Zweite Goldene Muschel für katalanischen Regisseur
ZINEMALDIA – eines der bedeutendsten Filmfestivals der Welt ist zu Ende. Gewinner der Concha de Oro 2018, der Goldenen Muschel des Filmfestivals von San Sebastian war der Film „Entre Dos Aguas“ (Zwischen zwei Wassern) des katalanischen Regisseurs Isaki Lacuesta, der bereits zum zweiten Mal beim Zinemadia erfolgreich war. Die argentinische Produktion „Rojo“ (Rot) von Benjamin Naishtat erhielt drei Preise bei einer Schluss-Gala, die in auffälliger Weise von politischen Statements geprägt war.
Die 66. Ausgabe von ZINEMALDIA, des Internationalen Filmfestivals von San Sebastian (Donostia), endete am 30. September 2018 mit Preisen für katalanische und argentinische Filme. Der Hauptpreis „Die Goldene Muschel“ ging an „Entre Dos Aguas“ (Zwischen zwei Wassern)
Zum zweiten Mal in seiner Karriere war der katalanische Regisseur Isaki Lacuesta bei einem Zinemaldia-Filmfestival erfolgreich. Im Jahr 2018 mit „Entre Dos Aguas“ (Zwischen zwei Wassern), einem hyperrealistischen Spielfilm mit dokumentarischen Anteilen. Dieser Film gilt als Fortsetzung des 2006 gestarteten Projekts „La leyenda del tiempo“ (Legende der Zeit), aus dem im neuen Film zwei Protagonisten übrig geblieben sind. Im Jahr 2011 hatte der Katalane mit „Los pasos dobles” gewonnen (Doppelte Schritte), einer komplizierten Produktion, bei der sich Publikum und Filmkritik nicht einig waren. Beim nun zu Ende gegangenen Festival gab es hingegen keine Zweifel. (1)
In Begleitung seines ganzen Filmteams nahm der Regisseur den begehrten Preis entgegen, denn „den Film haben wir als Familie gemacht”. „Entre dos aguas“ ist die Wiederbegegnung zweier Brüder. Der eine wird aus dem Gefängnis entlassen, der andere kommt von einem Militäreinsatz zurück. Gemeinsam erinnern sie sich an den gewaltsamen Tod ihres Vaters und stehen in einer von Arbeitslosigkeit geprägten Gegend einer äußerst fraglichen Zukunft gegenüber. Die argentinische Produktion „Rojo“ (Rot), gewann zwar nicht die Goldene Muschel, dennoch hatte sie kaum weniger Protagonismus mit ihren drei Preisen: für Darío Grandinetti als besten Schauspieler; Benjamin Naishtat als besten Regisseur; und Pedro Sotero als besten Fotografen.
Film und Politik
Die Abschluss-Gala im baskischen Donostia war von politischen Statements geprägt – selten zuvor geschah dies in einer solchen Deutlichkeit. Aus Lateinmaerika gab es viel zu erzählen und zu kritisieren. Im Namen des Fotografen Pedro Sotero, der nicht anwesend sein konnte, stellte der Produzent Federico Eibuszyc fest: „Angesichts der aktuellen politischen Lage in Brasilien komme ich nicht umhin, diesen Preis Lula da Silva zu widmen, der derzeit im Gefängnis eingesperrt ist. Ich hoffe, die Justiz ist in der Lage, diesen historischen Irrtum zu korrigieren“.
Die übrigen Prämierten aus Argentinien folgten seinem Beispiel. Grandinetti bezog sich auf die „historische Erinnerung“ genannte Aufarbeitung der Diktaturgeschichte. Bestimmte Episoden aus der Vergangenheit dürften nicht vergessen werden. Gleichzeitig warnte er vor dem Aufstieg der Ultrarechten in der Welt. „Unser Film Rojo erzählt von einem ganz bestimmten Moment in Argentinien, in dem eine Tragödie vorbereitet wurde, mit schrecklichen Konsequenzen für mein Land und für Nachbarländer. Wir sind der Ansicht, dass dieser Film auch auf andere Situationen übertragbar ist. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Ultrarechte und der Faschismus überall in der Welt erneut stark zunehmen“, warnte der Schauspieler. Regisseur Benjamin Naishtat seinerseits wies auf die problematische Situation der Kultur in seinem Land hin. „Kultur verleiht Würde, es ist die Würde eines Volkes, und über Würde darf nicht verhandelt werden“.
Die Protestbotschaften hatten bereits zuvor begonnen, als die Jury unter Vorsitz von Alexander Payne verkündete, dass der Preis für das beste Drehbuch gemeinsam an Paul Laverty (für den Film „Yuli”) sowie an Louis Garrel und Jean-Claude Carrière (für den Film „L´Homme Fidèle” – Der treue Mensch) vergeben werde. Lavertys folgende Mahnung richtete sich direkt an Israel und die USA, wegen der wirtschaftlichen Blockade gegen Kuba – dort war der Film gedreht worden. „Die USA und Israel sind Experten für Kollektivbestrafung gegen die Zivilbevölkerung. Es sind Mörder, schamlos und heuchlerisch. Wir müssen diese Blockade beenden“, sagte er mit Nachdruck. Auch Louis Garrel nahm sich die Freiheit zu kritischen Bemerkungen. Er widmete seinen Preis dem inhaftierten ukrainischen Regisseur-Kollegen Oleg Sentsov.
Einzige Frau, die einen offiziellen Preis erhielt war Pia Tjelta. Sie erhielt verdientermaßen eine Silberne Muschel für ihre Rolle bei „Blind Spot” (von Tuva Novotny). Darin spielt sie eine Mutter, die den Suizid ihrer Tochter zu verhindern versucht. Den Sonderpreis der Jury erhielt Brillante Mendoza für seine Produktion „Alpha. The Right To Kill”. Auch er konnte den Preis nicht persönlich entgegennehmen. Den Irizar-Preis für den besten baskischen Film erhielt „Oreina” von Koldo Almandoz.
Präsenz baskischer Filme
Mit 20 baskischen Beiträgen in verschiedenen Abteilungen stellte Zinemaldia einen neuen Rekord auf – ein Zeichen der Qualität des baskischen Kinos. Erfolgreiche Projekte aus der Vergangenheit wie „Loreak“, „Amama“ oder „Handia“ – im vorigen Jahr Gewinner des Jury-Preises – sind ein Beleg. Zinemaldia-Direktor Rebordinos wies darauf hin, dass es zu den Aufgaben des Festivals gehöre, die Internationalisierung der baskischen Filme voranzutreiben und sie in der Welt vorzustellen. Von den 20 baskischen Filmen sind 14 ganz oder teilweise in Euskara gedreht, der baskischen Sprache. Einer davon – „Dantza“ von Telmo Esnal aus dem gipuzkoanischen Zarautz – nahm als spezielle Projektion am offiziellen Festival-Wettbewerb teil. Der zweite Spielfilm von Koldo Almandoz aus Donostia nahm am Wettbewerb für neue Regisseur*innen teil.
Der Kurzfilm „592 metroz goiti“ (592 Meter weiter oben) von Maddi Barber aus Navarra wurde beim letzten internationalen Festival in Reèl in der Schweiz uraufgeführt. Er zeigt die Konsequenzen des Staudamm-Baus in Itoiz und nahm am Zabaltegi-Tabakalera-Wettbewerb teil. „Un día más con vida” von Ryszard Kapuscinski wurde im Perlak-Saal gezeigt, das Culinary Cinema zeigte die Filme „ Y en cada lenteja un dios” (In jeder Linse ein Gott) sowie “Bihar dok 13”. Neu war die Gala Baskisches Kino in Zusmmenarbeit mit dem baskischen Fernsehen EITB. Dazu kommt die Abteilung Zinemira, die baskischen Produktionen vorbehalten ist. Hier nahmen 12 Filme teil, der erste war „Mudar la piel“ (Umzug der Haut) von Ana Schulz und Cristobal Fernández – dabei treffen sich ein Regierungs-Unterhändler, eine Person von ETA und ein Ex-Agent des Geheimdienstes, der wegen Verrat verurteilt wurde. Den Abschluss machte Fermin Muguruza mit seinem Trick-Spielfilm „Black is Beltza“ im Kursaal.
Die übrigen zehn Filme waren jeweils Uraufführungen. Unter anderem David Gonzalez mit seinem dritten Spielfilm über einen Basketball-Spieler „La noche nos lleva“ (Die Nacht nimmt uns mit). Joaquín Navarros „Basque Selfie“ handelte vom Verlust eines familiären Bauernhauses. David Rodríguez aus Donostia kam mit einer Shakespeare-Geschichte ins Zinemaldia. „Lady off” erzählt von den Proben einer Theatergruppe, die Richard der Dritte einübt. „Baules” ist der Film über einen Mann, der in den Bergen von León seine Familie verlässt, um nach Mexiko zu ziehen. Der Journalist und Musiker Oier Aranzabal stellte seine Oper „Margolaria“ (Maler) vor, einen langen Dokumentarfilm über das Leben des Musikers Mikel Urdangarin. Auch „Izaro“ ist ein Erstlingswerk, in diesem Fall von Txuspo Poyo aus Altsasua, darin ist von Identität, Geschichte und dem Erbe der Insel vor der bizkainischen Küste zwischen Bermeo und Mundaka die Rede. Antonio Díaz Huerta, bekannt von Serien wie „El internado” (Das Internat) und „Luna de Calenda” (Kalendermond) nahm mit „Gallo” (Hahn) teil. Dieser Film folgt einem unfall-blinden Surfer, der lernen muss, seine Ängste zu überwinden.
Auch der Schriftsteller und Poet Joseba Sarrionandia war beim 66. Zinemaldia vertreten. In Form des Kollektivfilms „Gure oroitzapenak” (Unsere Erinnerungen), bei dem sich 12 Filmemacher*innen dem Leben des im Exil lebenden ehemaligen ETA-Militanten annähern. „Errementari“ stammt von Paul Urkijo, der bei der Filmwoche Phantasie und Horror 2017 den Preis gewann; „Bajo la piel del lobo“ (Unter der Wolfshaut) kommt von Samuel Fuentes. Die Gala des Baskischen Films fand im Hotel Victoria Eugenia statt mit der Vorführung von „Jainkoak ez dit barkatzen“ (Gott vergibt mir nicht), einem realen Interview, das Martin Ugalde führte mit Lezo Urreztieta, der beinahe Franco umgebracht hatte. Die EITB-Gala zeigte den Film „Vitoria, 3 de marzo“ von Victor Cabaco – die Geschichte der Ereignisse von 1976 in Gasteiz-Vitoria, als spanische Polizeikräfte rücksichtslos in eine Arbeiterversammlung schossen und fünf Personen umbrachten.
Zufriedene Veranstalter
José Luis Rebordinos (*1961) ist seit 22 Jahren Direktor der Kino-Abteilung von Donostia Kultura. 21 Jahre lang leitete er die Kinowoche Phantasie und Horror. Weitere 8 Jahre das Menschenrechts-Kino-Festival. Rebordinos ist Mitglied der Europäischen Film Akademie EFA. Mit dem Verlauf der 66. Ausgabe von Zinemaldia ist er hochzufrieden. Die exzellente Auswahl von Filmen und das gute Wetter haben zu einem enormen Publikums-Zulauf geführt und einen Qualitäts-Standard hinterlassen, der nur schwer zu überbieten ist. Ein Interview (2):
Die Offizielle Sektion des Festivals war geprägt von zwei unterschiedlichen Tendenzen: Filme, die auf Risiko setzen und Filme, die vom realen Leben handeln. Mit Blick auf die Preise könnten wir sagen, dass die zweite Tendenz von der Jury höher bewertet wurde.
Rebordinos: Stimmt, es gab zwei Positionen oder Visionen, die sich klar unterschieden. Ich würde eine dritte hinzufügen, thematische Filme wie „Illang: la brigada del lobo” (Illang, Wolfsbrigade) aus Südkorea, der als Thriller daherkommt; oder „The Black Book” und „Angelo”, die jeweils in ein Epochendrama verpackt wurden. Aus Respekt vor der Jury äußere ich mich grundsätzlich nie zur Preisvergabe, das ist nicht meine Aufgabe. Gefallen hat mir, dass ein Filmemacher wie Brillante Mendoza, der bei den Festivals von Cannes oder Berlin aus- und eingeht, bei uns eine positive Bewertung erhalten hat. Ich freue mich auch über den zweiten Erfolg von Isaki Lacuesta. Für ihn hat die zweite Goldene Muschel sicher eine besondere Bedeutung, denn beim ersten Erfolg war die Filmkritik nicht einverstanden. Auch komplizierte Filme wie der von Claire Denis haben Preise gewonnen, das hat uns in der Entscheidung bestätigt, solche Filme ins Programm aufzunehmen. Filme mit sozialen Themen hatten sicherlich ein großes Gewicht in diesem Jahr. Filme wie der von Mendoza, der die Korruption auf den Philippinen thematisiert; oder „Rojo“, der den Schritt zur Barbarei der argentinischen Diktatur zeigt. Auch Lacuesta zeigt ein Stück spanischer Realität – sie alle sprechen vom großen Interesse vieler Filmemacher für die Themen aus der direkten Nachbarschaft.
Die sozialen Themen hatten ihre Fortsetzung bei der Preisverleihung. Können Sie sich erinnern, dass es schon einmal so viele politische Bezüge gab?
Ehrlich gesagt nicht. Zumindest seit ich Direktor bin.
Emotionalität spielte ebenfalls eins wichtige Rolle in dieser 66. Edition von Zinemaldia. Insbesondere von Seiten der drei Donostia-Preisträger*innen. (3)
Danny DeVito ist ein absoluter Sympathieträger. Er ist intelligent und humorvoll, und er war überrascht, dass die Leute ihn ständig auf der Straße grüßten. Hirokazu Koreeda ist ein besonderer Fall, er hat dem Festival viel zu verdanken und kommt gerne. Bei der Preisverleihung war er ziemlich geknickt vom kürzlichen Tod von Kirin Kiki, einer der bekanntesten japanischen Schauspielerinnen, mit der er häufig gedreht hatte. Beim Abendessen zeigte er mir Bilder von ihrem letzten Aufenthalt in Donostia. Auch der Preis für Judy Dench war etwas Besonderes. Sie wollte nur eine kurze Rede halten, wegen einer Augenkrankheit. Doch es kam anders, sie sprach länger als erwartet und war sehr dankbar für die Aufnahme in Donostia.
Erstaunlich war in diesem Jahr die große Präsenz des baskischen Kinos.
Darüber sind wir zufrieden und stolz. Filme wie „Dantza”, „Oreina”, Fermin Muguruzas „Black is Beltza” oder der Trickfilm „Un día más con vida” (Noch ein Tag Leben), ko-dirigiert von Raúl de la Fuente und Damian Nenow, stehen für eine vielversprechende Zukunft des baskischen Kinos, das bereits eine beachtliche Relevanz aufweist. Im kommenden Jahr werden wir weitere gute Filme zeigen, deren Macher das Risiko suchen. Dank der Institutionen und verschiedener Produktoren ist das baskische Kino zu einem wichtigen Faktor geworden. Gleichzeitig fällt es uns leichter, für die baskischen Filme auf internationaler Ebene eine Art Schaufenster darzustellen.
Ein Bild von Zinemaldia 66, das Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben ist?
Ich hätte gerne eine Luftaufnahme gehabt vom Samstag, von der Szene mit den US-Schauspielern Bradley Cooper und Chris Hemsworth auf der Straße. Unglaublich was da los war! Aber wir mussten an die Sicherheit denken, berühmte Leute zu empfangen ist nicht einfach.
(Baskultur.info / 2018-10-02)
ANMERKUNGEN:
(1) Information und Zitate aus dem Artikel “Las aguas fluyen con pasos dobles para Isaki Lacuesta” (Das Wasser fließt in doppelten Schritten für Isaki Lacuesta), Tageszeitung Gara 29.09.2018 (Link)
(2) Artikel Tageszeitung Gara vom 1.10.2018: “La 66 ha sido la edición más destacada de los últimos años” (Die 66. war die herausragendste Ausgabe der letzten Jahre)
(3) Mit dem Donostia-Preis werden Film-Künstlerinnen geehrt für ihr Lebenswerk. Diese Ehrenpreise werden vorher ausgehandelt und bekannt gegeben, die entsprechenden Personen werden dann als Stargäste eingeladen und sorgen für den Glitter und das Renommée von Zinemaldia.
ABBILDUNGEN:
(1) Zinemaldia 2018 (zinemaldia)
(2) José Luis Rebordinos (diariovasco)
(3) Film ROJO (otroscines)
(4) Isaki Lacuesta (reuters)
(5) Gewinnerfilm (latermitafilms)
(6) Danny DeVito (theobjective)