Bußgelder wegen irregulärer Vermietung
Der Massentourismus hat längst das Baskenland erreicht. San Sebastian schon länger, nun ist Bilbao immer mehr im internationalen Blickfang. Gentrifizierung, AIRBNB, Wohnungsarmut, Preissteigerungen und Vertreibung einheimischer Bevölkerung aus den Zentren sind die Schlagworte, die die öffentliche Diskussion markieren. Die baskische Regierung hat nun begonnen, Strafen zu verhängen gegenüber Eigentümern von Tourismus-Wohnungen, die illegal oder irregulär vermietet werden. Eine überfällige Maßnahme.
Massentourismus hat für die einheimische Bevölkerung verschiedene Auswirkungen. Eine davon ist, dass Mietpreise steigen und Wohnungen bevorzugt an Reisende vermietet werden, weil der Profit unvergleichbar höher ist. Viele Mietwohnungen – in den historischen Altstädten zum Beispiel – gehen fast ausschließlich an den Tourismus.
Gemäß den Vorgaben und Normen, die sie selbst im Zusammenhang mit Vermietung an Tourist*innen vor zwei Jahren beschloss, ist die baskische Regierung jetzt dazu übergegangen, Verstöße mit Bußgeldern zu bestrafen. Die Eigentümer*innen von 65 Wohnungen wurden zuletzt mit Bußgeldern von 10.000 Euro belegt. Die Mehrzahl dieser Strafen beruht darauf, dass die an Reisende vermieteten Wohnungen nicht im offiziellen Tourismus-Register angemeldet waren. Andere boten mehr Schlafplätze an als offiziell genehmigt, wieder andere praktizierten betrügerische Werbung. (1)
Tourismus-Förderung
Besonders begeistert gehen die Verantwortlichen der baskischen Regierung bei ihren Sanktionen nicht vor. Denn die in Städten und Provinzen unisono praktizierte Politik besteht darin, dem Tourismus Tür und Tor zu öffnen, öffentliche Räume zu privatisieren oder zu besetzen, und die Ansiedlung entsprechender Unternehmen zu unterstützen. Ein Gleichgewicht zwischen den Interessen von Reisenden und Einheimischen gab und gibt es nicht. Letztere ziehen in jeder Hinsicht die schlechteren Karten, sei es durch den Verlust von traditionellen Geschäften, Preissteigerungen in allen Bereichen, der Unmöglichkeit eine bezahlbare Wohnung zu finden, oder dem zunehmenden Partytourismus, der von berüchtigten Regionen wie Mallorca oder Barcelona herübergeschwappt ist. Derzeit sind alle Stadt- und Provinzregierungen in der Hand der neoliberalen baskischen Christdemokraten, die rücksichtslos auf Privatisierung und Tourismus setzen.
Widerstand von unten
Deshalb mussten sich zuerst die betroffenen Anwohner*innen in Nachbarschafts-Gruppen organisieren und öffentlich deutlich machen, welche Folgen der wachsende Tourismus mit sich bringt. Erst auf ihren Druck hin kamen die Regeln der Verordnung für Tourismus-Wohnungen zustande. Diese Verordnung besteht maßgeblich aus zwei Regeln: erstens darf eine Tourismus-Wohnung maximal im ersten Stock eines Gebäudes liegen, zweitens darf es nur eine Tourismus-Wohnung pro Gebäude geben.
Die Betroffenen hätten sich weit härtere Regeln gewünscht, etwa jene, wie sie von der Stadtregierung in Madrid beschlossen wurden: Tourismus-Wohnungen müssen einen extra Eingang haben und dürfen nicht über das allgemeine Treppenhaus zugänglich sein. Eine solche Regel würde die Zahl der existierenden T-Wohnungen auf 5% reduzieren. Auch in Madrid kam die Regel letztendlich nicht durch, weil die Podemos-Regierung durch eine neoliberale abgelöst wurde. Doch wie so häufig gibt es keine Regel ohne Hintertür: Wenn die Hausbesitzer im Gebäude selbst angemeldet sind, gilt die Überlassung nicht als Tourismus-Vermietung, sondern als normale Untervermietung, für die keine extra Genehmigung erforderlich ist.
“Von irgendetwas leben“
Die Masse der Bewohner*innen von “tourismus-gefährdeten“ Stadtvierteln ist sich der Gefahr der Verdrängung noch nicht bewusst. Viele suchen sich noch eine Nische, um am Kuchen teilzuhaben, mit einer Kneipe, einem Souvenirladen, einer Eisdiele oder einem Obstgeschäft. “Von irgendwas müssen wir ja leben, nachdem uns die Industrie kaputt gegangen ist“ – bis heute wird dieser Satz hundertfach wiederholt. Das ist in verschiedener Hinsicht Unsinn. Es liegt auf der Hand, wem diese Populär-Philosophie in die Hände spielt. Die so argumentieren sind sich nicht darüber bewusst, dass sie mit ihren kleinen Geschäften die nächsten sind auf der Liste der Verdrängten. Denn die großen Ketten und reichen Investoren stehen bereits Schlange.
Von irgendetwas leben zu müssen legitimiert nicht zwangsläufig die Tendenz zu einem ungezügelten Tourismus wie in Bilbao oder Donostia. Die politisch Verantwortlichen haben immer die Möglichkeit der Dosierung, der nachhaltigen Entwicklung, des Abwägens zwischen den Interessen von Einheimischen und Reisenden. Gleichzeitig werden die Tourismus-Förderer nicht nur von den Opfern der Reise-Globalisierung kritisiert. Gegenwind erhalten sie auch von der anderen Seite. ASOVITUR, heißt der Verband, der in Bizkaia von Hauseigentümer*innen gegründet wurde. Sie klagen gegen jegliche Einschränkung, zu denen sich die Behörden auf Druck von unten entscheiden. Nach den Vorstellungen von ASOVITUR sollten sich die attraktiven Alt- und Innenstädte in Bereiche verwandeln, in denen nur Markt, Geld und Profit eine Rolle spielen – historische Altstädte als Haifischbecken, Ellenbogen-Gesellschaft, Kapitalismus pur.
Mit angezogener Bremse
Lange hatten die kritischen Stimmen der baskischen Regierung vorgeworfen, dass sie zwar Regeln aufstelle, jedoch nicht für ihre Einhaltung sorge, sprich Kontrollen und Strafen durchführe. Ein erster Schritt in diese Richtung ist nun getan. Die Mehrzahl der Sanktionsfälle – die Rede ist von 97% - werden als schwere Verstöße definiert, die Bußgelder von 10.000 Euro nach sich ziehen.
In diese Kategorie fallen 65 von insgesamt 69 Sanktionierten. Ein guter Teil davon hat sich nicht im Register für Tourismus-Wohnungen eingeschrieben, das heißt, es handelt sich um illegal vermietete Wohnungen. Ebenso viele Übeltäter boten im Internet mehr Schlafplätze an als sie im Register angegeben hatten. 6% machte in den Ausschreibungen falsche Angaben und 5% hatte keine ausreichende Versicherung abgeschlossen.
Den Extremfall bildete ein Hausbesitzer, der gleich drei irreguläre Wohnungen auf dem AIRBNB-Markt anbot, ihn treffen nun 30.000 Euro Strafe. Die übrigen Bußgelder belaufen sich zwischen 100 und 2.500 Euro und gelten als leichte Vergehen, wie dem Fehlen einer ausreichenden Kennzeichnung. Bereits vor einiger Zeit wurde ein Eigentümer erwischt, der eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnung gekauft hatte und an Reisende vermietet hatte. In solchen Wohnungen dürfen nur die Käufer leben, Untervermietungen sind generell verboten, von Vermietungen an Touristen ganz zu schweigen.
Geier-Fonds und Profitinteresse
Hauptsächlich zwei Hintergründe führen zu der beschriebenen illegalen Vermietungs-Praxis. In geringerem Maße die wirtschaftliche Notwendigkeit einzelner Familien, die Vermieten, um selbst zu überleben. In größerem Maße die krude Rücksichtslosigkeit von Eigentümer*innen, denen egal ist, ob die Nachbarn schlafen können oder nicht, oder ob sie gar ihre Wohnungen verlieren. Tatsache ist, dass Städte wie Bilbao oder Donostia (San Sebastián) in Börsenkreisen als gute Anlageorte empfohlen werden. Dies lockt Investitionsfonds an, sogenannte Geier-Fonds, die billig kaufen, die Mieter*innen rausschmeißen (“entmieten“), renovieren und dann teuer vermieten.
Investitionsfonds wie Testa oder Blackstone sind längst auf der Suche nach Anlage-Optionen. Die Fonds versprechen eine hohe Rendite, ihre Aktionäre bleiben in der Regel anonym. In Donostia wurde von einem solchen Fond Anfang des Jahres der Wohnungsbestand einer alten Immobilien-Firma aufgekauft. Die Mieter*innen müssen nun befürchten, dass sie nach und nach “entmietet“ werden, entweder über Nichtverlängerung der Mietverträge, drastische Mieterhöhungen oder andere weniger legale Maßnahmen.
Eine Grundlage dafür schuf die neoliberale postfranquistische Rajoy-Regierung. Nach deren neuem Mietgesetz wurde die maximale Mietdauer auf drei Jahre limitiert. Danach gibt es keine Verlängerung, es muss ein neuer Vertrag abgeschlossen oder ausgehandelt werden. Dabei kann die Miete willkürlich und beliebig erhöht werden. Mieter*innen müssen somit alle drei Jahre befürchten, ihre Wohnexistenz zu verlieren und ihren Lebensmittelpunkt ändern zu müssen. Die Tendenz dabei ist: raus aus dem rendite-versprechenden Zentrum, rein in die Peripherie der Armen und Ausgeschlossenen.
Weitere Bußgeld-Verfahren
Das baskische Ministerium für Tourismus, Handel und Konsum bearbeitet derzeit (März 2020) weitere 145 Fälle von möglichen irregulären Vermietungen. “Solche Verfahren beginnen erst, wenn ausreichend Anhaltspunkte vorhanden sind“, kommentiert ein Verantwortlicher. Bislang gab es nur sieben Verfahren, die nicht zu einer Sanktion geführt haben.
Nach Angaben des Ministeriums hat sich die Ziffer der Tourismus-Wohnungen stabilisiert. Im vergangenen Jahr gab es 700 Neuanmeldungen und 300 Abgänge. Aktuell gibt es somit (offiziell) 3.705 Wohnungen und Zimmer, die im Tourismus-Register der baskischen Regierung eingeschrieben sind. Mehr als die Hälfte in der Provinz Gipuzkoa, wo diese Art der Vermietung zuerst praktiziert wurde, und 1.445 in Bizkaia. Trotz dieses zahlenmäßigen Übergewichts von Gipuzkoa ereignen sich die meisten Unregelmäßigkeiten in Bizkaia. Konkret: in 80% der insgesamt 267 Verfahren, die dem Ministerium bekannt gemacht wurden.
Denunzierungs-Aufruf
Von möglichen Unregelmäßigkeiten im Vermietungsbereich erfahren die baskischen Behörden auf drei Wegen. Zum einen sind zehn Inspekteure der Behörde unterwegs, die sich im Internet über die Ausschreibungen informieren und die Angaben auf der Straße prüfen. Zweite Quelle sind Nachbar*innen, die von behördlicher Seite zur Wachsamkeit und zum Denunzieren von illegalen Praktiken aufgerufen wurden. Dafür gibt es einen Briefkasten, die Anzeigen werden auf Wunsch anonym behandelt, die Anzeigenden erfahren dabei nicht, ob es zum Verfahren kommt oder wie die Sache ausgeht. Der dritte Weg besteht in einer formalen Anzeige von Opfern illegaler Praktiken.
“Wir gegen davon aus, dass es nach unserer Verordnung in diesem Bereich zu einer Bereinigung kam, und dass sich die Lage jetzt stabilisiert.“ Dieser beruhigende Satz ist aus dem Ministerium zu hören. Die unzufriedenen Nachbar*innen und Aktivist*innen in den Altstädten der großen baskischen Städte können darüber nur bitter lachen. Selbst wenn die Vermietungs-Tendenz zu einem Stillstand gekommen wäre, sind die Folgen der Praxis der vergangenen 5 bis 10 Jahre derart schwerwiegend, dass nur eine politische Trendwende zu einer Erleichterung auf dem Laden- und Wohnungs-Markt führen könnte.
Partytourismus
Denn der Markt für Mietwohnungen ist bereits vor Jahren zum Erliegen gekommen, es werden Preissteigerungen bis zu 40% pro Jahr verzeichnet, ein Hotel nach dem anderen wird eröffnet, der traditionelle Handel wird verdrängt, junge Menschen aus prekären Arbeitswelten haben keine Chance auf eine Wohnung. Weil sich die Wohnsituation, insbesondere durch Partytourismus, derart verschlechtert, haben die ersten Betroffenen nach jahrelangem Leiden ihre Wohnungen verkauft und sind weggezogen.
Die Inspektionstätigkeit der behördlichen Kontrolleure hat sicher dazu beigetragen, dass Wohnungen aus dem Register abgemeldet wurden, aus Angst, bei Unregelmäßigkeiten erwischt zu werden: in Bizkaia waren es 76 Abgänge. Nach der Regelung “Erster Stock / Eine Wohnung“ stellten die Inspektoren fest, dass einige Eigentümer ein Einzelzimmer registrierten, in ihrer Ausschreibung im Internet jedoch eine ganze Wohnung anboten.
Zahlen aus den Provinzen
Insgesamt 3.705 Wohnungen und Einzelzimmer sind im Tourismus-Register der baskischen Regierung eingeschrieben, 84% Wohnungen, 16% Einzelzimmer. Die Mehrzahl der Vermietungs-Objekte (2.236) sind in den Hauptstädten zu finden. Nach Provinzen betrachtet liegt Gipuzkoa vorne mit 2.085 Objekten und einem Anteil von 56%. In Bizkaia sind es 1.455 Mietobjekte, in der Südprovinz Araba (span: Álava) mit der baskischen Hauptstadt Vitoria-Gasteiz sind es lediglich 166, weil es hier keinen relevanten internationalen Tourismus gibt.
Die Kontrollen haben zu 76 Abmeldungen in Bizkaia, 36 in Gipuzkoa und 5 in Araba geführt. Das alles vor dem Hintergrund einer touristischen Hochkonjunktur. Die Rekordzahlen an Besucher*innen sind für touristische Vermietungen der beste Rückenwind. Im Jahr 2019 verzeichnete die Autonome Gemeinschaft Baskenland (Araba, Bizkaia, Gipuzkoa) 3,8 Millionen Reisende und 8 Millionen Übernachtungen, fast das Doppelte wie vor 10 Jahren.
Tendenzen
Die Zeiten, in denen Tourismus eine Frage der Jahreszeit war, sind definitiv vorbei. Der Strom von Besuchsgruppen zieht sich mittlerweile 12 Monate lang durch die Altstädte, Märkte und berühmten Museen – mit Hochkonjunkturen an Ostern, Weihnachten und in den Sommermonaten. Das Zauberwort heißt Citybreak, Kurztrips von Freitag bis Montag. In Bilbao konzentriert sich die Masse auf die Umgebung des Guggenheim-Museums (kein Wohngebiet) und auf die kleine Altstadt, die völlig überfüllt, überlastet und übersättigt ist. An manchen Tagen ist es kaum mehr möglich, “normal“ durch die Altstadt zu gehen in Anbetracht der riesigen bis zu 50 Personen zählenden Besuchsgruppen, die von Reisebussen dutzendweise ausgespuckt werden. Die Übersättigung der Altstadt hat mittlerweile zu einer Überquerung des Flusses in die Arbeiterviertel der Stadt geführt. Der von den Behörden vor langer Zeit initiierte Gentrifizierungs- und Verdrängungs-Prozess dieser migrantenreichen Stadtteile erlebt somit einen extra Anschub. Die Lebens-, Wohn- und Schlafinteressen der Anwohner*innen touristischer Ziele zählen dabei wenig bis gar nicht.
ANMERKUNGEN:
(1) Information aus dem Artikel “El Gobierno vasco multa con hasta 30.000 euros a los titulares de 65 pisos turísticos irregulares” (Die baskische Regierung verhängt Bußgelder bis zu 30.000 Euro gegen Eigentümer von irregulären Tourismus-Wohnungen), Tageszeitung El Correo, 2020-02-17 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Altstadt zu verkaufen (FAT)
(2) Anti-Tourismus Plakat (FAT)
(3) VT- Kennzeichnung T-Wohnung (FAT)
(4) Multis raus, Plakat (FAT)
(5) VT- Kennzeichnung T-Wohnung (FAT)
(6) VT- Kennzeichnung T-Wohnung (FAT)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2020-03-18)