Immer wieder die Falange
Eine Gruppe von Neonazis bedroht im Baskenland linke Aktivist*innen. Die Gruppe „Falange Vasconavarra” (Baskisch-Navarrische Falange) versichert, bis zu 100 Mitglieder zu haben. Über soziale Netze wurden zuletzt mithilfe von Fotos immer wieder linke Treffpunkte als potentielle Angriffsziele markiert – und danach tatsächlich mit Sprühereien und Sachbeschädigungen attackiert. Die Naziführer weisen jegliche Verantwortung zurück und geben sich als „ordnungsliebende Partei“. Bisher ohne Personenschaden.
Eine neo-franquistische Falange-Gruppe war 2010 von der Polizei zerschlagen worden. Die aktuellen Attacken deuten darauf hin, dass sich die Aktivisten in einer Gruppe mit anderem Namen wieder formiert haben.
Strategie der Falange Vasconavarra
Vorgehensweise, Teil 1: Mit irgendeinem Computer schreibt irgendjemand eine Nachricht, begleitet von einem Foto. Zum Beispiel vom Sitz einer politischen Partei. Es kann auch ein alternatives Radio sein, oder ein Kulturzentrum. Bedingung ist, dass sich dort Leute treffen, die einfach als Linke zu erkennen sind, Leute aus unterschiedlichen Bewegungen, nicht zuletzt die antifaschistische Memoria-Bewegung.
Vorgehensweise, Teil 2: Am markierten Lokal erscheinen Droh-Graffitis, im Stil von „wir werden euch töten”, begleitet von Hakenkreuzen und Falange-Symbolen (Joch): Dazu in baskischer Sprache ein Begriff, der an schwarzen Humor grenzt: „Falange ETA berria“, übersetzt: „Falange, die neue ETA“. Diese Kombination von Zeichen und Sprüchen wird in verschiedenen Gebieten des Baskenlandes und Navarras langsam zur Gewohnheit.
In den vergangenen Wochen haben einige politische und soziale Treffpunkte solche Angriffe erlebt. In einigen Fällen mit vorheriger Warnung durch die Falange Vasconavarra (FVN), eine erst vor Kurzem gegründete ultrarechte Gruppe, die sich als Ableger der gleichnamigen politischen Partei deklariert: „La Falange“, eine nach spanischem Recht legale Partei. Die Partei ist beim spanischen Innenministerium formal eingeschrieben.
„Angreifen heißt verbrennen, zerstören, töten, verletzen ... das ist reine Meinungsfreiheit, kein Angriff“. So wurden von FVN das beschrieben, was sich am 15. Dezember an der Tür der Sitzes von HALA BEDI, einem freien Radio in der Altstadt der Hauptstadt Gasteiz-Vitoria abspielte. Am frühen Morgen waren an der Eingangstür Spühereien der FVN entdeckt wurden. Bereits voher war der Ort wenigstens drei Mal über Twitter von der FVN „markiert“ worden. „Für den Irrtum und das Schlechte gibt es keine Meinungsfreiheit“, hieß es in einem der Tweets, in Anspielung auf den Charakter des seit 30 Jahren existierenden freien Radios.
Die Ultrarechten reagierten auch auf die Schmierereien an der Fassade des Parteisitzes von Alternatiba, eine der vier Komponenten der linken Koalition EH Bildu. Sie hinterließen am „Tatort“ nicht nur Aufkleber der Partei Falange, der hinterlassene Spruch bezog sich auf einen Faschisten, der kürzlich in Zaragoza bei einem Streit mit Linken zu Tode gekommen war: „Víctor Lainez, presente” – Víctor Lainez, präsent. Dieser Falangist hatte nach einer Diskussion mit Linken ein Messer gezogen und war bei der anschließenden Auseinandersetzung getötet worden. Ein Tag zuvor hatte FVN ein Foto publiziert mit Gebäude und Adresse von Alternatiba. Die linke Partei hat wegen dieses Angriffs Anzeige erstattet.
Ein paar Wochen zuvor hatte Falange Vasconavarra versichert, die Sprühereien am Morgen des 13. November am Parteisitz von Podemos in Gasteiz-Vitoria – „städtische Müllanlage“, „Ekelpakete“, „Katalonien ist Spanien“ – seien das Werk ihrer „Jugendabteilung“ in der Provinz Araba.
„Sie werden die Toten sein“
Die Drohbotschaften häuften sich nach dem Tod des Falangisten in Zaragoza. Die Angriffe ebenfalls. „Zwei Augen für ein Auge, zwei Zähne für einen Zahn. Die Jagdsaison ist eröffnet“, war die Ankündigung, nachdem der Tod des berüchtigten Falangisten bekannt wurde. „Wenn du in Vascongadas oder in Navarra gelebt hättest, wärst du nicht tot, sondern im Gefängnis: sie selbst werden die Toten sein“, so die eindeutige Drohgebärde der Falangisten. (Vascongadas ist der von der Rechten benutzte Begriff für die Autonome Gemeinschaft Baskenland).
Die letzte Attacke ereignete sich in Altsasu, auch dort wiederholte sich die Dynamik von „Aktion-Reaktion“, wie sie in vorherigen Fällen zu beobachten war. Am 11. Dezember publizierte FVN ein Foto des Gastronomie-Vereins Zubi-Ondo, in dem die Bewohner*innen der navarrischen Stadt üblicherweise Essen und Feste veranstalten. „Gora Falange” (Es lebe die Falange), „akabatuko zaituztegu” (baskisch: wir werden euch töten) o „Falange E.T.A. berria” (Falange die neue ETA) waren die Botschaften, die an der Fassade hinterlassen wurden. „Es gibt noch anständige Leute in Altsasua. Verfluchter Ort von ETA-Schurken und Miserablen. Wie weisen das energisch zurück“, schrieb die falangistische Organisation bei Twitter.
Freunde der Patrioten
In diesem Zusammenhang gelang es der Internet-Tageszeitung Público, mit FVN in Kontakt zu treten. Sie waren bereit, über elektronische Post auf eine Reihe von Fragen zu antworten. Das Schreiben enthielt die Unterschrift der Territorialen Leitung der Falange in Vascongadas und Navarra (Jefatura Territorial de Falange en Vascongadas y Navarra). Es wurde versichert, dass diese Gruppe im Jahr 2010 entstand und derzeit über „etwa 100“ Mitglieder verfüge. Dabei wird eingeschränkt, „nicht alle mit dem gleichen Maß an Engagement.“
Zu ihren Zielen befragt, lauetete die Antwort: „Momentan sind wir dabei, in diesem Territorium Information zu sammeln und sie je nach Bedarf zu publizieren. Wir verbreiten das falangistische Ideal, wir steigern das Engagement“. Sie ließen auch verlauten, dass sie „jeglichen gewaltsamen Akt gegen Personen und Gegenstände verurteilen“.
Die Sprecher von FVN negierten jegliche Verbindung zu Ignacio Irusta Sánchez, alias “El Barbas” (der Bärtige), einem bekannten Ultrarechten, der 2015 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden war wegen Mitgliedschaft bei der faschistischen Organisation „Falange y Tradición“ (FyT - Falange und Tradition). Jene Gruppe hatte monatelang Angriffe durchgeführt gegen Gedenksteine und andere Symbole für die Opfer des Franquismus in Navarra. Zwei weitere Falangisten wurden mit ihm zusammen verurteilt, ihnen wurden verschiedene Spühereien gegen linke baskische Aktivist*innen zur Last gelegt. Weil keiner der drei Vorstrafen hatte, mussten sie die Strafe nicht antreten. „Der Kamerad Irusta ist derzeit nicht unter uns. Falange Vasconavarra hat nichts zu tun mit Falange y Tradición, außer dem falangistischen Ideal, der sie antrieb“, wurde in der Mail an Público unterstrichen.
Gleichzeitig versicherten sie, in Kontakt zu stehen „mit allen patriotischen Gruppen“, in Anspielung auf rechtsextreme Parteien, die heutzutage im spanischen Staat aktiv sind. Ausgeschlossen wurde lediglich der Kontakt zu VOX, diese erst im vergangenen Jahr gegründete Rechtspartei wurde als „Partei mit Systemsiegel“ bezeichnet. Auch mit „fehlerhaften Neonazi-Grüppchen“ wollten sie nichts zu tun haben. Was Kontakte hinter den Grenzen anbelangt, war die Rede von Beziehungen mit patriotischen Gruppen in Frankreich, Rumänien, Deutschland, Italien, Ungarn und Polen“.
Das Jahr 2017 endete mit der Nachricht, dass Twitter das Konto von Falange Vasconavarra geschlossen hat.
Düstere Anzeichen im Sommer 2017
Bereits im Sommer 2017 hatten sich die Falange Vasconavarra nachdrücklich auf ihre Existenz aufmerksam gemacht, zumächst in Bilbao (Bizkaia). Nach ein paar Jahren relativer Stille erschien plötzlich ein hyperaktiver Twitter-Account auf der politischen Bühne. (2)
Normalerweise ist das Baskenland nicht besonders bekannt für Aktivitäten von Neonazis. Zumindest nicht in dem Stil wie es aus dem spanischen Staat oder aus Katalonien bekannt ist. Nur Navarra war und ist in gewissem Rahmen Rückzugs- und Aufmarschgebiet der Faschisten. Im Sommer 2017 änderte sich dieses Panorama, Bilbao wurde zum Schauplatz von mehreren symbolischen und gewalttätigen Attacken. Die Vorgehensweise bei diesen Angriffen in Bilbao und weiteren Orten des Baskenlandes weisen Ähnlichkeiten auf mit den Aktionsformen der Gruppe „Falange y Tradicion“ (Falange und Tradition), die eigentlich 2010 ihr polizeiliches Ende gefunden hatte.
Die Fingerglieder sammeln sich wieder
Erklärend ist zu bemerken, dass die faschistische Falange-Bewegung eine der tragenden Säulen des spanischen Faschismus war. Bis heute ist diese Bewegung von Neonazis legal, auch wenn sie sich in verschiedene Kleingruppen gespalten hat, die in unterschiedlicher Form aktiv sind. Bei Wahlen treten regelmäßig mehrere Falange-Gruppen an. „Falange“ als Begriff bedeutet auf Spanisch „Fingerglied“.
Die erwähnte Nazi-Gruppe „Falange y Tradicion“ wurde – wie bereits beschrieben – im Oktober 2009 von der Polizei gestellt, nachdem sie in den beiden Jahren zuvor eine ganze Reihe von Angriffen auf Lokale und Denkmäler ausgeübt und Einzelpersonen bedoht hatte. Als die Polizei die faschistische Gruppe in der sogenannten „Operation Schimäre“ zerschlug, wurde unter anderem Jose Ignacio Irusta Sánchez festgenommen, der als „der Bärtige“ (el barbas) und „der Karlist“ (el carlista) bekannt ist. Auch wenn sich die neue Gruppe FVN von ihm zu distanzieren versucht: seit Ende 2016 ist Izusta bekanntermaßen wieder der regionale Chef der Falange im Baskenland.. Insofern ist die Distanzierung eher Teil eines taktischen Versteckspiels.
Bilbao-Offensive
Anfang August 2017 war Irusta zusammen mit einem Politiker der rechten navarrischen Partei UPN im navarrischen Leitza gesehen worden. Nach Leitza war die Fiesta in Bilbao an der Reihe. Noch vor deren Beginn kündigte Irusta über Twitter an: „Am Samstag 19. August – dem Tag des Fiestabeginns – werden wir baskisch-navarrischen Falangisten uns in unserem Bilbao-Lokal treffen, nach dem Abendessen gehen wir in der Altstadt einen trinken“. Am selben Tag hängten Falangisten während des Fiestabeginns an den weithin gut sichtbaren Begoña-Aufzug eine 20 Meter lange spanische Fahne, die von antifaschistischen Aktivist*innen umgehend wieder entfernt wurde.
Noch in derselben Nacht wurde in Bilbao-Artxanda das Gedächtnis-Monument „La Huella“ (Fingerabdruck) attackiert, das an die Soldaten und Milizionäre erinnert, die vor mehr als 80 Jahren im Krieg das republikanische Baskenland gegen die franquistischen Truppen verteidigten. Das Monument wurde besprüht mit dem Symbol der Falange (Joch und Pfeile) und mit deren Namen. Diese Aktion erinnert stark an jene der aufgelösten „Falange y Tradicion”. Damit nicht genug. Irusta kündigte an: „UnsereAnwälte haben heute beim Gericht in Bilbao Anzeige erstattet gegen einen Fiestastand wegen Blasfemie gegen Jesus Christus“. Das bezog sich auf die anarchistische Konpartsa (Fiestagruppe) Hontzak (deutsch: Eulen), die ihren Fiestastand als Parodie mit einem Christus dekoriert hatte, dessen Körperteile wie in einer Metzgerei beschrieben und angeboten wurden, unter dem Titel „Vatikanische Metzgerei“. Am folgenden Montag wurde die baskische Polizei Ertzaintza im Festgelände Arenal vorstellig, um das angezeigte Bild zu entfernen aufgrund „einer Anzeige des Bistums“. Offiziell wegen eines Vergehens gegen religiöse Überzeugungen.
Festzuhalten also, welche weiteren Instanzen mit den Neonazis Gedankengut teilen.
In einer öffentlichen Erklärung bekannte sich die Falange zum Aufhängen der überdimensionalen Fahne zu Fiestabeginn „dank der Mithilfe eines unserer Aktivisten, der im Rathaus Bilbao arbeitet und der uns den Schlüssel gab, um in den Aufzug hineinzukommen“. Auch die Anzeige gegen Hontzak schrieb sich die Gruppe auf ihre Erfolgsliste. Zu den übrigen Vorkommnissen in diesem Zusammenhang schrieb Falange, es habe ein gemeinsames Abendessen gegeben. „Danach sind unsere Aktivisten auseinander gegangen mit großem Gezeter, das sich in entflammte Stimmung verwandelt habe, die die Falange Vasconavarra von hier aus mit aller Entschiedenheit verurteilt“.
Eine Art von implizitem Bekennerschreiben also. In derNacht des letzten Fiesta-Samstags kam es zu einem nächtlichen Angriff auf eine linken Kneipe der Bilbao Altstadt. Dabei wurden die Fenster der Tür eingeschlagen und Farbe an die Hausfassade gekippt.
Von Bilbao zurück nach Navarra
Nach Bilbao drohte Falange Vasconavarra über Twitter der Einwohnerschaft von Altsasu (einem Ort, in dem es im Oktober 2016 zu einer Kneipen-Auseinandersetzung zwischen Guardia Civiles und Jugendlichen gekommen war, die seither in Madrid in Untersuchungshaft sitzen). Die Botschaft lautete: „Nächstes Treffen der Falange in Altsasua. Wir werden der Guardia Civil zeigen, wie Schweineherden gehütet werden müssen, ohne sich dabei zu verletzten“ (in Anspielung auf die Tatsache, dass bei der Auseinandersetzung ein Guardi Civil verletzt worden war).
Die Fiestas des Ortes Altsasua in Navarra hatten noch nicht begonnen, als das auf der Urbasa-Hochebene gelegene Monument für die Opfer der franquistischen Repression im Sakana-Tal, in Otsoportillo, einen Angriff erlebte. Die Absicht war, die regelmäßig Anfang September stattfindende Gedenk-Veranstaltung zu sabotieren. In die Grube im Wald von Otsoportillo wurden während des Krieges erschossene und noch lebende Republikaner geworfen. Die Attacke bestand erneut aus Sprühereien mit dem Falange-Logo und dem Satz „es gibt noch Platz für mehr Leute“ – in Anspielung auf die in der Grube Ermordeten. Die Graffitis wurden von Waldarbeitern entfernt noch bevor die Veranstaltung begann. Kommentiert wurde diese Aktion auf Twitter mit: „Wir verurteilen das energisch!“
Im Urteil gegen Irusta im Jahr 2015 war die Gefährlichkeit der Gruppe FyT festgestellt worden. Es galt als bewiesen, dass Irusta sich mit einem Anführer der faschistischen Organisation „España 2000“ in Verbindung gesetzt hatte, in der Absicht, Feuerwaffen zu erhalten, um sie im Namen von „Falange y Tradicion“ in gewalttätigen Aktionen gegen Mitglieder der baskischen Linken einzusetzen. Erstaunlicherweise blieben die Mitglieder von „Falange y Tradición“ dennoch vom Haftantritt verschont, weil sie lediglich wegen der Angriffe auf antifranquistische Gedenkstätten verurteilt wurden. Vom Vorwurf des Sachschadens mit terroristischem Hintergrund und Gründung einer verbotenen Vereinigung wurden sie freigesprochen.
Schlussfolgerungen
Die Falange hat ihre Aktivitäten im südlichen Baskenland wieder aufgenommen Über den Twitter-Account wurden nicht nur Drohungen gegen Treffpunkte von linken Bewegungen ausgesprochen, auch persönliche Drohungen gegen Einzelpersonen, in einigen Fällen mit Foto und Adresse, was zweifellos als Aufruf zum direkten Angriff verstanden werden muss. Dass die Gruppe überall sein kann, hat sie mit Fotoaufnahmen und nächtlichen Sprühereinen bewiesen. Der Verantwortliche für all das ist ganz offensichtlich derselbe, der die Fäden der aufgelösten Faschisten-Gruppe „Falange y Tradicion“ in den Händen hielt. Die Vorgehensweise legt dies eindeutig nahe. Zwar ist davon auszugehen, dass die Polizei ermittelt, in welcher Form ist allerdings unbekannt, bisher gab es dazu von entsprechenden Stellen keine Kommentare. Bleibt zu hoffen, dass es bis zu ersten Ermittlungsergebnissen bei Sachschaden bleibt und keine Angriffe auf Personen stattfinden. Zu befürchten ist es dennoch.
ANMERKUNGEN:
(1) Information aus dem Artikel „Un grupo falangista amenaza a militantes de izquierda en Euskadi“ in der Internet-Tageszeitung Público vom 31.12.2017 (Eine falangistische Gruppe bedroht linke Aktivisten in Euskadi), es handelt sich um keine Übersetzung. (Link)
(2) Artikel bei Baskinfo, 2.11.2017: “Faschistische Umtriebe im Baskenland”, der erwähnte Artikel wurde umgearbeitet (Link)
ABBILDUNGEN:
(1) Datum des Militäraufstands (FAT)
(2) Erinnerungs-Monument Bakio (FAT)
(3) Franquistischer Wohnungsbau mit Falange-Zeichen (FAT)
(4) Antifaschistisches Graffiti (FAT)
(5) Fußball im Franquismus (FAT)
(6) Franquistischer Wohnungsbau mit Falange-Zeichen (FAT)