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Neue Krimi-Trilogie aus Navarra

Ihre Krimi-Trilogie aus dem navarrischen Baztan-Tal hat der baskischen Schriftstellerin Dolores Redondo einen Riesenerfolg beschert. Eine Verfilmung läuft nun mehrteilig im deutschen Fernsehen. Die baskische Kommissarin Amaia Salazar muss in dem für seine uralten Mythen und Traditionen bekannten Baztan-Tal in den baskischen Vorpyrenäen rituelle Morde an jungen Mädchen aufklären. Dunkle Geheimnisse lauern auch in ihrer eigenen Familie.

Die baskische Schriftstellerin Dolores Redondo hat zwischen 2012 und 2014 eine Kriminal-Trilogie publiziert, die 2021 als Mehrteiler im deutschen Fernsehen vorgestellt wird. Das Geschehen spielt im navarrischen Baztan-Tal, am Fuß der Pyrenäen, ein baskischer Thriller mit Mythologie und Legenden.

Letztere scheinen in abgeschiedenen Gebieten besonders gut zu gedeihen. Zum Beispiel im Baztan-Tal in den baskischen Pyrenäen, einem der historischen Siedlungsgebiete der baskischen Volksstämme. Die Geschichten von Göttern, Dämonen, Hexen und Zauberern waren immer äußerst populär und erfreuen sich auch in aktuellen Zeiten großer Beliebtheit. Mittlerweile wirbt die Tourismus-Wirtschaft mit Orten wie der “Höllenmühle“, der “Hexenhöhle“ und dem sogenannten “Altar der schwarzen Messen“. Doch was sich dort ereignete, war alles andere als erbaulich. Das Baztan-Tal war einer jener Orte, in dem die kastilisch-katholische Inquisition vor vierhundert Jahren besonders eifrig Jagd auf vermeintliche Hexen machte. Zugarramurdi ist über das Baskenland hinaus vielen bekannt und fand Niederschlag in einem Film des bekannten baskischen Filmemachers Alex de la Iglesia. (1) (2)

Wach gehalten wird die Erinnerung an das Kapitel der Inquisition und der sogenannten Hexenverfolgung und an den damit verbundenen Aberglauben nicht zuletzt durch die Schriftstellerin Dolores Redondo (Donostia 1969). Deren Baztan-Trilogie – mittlerweile in 42 Sprachen übersetzt – wurde in Koproduktion mit dem ZDF und Arte verfilmt und ist ab 12. April 2021 an drei Montagen im Spätprogramm des ZDF zu sehen.

baztan2Kommissarin Amaia Salazar

Übersinnliche Fähigkeiten scheint auch Inspectora Amaia Salazar (Marta Etura) von der baskischen Polizei zu haben. Bevor sie sich im ersten Teil der TV-Trilogie dem toten Mädchen nähert, das nackt auf dem Waldboden neben einem Bach liegt, lässt sie ihre Hand über der Leiche schweben. Als ob sie erspüren will, ob die Ermordete ihr auf diese Weise noch irgendetwas mitteilen könnte. Ein deutliches Mitteilungsbedürfnis hatte jedenfalls der Täter. Nicht nur die Haltung der abgespreizten Arme und der nach oben gerichteten Hände des toten Mädchens spricht für eine Inszenierung. Auch das auf dem Schambereich abgelegte Gebäck zeugt davon. Amaia Salazar erkennt sofort, dass es sich um Txantxigorri handelt, eine baskische Süßspeise mit Schweinefleisch, Zucker und Zimt.

Die Scham mit Backwerk bedeckt

Txantxigorri ist ein traditionelles baskisches Backwerk, das unter anderem in Elizondo produziert wird, der Hauptstadt des Baztan-Tals. Just diesen Ort, die größte Gemeinde des Tals, hat die Inspectora vor Jahren beinahe fluchtartig verlassen, bevor sie zur Polizei ging und sogar beim FBI im Profiling ausgebildet wurde. Ausgerechnet hierher wollte sie nie zurückkehren. Doch weil es bereits kurz zuvor ein ähnliches Verbrechen gegeben hat und sich Amaia Salazar sowohl mit Serientaten als auch mit dem Baztan-Tal auskennt, wird sie genau dorthin geschickt, wo ihre Familie seit Generationen selbst eine Bäckerei betreibt.

“Das Tal der toten Mädchen“, so lautet der Titel des ersten Teils, lief vor drei Jahren bereits überaus erfolgreich im Fernsehen. “Das Tal der vergessenen Kinder“ und “Das Tal der geheimen Gräber“ sind dagegen Free-TV-Premieren. Die einzelnen Romane und Filme haben zwar jeweils auch eine in sich abgeschlossene Handlung, doch nur alle drei Teile zusammen ergeben das vollständige Ausmaß des Schreckens im Baztan-Tal. In der TV-Trilogie sorgt sich die katholische Kirche in Gestalt eines päpstlichen Abgesandten mit psychologischer Ausbildung noch immer um die seelische Verfassung der Talbewohner*innen.

Spannende Handlung und Dauerregen

Die Schönheit der abwechslungsreichen Natur und der pittoresken Gebäude von Elizondo können die Zuschauer in den Filmen allerdings nur erahnen. Regisseur Fernando González Molina hat die packende Handlung in dämmrige Farben und einen gefühlt fast fünfstündigen Dauerregen verpackt, Luiso Berdejo hat die Romane von Dolores Redondo fürs Fernsehen adaptiert. Die Sonne kann sich jedenfalls nicht durchsetzen. Immer, wenn es so aussieht, als würde sie es vielleicht gerade schaffen, sind diese Momente schon wieder vorbei.

Doch nicht nur die Bildsprache der Produktion unterscheidet sich erfrischend von der gewohnten Krimi-Kost, es gibt auch nicht die sonst übliche Normierung auf eine Länge von 87 Minuten. Bei Molina variiert sie von knapp einer Stunde und fünfzig Minuten bis hin zu zwei Stunden und zehn Minuten. Von der Stimmung her könnte es sich beinahe um eine Fortsetzung der Kinofilme “Die purpurnen Flüsse“ mit Jean Reno als Kommissar Niemans handeln. Die fließen zwar in den französischen Alpen, doch obskure Weltsichten und Glaubensfragen spielen hier wie dort eine zentrale Rolle. Und Gruften und Grabmale sind in beiden Fällen mehr als düstere Szenen-Hintergründe.

baztan3Basajaún, Tarttalo, Inguma - lauter mythische Wesen

Dasselbe gilt für die Mythologie. Hinter den Morden an den jungen Mädchen vermuten die Medien schnell den Basajaun, einen üblen Waldgeist, der angeblich mehrfach gesichtet wurde. Tatsächlich kommt es in der Baztan-Verfilmung zu diversen Verfolgungsjagden. Überhaupt ist die Trilogie voll von mythischen Wesen. Dabei wird der Basajaun Baskisch: Waldmann) noch den Göttern zugerechnet. Beim einäugigen Tarttalo handelt es sich um einen Zyklopen, der sich von menschlichem Fleisch ernährt haben soll. Der dürre und spitzohrige Inguma schließlich bezeichnet einen Dämon, der schlafenden Kindern den Atem raubt. Und eines ist sicher: die Schriftstellerin Dolores Redondo hat diese mythischen Figuren nicht grundlos bemüht.

Die Schauspielerin Marta Etura ist selbst Baskin (3). Mit der Darstellung der Inspectora Amaia Salazar wurde sie in Spanien ähnlich prominent wie die Schauspieler hinter der Netflix-Serie “Das Haus des Geldes“, die ebenso wie die Serie “Die Pest“ das außerordentliche Potenzial von Filmen und Serien von der iberischen Halbinsel zeigte. In der Baztan-Trilogie kann Marta Etura viele Facetten ihrer Fähigkeiten zeigen: als ebenso energiegeladene wie beharrliche Ermittlerin und führungsstarke Einsatzgruppen-Leiterin, als junge Mutter im Zwiespalt zwischen Beruf und Familie, als Ehefrau und Geliebte, sowie als Tochter und Schwester, die die dunklen Familien-Geheimnisse noch nicht verarbeitet hat. Kurzum: Das Spektrum reicht von reiner Liebe über ausgeprägtes Pflichtgefühl bis zu tiefster Verzweiflung.

Die Autorin Dolores Redondo

Dolores Redondo Meira (Donostia - San Sebastián, 1969) ist eine baskische Schriftstellerin (Kriminalromane), Autorin der Baztan-Trilogie und mehrfache Literatur-Preisträgerin, sie schreibt seit ihrem vierzehnten Lebensjahr. An der Universität von Deusto (Bilbao) begann sie ein Jura-Studium, das sie nicht beendete, sowie ein Gastronomie-Studium in Donostia. Sie arbeitete in verschiedenen Restaurants und führte ein eigenes, bevor sie sich ausschließlich der Literatur widmete. Seit 2006 lebt sie in Cintruénigo (bask: Zentroniko) in Süd-Navarra. (3)

baztan4Ihre literarische Laufbahn begann sie mit Kurz- und Kindergeschichten. Im Jahr 2009 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, “Los privilegios del Ángel“ (Angels Privilegien). Im Januar 2013 erschien “El guardián invisible“ (wörtlich: Der unsichtbare Wächter, deutscher Titel: Das Echo dunkler Tage: Inspectora Amaia Salazars erster Fall), der erste Band der Baztan-Trilogie. Im November desselben Jahres folgte der zweite Teil mit dem Titel “Legado en los huesos“ (wörtlich: Erbe in den Knochen, deutscher Titel: Die vergessenen Kinder). Abgeschlossen wurde die Trilogie im November 2014 mit “Ofrenda a la tormenta“ (wörtlich: Opfergabe an das Gewitter, deutscher Titel: Der nächtliche Besucher). Die drei Bände wurden insgesamt mehr als 700.000 Mal verkauft und in fünfzehn Sprachen übersetzt, darunter ins Deutsche. Die Trilogie ist inspiriert von einem realen Verbrechen, das sich 1981 in Lesaka (Navarra) ereignete.

Der deutsche Produzent Peter Nadermann, verantwortlich für die Filme der Millennium-Saga von Stieg Larsson, erwarb die Rechte für die Verfilmung fast unmittelbar nach Erscheinen des ersten Romans. Im Jahr 2017 wurde der Film “Der unsichtbare Wächter“, basierend auf dem ersten Roman der Trilogie, unter der Regie von Fernando González Molina veröffentlicht.

Die Baztan-Trilogie

“Das Echo dunkler Tage“ ist der erste Titel der Trilogie. Er beginnt mit der Entdeckung des nackten Körpers eines Mädchens (Ainhoa Elizasu) am Ufer des Flusses Baztan, der später den Namen Bidasoa annimmt. Amaia Salazar, Inspektorin der Mordkommission der Polizei von Navarra, leitet die Ermittlungen, die sie zur Rückkehr nach Elizondo zwingen, dem Ort, in dem sie geboren wurde und von dem sie immer fliehen wollte. Die Geschichte bewegt sich zwischen zwei Ebenen, der professionellen, die sich auf die Aufklärung einer Mordserie konzentriert, und der persönlichen, die in diesem Fall ebenso wichtig und überraschend wird wie der Ausgang der Ermittlungen. Sie sind ein Wettlauf gegen die Zeit, um einen Mörder zu finden. Der zeigt das erschreckende Gesicht einer brutalen Realität, während er zudem die erschreckenden Wesen der Nord-Legenden heraufbeschwört.

Teil 2 und Teil 3

Im ersten Band “Die vergessenen Kinder“ werden die Ermittlungen abgeschlossen, der zweite Teil beginnt mit dem Prozess gegen den Stiefvater der jungen Johana Márquez. Amaia wird von der Polizei vorgeladen, da der Angeklagte in der Toilette des Gerichts Selbstmord begeht und einen an die Inspektorin adressierten Zettel hinterlassen hat, mit einer einzigen Botschaft: "Tarttalo". Amaia Salazar soll seine Bedeutung entdecken, gleichzeitig erfahren wir beunruhigende Details aus ihrer Vergangenheit.

“Der nächtliche Besucher“ ist der letzte Teil der Trilogie. Er wurde der Öffentlichkeit Ende 2014 vorgestellt. Die Autorin kündigte an, dass sie während der Präsentation den Ursprung enthüllen werde, auf den die ganze Geschichte zurück geht. Damit die Leser*innen verstehen, dass der Roman, so viele magische Elemente auch auftauchen mögen, überaus real und aktuell ist.

baztan5Die Nordwand des Herzens

Dieser Roman (Original: La cara norte del corazón) ist eine Art von Epilog der Baztan-Trilogie. Er offenbart der Leserschaft die Anfänge von Amaia Salazars Polizeikarriere und die Gründe, die ihre Tante Engrasi dazu veranlassten, Amaia aus dem Baztan-Tal wegzuschicken. Im August 2005, lange vor den Verbrechen, die das Tal schockieren, nimmt die 25-jährige Unterinspektorin Amaia Salazar an einem Austauschkurs für Europol-Beamte an einer FBI-Akademie in den USA teil. Einer der Tests besteht darin, den realen Fall eines Serienmörders zu studieren, der immer während großer Naturkatastrophen zuschlägt. Wegen ihres Scharfsinns wird Amaia Teil des Ermittlerteams. Am Vorabend des schlimmsten Hurrikans der US-Geschichte (Katrina) kommt sie nach New Orleans, um zu versuchen, das nächste Verbrechen des Mörders zu verhindern. Ein Anruf ihrer Tante aus Elizondo weckt die Geister der Vergangenheit, Amaia sieht sich der Angst und Erinnerungen ihrer Kindheit ausgesetzt. Sie ist konfrontiert mit der feindseligen Haltung ihrer US-Kollegen, der dantesken Landschaft des Hurrikans und ihrer eigenen Geschichte.

PS: Die Trilogie wird aktuell – April 2021 – montags im ZDF ausgestrahlt, im spanischen Staat lief sie 2019.

 

ANMERKUNGEN:

(1) “Die toten Mädchen aus dem Baskenland“, Tagesspiegel 2021-04-11 (LINK)

(2) “Zugarramurdi” (Die Hexen von Zugarramurdi) Alex de la Iglesia (LINK)

(3) Dolores Redondo (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Baztan-Trilogie (zdf)

(2) Baztan-Trilogie (espinof)

(3) Elizondo (pinterest)

(4) Baztan-Trilogie (deia)

(5) Baztan-Trilogie (zdf)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-04-15)

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