arch memo01Archäologie des Krieges

Das Baskenland, ebenso wie alle anderen Regionen und Orte, die Schauplatz des Spanischen Krieges waren, stehen auch 79 Jahre nach dem kriegsauslösenden Putsch und 40 Jahre nach Ende der folgenden franquistischen Diktatur vor einer großen Aufgabe: die der Aufarbeitung beider Zeitepochen: es geht um die Fragen von Wahrheit, dem Schicksal der Opfer, einer demokratischen Gerechtigkeit und der Wiedergut-machung für die Opfer. Bei der Bewältigung der Aufgabe reklamiert neuerdings die Archäologie ihren Platz.

Archäologie ist die Wissenschaft, der allgemein die Erforschung längst vergangener Zeiten zugeschrieben wird, und die "mit naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Methoden die kulturelle Entwicklung der Menschheit erforscht" ist bei Wikipedia zu lesen. Seit einiger Zeit hat die Archäologie auch Einzug gehalten in die Erforschung und Aufarbeitung des Krieges von 1936 in Spanien. Dabei geht es nicht mehr um "den Menschen und seine materiellen Hinterlassenschaften, wie etwa Gebäude, Werkzeuge und Kunstwerke" (1), sondern um Leichen von Soldaten und willkürlich Ermordeten. Es geht um Schützengräben, verrostete Gewehre, Pistolengurte, Feuerzeuge und Wanderstiefel – alles Gegenstände, die Aufschluss geben können über die Identität der Toten aus der Kriegszeit, neben denen sie gefunden wurden. Die Archäologie der historischen Erinnerung ist zu einem wichtigen Pfeiler auf der Suche nach der Wahrheit geworden bei der Anstrengung, die Schicksale der Opfer nachzuzeichnen und den Nachkommen Anhaltspunkte zu geben, was ihre Großmütter und Großväter vor 80 Jahren erleben mussten.

In Gasteiz (span: Vitoria), der Hauptstadt der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) trafen sich 2014 zum ersten Mal Expertinnen der Historischen Erinnerung (Memoria Historica) und der Archäologie zum Erfahrungsaustausch, um gemeinsam nach Wegen zu suchen, das von der etablierten Politik seit Jahrzehnten vernachlässigte Thema der Aufarbeitung des Spanischen Krieges von 1936 voranzutreiben, und seine Legitimität deutlich zu machen.

Die Fakultät Geisteswissenschaften der baskischen Universität war der Ort des 1.Internationalen Kongresses über "Archäologie des Spanischen Bürgerkriegs" (bask: Espainiako Gerra Zibilaren arkeologiari buruzko nazioarteko lehen kongresua / span: I Congreso Internacional sobre Arqueología de la guerra civil española), mit dem englischen Untertitel "Gasteiz at war" (Gasteiz im Krieg) (2). Ausgangspunkt der 5-tägigen Veranstaltung (vom 9. bis 13.Dezember 2014) war die Forschungsgruppe Kulturerbe der öffentlichen baskischen Universität UPV/EHU. Von dieser Gruppe initiiert wurde das Projekt "Archäologie und Sozialisation des Erbes des Bürgerkriegs in Euskadi" (3). Zum Organisations-Kommitee des Kongresses gehörten die Uni-Dozenten Xurxo M. Ayán Vila, Agustín Azkarate Garai-Olaun, Sergio Escribano Ruiz und Carlos Tejerizo García. Wissenschaftlich vorbereitet und begleitet wurde der Kongress von den folgenden Wissenschaftlern: Víctor Fernández Martínez: Dozent für Frühgeschichte an der Complutense Universität von Madrid; Felipe Criado Boado: Forschungs-Dozent des CSIC und Direktor des Instituts für die Wissenschaft vom Kulturerbe (Ciencias del Patrimonio) von Santiago de Compostela; Bjørner Olsen: Archäologie-Professor der Universität von Tromsø in Norwegen; José María López Mazz: Antropologie-Professor der Universität Uruguay; sowie Gabriel Moshenka: Postdoktoraler Forscher der University College of London, Institute of Archaeology.
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Themen der ersten vier Vortragsreihen

Die erste Vortragsreihe stand unter dem Thema "Bestandsaufnahme: Neudefinition der Archäologie des Spanischen Bürgerkriegs" (4), folgende Themen wurden vorgetragen:
*** "Zurück in die Schützengräben: Reflexionen über die Archäologie des Spanischen Bürgerkriegs", von Dr. Alfredo González Ruibal (INCIPIT, CSIC).
*** "Warum und wofür eine Archäologie des Spanischen Bürgerkriegs? Erinnerungen aus dem Süden und von der argentinischen Klage gegen den Franquismus", von Dr. Pablo Alonso González (INCIPIT-CSIC, Universidad de Cambridge).
*** "Sechs Schlüsselargumente für eine Contra-Archäologie des Spanischen Bürgerkriegs und des Franquismus", von Dr. Carlos Marín Suárez von der Universität der Republik, Montevideo, Uruguay.
*** "Orte für Rote, Orte für Blaue: Archäologie und Erinnerung der Konzentrationslager von Muros (A Coruña)", von Pedro Fermín Maguire (Staatliche Universität Campinas, Brasilien) und Manoel Antonio Franco Fernández (unabhängiger Forscher).

Die zweite Sitzungsreihe unter dem Titel "Flaschenpost" begann mit der Projektion von zwei Dokumentarfilmen: "Ezkaba, die große Flucht aus den franquistischen Gefängnissen" (Ezkaba, la gran fuga de las cárceles franquistas) und "Das Begrabene soll blühen" (Que aflore lo enterrado) von Iñaki Alforja. Anschließend wurde eine Ausstellung unter gleichem Titel eröffnet und das Buch "Friedhof der Flaschen" (El cementerio de las botellas) vorgestellt.

Die dritte Vortragsreihe stand unter dem Thema "Forensische Anthropologie und Archäologie: "Bergung von Opfern des Spanischen Krieges":
*** Dr. Francisco Etxeberria von der baskischen Universität UPV/EHU und gleichzeitig Direktor der wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi referierte zum Thema "Archäologie und Menschenrechte: die Massengräber".
*** Rachel Ceasar von der University of California in San Francisco sprach über "Opfer des Bürgerkriegs? Leichen von Berbern, Massengräber in Marokko, spanisches Territorium".
*** "Realität und Repression: Massengräber aus dem spanischen Bürgerkrieg in Extremadura" war das Thema von Laura Muñoz Encinar, einer unabhängigen Forscherin.
*** Über "Archäologie, Erinnerung und Gesellschaft. Reflexionen am Massengrab" sprach Dr. Juan Montero, unabhängiger Forscher und Direktor des Projekts Monte de Estépar.
*** Abgeschlossen wurde die Vortragsreihe von Dr. José Ignacio Lorenzo Lizalde (Dekan der CDL in Aragón und Hugo Chauton Pérez, Archäologe von PROESZA mit dem Referat "Archäologie des Bürgerkriegs in Aragon: Gräber, Opfer und Enklaven".

In der vierten Vortragsreihe sollte es gehen um "Kämpfe an allen Fronten":
*** Dazu referierte Dr. Francesc Xavier Hernàndez Cardona von der Abteilung DIDPATRI der Universität Barcelona zum Thema "Luft-Archäologie der Bürgerkriegs in Katalonien".
*** Das Thema "Architektur für die Zeit nach dem Krieg: Energie, Kapital, Sklaven und Siedler" stellte José Señorán Martín von der Complutense Universität Madrid vor, zusammen mit Álvaro Falquina Aparicio, einem unabhängigen Forscher und Dr. Xurxo M. Ayán Vila von der Gruppe GPAC der baskischen Universität UPV/EHU.
*** María del Carmen Rojo Ariza Rojo von DIDPATRI der Universität Barcelona präsentierte das Thema "Archäologie in der Ebro-Schlacht".
*** "Archäologie der republikanischen Verteidigungskräfte südlich von Mijares in Olba, Teruel" wurde vorgestellt von Miguel Mezquida Fernández, dem Archäologen und Direktor der Gruppe zur Wiederaneignung der historischen Erinnerung in Valencia.
*** Über "Archäologie der Internationalen Brigaden: Belchite 1937-1938" referierten Dr. Alfredo González Ruibal (INCIPIT, CSIC) und Salvatore Garfi vom International Brigades Archaeological Project, sowie Pedro Rodríguez Simón (unabhängiger Forscher).
*** Jorge Morín, Rafael Barroso, Jesús Carrobles, José Ramos, José L. Isabel und Luis Antonio Ruiz von der Abteilung Archäologie, Paläontologie und Kultur von AUDEMA referierten über "Nach dem Alcázar. Der Bürgerkrieg in Toledo (1936-1939): Vorschlag einer Methodologie zum Studium von Kriegslandschaften".
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Aranzadi – Wissenschaftliche Gesellschaft

Die wissenschaftliche Gesellschaft Aranzadi (5) stellte auf dem Kongress eine Expertise vor, mit dem Titel "Archäologie an der Front. Ausgrabung von Kämpfern aus den Schlachtfeldern". Unter der Überschrift "Die Zeit spielt gegen uns, dazu kommt der Mangel an finanziellen Mitteln" publizierte die baskische Tageszeitung GARA (bask: Wir sind) ein Interview mit Jimmy Jiménez Sanchez, Wissenschaftler von Aranzadi (6). Sanchez ist seit mehr als einem Jahrzehnt damit beschäftigt, die Wahrheit auszugraben. Kenntnisse und Wahrheit über die Ereignisse im Baskenland während des faschistischen Aufstands von 1936 und der folgenden Diktatur sollen an die nachkommenden Generationen weiter gegeben werden.

Gara: Ein Kongress über Archäologie des Spanischen Krieges von 1936 – mit welcher Zielsetzung?
JJS: Der Kongress hatte zum Ziel, eine Übersicht zu geben, wie im gesamten Staat archäologische Methoden im Forschungsbereich Spanischer Bürgerkrieg angewandt werden: die Ausgrabung von Massengräbern, die Instandsetzung von Schützengräben, die Ausgrabung von Kämpferleichen, die in diesen Schützengräben gefunden werden. Der Austausch von Information und Erfahrung auf diesem Gebiet ist sehr hilfreich.

Gara: Die Anwendung von Archäologie zur Auffindung von Resten aus dem Krieg von 1936 ist relativ neu. Welche Ergebnisse bringt diese neue Herangehensweise?
JJS: Wir arbeiten an den Massengräbern, die im Zusammenhang stehen mit dem Krieg im Baskenland. Dabei versuchen wir, die Ereignisse und das was wir finden in verschiedene Kategorien einzuordnen, je nach dem, was wir in den Gräbern finden (7). In Bizkaia zum Beispiel liegen in den meisten Gräbern die Leichen von Milizionären der baskischen Armee. In Araba und Navarra hingegen war der Kriegsverlauf völlig verschieden. In Araba, mit Ausnahme einiger Grenzorte mit Bizkaia und Gipuzkoa, in denen es tatsächlich eine Front und Gefechte gab, kam es ausschließlich zu Exekutionen und zu Zwangsverschwundenen. Wir nennen diese Situation Repression in der Nachhut. Die Fundorte unterscheiden sich stark von denen von Kämpfern, vor allem an der geografischen Grenze zu Bizkaia, wo sich über mehrere Monate hinweg die Grenze oder Front befand zwischen dem republikanischen und dem franquistischen Baskenland.
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Gara: Eure Arbeit hat viele Facetten.
JJS: Wir kümmern uns um einen Teil dieser umfangreichen Arbeit, die noch zu tun ist. Wir wollen dazu beitragen, dass die Wahrheit ans Licht kommt, und Wissen vermitteln. In vielen Situationen widersprechen unsere Erkenntnisse dem, was bisher von der Geschichtsschreibung der Sieger publiziert wurde. In anderen Fällen können wir deren Versionen bestätigen.

Gara: Zum Beispiel?
JJS: Ich habe vor allem an der Hebung von Massengräbern gearbeitet. Eine der großen Fragen, vor der wir stehen, ist die Frage nach der Zahl der Opfer. Es scheint, dass die Tragödie an der Zahl der Opfer gemessen wird, die zu Tode kamen. Ich sage: eine Tragödie ist eine Tragödie. In einigen Fällen wurden bestimmte Zahlen für eine bestimmte These oder Bewertung der Geschichte benutzt. Zum Beispiel, dass es eine brutale Repression gab und dass Tausende und Abertausende von Personen umgebracht wurden. Das Problem ist, wenn hinterher die Archäologie kommt und feststellt, dass es sich um hundert Tote handelte. Das soll nicht heißen, dass hundert Tote nicht ernst zu nehmen wären. Aber ein Massaker an Tausenden könnte dann ausgeschlossen werden, wenn es keine wissenschaftlichen und physischen Beweise gibt, die das belegen.

Gara: Was die Fundstellen von Kämpfern anbelangt, steht für Aranzadi ein konkretes Inspektions-Projekt in Bizkaia an.
JJS: Richtig. Das Projekt geht auf eine Initiative von Privatpersonen zurück, die seit vielen Jahren Nachforschungen angestellt haben in den Gebieten, wo in Bizkaia Fronten verliefen. Sie haben sich mit Aranzadi in Verbindung gesetzt und vorgeschlagen, ihre Sucharbeiten zu formalisieren. Es ist eine Möglichkeit, sich unter den Schirm einer Organisation wie Aranzadi zu stellen, die materielle Mittel zur Verfügung hat und die diesen Personen einen Aktionsraum verschafft. Denn bei ihrer Suche an den Schützengräben der Berge brauchen sie einen legalen Rahmen, sie wollen nicht Plünderer genannt werden. Bei dieser Arbeit sichert Aranzandi den akademischen und wissenschaftlichen Anteil. Gleichzeitig arbeiten hier Leute, die zwar keine Historiker, Archäologen oder andere Experten sind, die sich aber seit Jahren mit dem Thema Krieg von 1936 befassen und die im Laufe der Zeit zu Experten in Ballistik wurden und die Kampf-Batallione jeder Zone genau kennen. Die Arbeit dieser Personen erleichtert unsere Arbeit.
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Gara: Gibt es viel Interesse am Thema?
JJS: Es gibt viele, denen das Thema wichtig ist, insofern ist das Interesse groß. Die Amateursucher sind sich bewusst, dass sie möglicherweise vor dem Fund einer Leiche stehen, wenn sie eine Gürtelschnalle finden, einen Patronengurt oder eine Geschosshülse. Wenn irgendwo ein kleiner Knochen auftaucht, und sei er noch so klein, setzen sie sich mit uns in Verbindung und fragen, ob der Knochen zu einem Tier gehören kann oder menschlichen Ursprungs ist. Zumindest diese Phase der Schulung haben wir erfolgreich hinter uns.

Gara: Die Exhumierung und Identifizierung von Resten von Repressionsopfern ist eine anerkannte und respektierte Arbeit.
JJS: Im Idealfall sollten wir alle gefundenen Leichen identifizieren können, doch das ist nicht immer möglich. Denn viel Zeit ist seither vergangen, Familien sind weggezogen ... Wir müssen uns bewusst sein, dass die Kämpfer meist junge Menschen waren, unverheiratet, das erschwert die Ermittlung von Angehörigen. Konkrete Massengräber oder Fundstellen werden dann angegangen, wenn es von Seiten von Personen oder Familien den Wunsch nach genaueren Erkenntnissen gibt. Die wollen wissen, was mit einer ganz konkreten Person geschah und sind äußerst dankbar für unsere Arbeit (8). Das gibt uns das Gefühl etwas Nützliches zu tun.

Gara: Aber bei dieser Arbeit spielt die Zeit gegen euch.
JJS: Selbstverständlich. Es gibt Vieles, was untersucht werden muss. Und vieles was schon nicht mehr untersucht werden kann. Wir sind spät dran, denn nicht alles ist dokumentiert und aufbewahrt. Oft ist die Information Teil der Erinnerung von Familien oder Personen. Das heißt, wenn die Zeugen verschwinden, verschwinden auch die Geschichten und Erinnerungen. Wir bleiben bei unseren Bemühungen und versuchen, neue Untersuchungsmethoden zu finden.

Gara: Auf dem Kongress wurde deutlich, dass dies nicht die einzige Schweirigkeit bei der Arbeit ist.
JJS: Die Zeit ist ein Problem. Ein anderes Problem sind die fehlenden finanziellen Mittel. Das verhindert bessere Kontinuität und Effektivität bei unserer Arbeit. Auf dem Kongress wurde viel über das Thema gesprochen. Manchmal scheint es, als wären wir eine NGO mit viel freiwilliger Motivation, Leute, die so ihre Freizeit verbringen. Tatsächlich wenden wir viel Zeit auf, wir verschenken Zeit. Klar, das limitiert die anstehende Arbeit. Auf der anderen Seite macht es deutlich, dass gar nicht so viel Geld nötig ist. Ein weiteres Problem ist, dass an einigen möglichen Fundstellen Gebäude oder Straßen gebaut wurden. Das macht Untersuchungen oder Ausgrabungen vollends unmöglich. Im Baskenland wurden diesbezüglich nicht so viele Untaten begangen wie in anderen Regionen des spanischen Staates, wo Straffreiheit das einzige Prinzip ist. Straffreiheit war das Prinzip, mit dem der Franquismus vierzig Jahre lang funktioniert hat. Aber auch in vierzig Jahren Demokratie hat sich nichts verändert. Bis heute nicht. Die Straflosigkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen dominiert bis heute alles.

Gara: Und die Angst?
JJS: Richtig. Bis heute existiert eine Angst, die alten Wunden zur Sprache zu bringen. Mit allen möglichen Beschimpfungen wurden wir über die Jahre belegt. An manchen Orten hat sich die Haltung der Leute verändert. In ländlichen Gegenden, wo sich alle gegenseitig kennen, ist diese Angst weiter verbreitet. Wenn wir kommen, um Zeugenaussagen aufzunehmen, wenn Leute ihre Geschichten und Erinnerungen erzählen, vermeiden sie es konkrete Namen zu nennen. Für mich ist das ein eindeutiges Zeichen, dass die Wunde nicht geschlossen ist und dass es eine demokratische Leerstelle gibt, die verhindert, dass Leute sich frei äußern.
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Zweiter Teil des Kongress-Programms

Die fünfte Vortragsreihe beschäftigte sich mit dem Themenbereich "Kollektive Archäologie in Euskadi":
*** Xabier Herrero von der baskischen Universität EHU/UPV sprach über "Bewertung des Erbes des Bürgerkriegs in Euskadi: eine Übersicht".
*** "Der Eiserne Ring in Ugao-Miraballes: Nachbarn betrachten die Hinterlassenschaften ihrer Umgebung" war das Thema von Iñaki García Uribe und Ricardo Zárate Casado vom Verein Eiserner Ring Ugao (Asociación Burdin Hesia Ugaon).
*** Für das Referat "Archäologie an der Front. Ausgrabung von Kämpfern aus den Schlachtfeldern" zeichnete verantwortlich Jimmy Jiménez Sánchez von der Wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi.
*** Das Referat "Wiederherstellung des Berges Lemoatx: ein Vorschlag aus der Bevölkerung" hielten der Jugendbeauftragte der Stadtverwaltung Lemoa, Mikel García sowie Mikel Diego, Geschichts-Doktorand.
*** Julia Monje, Jon Etxezarraga und Josuren Murgizu berichteten über die Erfahrungen des Vereins zur Wiederaneignung der historischen Erinnerung Intxorta 1937 bei der Arbeit in ihrem Heimatort.

Die sechste Vortragsreihe beschäftigte sich mit "Kollektiver Archäologie":
*** "Wiederaneignung der historischen Erinnerung: ein Prozess von unten", Vortrag von Emilio Silva Barrera von der Vereinigung für die Wiederaneignung der historischen Erinnerung.
*** "Vom Bankrott zum BIC: Erfahrungen des Erinnerungs-Vereins Konzentrationslager
Castuela", ein Referat von Guillermo León Cáceres und Antonio López, beide vom Verein AMECADEC.
*** "Etwas mehr als die kantabrische Maginot-Linie: Erfahrungen der asturischen Vereinigung zur Erinnerung an die Militär-Architektur 1936/1937" (Asociación para la Recuperación de la Arquitectura Militar asturiana 1936/1937), ein Vortrag von Guillermo Herrero Fernández und Álvaro Díez González vom Verein ARAMA.
*** "Galicien: Besonderheiten der geschichtlichen Erforschung und Exhumierungsprozesse", ein Referat von Carmen García Rodeja und René Pacheco von ARMH, der Vereinigung für die Wiederaneignung der historischen Erinnerung (Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica) im spanischen Staat (9).
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Die siebte und letzte Veranstaltungsreihe beschäftigte sich mit dem Thema "Die letzten kantabrischen Kriege: Archäologie der Nordfront" und bestand aus den folgenden Referaten:
*** "Archäologische Interventionen in den republikanischen Stellungen von Cueto de Castiltejón (Puebla de Lillo, León), von Dr. Eduardo González Gómez de Agüero und Víctor Bejega García, beide von der Universität León.
*** "Der Bernorio-Berg von Villarén de Valdivia in Palencia. Ein Schlachtfeld der Nordfront im Spanischen Bürgerkrieg" von Dr. Jesús F. Torres Martínez und Antxoka Martínez Velasco, beide von IMBEAC und IEPA.
*** "Archäologische Interventionen im Ortsteil Murugain von Aramaio in der Provinz Álava" von Etor Telleria Sarriegi vom Unternehmen ONDARE BABESA, S.L..
*** "Vergessene Reste und verlorene Geschichten. Vergangenheit und Gegenwart der Archäologie des Bürgerkriegs in Asturien" von Valentín Álvarez Martínez von der Universität Oviedo.
*** "Alles verloren: Bestimmung des Ortes eines Kriegsverbrechens" von Dr. Jesús F. Torres Martínez und Antxoka Martínez Velasco von IMBEAC und IEPA.

Schlussfolgerungen des Kongresses

Am vorletzten Kongress-Tag wurde in der letzten Kongress-Einheit das Buch der Herausgeberinnen Soledad Biasatti und Gonzalo Company vorgestellt: "Unterstützte Erinnerungen. Für eine kritische und mit Erinnerungsprozessen verbundene Sichtweise" (Memorias Sujetadas. Hacia una lectura crítica y situada de los procesos de memorialización). Danach wurde für die Teilnehmerinnen ein begleiteter Stadtrundgang durch Vitoria-Gasteiz angeboten, mit dem Thema "Krieg in Gasteiz" (Gasteiz at war). Der Rundgang wurde angeleitet von Xurxo Ayán Vila von der Gruppe GPAC von der öffentlichen baskischen Universität UPV/EHU.

Der Schlusstag des Kongresses war Ausflügen an Orte vorbehalten, an denen während des Krieges wichtige Ereignisse stattgefunden hatten. Der erste Besuch ging nach Elgeta, ein Ort an der Grenze zwischen Bizkaia und Gipuzkoa. Dort hatte die baskische Regierung nach dem mehr oder weniger kampflosen Fall der Provinz Gipuzkoa in den Bergen Stellungen aufgebaut, die von den faschistischen Kräften trotz Luftangriffen lange Zeit nicht überwunden werden konnten. Aufgrund der strategischen Lage der Intxorta-Berge wurde der Vormarsch der aufständischen Truppen somit für ein halbes Jahr gestoppt, bis mit Hilfe massiver Luftunterstützung durch die nazideutsche Legion Condor die Bergstellungen überwunden wurden. Im Intxorta-Ort Elgeta wurde in den vergangenen 15 Jahren ein kleines Museum eingerichtet, das die Kriegsereignisse dokumentiert. Gleichzeitig wurden die Schützengräben am Berg wieder instandgesetzt. Die linke Stadtverwaltung organisiert begleitete Begehungen der Kampforte und vermittelt mit ihren Schilderungen der Schlachten und Ereignisse ein nachvollziehbares Bild der Situation vor 80 Jahren. In der Nähe der ehemaligen Stellungen wurde ein Denkmal aufgestellt, seit zwei Jahren wird dort von Laiendarstellern theatralisch eine Schlacht nachgestellt, was in der baskischen Bevölkerung auf großes Interesse stößt und als pädagogisches Beispiel für Geschichtsvermittlung insbesondere unter jüngeren Menschen gilt. Die Führung zu den Intxorta-Stellungen wurde organisiert von der Asociación Intxorta 1937 Kultur Elkartea, dem Kulturverein Intxorta 1937.
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Im Anschluss wurde ein weiterer Besuch angeboten nach Ugao-Miraballes, eine Kleinstadt im Südosten von Bilbao. Dort ging es thematisch um den "Eisernen Gürtel (Cinturrón de Hierro / Burdin Hesia). Nach Kriegsausbruch hatte die baskische Regierung in Erwartung eines Bodenkrieges in großem Abstand um die Großstadt Bilbao einen Ring aus Zementmauern, Wachtürmen und Kanonen bauen lassen. Die Baupläne des Eisernen Rings wurden jedoch zum einen vom leitenden Ingenieur verraten, als dieser zu den Faschisten überlief; zum anderen hatte das beabsichtigte Bollwerk auf dem Boden wenig Zweck, da der Spanische Krieg zum ersten Krieg in der Militärgeschichte wurde, in dem massiv aus der Luft bombardiert wurde. Praktisch von Kriegsbeginn an wurden große und strategisch wichtige Orte von spanischen, italienischen und vor allem von nazi-deutschen Bomberstaffeln aus der Luft angegriffen. Der erste Angriff fand nur vier Tage nach dem franquistischenAufstand statt, als das Dorf Otxandio (span: Otxandiano) an der Grenze zwischen Bizkaia und Araba während seiner Fiestas angegriffen wurde, mehr als 60 Zivilisten starben. Bilbao wurde über neun Monate hinweg vielfach angegriffen. Die legendäre Vernichtung von Gernika fand statt bevor der Eiserne Ring von den Faschisten überwunden war.

Ein letzter Besuch der Kongress-Teilnehmerinnen führte ins bizkainische Lemoa. Oben auf dem Lemoatx-Berg fanden entscheidende Schlachten statt. Im vergangenen Jahr wurde von internationalen Workcamps begonnen, die Schützengräben neu auszuheben und zur Besichtigung herzurichten. Nach wie vor steht auf dem Berg ein großes faschistisches Kreuz, das im ganzen Tal deutlich macht, dass die 80-jährige Geschichte noch lange nicht aufgearbeitet ist. Das Kreuz soll nach dem Willen der Bevölkerung im kommenden jahr 2015 abgerissen werden.
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Anmerkungen:

(1) Wikipedia "Archäologie"

(2) Der Begriff Euskadi (ursprünglich Euzkadi) wurde von Sabino Arana Goiri, dem Gründer der Baskisch Nationalistischen Partei PNV-EAJ erfunden als Bezeichnugn für die drei Provinzen Araba, Gipuzkoa und Bizkaia, die heute die autonome Gemeinschaft Baskenland innerhalb des spanischen Staates darstellen. Im fortwährenden Streit um die Begrifflichkeiten steht der Name in Konkurrenz zum historischen Begriff "Euskal Herria" (Baskisches Land), der alle sieben Provinzen einschließt. So war es den Mitarbeiterinnen des baskischen Fernsehenes zum Beispiel untersagt, bei Sendungen den den Begriff Euskal Herria zu benutzen, nach dem Regierungswechsel zur PNV wurde das Verbot wieder gelockert, alle können nach Gutdünken kommentieren. In linken Kreisen wird "Euskadi" selten benutzt.

(3) Einzelheiten wie Programm und Organisation des Kongresses Archäologie des Spanischen Krieges finden sich auf der Webseite http://gasteizatwar.jimdo.com/

(4) Zum häufig benutzten Begriff "Spanischer Bürgerkrieg": Der Krieg im spanischen Staat zwischen 1936 und 1939 wurde durch den Putsch faschistischer Generäle am 18.Juli 1936 ausgelöst, häufig wird er "Spanischer Bürgerkrieg" genannt. Nach Ansicht vieler Aktivisten der Erinnerungs-Bewegung, vor allem im Baskenland, sollte dieser Krieg nicht als Bürgerkrieg bezeichnet werden. Zum einen war es ein ideologischer Kampf der spanischen Reaktion mit Kirche, Oligarchie und Militär gegen reformistische und revolutionäre Bewegungen auf Staatsebene – eine Auseinandersetzung, die ihr Ebenbild in ganz Europa fand. Aus diesem Grund war der Spanische Krieg im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs von starker internationaler Beteiligung geprägt: die Sowjetunion und die Internationalen Brigaden auf Seiten der Republik – das faschistische Italien, das Portugal des Faschisten Salazar und Hitler-Deutschland auf Seiten der Putschisten um die Generäle Franco und Mola. Nach Meinung vieler war der "Spanische Krieg von 1936" eine Vorwegnahme dessen, was sich nach dem 1.September 1939 in Europa abspielte: die Auseinandersetzung von mehr oder weniger demokratischen Kräften mit den faschistischen Regimen in Deutschland, Italien, Portugal, Spanien und Japan. Der Spanische Krieg endete im April 1939 mit dem Sieg der Faschisten und leitete eine fast 40 Jahre lange Diktatur ein. Die Kritikerinnen des Begriffs empfehlen stattdessen die Benutzung des Terminus "Spanischer Krieg von 1936". – Trotz der Ungenauigkeit des Begriffs wurde er für die korrekte Übersetzung der Kongress-Inhalte benutzt.

(5) Die Wissenschafts-Gesellschaft Aranzadi wurde 1947 gegründet mit der Absicht, die Arbeit der im Franquismus verbotenen Gesellschaft für Baskische Studien fortzuführen. Ihr Zweck ist die wissenschaftliche Erforschung von Natur und menschlichem Wirken. Ihren Namen hat die Gesellschaft von Telesforo de Aranzadi, einem bekannten Anthropologen und Ethnologen (1860-1945). Besondere Bedeutung kommt Aranzadi heutzutage bei der Aushebung von Massengräbern aus der Zeit des Spanischen Krieges und der Identifizierung der dort gefundenen Opfer des Faschismus zu.

(6) Tageszeitung GARA 14.12.2014: "El tiempo juega en contra, pero también la falta de medios económicos" von Maider Eizmendi (Die Zeit spielt gegen uns, aber auch der Mangel an finanziellen Mitteln)

(7) Bei den Opfern in diesen Gräbern oder Massengräbern handelt es sich um Personen, die entweder im Kampf gefallen sind und außerhalb von Begräbnisstätten vergraben oder verscharrt wurden, oder um willkürlich erschossene Zivilpersonen. In solchen Gräbern liegen zwischen einer und Dutzenden von Leichen, insofern kann nicht immer von Massengräbern gesprochen werden.

(8) Obwohl aufgrund von Zeugenaussagen eine große Zahl von potentiellen Fundstellen und Massengräbern bekannt ist und die baskische Regierung eine entsprechende Landkarte erstellen ließ, werden die Gräber nicht systematisch ausgehoben, weil die finanziellen Mittel fehlen. Dabei ist die Situation im Baskenland noch relativ gut, in autonomen Regionen des spanischen Staates mit reaktionären Regierungen gibt es keinerlei Interesse und Unterstützung für die Suche nach Verschwundenen, obwohl es gesetzlich gefordert wird.

(9) ARMH - Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica: Die Vereinigung zum Wiedererlangen des historischen Gedächtnisses ist eine gesamtstaatliche Organisation, deren Ziel die Suche nach verschwundenen Opfern der franquistischen Repressionen ist. Dabei geht es vorrangig um Personen, die von Falangisten ermordet und anonym beseitigt oder begraben wurden. Weiterhin sammelt sie die mündlichen und schriftlichen Zeugnisse bezüglich der Opfer der Diktatur. Anlass, die Vereinigung zu gründen, war die erste Ausgrabung eines Massengrabes in Priaranza del Bierzo (Provinz León) im Dezember 2000. Die Exhumierung fand auf Wunsch der Familie eines der Opfer statt, die ihren Angehörigen – Emilio Silva Faba – finden und bestatten wollte. Im Grab befanden sich die sterblichen Reste von dreizehn Zivilisten, die am 16. Oktober 1936 ermordet worden waren. Die Arbeiten wurden von einer Gruppe von Wissenschaftlern ausgeführt, Emilio Silvo Faba ging aus ihnen als erstes Opfer des Spanischen Bürgerkriegs hervor, das mittels DNA-Probe identifiziert wurde. Nach der Exhumierung seines Angehörigen gründete Emilio Silva Barrera gemeinsam mit Santiago Macias die ARMH. In der Organisation versammeln sich Archäologen, Anthropologen und Forensiker. Durch Gespräche mit Einheimischen versuchen sie, Exekutionsorte und Massengräber zu lokalisieren. Weitere Gräber konnten durch Straßenbaumaßnahmen oder anonyme Hinweise gefunden werden. Bei den Ausgrabungen kommen archäologische und forensische Methoden zum Einsatz, um die Toten identifizieren und ihren Familien übergeben zu können. Im September 2006 hatte die ARMH 40 Ausgrabungen durchgeführt und die Überreste von 520 Opfern gefunden. Eine Ausgrabung nahe Burgos war Gegenstand einer Fotodokumentation des International Center Of Photography in New York unter dem Titel "Dark is the Room Where We Sleep". (Wikipedia)

Fotos:

Alle Fotos stammen aus der Sammlung FAT von Txeng, einem Fotografen aus Bilbo.
(1) Ausgrabung der Leichen von KZ-Häftlingen in Urduña/Bizkaia durch die Wissenschaftliche Gesellschaft Aranzadi
(2) Das zweite Bild der Reihenfolge dokumentiert das Kongress-Plakat "Archäologie des Spanischen Bürgerkriegs"
(3) Besuch bei den Schützengräben und Schlachtfeldern der Intxorta-Berge bei Elgeta (Gipuzkoa)
(4) Teil der Bergfestung San Cristobal am Berg Ezkaba bei Pamplona (Navarra), aus der es noch während des Spanischen Krieges 1938 eine Massenflucht gab, die tragisch endete
(5) Francisco Etxeberria von der Wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi beim Zeitzeugengespräch während der Ausgrabung von Leichen von KZ-Häftlingen in Urduña/Bizkaia
(6) Erinnerungs-Monument Aterpe (Herberge) auf dem Höhenzug Artxanda über Bilbao
(7) Gedenktafel für den Dichter Lauaxeta, der als Helfer der baskischen Regierung von Faschisten an der Friedhofsmauer von Gasteiz erschossen wurde
(8) Bergung von drei Leichen von erschossenen Zivilisten nahe Gesaltza (Salinas), in der Provinz Araba/Alava durch die Wissenschaftliche Gesellschaft Aranzadi
(9) siehe (8)

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