don2016 1Donostia zeigt Europa seine Kultur

Als am 30.Oktober 2015 das Programm für die Europäische Kulturhauptstadt in Donostia vorgestellt wurde, waren es noch genau 84 Tage bis zur Eröffnung des Großevents. Am 23. Januar 2016 erfolgt der Start für ein vielfältiges Kultur-Programm, das hunderte von kleineren und größeren Veranstaltungen und Festivals beinhalten wird. Unumstritten ist das Projekt keinesfalls, weder sein Charakter, noch die Tatsache, dass ausgerechnet eine baskische Stadt „spanische“ Kulturhauptstadt sein soll.

(2015-11-14) Im Jahr 2011 wurde die baskische Küstenstadt Donostia (span: San Sebastián) von einer unabhängigen Jury der EU-Kommission als „Kulturhauptstadt Europas“ für das Jahr 2016 vorgeschlagen, der EU-Ministerrat bestätigte diese Entscheidung im Mai 2012. Donostia trägt diesen Titel somit zusammen mit der polnischen Stadt Wroclaw (dt: Breslau). Das baskisch-polnische Städtepaar löst Mons in Belgien und Pilsen in der Tschechischen Republik ab, die 2015 Sitze der europäischen Kulturhauptstadt waren.

Kulturhauptstadt Europas

„Die Kulturhauptstadt Europas (von 1985 bis 1999 Kulturstadt Europas genannt) ist ein Titel, der jährlich von der Europäischen Union vergeben wird (seit 2004 an mindestens zwei Städte). Die Benennung soll dazu beitragen, den Reichtum, die Vielfalt und die Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa herauszustellen und ein besseres Verständnis der Bürger Europas füreinander zu ermöglichen“. So beschreibt das Internet-Portal Wikipedia das politische Konzept der europäischen Kulturhauptstadt (1).don2016 2

Zweck der Übung ist laut EU-Kommission, dass „der europäischen Öffentlichkeit besondere kulturelle Aspekte der Stadt, der Region oder des betreffenden Landes zugänglich gemacht werden (…) In dem entsprechenden Jahr finden in den Kulturhauptstädten zahlreiche kulturelle Veranstaltungen statt. Die Städte erhoffen sich vom Tragen dieses Titels für ein Jahr eine erhöhte Aufmerksamkeit und zahlreiche Besucher“ (1).

Wie alle internationalen Großveranstaltungen ist das Konzept der Europäischen Kulturhauptstadt nicht unumstritten, weil sich dahinter oft rein wirtschaftliche und tourismus-fördernde Kalküle verstecken. Dagegen hört sich das Konzept aus Donostia – im Kürzel „DSS2016EU“: Donostia San Sebastián 2016 EU – relativ aktualitäts- und basisorientiert an: „Programm für Kultur, aktive Teilnahme, Frieden, Zusammenleben“. In seiner Rede bei der Programm-Vorstellung erinnerte der neue Bürgermeister Eneko Goia daran, dass Donostia, wie das ganze Baskenland, eine lange historische Etappe von bewaffneter Auseinandersetzung erlebt habe, dass viele Wunden aus dieser Zeit noch nicht geschlossen seien, und dass die Anstrengung noch nicht abgeschlossen sei, Erinnerung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu realisieren. Donostia 2016 sei „notwendig, weil es neu ist und Risiken beinhalte, weil es auf das Problematische setzt, auf das Notwendige, auf immaterielle Werte wie das Zusammenleben, die aktive Teilnahme der Bevölkerung, und auf die europäische Identität. Diese Identität beinhaltet und fördert Unterschiedlichkeit, gesellschaftliche und sprachliche Komplexität, friedliches Zusammenleben, auch in schwierigen Zeiten, kleine Völker spielen dabei eine große Rolle“, so die baskische Kultur-Senatorin Cristina Uriarte in ihrem eher baskisch als spanisch gefärbten Diskurs (2).

Der Etat für das Konzept Kulturhauptstadt wird in Donostia veranschlagt auf 48 Millionen Euro, von denen die drei baskischen Institutionen jeweils 12 Mio. aufbringen, das spanische Kultur-Ministerium hingegen nur 4,5 Mio. Der Rest kommt aus Europa oder von privaten Firmen, die sich über Werbung einkaufen können. Bisher hat es den Anschein, als würden in Donostia keine Projekte oder Bauwerke hochgezogen, die nicht auch nach dem europäischen Großevent eine vernünftige Verwendung finden würden.don2016 3

Hürden auf dem Weg

Doch war in Donostia nicht alles Sonnenschein was die Benennung zur Kulturhauptstadt anbelangt. Die Idee einer Bewerbung hatte seinerzeit der 20 Jahre lang regierende sozialdemokratische Bürgermeister Odon Elorza. Der erlebte den Zuschlag allerdings nicht mehr im Amt, weil er vorher abgewählt wurde. Das Amt übernahm mit Juan Karlos Izagirre ausgerechnet ein Politiker der linken Koalition EH Bildu, die das Konzept vorher kritisiert hatte. Entsprechend halbherzig war die Entwicklung der programmatischen Einzelheiten, als es um die Konkretisierung des Projektes ging. Es gab Wechsel im Direktorium der Stiftung, die das Kulturfest zu organisieren hat (vertreten sind die Stadtverwaltung von Donostia, die Provinzregierung Gipuzkoa, die baskische und die spanische Regierung). Zuletzt wurde ein neuer Direktor bestimmt, der zwar einschlägige Erfahrung hat mit der Organisation von Großevents, der aber nicht baskisch sprach. Dies wurde innerhalb der linken Stadtregierung lebhaft kritisiert, denn gerade Gipuzkoa (Hauptstadt der Provinz ist Donostia) ist die große Bastion des Euskara. Im Mai 2015 gab es erneut einen Amtswechsel im Rathaus, diesmal übernahmen die baskischen Christdemokraten (PNV) das Ruder und gaben der Veranstaltung neue Impulse.

Der Weg zur Kultur-Metropole

„Die europäischen Kulturhauptstädte werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt: Zunächst wird eine Liste der in die engere Wahl kommenden Städte erstellt, neun Monate später folgt die Endauswahl. Die beiden ausgewählten Städte werden dann vom EU-Ministerrat offiziell ernannt“, so beschreibt die EU das Prozedere der Wahl. (3)

Polen und Spanien waren die beiden Staaten, die bereits einige Jahre vorher bestimmt worden waren, im Jahr 2016 eine europäische Kulturhauptstadt zu benennen. Das EU-Parlament legte bereits 2006 fest, welche Länderpaare bis 2019 diese Möglichkeit bekommen. Aus dem spanischen Staat bewarben sich 15 Städte um den Sitz dieser tourismus-fördernden Großveranstaltung: Córdoba, Burgos, Las Palmas de Gran Canaria, Segovia, Zaragoza, Donostia-San Sebastián. Daneben Alcalá de Henares, Cáceres, Cuenca, Málaga, Murcia, Oviedo, Pamplona, Santander und Tarragona. Die sechs zuerst genannten Städte kamen in die engere Wahl.

„Mit der Prüfung der Bewerbungen war eine Jury aus 13 unabhängigen Kulturexperten beauftragt. Sechs Mitglieder wurden vom Mitgliedstaat benannt, die anderen sieben von den EU-Institutionen (...) Die Bewerberstädte müssen ein Kulturprogramm mit einer starken europäischen Dimension aufstellen und die Beteiligung der in der Stadt und in ihrem Umland lebenden Bürger fördern, sowie Besucher aus dem Ausland anlocken. Die europäische Dimension spiegelt sich in der Auswahl der Themen und der Art und Weise wider, wie die Programm-Veranstaltungen organisiert werden (die Zusammenarbeit zwischen Kulturakteuren aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten wird favorisiert). Außerdem muss das Programm nachwirken und langfristig zur kulturellen und sozialen Entwicklung der Stadt beitragen“ (3). Soweit die gut klingenden Kriterien der Europäischen Union.don2016 4

Polemik um die Vergabe nach Donostia

Doch diese unabhängige Bewerbungs-Prüfung war einigen der unterlegenenen Konkurrenten nicht unabhängig genug. Die Bürgermeisterin von Cordoba erhob lautstark Manipulationsvorwürfe, was insbesondere deutlich machte, dass es alles andere als ein „normaler Vorgang“ ist, wenn eine baskische Stadt den spanischen Staat repräsentiert. Cordoba klagte vor Gericht mit der Begründung, das maßgebliche Vergabekriterium pro Donostia sei politischer Natur gewesen, die Klage hatte keinen Erfolg, zu offensichtlich war der fadenscheinige Charakter der Begründung. (4)

Doch war dies nicht der einzige Dolchstoß, den DSS2016EU wegzustecken hatte. Auch das spanische Kultur-Ministerium organisierte einen juristischen Keinkrieg gegen Donostia. In diesem Fall ging es um das Programm, denn die Organisatorinnen hatten sich für 2016 um die Ausrichtung des internationalen Kongresses "Gipfel der Sprachen-Vielfalt" (Cumbre sobre la diversidad lingüística) bemüht und den Zuschlag erhalten. Doch wenn es um Minderheiten-Sprachen geht, läuten in Madrid die Alarmglocken. Zwar ist die baskische Sprache –Euskara – im Baskenland und Navarra offiziell und darf sogar im spanischen Parlament gesprochen werden, doch wird ihre Entwicklung behindert und torpediert, wo und wie es nur geht. Insofern wird die Ausrichtung dieses Kongresses als Schandfleck in einer „spanischen Kulturhauptstadt“ betrachtet. Das „Protokoll zur Garantierung sprachlicher Rechte“ (Protocolo de Garantía de los Derechos Lingüísticos), das beim Kongress im Dezember verabschiedet werden soll, wird mit einiger Wahrscheinlichkeit weder von der französischen noch von der spanischen Regierung gutgeheißen werden. Dass der Kongress von der Euskara-Plattform „Kontseilua“ (bask: Rat) ausgerichtet werden sollte, und das ohne öffentliche Ausschreibung, war für die spanischen Kultur-Verantwortlichen der Angriffspunkt. Kontseilua ist eine Art Sprach-NGO, in der sich die verschiedenen Organisationen des Baskenlandes zusammengetan haben, vorwiegend Personen und Organisationen aus der politischen Linken, die an der Förderung der baskischen Sprache arbeiten, Kontseilua wird von der baskischen Regierung gefördert. (5) Wenige Tage vor der offiziellen Vorstellung von Donostia 2016 gab die Regierung klein bei und ließ es bei einer formalen Änderung des Konzepts, sodass es nicht zur juristischen Verhandlung kam.

Direktor Berástegui

Der Direktor der Organisation von DSS2016EU, Pablo Berástegui (Pamplona, 1968), wurde in einem Verfahren unter 41 Kandidatinnen ausgewählt, seine Vorgängerin zu ersetzen, die 2014 nach nur neun Monaten von der Funktion zurückgetreten war. Er ist Informations-Wissenschaftler und gelernter Journalist, lebte lange Zeit in Lateinamerika und Madrid und war verantwortlich für verschiedene Kulturzentren und Großevents (Matadero Madrid, La Noche Blanca von Madrid, La Fábrica, Foto-Festival PhotoEspaña, u.a.). Fachlich ist er sicherlich erste Wahl, ein solches Großereignis im Baskenland ohne Baskisch-Kenntnisse zu organisieren, zeigt jedoch, wie weit das Euskara noch von einer wirklichen Normalisierung entfernt ist. Dafür hat Berástegui euskaldune Begleiter, die dieses Manko wett machen.don2016 5

Das Kultur-Programm

Obwohl das Programm für DSS2016EU, das Ende Oktober vorgestellt wurde, überaus umfangreich ist (500 Aktivitäten an 366 Tagen), muss die Hälfte noch konkretisiert werden. Die Eröffnungs-Feierlichkeiten werden sich vom 20. bis 25. Januar über sechs Tage hinziehen, mit der Konzeption des Hauptspektakels dieser Feier beauftragt ist der ehemalige Bühnendirektor der berühmten katalanischen Theatergruppe „Fura dels Baus“, Hansel Cereza, der unter anderem die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Barcelona 1992 entwickelt hat sowie ein Zirkus-Spektakel in Las Vegas (6). Zum Programm gehören Wettbewerbe wie „Stop War Festibala“ oder „Emusik“, das Theaterstück „Sueño de una noche de verano“ (Sommernachtstraum) in einem öffentlichen Park, der Dokumentarfilm „Kalebegiak“, der beim Internationalen Filmfestival San Sebastián, Zinemaldia, uraufgeführt wird, und ein Kongress mit dem Thema „Sprachliche Vielfalt“. Konzerte, Bühnenspektakel, Ausstellungen, Kino werden das Programm bestimmen, immer wieder wird auf die aktive Beteiligung der Besucherinnen hingewiesen. Im Folgenden eine unvollständige Auflistung von Aktivitäten nach Kulturbereichen.

KUNST: Eine der wichtigsten Aktivitäten im Bereich plastischer Kunst wird die Ausstellung „1966 | Gaur Konstelazioak | 2016“ im San Telmo Museum sein. Sie umfasst zwei Teile, einen historischen und einen aktuellen. Im ersten Teil wird die Geschichte der Künstler-Gruppe GAUR (bask: heute) dargestellt, die 1966 (während des Franquismus) mit einem Konzept moderner baskischer Kunst an die Öffentlichkeit trat und mit Künstlern wie Oteiza, Chillida, Basterretxea und Sistiaga erstklassig besetzt war. Der zweite Teil widmet sich zeitgenössischer baskischer Kunst.  Das Projekt „Iturriak/Fuentes“ (Quellen, Brunnen) besteht in der öffentlichen Installation von Brunnen, die an die Vergangenheit erinnern sollen. „Whatsart“ hingegen wendet sich neuen Künstlerinnen zu mit einem Projekt, das Zusammenleben zum Thema hat.  Das Projekt „Zubideak“ (eine baskische Wortmischung aus zubi und bidea, Brücke und Weg) soll verschiedene europäische Kulturen nach Donostia bringen. Dafür verwandeln sich zwischen Mai und September die verschiedenen Brücken der Stadt in Symbole für unterschiedliche Festivals und Kulturevents in Städten wie Wroclaw (Breslau), Dublin und Ljubljana, im Mittelpunkt stehen Literatur, Tanz, Musik und Theater. In diesem Zusammenhang wird die Brücke zwischen Irun (Gipuzkoa) und Hendaia (Baskenland, frz. Staatsgebiet) vorübergehend in ein Kulturzentrum verwandelt, um das Thema „Grenzübergang“ mit literarischen und filmischen Treffen anzugehen.

MUSIK und BÜHNE: Im Februar wird „Die Schöne und das Biest” vom Ballett Biarritz und dem Sinfonie-Orchester Euskadi aufgeführt, ein Tänzer der Gruppe erteilt öffentlichen Tanzunterricht.  Am 21. des Monats wird der deutsche Komponist Helmut Lachenmann der Aufführung eines seiner Werke beiwohnen.  Am 14. März gibt die Berliner Tanzgruppe Sasha Waltz & Guest im Kursaal eine Vorstellung. Sasha Waltz ist eine deutsche Choreografin, Tänzerin und Opernregisseurin und Gründerin der gleichnamigen Tanzgruppe.  Am 27. Mai werden vier Jugendchöre mit dem Konzert „Ez Dok Amairu hitzez hitz“ (Wir sind keine dreizehn, Wort für Wort) (6) die Arbeit der bekannten Musikgruppe der 60er Jahre darstellen, zu der die baskischen Musiklegenden Mikel Laboa, Benito Lertxundi und Xabier Lete gehörten (7).  Während des kommenden Jazzaldia-Festivals wird das irische Festival „12 Points“ in Donostia Station machen und vier Tage lang Konzerte anbieten mit 12 Gruppen junger Jazz-Musikerinnen, die sich aus ganz Europa beworben haben.  Vom 30. September bis 2. Oktober mischt das Festival „Street tARTar” urbane Kreativität mit Hip Hop und anderen modernen Ausdrucksformen, Körperbewegung steht im Vordergrund.  Am 80. Todestag des Bertsolari-Sängers Juan Manuel Lujanbio „Txirrita”, ebenfalls im September, wird das 1982 von Xabier Lete uraufgeführte Werk “Gabon Txirrita” (Gute Nacht Txirrita) vorgestellt. Dafür schreibt der Literatur-Preisträger Bernardo Atxaga einen dramatischen Text, in dem bedeutende historische Persönlichkeiten des politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens erscheinen.  Im Oktober wird das Cervantes-Stück „Los tratos de Argel“ (Die Verträge von Algier) aufgeführt, darin wird thematisiert, was es bedeutet, als Immigrant in Europa zu leben.  Die einheimische Theatergruppe „Vaivén Producciones” führt das Stück „Letzter Zug nach Treblinka“ auf, zum Andenken an den Arzt und Pädagogen Janusz Korczak, der im KZ Treblinka umgebracht wurde.don2016 6

LITERATUR, SPRACHE, EUSKERA: Mit genau 2016 Lesungen empfehlen Buchläden und Bibliotheken aus Gipuzkoa „366 Hauptstadt-Bücher“ für das kommende Jahr.  „Tschechow gegen Shakespeare” ist der Briefwechsel zwischen Schriftstellerinnen, die sich über Literatur, Konflikte und die Rolle der Literatur auslassen: Bernardo Atxaga, Harkaitz Cano, Eider Rodríguez, Luisa Etxenike, Laura Mintegi, Arantxa Urretabizkaia, Fernando Aranburu und Angel Erro schreiben an Kolleginnen wie Bashkim Shehu, Dubravka Ugresic, Belén Gopegui, Menna Elfyn, Héctor Abad Faciolince und Mircea Cartarescu.  Zum Thema Sprache und Euskara der Hinweis auf den Kongress zum Thema Sprachliche Vielfalt (s.o.) vom 8. bis 10. Dezember 2016.  Im Miramar-Palast, dem Kursaal und dem Espacio 2016 wird ein internationales Bertsolari-Festival stattfinden, bei dem kurdische, sardische, galicische, katalanische, walisische, österreichische, kanarische, polnische und baskische Sprechsänger auftreten werden (9. bis 16. Juli).  Die Initiative „Hitzargiak“ (bask: Wortlichter) bietet Information über alle Personen und Gruppen, die für die Rechte von minorisierten Sprachen arbeiten. Der Workshop „Codefest“ bietet Argumente für alle Sprachgruppen, die Initiative „EUSkarriak“ trägt Überlegungen und Botschaften zur sprachlichen Realität in Europa und zum Euskara auf die Straßen.

KINO und GASTRONOMIE: Das jährliche Internationale Treffen von Film-Studierenden und die Vorführung der gemeinschaftlichen Filmproduktion „Kalebegiak“ (Augen der Straße) werden ergänzt mit einer thematischen Retrospektive „Kino und Konflikte“, bei der 35 Werke gezeigt werden, mit denen Konflikte in Palästina, Israel, Kolumbien, Jugoslawien, Mexiko, Irland, Afghanistan, dem Baskenland und der Ukraine beleuchtet werden.  „Kreativität zwischen den Kochplatten“ ist ein Vorschlag des Basque Culinary Center, der sich an Jugendliche zwischen 12 und 16 richtet, um sie zu animieren, alte Rezepte zu ändern und sich für das Gastronomie-Gewerbe zu interessieren, vorgestellt werden ein Buch und ein Film zum Thema „Die kulinarische Revolution des Baskenlandes“.  Mit dem Projekt „On appétit!” (on ist baskisch und bedeutet gut) empfangen einheimische Köche ein Dutzend Köche aus verschiedenen europäischen Ländern, begleiten sie zu Märkten und Mostkellern: der gastgebende Gastronom öffnet dem Besucher die Türen seiner Küche und gibt ihm die Gelegenheit, mit baskischen Zutaten auswärtige Rezepte auszuführen.

TECHNOLOGIE: In diesem Bereich wird eine Reihe von Initiativen zum Thema neue Technologien vorgestellt: Simultan-Übersetzung, „Ping” für die Erweiterung von Kommunikationsnetzen, neue Browser, „Talkamara“ als Werkzeug zur Kartografie der eigenen Stadt.  Die Webseite „Behagunea“ (bask: Ort der Beobachtung) liefert ständig aktuelle Zahlen zum Besuch der Veranstaltungen von DSS2016EU im Internet und in den Sozialen Netzen. Das Handy-Spiel „Eroku“ misst mit kurzen Fragen das Wissen der Nutzerinnen über die Kulturhauptstadt und über die europäische Kultur im Allgemeinen.  Ebenfalls auf spielerische Art bringt „Insert Change” die Kreativen verschiedener Bereiche zusammen, um ein Videospiel von sozialem Charakter zu entwickeln.  Aus Anlass des 15. Geburtstags von Wikipedia animiert Donostia 2016 zur Gründung einer virtuellen Enzyklopädie unter dem Titel „Donostipedia“, Menschen aus der Stadt sollen Artikel schreiben über die Geschichte und Kultur der Stadt.  Bereits seit einiger Zeit gescheitert ist der Plan, eines der Schiffe nachzubauen, mit dem baskische Fischer vor mehreren hundert Jahren nach Neufundland gefahren sind, um zu fischen und in Kanada freundschaftliche Spuren zu hinterlassen, an die bis heute erinnert wird. Der Schiffsbau verkomplizierte sich und kann nicht vollendet werden.

SONSTIGES: Vom 3. bis 7. Mai wird das Festival „Emusik” gefeiert, dabei treffen sich im Fußballstadion Anoeta tausende von europäischen Musikerinnen und musizieren für ein friedliches Zusammenleben, für den Abschluss ist die Rede von 20.000 Schülerinnen aus 26 Ländern.  Vom 28. Mai bis 5. Juni wird das Welt-Marionetten-Festival durchgeführt, das vierjährig stattfindet und zuletzt in Australien und China zu Gast war: 20 Gruppen von internationalem Prestige werden teilnehmen.  Das „Itsasfest“ (Meerfest) ist der Natur gewidmet, deshalb findet es am Ondarreta-Strand statt und beinhaltet Workshops, Spiele, Musik, und Gastronomie.  Im September findet in Orereta (Renteria) der Kongress „Europäisches Ozean Kulturerbe“ (European Maritime Heritage) statt.  Unter dem Titel „Gemeinsame Stadt“ finden Aktivitäten statt wie „Haurbanistak“ (urban wird durch haurban ersetzt, haur bedeutet Kind), Stadtrundgänge nach Jane Jacobs, oder „Urbanhero“, die dazu animieren sollen, an Konzepten für eine menschenfreundlichere Stadt zu arbeiten.  „Despertar el sonido” (Den Klang wecken) analysiert zeitgenössische Musik aus der Perspektive von Kindern.  „Kooperarock” animiert Schülerinnen zur gemeinsamen Kreation eines Theaterstücks zum Thema „Kunst der Zusammenarbeit”.  Vom 26. September bis 2. Oktober organisiert das Donostia International Physics Center die dritte Ausgabe des wissenschaftlichen Festivals „Passion for Knowledge“ (Leidenschaft für das Wissen).don2016 7

EUROPA: Zwischen dem 27. Mai und dem 15.Oktober besucht die Initiative TOSTA, die atlantische Route der Sprachenvielfalt, sieben kleine Sprachgemeinschaften in Irland, Wales, Cornwall, Schottland, Friesland und Galicien.  „Biziz“ ist eine Initiative, die fünf Fahrrad-Expeditionen organisiert, um unterschiedliche Lebensstile in Europa zu entdecken, Ausgangspunkte sind Las Palmas, Athen, Kopenhagen, Konstanz und Wroclaw.

Vorstellungsrunde, Crowdfunding, Preise

Nach der Vorstellung des Programms der Kulturhauptstadt Donostia 2016 im Baskenland sind die politischen Vertreter der Stadt mit dem Projekt auf Reisen gegangen. In der Schwesterstadt Wroclaw in Polen wurde mittels dreier baskischer Künstlerinnen die Kulturhauptstadt Donostia vorgestellt. Auch während des Events selbst sollen gemeinsame Aktionen der beiden Kulturhauptstädte durchgeführt werden. Der Bürgermeister von Donostia traf sich auch mit Vertretern des französischen Departements Pyrénées-Atlantiques, um sich der Unterstützung dieser Institution zu versichern. Pyrénées-Atlantiques umfasst unter anderem das französische Baskenland Iparralde (und andere Gebiete wie Bearn) und ist Teil der französischen Region Aquitanien.

Bei der Suche nach Sponsoren ist DSS2016EU beim Sozialwerk einer baskischen Bank fündig geworden, eine halbe Million wurden von jener Seite versprochen. Damit fehlen zur Gesamtfinanzierung nur noch 3,5 Millionen, die Donostia über Sponsoren einnehmen will oder muss, um die Kosten zu decken und die Großveranstaltung wirtschaftlich in einen Erfolg umzusetzen.

Dabei hilft auch der Melina-Mercouri-Preis, den Donostia von der Europäischen Kommission für das Jahr 2016 verliehen bekommt, das bedeutet 1,5 Millionen weitere Einnahmen. Die Kommission folgte damit dem Beobachtungs-Komitee, das die Entwicklung der Programmvorgaben in Donostia verfolgt und im vergangenen März eine positive Bewertung abgegeben hatte. Bisher wurden jedoch alle Kulturhauptstädte mit dem Preis ausgestattet, der den Namen der griechischen Musikerin, Schauspielerin und Politikerin Melina Mercouri trägt. Sie hatte 1985 den Vorschlag gemacht, jährlich eine europäische Kulturhauptstadt zu benennen.

Weitere Unterstützung fand das Donostia-Projekt von Seiten einer Expertenrunde von 1.500 Intellektuellen, Architekten, Soziologen und Geografen Europas, die sich in der „Academy of Urbanism“ zusammengeschlossen haben. Sie befanden die Hauptstadt von Gipuzkoa würdig, 2016 neben dem von der EU vergebenen Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ auch den Titel „Europäische Stadt des Jahres 2016“ zu tragen. In diesem Fall gab es mit Bologna und Stockholm Konkurrenz. Bei Donostias „Bewerbung“ um diesen Titel wurden historische und aktuelle Ereignisse hervorgehoben: der Wiederaufbau der Stadt, nachdem sie von französischen Armeen angezündet worden war, die Ausweitung Donostias nach dem Abriss der Stadtmauern, ihre urbane Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten, in denen bedeutende architektonische Elemente geschaffen wurden wie der Kursaal, das Fußball-Stadion Anoeta, das erst kürzlich vollendete Kulturzentrum Tabakalera (eine ehemalige Tabakfabrik) und der Umbau des San Telmo Museums. Seit einer Dekade wählen Expertinnen dieser britischen Organisation jedes Jahr drei Finalisten aus nach den Kriterien: Stadtentwicklung, Regierungskompetenz, Gesundheit und Wohlstand, finanzielle Machbarkeit, gewerblicher Erfolg, Nachhaltigkeit und Ökologie.

Bleibt abzuwarten, ob die Kulturhauptstadt 2016 die selbstgesetzten Ziele und Ansprüche umsetzen kann und mehr wird als eine bloße zusätzliche Touristen-Attraktion. In jedem Fall wird in Donostia im kommenden Sommer mehr Englisch und Französisch gesprochen denn je.

ANMERKUNGEN:

(1) Konzept der Europäischen Kulturhauptstadt, Wikipedia (Link)

(2) Artikel in der Tageszeitung Diario Vasco 31.10.2015 „Un programa para compartir“

(3) Auswahl-Prozess der Kulturhauptstädte durch die Europäische Kommission. (Link)

(4) In der Vergangenheit waren Madrid 1992, Santiago de Compostela 2000 und Salamanca 2002 Kulturhautpstädte gewesen.

(5) Kontseilua, Plattform baskischer Organisationen zur Förderung des Euskara. (Link)

(6) „La Fura dels Baus“ (katalanisch für „Das Frettchen von Els Baus“) ist eine katalanische Theatergruppe. Sie definiert sich selbst als urbane Theatergruppe, die szenische und musikalische Wege abseits des Traditionellen erforscht. Dabei versucht die Gruppe, Musik, Bewegung, natürliche und künstliche Materialien, neue Technologien und nicht zuletzt das Publikum in ihre Aufführungen zu integrieren. La Fura dels Baus wurde 1979 in Moià gegründet, verlagerte sich jedoch bald darauf nach Barcelona, wo die Gruppe erweitert wurde. Im Laufe der 1990er-Jahre erweiterte die Gruppe ihre künstlerischen Projekte unter anderem auf das Sprechtheater, das „digitale Theater“ und die Realisierung von Großereignissen bzw. Events. Erstmals großes Aufsehen erregte La Fura dels Baus mit der Gestaltung der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele 1992 in Barcelona. Später wurde das Ensemble auch für große Werbeaktionen von Pepsi und Mercedes-Benz engagiert. Entsprechend ihrem Grundsatz der aktiven Partizipation der Zuschauer entwickelt La Fura auch Projekte im Internet wie work in progress 97, mit dem in einem digitalen Theater Szenen von verschiedenen Spielorten zusammengefügt wurden. (Wikipedia,Link)

(7) “Ez Dok Amairu“ war der Name einer kulturellen Avantgarde-Gruppe zwischen 1966 und 1972, die sich der Wiederbelebung und Erneuerung der baskischen Kultur widmete, insbesondere der baskischen Sprache und des Liedes. Die Gruppe formierte sich innerhalb der Bewegung „Euskal Kantagintza Berria“ (neues baskisches Lied) und setzte sich zusammen aus Sänger/innen, Schriftstellern, die in Euskara schrieben und nahmhaften gestaltenden Künstlern. Das Lied war ein Mittel, um neue Botschaften von Hoffnung, Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit in die Gesellschaft zu tragen, zu einer Zeit, in der die Franco-Diktatur noch fest im Sattel saß. Die Gruppe versuchte, Ungerechtigkeit anzuklagen und der Notwendigkeit Ausdruck zu geben, ein neues baskisches Volks-Bewusstsein zu schaffen. Auch sollte den Menschen die Literatur nahe gebracht werden. Um diese Botschaft zu verbreiten wurden Musik-Festivals organisiert, als Vorwand dafür, dass die Menschen sich versammeln konnten.
Neben kulturellen Besonderheiten enthielten die Darbietungen politische und soziale Elemente, die die Dikatur herausforderten. Die Entwicklung von „Ez Dok Amairu“ fiel zusammen mit ähnlichen Bewegungen in anderen Teilen des spanischen Staates, wie zum Beispiel „Els Setze Jutges“ (Die sechzehn Richter) in der Bewegung für ein neues katalanisches Lied (Nova Cançó) oder das Manifest „Lied des Südens“ in Andalusien.
Der Name der Bewegung Ez Dok Amairu geht zurück auf einen Vorschlag des Bildhauers Jorge Oteiza im Jahr 1965, nach der baskischen Volkserzählung „Die Not des Heiligen Martin“ (San Martinen estutasuna), die mit „Ez dok amairu" schließt. Die wörtliche Übersetzung ist: keine Dreizehn mehr, was bedeuten sollte, dass der Fluch der Dreizehn gebrochen war – gemeint war der Fluch der Diktatur, symbolisiert durch die Unglückszahl der Abergläubigen. Oteizas Traum war es, alle künstlerischen Disziplinen zusammen zu bringen, um der von den Faschisten durch Verbote schwer beeinträchtigten baskischen Kultur wieder Leben einzuhauchen. Das Mittel der Musik war dazu am Besten geeignet. Im Jahr 1970 präsentierte die Gruppe das Musikspektakel „Baga biga higa“, das zu einer wesentlichen Veränderung in der Bewegung für das neue baskische Lied führte, sowohl in ästhetischer als auch musikalischer Hinsicht. (Link)

(8) Benito Lertxundi, Artikel bei Baskultur.info: „Baskische Liedermacher I - Laboa, Lertxundi und die wilde Dreizehn“ (Link)

FOTOS:

(1) Donostia (San Sebastián). Erinnerungs-Denkmal für die Opfer des Faschismus neben dem Rathaus. (Foto Archiv Txeng)

(2) Donostia (San Sebastián). Erinnerungs-Denkmal für die Opfer des Faschismus neben dem Rathaus. (Foto Archiv Txeng)

(3) Donostia (San Sebastián). Erinnerungs-Denkmal für die Opfer des Faschismus neben dem Rathaus. (Foto Archiv Txeng)

(4) Donostia (San Sebastián). Erinnerungs-Denkmal für die Opfer des Faschismus neben dem Rathaus. (Foto Archiv Txeng)

(5) Donostia (San Sebastián). Erinnerungs-Denkmal für die Opfer des Faschismus neben dem Rathaus. (Foto Archiv Txeng)

(6) Donostia (San Sebastián). Erinnerungs-Denkmal für die Opfer des Faschismus neben dem Rathaus. (Foto Archiv Txeng)

(7) Donostia (San Sebastián). Erinnerungs-Denkmal für die Opfer des Faschismus neben dem Rathaus. (Foto Archiv Txeng)

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