Szenen eines andauernden Konflikts
Die Untergrund-Organisation ETA war Protagonistin in zahlreichen Filmen und Dokumentationen. Dabei wurde die Gewalt, die das Baskenland in fünf Jahrzehnten erlebt hat, aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln beschrieben und analysiert. Vor allem baskische Filmemacher*innen wagten sich an diese Arbeit, die je nach Thema und Blickwinkel von Publikum und Politik misstrauisch betrachtet wurde. Mitunter waren die Filme Ursprung starker Polemik, Boykott oder Aufführungsverbote gehörten zum Ambiente.
Nach dem Ende der franquistischen Diktatur und des folgenden Übergangs in eine Monarchie wurde begonnen, die Geschichte der Untergrund-Organisation ETA in Filmen zu behandeln, insbesondere von baskischen Regisseuren. Die filmische Aufarbeitung staatlicher Gewalt begann mit zwei Jahrzehnten Verzögerung.
Nicht nur ETA hat mit ihren bewaffneten Aktionen für viele Tote gesorgt, von über 800 ist in den Medien zu lesen. Weniger medienpräsent sind die toten Bask*innen und Nichtbask*innen, die der anderen Konfliktseite, der staatlich-polizeilichen Gewalt zum Opfer fielen. Auch diese schwieriger zu quantifizierende Zahl liegt im Bereich von mehreren Hundert. Gretchen-Frage bei allen filmischen Darstellungen und Analysen war, welches Thema oder welcher Aspekt des Konflikts für die Arbeit gewählt wurde. Der Versuch einer neutrale Betrachtung war so gut wie unmöglich. Unvermeidlich waren deshalb die jeweiligen Reaktionen auf die Filme. Viele wurden von der jeweils „anderen Konflikt-Seite“ denunziert, boykottiert oder attackiert. Entsprechende Premieren bei Filmfestivals im Staat wurden mitunter auch gesprengt oder verhindert. Bis heute wecken die Themen ETA und baskisch-spanischer Konflikt viel Sensibilität und Leidenschaft.
Wie also wurde dieser Konflikt und seine Beteiligten – ETA und die spanischen Repressionsorgane – in Filmen dargestellt? Eine umfassende Übersicht ist ein unmögliches Unterfangen, insofern orientiert sich folgende Beschreibung an den relevantesten Werken. Generelles Problem bei der filmischen Darstellung war, dass die Gewalt in der Realität weiter ging – Attentate von ETA, Folter und Polizeischüsse auf der anderen Seite. Bis zur Auflösung von ETA mussten Film und Wirklichkeit somit zwangsläufig immer im Gleichschritt gehen. Polemik war vorprogrammiert. Zum Beispiel 1979, als beim Zinemaldi-Filmfestival von Donostia (San Sebastian) Imanol Uribes Film „Der Burgos-Prozess“ (El proceso de Burgos) gezeigt wurde. Bereits im Vorfeld hatte es eine bittere Polemik gegeben, denn der Film zeigte ehemalige Aktivist*innen von ETA als antifranquistische Kämpfer*innen (1).
Uribe und der Burgos-Prozess
Im Prolog sprach der linke Historiker Francisco Letamendia, die Geschichts-Interpretation entsprach folglich der Position der abertzalen Linken (2). Regisseur Uribe wurde von Gegnern des Films unter Druck gesetzt, wollte den Vorspann herausnehmen, auch die Gegenseite reagierte mit Druck, der Vorspann blieb. Der Film wurde zu einem heldenhaften Bild des bewaffneten Kampfes gegen den Franquismus.
Zweifellos war der „Burgos-Prozess“ Teil der Überwindung der Vergangenheit und des Erwachens der Demokratie, obwohl nicht erwähnt wurde, dass fast alle der Protagonist*innen und Verurteilten von Prozess und Film bereits andere Wege außerhalb der Gewalt gewählt hatten. Uribes Film half, jenes Gefühl von Unterdrückung und Missachtung in vielen Teilen der baskischen Bevölkerung verständlich zu machen, das der Franquismus hinterlassen hatte. Jenes Horrorbild von Spanien im Baskenland, das zur Grundlage des Kampfes von ETA wurde und das gleichzeitig den Mythos des baskischen Kampfes und der Gewalt entstehen ließ.
Operation Menschenfresser
Ebenfalls 1979 sollte „Operation Menschenfresser“ (Operación Ogro) des Italieners Gillo Pontecorvo uraufgeführt werden, der 1965 für den hervorragenden Dokumentarfilm „Die Schlacht von Algier“ (La batalla de Argel) ausgezeichnet worden war. Erneut wurde ETA die hartnäckige Gegnerschaft gegenüber dem Franquismus bescheinigt. „Operation Menschenfresser“ ist die Geschichte des ETA-Attentats in Madrid, bei dem der designierte Franco-Nachfolger Carrero Blanco 1973 in die Luft gesprengt wurde. Die Tat hatte in den meisten Kreisen der sich damals im ganzen Staat entwickelnden Opposition zu heimlicher Freude geführt. „1979 hingegen stand ETA am Scheidepunkt zwischen antifranquistischer und antispanischer Aktion“ (3).
Zwei Jahre später (1981) begab sich Uribe erneut auf unerforschtes Gebiet. In diesem Fall mit einem Spielfilm, der die Protagonisten der „Flucht von Segovia“ (La fuga de Segovia) zum Thema nahm: ETA-Gefangene eines legendären Gefängnis-Ausbruchs im April 1976. „Das politische Ambiente von 1981 war geprägt von einem Verhandlungs-Prozess, an dessen Ende ein Teil der Untergrundorganisation (ETA político-militar) die Waffen abgeben und eine politische Partei gründen sollte, Euskadiko Ezkerra, die sich später mit den Sozialdemokraten vereinigte. Mit seinem Film bot Uribe eine neue Version, in der die Vergangenheit der Diktatur mit der Gegenwart und einer Chance auf Koexistenz verbunden wurde“ (3).
Denn der andere Teil der Organisation – ETA militar – blieb bei seiner bewaffneten Strategie. Drei Jahre später, 1984, stellte wiederum Imanol Uribe das Filmdrama „Mikels Tod“ vor (La muerte de Mikel), „eine bissige Kritik an der baskischen Linken und ihrer moralischen Scheinheiligkeit“. Der Film spielte im Schwulenmilieu, Protagonist war ein Apotheker aus dem Umfeld der baskischen Linken, der sich von seinen Kreisen entfernt und ein dramatisches Ende findet. „Uribes baskische Trilogie zeigte die Entwicklung ETAs aus der Perspektive einer Enttäuschung. ETA war nicht mehr ein Modell des Kampfes gegen Unterdrückung und Tyrannei, sondern hatte sich in eine Ausrede verwandelt für andere Perversionen der Realität“ (3).
1994 nahm Uribe das Thema erneut auf mit dem Film „Gezählte Tage“ (Días contados), der zu einem großen Erfolg wurde. Darin verschwindet die idealisierte Welt von ETA, erzählt wird die Geschichte verschiedener Aktivisten, die in einem entmenschlichten Klima ihr klandestines Leben führen.
Drogen und soziale Kontrolle
Eine Reihe weiterer Filme zum immer spannenden Thema ETA und Umfeld, jedoch von eher schwacher Qualität wurden in jener Zeit produziert. Darunter 1983 „Der Schnabel” von Eloy de la Iglesia (El Pico), eine Geschichte um Drogensucht zwischen Guardia Civil und baskischer Linker. Oder der Thriller „Goma-2” von José Antonio de la Loma aus dem Jahr 1984, einer halbwegs gelungenen Geschichte eines ETA-Aussteigers, der ein neues Leben zu führen versucht und an alten Konflikten scheitert; eine Rolle spielt darin unter anderem der bekannte Lee van Cleef. „Ander eta Yul” von Ana Díez (1989) handelt vom ETAs Justiz gegenüber Drogendealern im Baskenland.
Erwähnenswert auch „Rauchtage” (Días de humo,1989) von Antxon Eceiza, die Geschichte eines Rückkehrers ins Baskenland, der seine alte Heimat in der Dekadenz vorfindet. In „Liebe im Abseits” (Amor en off, 1992) von Koldo Izagirre versucht die Partnerin eines ETA-Gefangenen neue Beziehungen, scheitert aber am Widerstand ihres Umfeldes. „Blind“ (A ciegas, 1997) von Daniel Calparsoro ist ein misslungenes Werk über die Alpträume eines ETA-Aktivisten, der versehentlich seine eigenen Kommando-Kollegen tötet.
Die erschütternde „Yoyes”
Das folgende Jahrzehnt brachte dem Kino-Publikum Filme von höherer Qualität, zum ersten Mal geht der Blick der Drehbücher auch auf die Opfer. Die Liste beginnt mit „Yoyes“ von Helena Taberna aus dem Jahr 2000. Ein ganz besonderer Film, „weil er die Geschichte einer der ersten ETA-Führerinnen erzählt, die später von ETA selbst umgebracht wurde, um ihre Wiedereingliederung ins zivile Leben zu verhindern, und auf drastische Weise den totalitären Charakter der Organisation deutlich macht“. María Dolores González Cataráin „Yoyes“ kam 1971 mit 17 Jahren zu ETA, als Vertraute eines der führenden Köpfe wurde sie zur Chefin des politischen Apparates. Ideologische Differenzen in der ETA-Führung führten zu ihrem Ausstieg ohne öffentliche Aussagen, zum Exil in Mexiko und Paris. Weil juristisch nichts gegen sie vorlag, kehrte sie im August 1985 in ihren Heimatort zurück und wurde dort im September 1986 von ETA erschossen.
Zwei weitere Filme wären hervorzuheben. „Adrians Reise“ von Eduard Bosch (El viaje de Adrián, 2000) und „Der Strand der Windhunde” von Mario Camus (La playa de los galgos, 2002). „Der erste richtet seinen Blick auf die intimen Beziehungen zwischen ETA-Mitgliedern und zerstört jegliche Art von Romantizismus, der bezüglich Gewalt noch übrig sein könnte“ (3). Der zweite Film beschreibt die negative Wirkung von Gewalt auf die Personen, die sie ausüben oder sich in ihrem Umfeld bewegen. „Beide Filme sind würdige Beispiele für engagiertes Kino. Beide haben die klare Absicht, die emotionalen und moralischen Schlüssel für den Gebrauch von Gewalt zu enthüllen“ (3).
„Dabei wurde ein Tendenzwechsel deutlich. In Richtung eines überzeugenden Kinos, das den Blick auf das Innenleben der Kämpfer*innen richtete“. Es folgten eher kommerzielle Filme wie „Wolf“ (Lobo, 2004) oder „GAL“ (2006), die nichts zur Filmografie beisteuern konnten außer zwei neue Themen. „Lobo“ von Miguel Courtois ist ein Thriller, der die Infiltration eines Geheimdienst-Spitzel bei ETA zwischen 1973 und 1975 beschreibt. „GAL“ vom selben Regisseur beschreibt zwei Journalisten auf der Spur des sogenannten „schmutzigen Krieges“ gegen ETA, bei dem staatliche Stellen Todesschwadrone organisierten, die eine Reihe von Morden begingen, insbesondere im zu Frankreich gehörenden baskischen Norden.
Psychologische Betrachtungen
Im Jahr 2008 wurden zwei Filme vorgestellt, die aus ganz unterschiedlichen Gründen hervorzuheben sind. „Alle sind eingeladen” von Manuel Gutiérrez Aragón (Todos estamos invitados) und „Kopfschuss” (Tiro en la cabeza) von Jaime Rosales, der die übliche Polemik mit sich brachte, weil darin ein „Terrorist“ als „normaler Mensch wie du und ich“ dargestellt wird. Es ist die reale Geschichte von zwei ETA-Leuten, die nahe einer Gaststätte zufällig zwei Polizisten begegnen und sie umbringen. Der zuerst genannte Film von Gutiérrez Aragón ist „eine der besten fiktiven Beschreibungen des Leidens von ETA-Opfern, beginnend mit der Bedrohung des Protagonisten bis zu seiner Verfolgung“.
Auch gute Dokumentarfilme wurde gedreht. Dazu gehören „Mord im Februar” (Asesinato en febrero, 2001) und „Verfolgt” (Perseguidos, 2004), beide von Eterio Ortega. Daneben „Stimmen ohne Freiheit” (Voces sin libertad, 2004), „Dreizehn von Tausend” (Trece entre mil, 2005), „Die baskische Hölle“ (El infierno vasco, 2008) und erst kürzlich „1980“, aus dem Jahr 2014, alle vier von Iñaki Arteta. Als Kontrast dazu der sehr persönlich gehaltene Begegnungs-Film von Aitor und Amaya Merino mit dem Freund und ETA-Mitglied Asier Aranguren, der nach einer Zeit in Freiheit mittlerweile wieder im Gefängnis ist. „Asier und ich“ ist der Titel des Streifens, der eine große Ausnahme darstellt, weil hier ein authentisches ETA-Mitglied spricht (Asier eta biok - Asier y yo, 2013).
Trilogie Josu Martinez
Der aus fünf Teilen verschiedener Filmemacher*innen bestehende Dokfilm „Fenster nach innen“ (Barrura begiratzeko leihoak - Ventanas al interior, 2012) beschäftigt sich mit den ETA-Gefangenen und ihrer Situation in den Gefängnissen weit weg von ihren Familien, in einigen Fällen bis zu 1.000 Kilometer. Das von Josu Martinez koordinierte Projekt rief eine besondere Polemik hervor, weil die Provinzregierung Gipuzkoa das Ganze mit öffentlichen Mitteln gefördert hatte. Als die spanische Rechte davon erfuhr, musste zwar der Zuschuss zurückbezahlt werden. Die danach eingehenden Crowdfunding-Spenden wären jedoch ausreichend gewesen, um gleich zwei Filme zu finanzieren.
Für Martinez war es nicht das erste Projekt über die Geschichte von ETA, das er in die Kinosäle brachte. 2009 hatte er mit „Tochter des Meeres“ (Itsasoaren Alaba – La hija del mar) eine Low-Budget-Trilogie begonnen. Die Tochter des Meeres ist die junge Baskin Haize, die im Alter von 2 Jahren bei einem von spanischen Ultrarechten ausgeführten Attentat im Nordbaskenland ihren Vater verlor. Mikel Goikoetxea alias Txapela war ETA-Mitglied und lebte im Exil in Iparralde. Mit 25 Jahren beginnt Haize, das Leben ihres Vaters Schritt für Schritt zu ergründen, indem sie Personen aufsucht, die ihn kannten und ganz unterschiedliche Beziehungen zu ihm hatten, politische, freundschaftliche, familiäre. So puzzelt sich die junge Frau in 50 Minuten Film ihren Vater zusammen.
Martinez zweites Dokfilm-Projekt führte ihn zusammen mit Ko-Regisseur Txaber Larreategi weit weg vom Baskenland, auf die am Äquator liegende Insel Sao Tomé. „Zeit der Äpfel“ (Sagarren denbora – Tiempo de manzanas) ist die Geschichte des früheren ETA-Mitglieds Alfonso Etxegarai, der von der spanischen Regierung in den frühen 1980er Jahren auf die Insel deportiert wurde und von dort ohne Pass bis heute nicht mehr wegkommt. Etxegarai wurde nie verurteilt, in Bayonne lebte er im Exil, wurde nach Ecuador ausgewiesen und dort von der spanischen Polizei gefoltert. 1986 kam er auf die Insel ohne Wiederkehr. Alle drei Monate erhält er Besuch von seiner Freundin aus Exilzeiten in Bayonne. Das Verdienst des Films ist, dem Publikum die Realität von Deportierten nahe zu bringen. Denn neben Etxegarai gibt es noch eine ganze Reihe weniger bekannter Bask*innen, die dasselbe Schicksal erleiden.
Baskisches Pelota. Leder gegen Stein
Ausgerechnet ein Dokumentarfilm mit dem Anspruch neutraler Darstellung provozierte die verbissenste Polemik in der baskischen Filmgeschichte. Julio Medems „Baskisches Pelota. Leder gegen Stein” (La Pelota vasca. La piel contra la piedra) sollte zu einer Auseinandersetzung mit dem spanisch-baskischen Konflikt werden. Der Film „besteht aus einer unkommentierten Aneinanderreihung zahlreicher Interviews, die mit Politikern, Schriftstellern und Künstlern aus dem Baskenland geführt wurden. Das erklärte Ziel des Films ist eine Darstellung der Sichtweisen aller Konfliktbeteiligten“ (4). Diese bewusst gewählte Neutralität, bei der alle ihre Argumente vortragen sollten, wurde von der spanischen Rechten schroff zurückgewiesen, der Film wurde boykottiert und behindert. Verwendet werden Ausschnitte aus dem Videotagebuch „Around The World With Orson Welles“ aus dem Jahre 1955. Iñaki Ezquerra und Gotzone Mora, beide Mitglieder des ultrarechten Vereins „Ermua Forum“ verlangten von Medem, die mit ihnen geführten Interviews aus dem Film zu entfernen. Sie warfen ihm vor, dass er Mitglieder der Guardia Civil als Folterer und ETA-Mitglieder als Opfer darstelle – beide Umstände können nach heutigem Informationsstand getrost als objektive Wahrheit betrachtet werden. Nicht so durch die Scheuklappen-Sicht der spanischen Rechten – Medem kam dem Anliegen nicht nach. Der mehrere Stunden dauernde und in verschiedene Episoden geteilte Film ist eines der bedeutendsten historischen Film-Dokumente zum spanisch-baskischen Konflikt, der noch in dreißg Jahren als Unterrichtsmaterial benutzt werden kann.
„Lasa und Zabala“
Der Spielfilm „Lasa und Zabala“ von Pablo Malo aus dem Jahr 2014 zeichnet das Schicksal zweier junger ETA-Mitglieder nach, die 1983 von der Guardia Civil in ihrem baskisch-französischen Exil entführt, gefoltert und ermordet wurden. Dieser Fall war eines der hässlichsten Kapitel des „schmutzigen Krieges“ vonseiten des spanischen Staates, der für einige der beteiligten Politiker und Polizisten zu Verurteilungen und Haft führte. Die Leichen der jungen Basken wurden im fernen Alicante in einer wüstenähnlichen Gegend verscharrt und erst zehn Jahre später identifiziert. In spanischen Kinos werden solche Filme nicht oder nicht gerne gezeigt. Obwohl ihnen nicht einmal Parteilichkeit vorzuwerfen ist, weil sich die Drehbücher allein an die von spanischen Gerichten festgestellte Realität halten.
„Feuer“ (Fuego, 2014) von Luis Marías beleuchtet einen Teil der anderen Konfliktseite, die Opfer eines Attentats von ETA. Der Film ist ein Zeugnis von Angst und Drama. Protagonist ist ein ehemaliger Polizist auf dem Weg zur persönlichen Rache, gegen die Familie des ETA-Mitglieds gerichtet, der seine Frau umbrachte und sein Kind verstümmelte. „Trotz des Traumas nach dem Attentat interessiert sich das Opfer für das Leiden der Familien der Gefangenen. Dennoch bleibt der Film hinter den Erwartungen zurück, die Folgen der ETA-Gewalt hinreichend zu schildern“.
Komödien als Konflikt-Darstellung
Eigentlich kein Wunder, dass Komödien keine häufig gewählte Form waren, Geschichten rund um ETA oder den bewaffneten Konflikt darzustellen. Gewalt in humorvoller Weise darzustellen wirkt schnell frivol oder zynisch. „Der große Diktator“ von Chaplin (1940) ist mit seiner besonderen Anklage des Nazismus eine der seltenen Ausnahmen. Das gilt auch für den erfolgreichen Film „Das Leben ist schön“ (1997) von Roberto Benigni, bei dem es um den Holocaust geht. Was den baskisch-spanischen Konflikt angeht, kann in dieser Hinsicht nur „Wie hebe ich 1.000 Kilo“ (Cómo levantar 1.000 kilos, 1991) von Antonio Hernández erwähnt werden. Ein Film mit wenig Resonanz.
Dass im Jahr 2013 die Komödie „Acht baskische Familiennamen“ (Ocho apellidos vascos) im Gegensatz dazu ein Kinorenner im ganzen Staat wurde, hat andere Gründe. Zwar wird das Thema Basken, Linke und ETA gestreift, aber in besonderer Weise. In keinem Moment geht es um die Beschreibung baskischer Verhältnisse, sondern um die Eigenarten und Klischees von und über die Bask*innen. „Es gibt keine bessere Waffe gegen den Fanatismus als das Lachen“. Deshalb wurde der Kinohit – insbesondere nach dem Ende der ETA-Realität – mit Neuauflagen ausgeschlachtet.
Der Filmbestand zum Thema spanisch-baskischer Konflikt, Repression und ETA ist größer als an dieser Stelle dargestellt. Auf der großen Leinwand wurde viel und tiefgründig über die Themen gesprochen, Tabus gibt es nicht mehr. Doch das große Geschäft war und ist mit diesen Filmen nicht zu machen.
Einige der beschriebenen Filme haben den Verdienst, verschiedene Facetten des Konflikts nachvollziehbar zu beschreiben, aus sehr unterschiedlicher Sicht. Über vierzig Jahre hinweg betrachtet wird anhand der Filminhalte deutlich, wie die ursprünglich bis in die spanische Gesellschaft reichende Sympathie für ETA sich mit der Zeit relativierte, je länger Franquismus und Diktatur zurück lagen, und je weniger nachvollziehbar die blutige Praxis in der Bevölkerung war. Die Thematisierung des Komplexes Staatsterror in Filmen ist hingegen eine eher neue Erscheinung in der Kinowelt.
(Publikation Baskultur.info 2019-01-30)
ANMERKUNGEN:
(1) Burgos-Prozess: Der Burgos- oder „Basken“-Prozess von Dezember 1970 stellt in vielfacher Hinsicht eine Zäsur in der Geschichte des Franco-Regimes dar. In der nordkastilischen Stadt Burgos mussten sich sechzehn Angeklagte, darunter drei Frauen und zwei Priester, für eine Reihe von Delikten, die im spanischen Strafgesetzbuch unter den Straftatbestand „Banditentum und Terrorismus“ fallen sowie für die Ermordung des Folter-Kommissars der politischen Polizei, Melitón Manzanas, vor einem Militärgericht verantworten. Die internationale Wahrnehmung der Gerichtsverhandlung und ihre Diskreditierung als Akt politischer Justiz und Staatsräson führten zu einer entgegengesetzten Wirkung als angestrebt, sodass das Regime selbst auf der „Anklagebank“. Schließlich musste General Franco von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch machen und die Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umwandeln, was er in seiner Fernsehansprache zum Jahresende 1970 ankündigte. (Lexikon der politischen Strafprozesse). (Link)
(2) abertzal: Baskischer Begriff der mit „patriotisch“ zu übersetzen ist, jedoch auch eine ideologische Komponente aufweist in Richtung links. So wird die baskische Linke in der Regel als „abertzale Linke“ bezeichnet, selbst die baskische Rechte (Christdemokraten) benutzen den Begriff gelegentlich zur Selbstbeschreibung.
(3) Die markierten Zitate stammen aus: „ETA en el cine“ (ETA im Kino), Tageszeitung Deia, Reportage von Igor Barrenetxea.
(4) Regisseur Julio Medem: „Baskisches Pelota. Leder gegen Stein“, Dokumentarfilm. Wikipedia (Link)
ABBILDUNGEN:
(1) Filmplakat-Collage (FAT)
(2) Burgos-Prozess, DVD
(3) Mikels Tod, Filmplakat
(4) Lasa und Zabala (filmaffinity)
(5) Pelota Vasca, Medem, Filmplakat
(6) Yoyes, Filmplakat (filmaffinity)
(7) Ander und Yul, Filmplakat
(8) Zinemaldi Filmfest Donostia