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300 Militärs bei San-Fermín-Fiesta

Nazi-Deutschland spielte im Spanienkrieg nach dem Franco-Militärputsch von 1936 mit der Entsendung der Luft-Einsatz-Truppe Legion Condor eine entscheidende Rolle. Nach 1939 ließen die Nazis das durch drei Kriegsjahre zerstörte Land die Rechnung bezahlen. Zum einen in barer Münze, vor allem aber in Form von Naturalien aller Art, die sie für ihre Feldzüge in den Osten brauchten. Nazifürsten besuchten das Baskenland, Spanien und Katalonien, um Freundschaften zu pflegen und sich feiern zu lassen.

Trotz laufendem Angriffskrieg an der Ostfront ließen sich die Nazis 1940 im befreundeten Franco-Land einen ganz besonderen Auftritt nicht nehmen. Ein beachtliches Aufgebot von 300 Nazis nahm an den Fiestas von Pamplona (Iruñea) teil und feierte ungehemmt.

Eine auffällig große Gruppe von Nazis drückte 1940 den Fiestas von Pamplona (baskisch: Iruñea) ihren Stempel auf. Die damaligen Tageszeitungen beschrieben, wie die Militärs die Disziplin einen Moment lang beiseite ließen und „wie die Wilden zu den ortsüblichen Fiesta-Liedern tanzten“. Währenddessen wurden die Nazi-Chefs von ihren franquistischen Gastgebern fürstlich bewirtet.

Hemingways Fiesta

naz02Viele sagen, es sei Ernest Hemingway gewesen, der mit seinem Roman „The sun also rises“ die Fiestas von San Fermin in Pamplona weltweit bekannt gemacht hätte. Auf Spanisch wie auch auf Deutsch wurde der Roman schlicht mit „Fiesta“ betitelt. Es war Hemingways zweiter Roman und tatsächlich jenes Werk, das ihn berühmt machte, nachdem sein Erstlingswerk „The torrents of sping“ (Die Sturmfluten des Frühlings) – ebenfalls 1926 publiziert – eher zurückhaltend aufgenommen worden war. Drei Jahre danach bestätigte der US-amerikanische Schriftsteller seinen Weltruhm mit „A farewell to arms“ (In einem anderen Land). (1)

Obwohl die schriftstellerische Karriere von Hemingway gerade erst begonnen hatte – den Pulitzer-Preis erhielt er erst 1953 – war er im Deutschland des Jahres 1933 durchaus schon bekannt. Bekannt genug jedenfalls, um zusehen zu müssen, wie die Nazis seine bis dahin publizierten Werke bei der berüchtigten Bücherverbrennung am 10. Mai am Opernplatz in Berlin mit auf den Scheiterhaufen warfen. Verbrannt wurden die Bücher des Nordamerikaners, weil sie in den Augen der Nazis „ein Beispiel der modernen Dekadenz“ darstellten.

Doch scheinbar wurden ein paar Exemplare von „Fiesta“ auch in Nazi-Deutschland vor den Flammen gerettet. Diesen Schluss legt die Tatsache nahe, dass ausgerechnet im Kriegsjahr 1940 etwa 300 Nazi-Militärs die von Hemingway beschriebenen Fiestas von Pamplona innigst genossen. Die Tageszeitung „Diario de Navarra“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 9. Juli jenes Jahres von deren Streifzügen und von der erstklassigen Bewirtung der deutschen Faschisten durch die lokalen Behörden.

Die Nazi-Fiesta

naz03„Mitten im morgendlichen Nieselregen von San Fermín begannen die deutschen Soldaten mit ihren Streifzügen – dieselben großen, stillen blonden, die wir aus den Presseberichten von Prag, Warschau, Den Haag, Brüssel, Paris und Hendaye kennen“, schrieb der Chronist der besagten Zeitung, der seine Begeisterung über den Vormarsch der nazideutschen Truppen in keinster Weise versteckte. „Jene Städte eines grünen Europa sahen sie vorbeimarschieren mit dem Recht der Eroberung. Pamplona, mitten im Licht des goldenen Weizens, bereitete ihnen einen brüderlichen Empfang“, so der emotional aufgewühlte Kommentar.

In Anbetracht der hingebungsvollen Worte des Schreibers ist nicht leicht herauszufinden, weshalb jene 300 Nazi-Militärs in der navarrischen Hauptstadt Halt machten. Offizielle Begründung war, „die Stadt habe eine Einladung ausgesprochen, an den Fiestas teilzunehmen. Denn in ihrem Schmerz, in den unheilvollen Tagen des Spanienkrieges hätten die deutschen Legionäre sich bemüht, diese Fiestas eines Tages überhaupt erst möglich zu machen“. Wichtig ist die Erinnerung, dass sich die Diktatoren Francisco Franco und Adolf Hitler zu wenige Zeit später in Hendaye (bask: Hendaia) trafen, um ihre weitere Zusammenarbeit im 2. Weltkrieg zu koordinieren (2).

naz04Nur drei Monate nach dem Stelldichein bei den Fiestas von Pamplona fand jenes Treffen statt. Kurz vor dem Führer-Gipfel von Hendaia war Heinrich Himmler im navarrischen Alsasua (bask: Altsasu, West-Navarra). Nicht bekannt ist, ob er mit der Bevölkerung in Kontakt kam oder ob er lediglich am Bahnhof auftauchte. Jedenfalls genoss er ein Mittagessen mit den Zivil-Gouverneur. Von einem weiteren Himmler-Besuch in Donostia (span: San Sebastian) im Jahr 1940 ist eine ganze Reihe von Fotos überliefert.

Auch in Katalonien

Lange nicht nur im Baskenland hinterließen die Nazis in den 1940er Jahren ihre Spuren. Bei der Suche nach historischen Dokumenten fanden katalanische Geschichtswissenschaftler im Archiv der Hauptstadt Barcelona zufällig Fotos von einem Himmler-Besuch aus dem Folgejahr 1941. Der Hitler-Vertraute und Organisator der Massenvernichtung in den Konzentrationslagern besuchte das Kloster Montserrat, festgehalten im Bildband „Nazis in Barcelona“. „Das ist kein angenehmes Barcelona, aber ein reales“, kommentierte die Buchautorin Mireia Capdevila. Himmler ist zu sehen bei Aufmärschen, in einem Jugendcamp und im Hotel Ritz. Anlässlich der Ausstellung des deutschen Buches wurde eine große Hakenkreuzfahne aufgezogen. Zwei Jahre später wurde im Musikpalast und im Tivoli-Theater feierlich an die Machtergreifung der Nazis erinnert. (3)

Nazideutsche Fiesta-Stimmung

naz05Zurück zu den 300 nazideutschen Besuchern. Der 8. Juli war Namenstag des Schutzherren der Fiesta, ein eminent wichtiges Ereignis, an dem das San-Fermín-Bild wie jedes Jahr durch die Straßen getragen wurde, begleitet von einem Infanterie-Regiment, Guardia-Civil-Polizisten in Ehrenuniform und einer Truppe von navarrischen Requeté-Soldaten. Das Rathaus öffnete seine Tore, um die drei Hundertschaften zum Ehrentrunk zu empfangen. Überall auf der Straße Applaus für die Hitler-Truppen: „Gruppen von jungen Burschen boten den lachenden und verblüfften Deutschen guten warmen Wein von unserer Erde“, schrieb der begeisterte Journalist. Interessant war insbesondere, dass die Nazis – obwohl sie in Uniform angekommen waren –die Disziplin ganz offenbar beiseite und sich gehen ließen, was zu folgendem Bild führte: „Navarrische Burschen mit deutschen Militärmützen und deutsche Soldaten mit Baskenmützen, Strohhüten und San-Fermín-Halstüchern um den Nacken tanzten zum Klang baskischer Dudelsäcke gemeinsam stürmisch-laute Jotas“, hieß es in der damaligen Ausgabe der Zeitung. (4)

Stierkampf

naz06Ungleich mehr Verehrung erfuhren die Deutschen in der Stierkampfarena. Vielleicht, um dem Besuch die größtmögliche Bedeutung beizumessen, wurde die Titelseite von „Diario de Navarra“ in zwei gleiche Teile aufgeteilt: ein Foto „des deutschen Militärchefs, der uns besucht hat“ in derselben Größe wie das Foto des Schutzheiligen während der Prozession. Neben dem Nazi-Kommandanten erschien der Torero Curro Caro in glänzender Bekleidung und mit rotem Halstuch, nachdem der Stierkämpfer dem Nazi von der Arena aus seinen zuletzt erlegten Stier gewidmet hatte. Im Stadion „waren alle Zuschauer zu einem langen Beifall aufgestanden. Zu hören waren die nationale Hymne und das Deutschland über alles“, berichtete „Diario de Navarra“. Dass das gesamte Publikum die Hand zum Führergruß erhoben hatte, dürfte die Nazi-Schergen beeindruckt haben.

Dabei war der Nazibesuch in Iruñea (Pamplona) alles andere als eine San-Fermín-Anekdote. Der Schriftsteller Miguel Sánchez-Ostiz dokumentierte, dass am Rathaus eine Hakenkreuz-Fahne hing. Das „Reich“ hatte eine Niederlassung in der San-Ignacio-Straße, dort hingen an bestimmten Tagen mit Feiercharakter die Hakenkreuz-Flaggen neben denen der Falange und alten spanischen Militärinsignien.

(Publikation baskultur.info 2019-02-24)

 

ANMERKUNGEN:

(1) Information aus dem Artikel „La correría de 300 nazis en las fiestas de San Fermín de 1940”, Aritz Intxusta (Die Streifzüge von 300 Nazis bei den Fiestas von San Fermin), Tageszeitung Gara 2017-03-20

(2) Treffen Hitler-Franco auf dem Bahnhof von Hendaye (bask: Hendaia) im französischen Baskenland, nachdem die Nazis Frankreich besetzt hatten (LINK)

(3) Artikel „La huella nazi de Barcelona” (Nazi-Spuren in Barcelona) La Sexta 12.07.2017 (LINK)

(4) Jota ist eine in Navarra (bask: Nafarroa) verbreitete Musik-Tradition mit Gesang und Tanz, die für ungewohnte Ohren etwas schrill wirkt und an Flamenco erinnert (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Hitler Franco Hendaye (elmundo)

(2) Nazis in Spanien (cajondecrisom)

(3) Nazis in Pamplona (gara)

(4) Himmler in Barcelona (oreneta)

(5) Nazis in Pamplona (orreaga-fundazioa)

(6) Himmler in Donostia (wikipedia)

 

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