Santurtzi setzt auf Zugänglichkeit
Die Gemeindeverwaltung Santurtzi, Hafenstadt vor Bilbao, setzt auf Reisen ohne Hindernisse. Die Industrie- und Fischerei-Geschichte der Stadt ist in den vergangenen Jahren zu einer kleinen Attraktion für Reisende geworden, die einige Tausende an die Nervión-Mündung geführt hat. Immerhin hat Santurtzi den einzigen Fischereihafen des Landkreises Groß-Bilbao. Nun setzt Santurtzi auf Zugänglichkeit für Personen, die an vielen Orten Probleme haben, die üblichen Gastronomie- und Tourismus-Angebote zu nutzen.
Santurtzi ist eine Hafenstadt in Bizkaia, an der Nervión-Mündung gelegen, 14 km von Bilbao entfernt. Die Stadt bietet Reize zum Besuch, Säuger-Sichtung im Atlantik, Gastronomie und die historische Figur der Sardineras-Fischverkäuferinnen. Nun soll Santurtzi zugänglich werden für alle, auch jene, die physische Probleme haben.
Im vergangenen Jahr sorgten Besucher*innen für Einnahmen von knapp 3 Millionen Euro, 27.200 Reisende wählten die Hafenstadt zur Übernachtung. Um diesen Fluss von Reisenden aufrecht zu erhalten, arbeitet die Verwaltung seit einiger Zeit an der Bekanntmachung und Dynamisierung der touristischen Ressourcen und Reiseangebote. Dabei wird nicht nur (wie in Bilbao) auf Quantität gesetzt, sondern auch auf Qualität. Ziel ist es, das Angebot der Stadt zu verbessern und möglichst viele Bedürfnisse einzubeziehen. Dazu gehören unter anderem Personen, die an Hör- oder Augen-Problemen leiden.
Der Verantwortliche für Tourismus der Stadt nahm bei der größten staatlichen Tourismus-Ausstellung FITUR die Gelegenheit wahr, die Maßnahmen vorzustellen, die in Santurtzi (spanisch: Santurce) getroffen werden, um die Zugänglichkeit in der Stadt zu verbessern. Dies gilt für Reisende ebenso wie für Einheimische. “Wir wollen die Unternehmen zu einem Wettbewerb animieren, um das Recht zu garantieren, dass alle Menschen zu allen Orten unter gleichen Voraussetzungen Zugang haben.“
Dabei wird Zugänglichkeit in Santurtzi nicht nur unter architektonischen Gesichtspunkten gesehen, vielmehr ist die Herangehensweise global. So berichtete der Verantwortliche von einem neuen Hilfsmittel mit dem Namen “Maps’s Voice“, einem neuartigen Internet-Service, der über eine URL oder einen QR-Kode funktioniert. “Maps’s Voice“ soll einen Rundgang durch die Stadt ermöglichen, entlang der hauptsächlichen Sehenswürdigkeiten – inklusive für Personen, deren Sehkraft oder Hörvermögen eingeschränkt ist.
Ähnliches wird versucht im Bereich Gastronomie, in dem die Stadt mit ihrer Meerestradition eine Reihe von Attraktivitäten zu bieten hat. Bequem und für alle sollen diese Angebote an alle Nutzer*innen weitergereicht werden. “Unsere gastronomische Tradition umfasst verschiedene Richtungen der baskischen Kochkunst, traditionell und modern.“ Deshalb wurde innerhalb des Angebots “Maps’s Voice“ ein zweiter Service mit dem Namen “Chefs’s Voice“ ins Leben gerufen. “Chef“ steht für Chefkoch.
In verschiedenen Sprachen
Das System ist einfach: die gastronomischen Einrichtungen legen ihre Speisekarten vor, die werden je nach Zielgruppe in verschiedene Sprachen übersetzt. Dann werden die Speisekarten in den jeweiligen Sprachen aufgelesen und können über den Webservice “Chefs’s Voice“ von Interessierten abgerufen werden. “Wir versuchen eben, unsere touristischen und gastronomischen Ressourcen so gut wie möglich und unter so vielen Personen wie möglich zugänglich zu machen und sie so zu einem Besuch anzuregen. Dabei sollen alle dieselben Voraussetzungen haben, unsere Gemeinde soll in jeder Hinsicht zugänglich sein.“
Stadtgeschichte Santurtzi
Santurtzi wurde im Jahre 1075 erstmals urkundlich erwähnt. Im Mittelalter war das damalige Dorf durch Landwirtschaft und Fischerei geprägt. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert basierte auf Erzbergbau in den naheliegenden Triano-Bergen und später auf Metallverarbeitung. Die Bevölkerung stieg damals in wenigen Jahrzehnten von 500 Personen auf 50.000, Arbeitsmigrant*innen aus dem gesamten Staat kamen hierher auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Seit 1902 beherbergt die Stadt zusammen mit Zierbena den äußeren, am Meer liegenden Hafen von Bilbao, der seitdem kontinuierlich ausgebaut worden ist und zur wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes beigetragen hat. Der gemeinsame Hafen ist einer der wichtigsten Handelshäfen an der kantabrischen Nordküste.
Nie verloren hat Santurtzi seine wirtschaftliche Verbindung mit dem Meer, die in der Fischerei und im Schiffsbau ihren Ausdruck findet. Bis heute werden im Hafen relativ große Schiffe gebaut, eine kleine Fangflotte fährt regelmäßig hinaus. Kein Zufall ist es deshalb, dass Meeresausflüge für kleine Personengruppen zum regelmäßigen touristischen Angebot gehören, Wal- und Delfin-Sichtung inbegriffen.
Frauen im Fischgeschäft
Über seine Ortsgrenzen hinaus bekannt ist Santurtzi für die Sardineras, die Sardinen-Frauen. Als die Verkehrsverbindungen vor langer Zeit noch schlecht waren, trugen die Sardineras ihre Fische in riesigen Körben auf dem Kopf bis ins 14 Kilometer entfernte Bilbao, um sie dort auf dem Markt zu verkaufen. Dass gerade die Sardineras zum Wahrzeichen der Stadt geworden sind, ist beachtlich, denn in der Regel sind es Männer und Männerberufe, die die Geschichtsschreibung dominieren: die Fischer, die Bergarbeiter, die Sprengmeister. Auch bei den Sommer-Fiestas spielen die Sardineras eine wesentliche Rolle – mittels verschiedener Bilder und Monumente in der Stadt wird an ihre Geschichte erinnert.
Gastronomie
Versteht sich fast von selbst, dass eine der bekannten gastronomischen Santurtzi-Spezialitäten gegrillte Sardinen sind. Im alten Fischereihafen kann beobachtet werden, wie die Fische neben den Restaurants auf großen Holzkohle-Grills zubereitet werden. Verkehrstechnisch ist Santurtzi heutzutage bestens angebunden über Autobahn, den Renfe-Zug, die U-Bahn-Linie 2 der Metro Bilbao und die Provinzbusse von Bizkaibus. Zum Wandern laden ein: (*) die Flusspromenade, die über Portugalete und Sestao bis Bilbao führt, vorbei an der Bizkaia-Brücke, seit 2006 als Weltkulturerbe deklariert. (*) die naheliegenden Berge Serantes (451m) und Punta Lucero (307m), auf denen jeweils Ruinen von alten Bauwerken zu finden sind aus der Bergbau- und der Kriegszeit. Beide Berge sind einfach zugänglich und bieten schöne Blicke auf Meer, Strand und Nachbarberge in alle Richtungen.
ANMERKUNGEN:
(1) “Turismo sin barreras en Santurtzi” (Tourismus ohne Hürden) Tageszeitung El Correo, Marina León, 2020-01-25 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Sardineras (FAT)
(2) Fischgrill (Heraldo Aragon)
(3) Hafen Santurtzi (FAT)
(4) Werkstattschild (FAT)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-02-08)