Baskische Filme wie nie zuvor
Das internationale Filmfestival von San Sebastian – Zinemaldia – zeigt in seiner 67. Ausgabe nicht weniger als 21 baskische Produktionen. Zwei Filme stechen ins Auge: “Der unendliche Schützengraben“ ist in der Offiziellen Festival-Sektion vertreten, bei der es um die Concha-Preise geht. Daneben wird “Agur Etxebeste“ uraufgeführt, der zweite Teil des Erfolgsfilms “Aupa Etxebeste“. Donostia-Ehrenpreise für ihr Lebenswerk erhalten Penelope Cruz, Donald Sutherland und Konstantinos Costa-Gavras.
Das Internationale Filmfestival ZINEMALDIA in Donostia – San Sebastian geht vom 20. bis zum 28. September in seine 67. Ausgabe. Sie zeichnet sich aus durch große baskische Beteiligung und verteilt einmal mehr Lebenswerk-Preise an drei international bekannte Filmschaffende.
“Dieses Festival ist ein offenes Fenster, durch das sich unser Kino, das baskische Kino der Welt zeigen muss“. Mit diesen Worten stellte der Festival-Direktor José Luis Rebordinos die baskische Beteiligung für die 67. Ausgabe des Zinemaldia-Filmfestivals vor. Das baskische Kino ist mit der beachtlichen Zahl von 21 Filmen vertreten: siebzehn Spielfilme, ein halblanger Film und drei Kurzfilme. Vorgestellt werden diese Filme in den verschiedenen Sektionen des Festivals von Donostia. Von den angekündigten 21 baskischen Produktionen wurden laut der Festival-Veranstalter acht ganz oder teilweise in baskischer Sprache gedreht.
In den vergangenen Jahren wurde auf die baskische Beteiligung beim Zinemaldia besonders großer Wert gelegt, weil dem Festival lange Zeit der Ruf nachhing, den baskischen Film zu vernachlässigen. Den Concha-Preis für den besten Festivalfilm hat bislang noch kein baskischer Film erreicht, doch die Teilnahme baskischer Produktionen nimmt jährlich zu.
Zinemira – baskischer Film
Die im Baskenland selbst am meisten beachtete Wettbewerbs-Kategorie ist “Zinemira“ (bask: Kino schauen), die ausschließlich baskischen Filmen gewidmet ist. Hier sind zehn Produktionen zu sehen. Zum Beispiel “Varados“ (Gestrandet), das letzte Werk von Helena Taberna aus Altsasua. Es zeigt den Lebensalltag von Langzeitflüchtlingen in Griechenland.
Iban del Campo zeigt bei Zinemaldia seinen ersten Spielfilm mit dem Titel “Flittering Misfits“. Dabei erzählt der Regisseur aus Arrasate-Mondragon die Realität der Bordelle und Nightclubs der sogenannten off-off-Broadway-Szene in New York, wo Werke gezeigt werden, die das kommerzielle Schema sprengen. Auch Loic Legrand aus dem französischen Baskenland zeigt sein Erstlingswerk “Hiru uhinak – Les trois vagues“ (Die drei Wellen), darin stehen drei Regisseure vor der Herausforderung, eine alte Legende zu erzählen. Sowohl Taberna, wie auch del Campo und Legrand sind im Wettbewerb um den “Irizar-Preis für das Baskische Kino“ vertreten, mit dem bei Zinemaldia uraufgeführte Spielfilme prämiert werden.
Außerhalb des Irizar-Wettbewerbs werden weitere sieben Filme gezeigt, die im vergangenen Jahr beachtliche Erfolge erzielt haben. “El doble mas quinze“ (Das Doppelte plus fünfzehn) von Mikel Rueda aus Bilbao; “Muga deitzen da pausoa“ von Maider Oleaga; “Soinujolearen semea“ (Sohn des Akkordeonspielers) von Fernando Bernues nach dem Roman von Bernardo Atxaga; “70 Binladens“ von Koldo Serra; “La pequeña Suiza“ (Die kleine Schweiz) von Kepa Sojo; “Elcano und Magallanes: la primera vuelta al mundo“ (Elcano und Magallanes: die erste Reise um die Welt) von Angel Alonso; sowie “Paseko txoriak – Aves de paso“ (Zugvögel), den letzten Film von Juanmi Gutierrez aus Renteria, der im Februar starb und nun bei Zinemaldia geehrt wird. Gutierrez zeigte beim Filmfestival in der Vergangenheit zehn seiner Filme, alle in der Sektion Zinemira.
Agur Etxebeste!
Ebenfalls im Rennen um den Irizar-Preis ist der zweite Teil von “Aupa Etxebeste!“, ein Film in baskischer Sprache, der seinerzeit Besuchsrekorde schlug und einen beachtlichen Erfolg einfuhr. Die neue Folge der Abenteuer der Etxebeste-Familie, gedreht von Asier Altuna und Telmo Esnal trägt den Titel “Agur Etxebeste!“ und wird gezeigt bei der Gala des Baskischen Films am 24. September.
In der zweiten Gala, organisiert vom öffentlichen baskischen Fernsehen EITB, wird der Film “Una ventana al mar“ (ein Fenster zum Meer) von Miguel Angel Jimenez uraufgeführt, der somit ebenfalls im Irizar-Wettbewerb vertreten ist. Darin spielt Emma Suarez eine Frau, der Krebs diagnostiziert wird und die entgegen der Ratschläge von Ärzten und ihres Sohnes mit ihren Freundinnen eine Reise nach Griechenland unternimmt.
In der Offiziellen Festival-Sektion vertreten ist der Film “La trinchera infinita“ (Der unendliche Schützengraben), in diesem Fall mit Direktion von Aitor Arregi, Jon Garaño und José Mari Goenaga in der Regie. Der Film handelt vom Spanienkrieg von 1936 und von Personen, die sich in Verstecken einschlossen, um politische Repression zu vermeiden. Im Film geht es um Higinio Blanco, der sich nach dem Krieg in seinem Haus einschloss und nicht ahnen konnte, dass er es 30 Jahre lang nicht verlassen würde.
Im Krieg eingeschlossen
Zusammen mit “La trinchera infinita“ sind weitere drei Filme im Irizar-Wettbewerb vertreten, die auch in anderen Sektionen des Festivals gezeigt werden. Maider Fernández Iriarte aus Donostia stellt in der Sektion “Neue Regie“ den 51-jährigen Katalanen Jordi vor, der einen Gehirnstillstand erlitt und von einer London-Reise träumt; in der Sektion “Culinary-Zinema“ zeigt Iñaki Arteta seinen Film über das berühmte und preisgekrönte Grillrestaurant Etxebarri und stellt den Chefkoch vor: “Bittor Arginzoniz. Vivir en el silencio“ (B.A. Ein Leben in der Stille); Mikel Urretabizkaia präsentiert in seinem Werk “Gazta“ (Käse) die Welt des Idiazabal, einem Qualitäts-Käse aus Gipuzkoa.
Die Produktionen vier weiterer baskischer Zineast*innen sind nicht beim Irizar-Preis vertreten, werden aber beim Festival gezeigt. Für das Zabaltegi-Tabakalera-Kino wurden zwei Kurzfilme ausgewählt, “Leyenda dorada“ (Vergoldete Legende) des aus Urnieta stammenden Ion de Sosa, mitdirigiert von Chema García Ibarra aus Valencia; sowie “Lursaguak“ (Erdmäuse) von der aus Azkoitia stammenden Izibene Oñederra. Hier ist auch der halblange Film “Urpean lurra“ (Erde unter Wasser) von Maddi Barber zu sehen. Die aus Lakabe stammende Filmerin war bereits im vergangenen Jahr mit “592 metroz goiti“ (höher als 592 Meter) zu Zabaltegi eingeladen worden.
In der Sektion “Perlak“ steht auf dem Programm “O que arde“ (Lo que arde – Was brennt), ein Film von Oliver Laxe, der uraufgeführt und prämiert wurde bei “Un certain regard de Cannes“. In seinem im Culinary-Kino aufgeführten Film “Zer jan hura izan“ (Essen und Sein) referiert Igor Arabaolaza ohne Umschweife über Essgewohnheiten.
Neben den von Rebordimos angesprochenen “Fenstern zur Welt“ unternimmt Zinemaldia auch den Versuch, Türen zu öffnen für neue Vorschläge und Ideen. In diesem Sinne wird Platz geschaffen für zwei noch nicht fertiggestellte Filme: “Karmele“ von Asier Altuna ist Teil der Koproduktion Europa-Lateinamerika; und Aitziber Olaskoaga aus Getxo präsentiert innerhalb des Programms Ikusmira-Berriak (bask: neue Ansichten) den Film “Lo ta ke“ (Schlafen und Rauch).
Sektionen des Zinemaldia-Festivals
Das Filmfestival ist aufgeteilt in verschiedene Sektionen, die zum Teil Preise verteilen und an verschiedenen Orten der Stadt ihre Projektionssäle haben. In der “Offiziellen Sektion“ wird von der Jury über die “Goldene Muschel“ entschieden (Concha de Oro). Daneben gibt es die Film-Sektionen “Donostia-Preis für das Lebenswerk“ mit drei Nominierungen für 2019, Neue Direktor*innen, Lateinamerikanische Horizonte, das Programm von Zabaltegi-Tabacalera, Perlak, Nest Film Students, das gastronomische Kino “Culinary Zinema“, die Gala des Baskischen Kinos, die Gala des öffentlichen baskischen Fernsehens EITB, die Sektion “Made in Spain“, die Gala des öffentlichen spanischen Fernsehens RTVE, eine Sektion in der Radrennbahn Velódromo, das Kinderkino, sowie eine Retrospektive mit Filmen von Roberto Gavaldón.
Zinemira-Preis
Der Zinemira-Preis, eine Auszeichnung für das baskische Kino, wird in diesem Jahr an Jose María “Txepe“ Lara verliehen. Im Jahr 1987 hatte er eine eigene Produktionsgesellschaft gegründet und war seither kontinuierlich damit beschäftigt, neue Regie-Talente zu unterstützen. Einen weiteren Ehrenpreis erhält der im Februar verstorbene Direktor Juanmi Gutierrez, dessen letzter Film “Paseko txoriak“ gezeigt wird.
Lara wurde 1948 in Madrid geboren und begann seine Verbindung mit dem Kino 1985, zuerst mit fester Fotokamera und als Kamerahelfer. Damals arbeitete er mit bei Filmen wie “Hamaseigarrenean aidanez“ (Domingos letzte Wette, nach dem Roman von Anjel Lertxundi, 1985) oder “Adios, pequeña“ (Auf Widersehen, Kleine – von Imanol Uribe, 1986). Lara war einer der Gründer der Vereinigung baskischer Kino-Techniker, mit seiner damals gegründeten Firma unterstützte er Filme wie “El anónimo … vaya papelón!“ (Anonym … Statisten-Rolle, 1990), bei dem Alfonso Arandia sein Regie-Debüt gab. Lara war beteiligt an “Alsasua 1936“ von Helena Taberna und bei “Justino, un asesino de la tercera edad” (Justino, ein pensionierter Mörder). Jener Film wurde gedreht von Santiago Aguilar und Luis Guridi, er gewann im bekanntesten spanischen Kino-Festival zwei Goya-Preise.
Lara produzierte verschiedene Arbeiten zusammen mit Ramon Barea (unter anderem “Pecata minuta“ und “El coche de pedales“ – “Kleine Fehler“ und “Das Pedalauto“). Er arbeitete zusammen mit Asier Altuna und Telmo Esnal (“Txotx, “Topeka“, “Aupa Etxebeste!“), sowie mit der Cutterin Julia Juaniz. Lara unterstützte Daniel Calparsoro in seinen Anfängen und war in den letzten Jahren an Produktionen mit internationaler Besetzung beteiligt. Die Preisübergabe findet am 24. September statt, vor der Uraufführung von “Agur Etxebeste!“.
Stars und Sternchen
Abgesehen von den verschiedenen Filmsektionen und Preiskategorien lebt Zinemaldia auch von internationalen Stars, die am Kursaal ihr Stelldichein geben, Autogramme verteilen (oder auch nicht) und sich mit verrückten Fans ablichten lassen (oder auch nicht). Erst diese Filmstars machen aus Zinemaldia ein Spektakel, das in Teilen der Welt, oder zumindest in der internationalen Filmwelt zur Kenntnis genommen wird.
Einer der Star- und Ehrengäste bei der 67. Zinemaldia-Ausgabe 2019 ist der griechisch-französische Filmregisseur Konstantinos Costa-Gavras, der kurz zuvor beim Filmfestival in Venedig seinen neuen Film vorstellte: “Adults in the room“ (Erwachsene im Raum), ein Spielfilm über das Schuldendrama in Griechenland, das auf einem Buch des kurzzeitigen Finanzministers Varoufakis basiert. Am 21. September soll Costa-Gavras – neben Penelope Cruz und Donald Sutherland – einen der drei “Donostia-Preise“ für sein Lebenswerk erhalten.
Costa Gavras und die Linke
Bereits in Venedig erhielt Costa-Gavras 2019 einen speziellen Preis und ließ sich anlässlich seines Filmthemas über die europäische Linke aus. “Wir müssen überlegen was die Linke ist; es sind nicht die Personen, es sind Ideen, es ist eine Lebensphilosophie, die wir ein paar Männern überlassen haben, die versagt haben. Europa hat sich in einen Kontinent verwandelt, in ein neoliberales Imperium, in den vergangenen 15 Jahren wurde es äußerst schlecht regiert“, resümierte er und nannte auch Namen wie die beiden EU-Präsidenten Barroso und Juncker. Letzterem warf er vor, sein Land Luxemburg in ein Steuerparadies verwandelt zu haben.
Gleichzeitig warnte Costa-Gavras vor der Gefahr des Populismus, das habe in den 1930er Jahren bereits einmal in die Katastrophe geführt. Einen Lacherfolg erlebte Costa-Gavras in Venedig nach der Frage eines brasilianischen Journalisten. Der wollte wissen, ob Costa-Gavras eventuell auch einen Film über den neuen Präsidenten Jair Bolsonaro machen wolle. Seine Antwort: ”Dafür bräuchten wir Chaplin“.
Bei “Adults in the room“ verwandelt der Regisseur die griechische Wahlfarce und Schuldenkrise des Jahres 2015 in eine Tragödie. Er berichtet von den Verhandlungen der Syriza-Regierung mit europäischen Institutionen nach deren Wahlsieg. Grundlage des Films ist ein Buch des Exministers Varoufakis. Costa-Gavras zeigt in satirischem Stil die Wahl-Botschaften des Syriza-Chefs Alexis Tsipras, der an den nationalen Stolz appelliert hatte.
Konstantinos Costa-Gavras wurde 1933 in Griechenland geboren und wanderte mit 22 Jahren nach Frankreich aus. 1965 machte er seinen ersten Film “Compartiment tueurs“ (Mord im Fahrpreis inbegriffen). Es war der Beginn einer beachtlichen Film-Karriere, die ihm viele internationale Anerkennung brachte. Einer der Höhepunkte war der Oscar für den besten Nicht-Englischsprachigen Film, den er für den Politfilm “Z“ erhielt, eine unübertrefflich bissige Darstellung der griechischen Diktatur der 1960er Jahre, mit Ives Montand, Jean-Louis Trintignant und Irene Papas in den Hauptrollen. Den zweiten Oscar erntete er für das Drehbuch von “Missing“ im Jahr 1982. Bei seinem Film “Der unsichtbare Aufstand” widmete sich Costa-Gavras der Militärdiktatur in Uruguay Anfang der 1970er Jahre und dem Widerstand der legendären Stadtguerrilla MLN Tupamaros.
ANMERKUNGEN:
(1) Teilübersetzung des Artikels “Homenajes, segundas partes y mucho cine vasco” (Ehrungen, zweite Teile und viel baskisches Kino), Tageszeitung Gara 2019-08-31
(2) Ausschnitte aus dem Artikel “Costa-Gavras asegura que la izquierda europea ha fallado en todas partes” (CG versichert, dass die europäische Linke auf allen Ebenen versagt hat), Tageszeitung Gara 2019-08-31 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Zinemaldia 2019
(2) Zinemaldia 2019
(3) Zinemaldia 2019
(4) Zinemaldia 2019
(5) Zinemaldia 2019
(6) Zinemaldia 2019
(Publikation baskultur.info 2019-09-08)