschaftlicher Wandel im Zusammenhang der Wirtschaftskrise: Airbnb und die Veränderungen des Neoliberalismus. Die Arbeit steht kurz vor ihrem Abschluss und wird in absehbarer Zeit als Buch herausgegeben. Während der Beschäftigung mit dem Thema entstand eine beständige Zusammenarbeit mit dem Verband der Mieterinnen und Mieter.
„Der Besitz von 30 Tourismus-Wohnungen hat nichts mehr mit einer Ökonomie des gegenseitigen Austausches zu tun”
Noelia Mochales aus Madrid ist keine Wissenschaftlerin, sondern hat mit der Verwaltung von Immobilien zu tun. Sie arbeitet beim Verband der Immobilien-Verwaltungen Madrids, zu der insgesamt 3.500 Professionelle gehören. Immobilien-Verwaltungen – so definiert Noelia Mochales – haben mit allen Fragen rund um das Gebäude zu tun: mit Nachbarschafts-Problemen, Immobilien-Spekulation, mit Geier-Fonds und natürlich auch mit Tourismus-Wohnungen und Airbnb. „Wir stehen überall im Sturm“, stellt sie fest.
Gefragt, was das größte Problem im Madrider Stadtzentrum sei, erklärt sie unmissverständlich: „Personen und Unternehmen, die ganze Gebäude kaufen und sie mit Hilfe von Airbnb und ähnlichen Plattformen als Tourismus-Wohnungen nutzen. Wenn ein Besitzer in einem Gebäude 30 oder 40 Tourismus-Wohnungen hat, dann darf das Konzept der Ökonomie des gegenseitigen Austausches nicht mehr zur Anwendung kommen. Stattdessen müsste das als Hoteleinrichtung eingestuft werden. Uns fehlt eine Regelung die besagt, dass es keine Austausch-Ökonomie mehr darstellt, wenn ein Besitzer mehr als drei Wohungen hat. Dann sollten sie auch mehr Steuern bezahlen. Die Vermietung an Touristen macht den Markt für Mietwohnungen kaputt“.
Mitverantwortlich für diese teilweise katastrophale Situation sind auch sogenannte Geier-Fonds. „Es gibt Unternehmen, die kaufen Gebäude und wollen sie selbst verwalten. Die Geier-Fonds setzen eigene Regeln bei der Verwaltung durch. Sie mögen keine im Verband organisierten Verwalter, die ihnen sagen, das und das kannst du nicht machen. Das verstößt gegen das Eigentums-Gesetz, denn in einer Eigentümer-Gemeinschaft kann sich nicht einer über alle anderen hinwegsetzen“ (4).
„Geier-Fonds greifen an“
Von den sogenannten Geier-Fonds weiß auch Alejandra Jacinto ein Lied zu singen. Sie ist Aktivistin und Rechtsanwältin bei der Plattform der Betroffenen von Hypotheken, PAH. „Geier-Fonds starten wüste Angriffe auf uns“, sagt sie unumwunden. Sie gibt Interviews vor einem Häuserblock, der an einen solchen Fond verkauft wurde und nun „entwohnt“ wird, wie solche brutalen Prozesse euphemistisch genannt werden: mit allen legalen und illegalen Mitteln werden Mieter*innen aus ihren Wohnungen gedrängt oder rausgeworfen. „Diese Fonds kamen ins Land, um sich den Abfall der Wirtschaftskrise zu sichern. Dazu gehören Einzelwohnungen, die an Banken zurückfielen als die Kreditnehmer*innen nicht mehr zahlungsfähig waren; oder auch ganze Gebäude, die von Banken, öffentlichen Unternehmen oder Privatleuten verkauft werden. Ihr einziges Ziel ist, die Leute rauszuwerfen, die dort ein ganzes Leben gelebt haben und die bislang ihrem Einkommen angemessene Mieten bezahlen. Diese Immobilien werden „geleert“, um sie dann veredelt wieder auf den Markt zu werfen, für ein anderes Publikum. Erst zur Miete, weil es ja die Spekulation gibt, später zum Verkauf. Um die Bewohner*innen rauszuwerfen wird ein regelrechtes Immobilien-Mobbing betrieben. (5)
Was versteckt sich hinter dem Begriff Prosument?
Prosumer (engl.) oder Prosument (dt.) ist ein Verbraucher (im Sinne von Konsument), der gleichzeitig auch Produzent (engl: producer) ist. Alvin Toffler führte 1980 in dem Buch „Die dritte Welle“ (The Third Wave) den Begriff ein. Er bezeichnet Personen, die gleichzeitig Konsumenten, also Verbraucher (consumer) und Produzenten, also Hersteller (producer) des von ihnen verwendeten Produkts sind. Toffler sieht den Prosumenten als eine Person an, die ein Produkt oder eine Dienstleistung erzeugt und entwirft, um sie zu verbrauchen, also für den persönlichen Gebrauch. (6)
Was bedeutet Gentrifizierung?
Als Gentrifizierung (von englisch gentry: niederer Adel), auch Gentrifikation, im Jargon auch Yuppisierung (siehe Yuppie), bezeichnet man den sozio-ökonomischen Strukturwandel großstädtischer Viertel durch eine Attraktivitäts-Steigerung für zahlungskräftigere Eigentümer und Mieter als vorher und deren anschließenden Zuzug. Damit verbunden ist der Austausch ganzer Bevölkerungsgruppen. Der teilweise als politisches Schlagwort verwendete Begriff ist in der Stadtforschung von Bedeutung und theoretisch nach wie vor nicht eindeutig erklärt. Interessant ist unter anderem, wieso und wo sie nicht stattfindet. Unter anderem ist durchaus umstritten, ob steigende Wohnungspreise Ursache oder Wirkung des Austauschprozesses sind. Erste Gentrifizierungs-Anzeichen finden sich immer schon vor den preislichen Änderungen im Wohnungsmarkt. Als wichtig gelten ebenso die Unterschiede im Habitus, im Geschmack, in den sozialen und kulturellen Ausdrucksweisen und symbolhaft inszenierten Konsumgewohnheiten von Neuankömmlingen und der bestehenden Einwohnerschaft im öffentlichen Raum. (7)
Kurze Geschichte von Airbnb
„Airbnb ist ein 2008 im kalifornischen Silicon Valley gegründeter Community-Marktplatz für Buchung und Vermietung von Unterkünften, ähnlich einem Computerreservierungssystem. Sowohl private als auch gewerbliche Anbieter vermieten dabei unter Vermittlung des Unternehmens. Nach eigenen Angaben stehen auf der Website über 4 Millionen Inserate aus über 190 Ländern zum Angebot bereit (Stand: August 2017). Airbnb ist Vertriebspartner der beiden Hotelplan-Töchter Interhome und Inter Chalet. Dazu bestehen seit 2016 Kooperationen in 11 Ländern. Die Migros wurde dadurch zur größten Anbieterin von Ferienwohnungen, welche auf Airbnb in der Schweiz angeboten werden. (1)
Airbnb wurde 2008 in San Francisco gegründet. Der eigenen Gründungslegende zufolge entstand die Idee im Oktober 2007 aufgrund eigener Erfahrungen mit einer zu teuren WG und ausgebuchten Hotels aufgrund einer gut besuchten Konferenz in San Francisco. Der ursprüngliche Name Airbedandbreakfast (englisch: Luftmatratze und Frühstück) wurde 2009 verkürzt zu Airbnb. Das Unternehmen vermittelt Unterkünfte in über 190 Ländern und über 26.000 Städten. Es stellt als Online-Plattform den Kontakt zwischen Gastgeber und Gast her und ist ausschließlich für die Abwicklung der Buchung verantwortlich. Die Transaktion findet dabei über die Plattform statt. Der Gast bezahlt den Betrag für seine Buchung per Kreditkarte an Airbnb. Dem Gastgeber wird der Betrag erst 24 Stunden nach Anreise ausgezahlt, um sicherzustellen, dass der Gast die Unterkunft so vorfindet, wie sie ihm angeboten wurde. 2013 erhob Airbnb 6–12 % von den Gästen, 3 % von den Gastgebern, insgesamt 150 Millionen Dollar bei etwa 10 Millionen Übernachtungen.
Jeder Nutzer, also Gastgeber und Gast, stellt sich auf Airbnb mit einer Profilseite dar. Gastgeber müssen zumindest ein Bild hochladen und eine Telefonnummer angeben, Gäste müssen deutlich mehr Informationen preisgeben. Gastgeber beschreiben ihre Unterkunft textuell und mithilfe von Fotos. Gast und Gastgeber können sich gegenseitig bewerten. Mit einer Rechner-Funktion kann man kalkulieren, welche Einkünfte mit der eigenen Unterkunft erzielt werden können. Seit 2011 ist es möglich, sein Profil mit sozialen Netzwerken wie Facebook zu verbinden. Dadurch wird die Anzeige der Bewertungen eines Airbnb-Nutzers durch soziale Kontakte ermöglicht.
Finanzierung und Investoren: Die ersten Finanzmittel erhielt das Unternehmen vom im Silicon Valley beheimateten Gründerzentrum Y Combinator. Weitere Kapitalgeber in den ersten Jahren nach der Gründung waren die beiden Venture-Capital-Unternehmen Andreessen Horowitz und General Catalyst, welche auf die Förderung von Start-ups spezialisiert sind, sowie die Investitionsgesellschaft DST Global. Über die Zeit erhielt das Unternehmen noch weitere signifikante Investitionen von Risikokapitalgebern, was zu einer sehr hohen Unternehmensbewertung führte und es zu einem sogenannten Einhorn unter den Start-up Unternehmen macht. Trotz der hohen Bewertung von USD 30 Milliarden gibt Airbnb an keinen Börsengang anzustreben. Stattdessen wurden Betriebsmittel in Höhe von insgesamt 1 Mrd. USD im September 2016 und März 2017 aufgenommen.
Übernahmen und Beteiligungen: Nach Übernahme des deutschen Wettbewerbers Accoleo eröffnete Airbnb im Juni 2011 mit einem Büro in Hamburg die erste Niederlassung außerhalb der USA. Per 31. Dezember 2013 wurde der Kundenservice in Europa nach Irland verlagert. Den betroffenen Mitarbeitern des Kundenservices wurde eine Stelle in Dublin angeboten, ansonsten wurde ihnen betriebsbedingt gekündigt. In Deutschland ist Airbnb heute mit einem Büro in Berlin vertreten. Im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2012 übernahm Airbnb den in London ansässigen Konkurrenten CrashPadder und konnte so sein internationales Angebot kurz danach um 6000 Einträge erweitern. Die Übernahme machte Airbnb zum größten Vermittlungsplatz in Großbritannien. Im Juli 2012 übernahm Airbnb NabeWise, ein kleines Unternehmen, das auf die Zusammenstellung von Informationen für spezielle Lokationen spezialisiert war. Mit der Übernahme wurde der Fokus auf die Bereitstellung extrem lokaler Empfehlungen für Reisende gelegt und im November 2012 ein neuer Service namens „Neighborhood“ gestartet. Ebenfalls im Juli 2012 wird bekannt, dass Airbnb das Team der Fotoblogging Seite DailyBooth übernommen hat. Das Team wird bei Airbnb integriert, der Dienst aber nicht übernommen. Im Oktober 2012 übernimmt das Unternehmen noch das Team hinter dem Empfehlungsportal Fondu.
Im Dezember 2012 wurde die Übernahme von Localmind bekannt. Localmind bot eine ortsbasierte Frage-und-Antwort-Plattform, bei der Nutzer Fragen zu bestimmten Orten online stellen konnten. Im Dezember 2014 übernimmt Airbnb dann den App-Entwickler Pencil Labs aus Cambridge. Die App war eine kombinierte Kalender und Messaging Anwendung, die eine gemeinsame Terminfindung erleichtern sollte. Im September 2015 übernimmt das Unternehmen zunächst den Reiseportal-Anbieter Vamo, der komplette Reisen mit mehreren Zielen, Hotels und Verkehrsmitteln zusammenstellt. Der Dienst wurde mit der Übernahme eingestellt und das Team wird bei Airbnb integriert. Ebenfalls im September wurde das in San Francisco beheimatete Start-up Unternehmen Lapka übernommen. Deren Fokus war die Erstellung von Sensor-Systemen, die in Kombination mit Smartphones genutzt werden konnten. Die Meldung zur Übernahme besagte, dass die Erstellung von Hardware gestoppt und das Team bei Airbnb integriert wird.
Im April 2016 wurde bekannt, dass Airbnb sich das Personal des Anbieters ChangeCoin gesichert hat. Das Unternehmen mit Bitcoin- und Blockchain-Expertise hatte an einem Dienst gearbeitet, mit dem man Trinkgelder direkt über soziale Medien wie Facebook oder Twitter verteilen kann. Im September 2016 übernimmt Airbnb das in Barcelona gegründete Unternehmen Trip4real. Trip4real bietet Citytouren von Einheimischen an und konnte mit viel Insider-Wissen bei den Kunden punkten. Das Unternehmen war zuvor auch schon als Partner auf der Airbnb-Plattform vertreten“. (1)
Kritik an Airbnb – Zweckentfremdung von Wohnraum
„In Berlin wird durch das Airbnb-Vermietungsmodell eine Vielzahl angestammter Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt. Ganze Innenstadt-Viertel sind davon betroffen, in erheblichem Ausmaß verursacht durch rechtlich fragwürdige Vermietungs-Modelle der Anbieter über Airbnb. Kritik entzündete sich daran, dass nicht mehr nur private Gastgeber auftreten, sondern sich inzwischen umfangreiche kommerzielle Strukturen entwickelt haben. Diese entziehen dem Wohnungsmarkt Raum, vor allem in den Innenstädten, wo in den für Reisende attraktivsten Vierteln die Mieten unter Druck geraten. In Berlin, Hamburg, Köln, und München werden Bußgelder bis zu 50.000 Euro für illegale Vermietungen erhoben. Wien weist in seiner Sharing-Positionierung darauf hin, dass Untervermietungen im sozialen Wohnungsbau nicht zulässig sind. In New York City ist seit 2010 die Vermietung von Wohnungen für weniger als 30 Tage verboten. Im Oktober 2016 führte die Stadt ein Gesetz ein, welches Bußgelder für illegale Vermietung von bis zu 7.500 US-Dollar vorsieht. New York ist für Airbnb mit einer Milliarde US-Dollar die umsatzstärkste Stadt in den Vereinigten Staaten.
Im August 2018 erlässt New York City aufgrund von Wohnraummangel und wuchernden Mieten ein weiteres Mal strengere Auflagen für Airbnb und vergleichbare Portale. Verlangt wird unter anderem die Offenlegung sämtlicher Transaktionen gegenüber den Behörden. Wird den Auflagen nicht Folge geleistet, drohen empfindliche Strafzahlungen in Höhe von mindestens 1.500 US-Dollar pro Monat und Wohnung für jede inakkurate Meldung. Die von Bürgermeister Bill de Blasio unterzeichneten Regelungen sollen im Februar 2019 in Kraft treten. Weiterhin wurde im August 2018 bekannt, dass 27 % der Vermietungen auf Airbnb professionelle Ganzjahres-Vermietungen kompletter Wohnungen sind“. (1)
(Publikation: Baskultur.info 2018-11-16)
ANMERKUNGEN:
(1) Airbnb (wikipedia)
(2) Interview aus: „Airbnb genera nomadas urbanos y vidas precarias“ (Airbnb schafft urbane Nomaden und prekäres Leben”, Tageszeitung El País, 6.11.2018, Miguel Angel Medina (Link)
(3) Was an diesem Artikel „Wirtschaft des gegenseitigen Austausches“ genannt wird, heißt im spanischen Original „economía colaborativa“. Für den Begriff „colaborativa“ gibt es keine direkte Übersetzung, da der deutsche Begriff „kollaborieren“ negativ besetzt ist. Nicht so im Spanischen. Hier bedeutet er Zusammenarbeit, wir benutzen in der Übersetzung deshalb die Formulierung „Wirtschaft des gegenseitigen Austausches“. (Baskultur.info)
(4) „Tener 30 pisos turísticos no es economía colaborativa” (Der Besitz von 30 Tourismus-Wohnungen hat nichts mehr mit einer Ökonomie des gegenseitigen Austausches zu tun) El País, Miguel Angel Medina, 8.10.2018 (Link)
(5) „Los fondos buitre nos están agrediendo de forma salvaje” (Die Geier-Fonds starten wüste Angriffe auf uns) Tageszeitung El Pais, 16.9.2018 (Link)
(6) Definition von Prosument (Link)
(7) Was ist Gentrifizierung (Link)
ABBILDUNGEN:
(1) Airbnb (sputniknews)
(2) Protest gg Airbnb Bilbao (FAT)
(3) Javier Gil (elpais)
(4) Airbnb-Protest Berlin (underconsideration)
(5) Alejandra Jacinto (elpais)
(6) Airbnb-Kritik (learnairbnb)
(7) Docklands Gentrifizierung (running tours)
(8) Airbnb-Collage (airbnb)
(Publikation baskultur.info 2018-11-16)