eusk001Euskara am navarrischen Hof

Das Staatsarchiv von Navarra stellt in einer seiner Galerien im Monat April einen Briefwechsel aus, der von zwei Staatsbeamten – Martín de San Martín und Machín de Zalba – mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 1416 geschrieben und unterzeichnet wurde, ein Briefwechsel, der als der längste handgeschriebene Text in baskischer Sprache aus dem Mittelalter gilt. De Zalba war königlicher Schatzmeister von Carlos dem III. (el Noble), in den Briefen geht es um Steuerfragen und private Angelegenheiten.

Bis heute wird von spanischen Sprachwissenschaftlern in Frage gestellt, zu welcher Zeit und wie weit die baskische Sprache Euskara verbreitet war und in der Bevölkerung und der Verwaltung benutzt wurde. Deshalb sind Dokumente wie das aktuell in Pamplona (baskisch: Iruñea) vorgestellte immer wieder eine besondere Nachricht. Nationalistische Sprachforscher der Königlichen Akademie für die Spanische Sprache (Real Academía de la Lengua Española) sehen mit Wehmut auf die Tatsache, dass das Euskara eine Geschichte von tausenden von Jahren hinter sich hat, während sich die kastilische Sprache – Castellano und später Spanisch – erst nach der arabischen Besetzung der Halbinsel und mit dem Beginn der sog. Rückeroberung (reconquista) aus dem Lateinischen entwickelt hat, im Gleichschritt mit Katalan, Französisch und anderen sogenannten romanischen Sprachen. Dabei war das Euskara immer mehr die Sprache des Volkes als die geschäftlich benutzte Sprache, Euskara hatte kaum einen literarischen Ausdruck und kam in den öffentlichen Verwaltungen selten zur Anwendung. Aus diesem Grund steht die baskische Sprache bis heute unter einer Art von Legitimationsdruck, immer wieder muss sie bewiesen und ihre Benutzung bestätigt werden. Dabei helfen Dokumente wie die aktuell im Staatsarchiv Navarra ausgestellten. (2016-04-11)

Die Kürze des Textes „mindert in keinster Weise die Bedeutung und Einzigartigkeit dieses Dokuments“. So der Begleittext der navarrischen Regierung in Bezug auf das Ausstellungs-Stück, das derzeit im Staatsarchiv zu sehen ist (1). Das Dokument sei ein Zeichen dafür, dass im Mittelalter ein Teil der navarrischen Bevölkerung das Euskara als Umgangssprache benutzte. Das Dokument wurde 1969 gefunden und der Öffentlichkeit vorgestellt, in dunklen Stunden des Franquismus. Für den Fund verantwortlich war der damalige Leiter des Navarra-Archivs, Florencio Idoate, das Dokument befand sich zwischen alten Registern der königlichen Finanzkammer. Seit jener Zeit wurde der Text jahrelang ausgestellt im alten Sitz dieser Institution. Im Jahr 2014 wurde er erneut gezeigt in einer Erinnerungs-Ausstellung, die das Allgemeine Königliche Archiv von Navarra aus Anlass seiner 10-jährigen Wiedereröffnung feierte. Heute, im 600. Jahr nach seiner Niederschrift widmet das Archiv dem u.a. in baskischer Sprache erfolgten Briefwechsel zwischen Martín de San Martín und Machín de Zalba (1416) eine Klein-Ausstellung.eusk002

Briefe in Euskara

Das Dokument umfasst zwei kurze Briefe, beide auf demselben Papier geschrieben. Verfasser dieser Briefe waren Martín de San Martín einerseits und Machín de Zalba andererseits. Auch wenn die Briefe nicht datiert sind, so ist in den alten Archiven der Finanzkammer dennoch ausreichend dokumentiert, dass es sich bei den beiden Autoren um königliche Beamte handelte, die in der Verwaltung des navarrischen Königs Carlos III el Noble leitende Funktionen ausübten. Carlos III. lebte von 1361 bis 1425 und war von 1387 bis zu seinem Tod navarrischer König. Alles deutet darauf hin, dass die Briefe im Jahr 1416 geschrieben wurden.

Der erste Brief ist in navarrischem Latein geschrieben, einer Sprache, die in der königlich navarrischen Verwaltung jener Zeit üblich war. Der Brief enthält jedoch auch einen Abschiedsgruß, der in Euskara geschrieben ist: „jaunaticula egun hon“ (Gott gebe dir einen guten Tag). In diesem Brief bat Martín de San Martín den Kollegen Machín de Zalba darum, ihm schriftlich mitzuteilen, wie hoch die Steuersenkung sei, die der König der Einwohnerschaft von Donibane Garazi (französisch: St. Jean Pied de Port) gewährt habe. Am Ende des Briefes nutzte er die Gelegenheit für eine private Angelegenheit, er wollte von Machín de Zalba bestätigt haben, dass dieser zu einem Festessen kommen werde, zu dem offenbar beide eingeladen waren.

In seiner Antwort schrieb Machín de Zalba, einer der Schatzmeister des Königs, in navarrischem Latein. Bezüglich des Festessens kommentiert er, zum besagten Termin habe er Gäste im Haus, die er begleiten musste, deshalb könne er nicht zum Essen kommen. Anschließend wechselte er die Sprache und schrieb in Euskara bezüglich des Steuernachlasses für die Bürger von Donibane Garazi.eusk003

Während der gesamten Geschichte wurde in der Administration Navarras zuerst Latein, dann navarrisches Römisch, und später Kastilisch als Verkehrssprache benutzt. Das geht aus den tausenden von Dokumenten hervor, die im Navarra-Archiv erhalten sind. Ein Teil der Bevölkerung sprach jedoch ausschließlich Euskara, die baskische Sprache, die erst viel später in offiziellen Dokumenten Aufnahme fand und zur literarischen Ausdrucksform wurde.

Das geschilderte Beispiel ist nicht der einzige Fall eines historischen Dokuments, das in Euskara formuliert wurde. Im Archiv gibt es weitere Dokumente dieser Art. Eines der ausgestellten Dokumente trägt die Worte „euskerica eric vere gogoan“. Dieser Satz ist auf der Rückseite von Rechnungsblättern zu finden, mit denen die Verwaltung von Donibane Garazi ihre Abrechnungen bei der königlichen Administration einreichte.

ANMERKUNGEN:

(1) Die Information basiert auf dem Artikel „El texto más extenso escrito en euskara en la Edad Media, en Iruña”, aus der baskischen Tageszeitung Gara vom 3.4.2016

FOTOS:

(*) Die Aufnahmen stammen aus dem Historischen Archiv der Autonomen Region Baskenland, mit Sitz in Bilbo

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