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Das A bis Z der Azoka Durango

Weil die baskische Sprache im Franquismus verboten war, muss es umso mehr überraschen, dass die baskische Buch- und Musik-Messe ihren Ursprung 1965 hatte. Dunkle Jahre, in denen kritische Priester in einem speziellen Gefängnis in Zamora eingesperrt wurden, ausschließlich für Geistliche. Jahre von Folter und dem ersten tödlichen Attentat von ETA. Bis zum Ableben des Massenmörders Franco sollten immerhin noch 10 Jahre vergehen, dazwischen der Burgos-Prozess 1970 und die letzten Franco-Hinrichtungen 1975.

Die baskische Musik- und Buch-Messe “Durangoko Azoka“ (Feria del Libro y de la Música de Durango) wurde 1965 zum ersten Mal organisiert – mitten im Franquismus. Die baskische Sprache war auf der Straße verboten, Publikationen gab es durch die Zensur nur wenige. Zeit der ersten aufmüpfigen Liedermacher wie Mikel Laboa oder Benito Lertxundi.

Die erste “Azoka“ (dt: Markt, span: feria) wurde unter dem Vordach jener Kirche organisiert, die italienische Flugzeuge im Spanienkrieg 28 Jahre zuvor in Schutt und Asche gelegt hatten, die Folge waren Hunderte von zivilen Toten. Ausgangspunkt der Marktinitiative war der Kulturverein Gerediaga, benannt nach dem Ort, in dem sich im Mittelalter die Vertreter der 12 Nachbarorte zu Verwaltungszwecken trafen. Zweck der Messe war, die Buch und Musik-Publikationen aus dem Baskenland bekannt zu machen. Zugleich sollte ein Treffpunkt geschaffen werden für Interessierte an der baskischen Kultur und Sprache – alles unter scharfer Kontrolle der Franquisten. (1) (2)

azoka002Zumindest ein Teil der Kirchenhierarchie unterstützte das Messe-Projekt. Was aber wurde verkauft, wenn das Euskara auf der Straße doch illegal war? Auf dem Tisch lagen vorwiegend spanische Publikationen zu baskischen Themen, aber auch baskische Veröffentlichungen waren vertreten, wenn auch in geringer Zahl. Daneben gab es für Eingeweihte noch Material, das unter dem Verkaufstisch hervorgezogen wurde, weil es der franquistischen Zensur nicht standgehalten hätte.

Die ersten Organisatoren waren ein paar Unentwegte, die den einzigen Freiraum nutzten, den die Diktatoren ihnen ließen: Kultur und Berge. In den 1950er und 1960er Jahren wurden entsprechende Vereine gegründet, die sich mit ihren Aktivitäten Freiräume schufen, in denen auch für die baskische Sprache Platz war. Dennoch waren sie immer auf der Gratwanderung zwischen Kultur, Sprache und franquistischer Zensur. “Ich stamme vom Dorf. Bis ich in die Schule kam, sprach ich nur Baskisch. Die Schule war für mich ein Schock, es durfte nur Spanisch gesprochen werden. Ich konnte mich nicht mehr verständigen, nicht einmal, wenn ich zur Toilette gehen wollte, wie sollte ich mich ausdrücken? Von heute auf morgen musste ich eine fremde Sprache lernen, die Sprache der Polizisten, Lehrer und Offiziellen“, erzählt eine Zeitgenossin.

Die Anfänge der Azoka

Die erste Azoka im Jahr 1965 bestand aus zwölf Ständen mit Büchern, zwei mit Schallplatten und einem Stand des Gerediaga-Vereins. Mit 3.000 Plakaten wurde die Messe bekannt gemacht, in den verkauften Büchern wurden Erinnerungsstempel gedruckt. Zum Programm gehörten Auftritte von Tänzer*innen, Akkordeonist*innen, Txistularis, Albokaris, Bertsolaris und kleinen Chören (3). Aufgeführt wurden auch Filme zu baskischen Themen.

Bei der zweiten Ausgabe der Messe im Jahr 1966 wurden 396 Bücher in spanischer und 284 in baskischer Sprache auf insgesamt 17 Ständen zum Verkauf angeboten. Ins Programm integriert war in jenem Jahr zum ersten Mal die Bertsolari Meisterschaft von Bizkaia (Bertsolari Txapelketa) (4), die der Bertso-Sänger Jon Lopategi gewann. Zumde gab die baskische Folklore-Gruppe “Ez Dok Amairu“ ein Konzert. Diese im Vorjahr gegrndete Gruppe sollte zu einer wichtigen Referenz werden für die baskische Musikkultur (5 baskultur).

Die Besucher*innen kamen aus den umliegenden Orten und aus der nahen Großstadt Bilbo (span: Bilbao). Anwesend waren eine Reihe von Schriftsteller*innen und Mitglieder von Kulturinitiativen. Jene Kulturvereine waren damals die einzige Form der Pflege der baskischen Kultur, die die franquistischen Herrscher zuließen. Inoffiziell kümmerten sie sich auch um die baskische Sprache, in Form von Kulturabenden oder Bergwanderungen. In den Folgejahren nahmen an der Feria immer mehr Verlage, Buchläden und Verteiler teil. Anfangs fand die Messe um den 1. November-Feiertag statt, erst im Jahr 1980 wurde sie auf Anfang Dezember verlegt.

Weil die Kirche Santa Maria 1967 reformiert wurde, musste die dritte Ausgabe der Azoka bis 1968 warten. Sie war größer, hatte bereits 28 Stände und empfing mehr Besucher*innen. Die baskischen Kulturschaffenden begriffen die Messe als Ort von Erfahrungsaustausch, im Endstadium des Franquismus bekam sie somit eine große Bedeutung für die baskische Gesellschaft, die an ihrer Basis bereits mit einem ideologischen Umbruch beschäftigt war.

azoka003Dennoch blieb das faschistische Regime wachsam. Bestimmte Personen und Vereine sollten nicht an der Messe teilnehmen. 1974 verbot der (1968 eingesetzte) Zivilgouverneur und Falange-Führer Fulgencio Coll de San Simon die Durchführung der Messe. Dem widersetzte sich Marcelino Oreja Aguirre, Sekretär im Ministerium für Information und Tourismus, der der baskischen Kultur nahestand. Dank seines Eintretens konnte die Azoka doch durchgeführt werden, und zwar an neuem Ort, in der Markthalle Durangos. 1975 veränderte der Gerediaga-Verein den Programm-Schwerpunkt: mehr Kultur und weniger Folklore, eine Änderung, die Verunsicherung brachte. Außerdem waren Francos Tage gezählt, tatsächlich starb er am 20. desselben Monats (im November 1975).

Umzug 1974

Ab 1974 wurde die Messe auf Befehl des von Madrider ferngesteuerten Gouverneurs dann in der Markthalle von Durango organisiert, wo man sich Raum und Öffnungszeiten mit den Fisch-, Fleisch- und Gemüse-Ständen teilen musste. Es begannen 23 lange und ereignisreiche Jahre, die politisch den Übergang von der Diktatur zum Postfranquismus brachten, und die für die Messe immer eine Notlösung darstellten. 1985 wurde die Messe aus Platzgründen geteilt, die Bücher blieben im Markt, die Musik zog wieder unter das Kirchenvordach. Ein Jahr später fand sogar eine Ausweitung auf Plätze in Marktnähe statt.

1975: die Messe nach Franco

Nach dem Tod des Putschisten, Diktatoren und Kriegsverbrechers Franco begann für die Azoka und den Buch- und Musikmarkt eine neue Ära. Neue Verlage traten auf den Plan, bisher verbotene Themen wurden behandelt. Die Reste des Regimes versuchten diese Bewegung zu bremsen, doch war der Zug nicht aufzuhalten. Die ersten freien Kommunalwahlen von 1979 brachten einen grundlegenden Wechsel. Denn zum ersten Mal nach mehr als 40 Jahren konnten wieder demokratische Parteien gewählt werden, bis dahin waren von oben bestimmte Franquisten am Ruder. 1980 wurde die erste baskische Regierung gewählt, nachdem ein Jahr zuvor das Autonomie-Statut für das Baskenland beschlossen worden war. Für die Azoka bedeutete dies eine deutliche Unterstützung, auch finanzieller Art.

Die Neuorientierung der Messe in Richtung Gesellschaft, Politik, Gewerkschaften brachte die Gerediaga-Führung in eine Krise. Was vorher Freiwillige geleistet hatten, wurde in jenem Jahr zum ersten Mal in die Hand einer bezahlten Kraft gelegt. Der 1. November wurde als staatlicher Feiertag abgeschafft, dafür wurde der 6. Dezember als “Tag der Rasse“, “Tag der Hispanität“ und später als Datum der Verabschiedung der neuen Verfassung zum Feiertag erklärt. Weil außerdem der 8. Dezember katholischer Feiertag ist wurde dieses Datum zum neuen Messetermin erkoren. Den Lehrer*innen und Schüler*innen wurde der erste Messetag gewidmet, ab sofort war die Förderung der baskischen Sprache – Euskara – das transversale Thema. Zwischen 1986 und 1988 führte Gerediaga eine zweite Messe im Frühjahr durch, mit einem ähnlichen Konzept, sie war ausschließlich baskisch-sprachigen Publikationen vorbehalten. Weil das Publikum nicht ausreichend reagierte, wurde das Projekt wieder abgeblasen.

azoka0041997: Umzug ins Großzelt

Im Jahr 1997 stand endlich ein Umzug an, aus der geteilten Markthalle in ein riesiges Veranstaltungszelt, mit Bretterboden und Gasheizung. 206 Stände fanden bei jener 31. Azoka-Ausgabe im Zelt Platz, dazu 12 Stände, die Multimedia und neue Technologien anboten. Bei der vorherigen Messe (1996) waren es noch 183 Stände gewesen. 1999 machte die Messe einen weiteren Schritt, ihr Angebot um den virtuellen Markt zu erweitern. Neue Technologien wurden integriert, eine entsprechende Domain eingerichtet, Firmen sollten ab sofort ihren Platz auf der Messe haben. Doch auch dieses Projekt hatte nicht den erwünschten Erfolg und wurde zurückgenommen, die Azoka kehrte zu ihren Wurzeln zurück. Auch das Großzelt war keine optimale Lösung, obwohl Gerediaga den Raum nunmehr alleine nutzen konnte.

2003: Neuer Messe-Pavillon

Nach mehr als 40 Jahren Laufzeit hatte die Buch- und Musikmesse Durango einen festen Platz in der baskischen Kultur, Literatur und Musik. Dazu im Widerspruch stand die Tatsache, dass die Messe bislang keinen geeigneten Ausstellungs-Raum gefunden hatte. Eine Notlösung war der anderen gefolgt. Dieses Problem zu lösen, hatte Anfang des neuen Jahrhunderts Priorität. 2003 war es soweit, Landako Erakusazoka, die Ausstellungs- und Messehalle von Landa, wurde mit einer ersten Azoka auf 4.000 Quadratmetern Fläche eingeweiht.

In den vergangenen 15 Jahren wurden immer neue Initiativen ins Messeprogramm aufgenommen. Seit 2006 wählt sich Gerediaga jeweils ein Partnerland bzw. eine Partnerkultur, deren Literatur und Sprache vorgestellt werden, darunter waren schon Slowenien, Finnland, Kurdistan, Katalonien. Weil selbst die riesige Messehalle wegen der großen Nachfrage zu klein geriet, wurde die Azoka mit Zelten nach außen erweitert. Dies ermöglichte auch die Einbindung von Live-Musik, die in der Halle unmöglich war. Ahotsenea – Raum der Stimmen – ist so zum wichtigen Bestandteil der Feria geworden. Auch die Filmwelt wurde ausgelagert, indem das örtliche Kino integriert wurde: Irudienea – baskisch: Ort der Bilder. Eine Jahr nach der neuen Messe wurde gegenüber ein neuer Konzertsaal mit Kneipe eingeweiht, Plateruena – womit die für baskische Kultur unabdingbare Kombination von Kultur und Gastronomie endlich ihre Erfüllung fand.

Auf der 45. Messe im Jahr 2011 nahmen 138 Aussteller*innen Teil mit 285 Ständen, insgesamt wurden 505 Neuerscheinungen vorgestellt. Schon lange arbeiten viele vor allem kleine Produzent*innen gezielt auf die Messe zu, auch das Weihnachtsgeschäft trägt zu guten Umsätzen bei. Bei der Bezahlung der Stände macht Gerediaga keinen Unterschied zwischen großen Verlagen und kleinen, manchmal gemeinnützigen Organisationen, die wenig Neuheiten zu bieten haben. Bezahlt wird nach Metern. Das hat in den vergangenen 10 Jahren dazu geführt, dass die Kleinen nicht mehr in die Messe kommen, weil die Standmiete bei geringem Verkauf zum Minusgeschäft wird. Stattdessen versuchen einige, außerhalb des Pavillons mit kleinen (gelegentlich nicht genehmigten) Büchertischen ihre Botschaft unter das Volk zu bringen, was nicht immer friedlich von statten geht. Generell kann bilanziert werden, dass die Messe eine Konzentrations-Tendenz aufweist, bei der die großen Anbieter und Aussteller einen immer größeren Raum einnehmen. Ein Wehmutstropfen.

Das A bis Z der Durango-Azoka

Am Wochenende vor der 54. Durango-Azoka brachte die Tageszeitung Gara (bask: Wir sind) in ihrer Wochenendbeilage einen Artikel über die Buch- und Musik-Messe, der interessanterweise alphabetisch nach Stichworten geordnet war. Um die Gefahr zu vermeiden, dass diese Ordnung von A bis Z bei einer Übersetzung (aus leicht nachvollziehbaren Gründen) verloren geht, wurden die baskischen Überschriften erhalten und übersetzt oder erklärt. (2)

azoka005A. Arkupeak – Portikus oder Kirchenvorhalle

Unter dem Dach der großen Vorhalle der Basilika Andra Mari im Zentrum Durangos fand am 1. November 1965 die erste baskische Musik- und Buchmesse statt. Zu jenem Zeitpunkt herrschte im spanischen Staat eine von der katholischen Kirche unterstützte Militärdiktatur, Diktator Francisco Franco blieben noch 10 Jahre Lebenszeit. Mit einem Budget von 100.000 damaligen Peseten organisierten neunzehn Verlage zum ersten Mal diese baskische Kulturmesse, die bis heute jedes Jahr stattfindet. Aus dem zweiten Jahr, 1966, stammen die ersten Verkaufszahlen: auf den Tischen lagen 680 Bücher und 179 Schallplatten. 1967 konnte die Buchmesse wegen der Renovierung der Basilika nicht stattfinden, in den Folgejahren wurde die Vorhalle wieder zum Ausstellungsort. Zwischen 1974 bis 1996 wurde die Messe in der örtlichen Markthalle organisiert, nach 1997 in einem gigantischen Zelt. Der neue Messe-Pavillon wurde 2003 eingeweiht. Im Dezember 2019 bestand die Messe aus 240 großen und 24 kleinen Ständen.

B. Barrenkale – Unterstraße

Das mittelalterliche Durango bestand, wie viele andere Städte auch, aus einem kleinen Ortskern, der sich aus drei zentralen Straßen zusammensetzte, die praktische Namen erhielten: Oberstraße, Mittelstraße, Unterstraße. Diese drei Straßen machen noch heute das Altstadt-Zentrum Durangos aus. Sie verlaufen parallel und nehmen an der Basilika Andra Mari ihren Ausgangspunkt. Diese historische Ordnung wurde von den Organisator*innen der Messe übernommen. Die heutige große Halle ist wie die Altstadt in drei Straßen aufgeteilt: Goienkale (Oberstraße), Artekale (Mittelstraße) und Barrenkale (Unterstraße).

C. Castellano - Kastilisch

Castellano ist die Sprache, die vor etwa 1.000 Jahren aus der romanischen Sprachtradition entstand und im späteren Königreich Kastilien gesprochen wurde. Das Königreich (Reino de Castilla), war eines der mittelalterlichen Königreiche der Iberischen Halbinsel. Als eigenständiges Königreich existierte es von 1065 bis 1230. Durch strategische Eheschließungen und militärische Eroberungen wurde aus den verschiedenen ehemaligen regionalen Königreichen der heutige spanische Staat. Die Sprache Kastiliens setzte sich in der Folgezeit als offizielle Sprache im gesamten Staatsgebiet durch. Kastilisch und Spanisch gelten heute als Synonyme.
Viel baskische Schriftsteller*innen schreiben auf Spanisch und legen jährlich zur Buchmesse ein neues Werk vor. So zum Beispiel Dolores Redondo aus Donostia-San Sebastian. Sie hat ihrer Krimiserie “Baztango trilogia“ (Trilogie aus Baztan) ein weiteres Werk hinzugefügt unter dem Titel “La cara norte del corazón“ (Die Nordseite des Herzens). Oder Toti Martínez de Lezeak, die bekannt ist für ihre historischen Romane. Ihr diesjähriges Buch erscheint auf Spanisch unter dem Titel “Hierba de brujas“, auf Baskisch lautet er “Sorgin belarra“ (Hexenkraut). Es handelt von der Inquisition in den Jahren 1525-1527 in den navarrischen Pyrenäenausläufern. Dort wurden zwischen 100 und 200 Frauen ertränkt beziehungsweise lebend verbrannt.

D. DA! – Durangoko Azoka!

Der Ausdruck DA! hat sich in den letzten Jahren als Erkennungszeichen für Durangoko Azoka durchgesetzt. Die 53. Messe im Jahr 2018 bekam zum ersten Mal den Zusatz: “DA! asko dira!“ (DA! es sind viele!). In diesem Jahr heißt das Motto “Osorik DA!“ (In vollem Umfang DA!). Das diesjährige Plakat des Künstlers Oier Zuñiga aus Iruñea (Pamplona) bringt genau diese Vielfalt zum Ausdruck. Seiner Meinung nach ist die Messe ein Ökosystem, das verschiedene Komponenten beinhaltet. Sein Plakat zeigt eine menschliche Figur, die in vier Teile geteilt ist: der Kopf ist die Kreativität, die Brust die Verbreitung, die Taille das Geben und Nehmen, die Beine stehen für Aktion und Bewegung.

azoka006E. Euskal

Die Durangoko Azoka wurde in den 60er Jahren gegründet, um in Euskal Herria produzierte Musik und Bücher bekannt zu machen und deren Verbreitung zu fördern. Im Verlauf dieser mehr als fünf Jahrzehnte kam es im Zusammenhang mit dieser Definition immer wieder zu Auseinandersetzungen. Unter anderem deshalb, weil es heutzutage Erscheinungsbilder gibt, die im tiefen Franquismus undenkbar waren. Es gibt Verlage im spanischen Staat, die Produktionen in baskischer Sprache auf den Markt bringen und gleichzeitig gibt es baskische Verlagshäuser, die zweisprachig oder nur in kastilischer Sprache veröffentlichen. Gemäß den Kriterien des Veranstalters Gerediaga können “euskal liburu eta diskoak“ verkauft werden, also “baskische Bücher und Musik“ und zwar in “baskischer oder spanischer Sprache“ (euskeraz edo gaztelaniaz). Das Problem ist der Begriff “euskal“. Im Jahr 2008 zum Beispiel wurde dem Verlag “Hiru“ die Teilnahme an der Messe verweigert. Dabei handelt es sich um einen Verlag von Alfonso Sastre (1926) und Eva Forest (1928-2007), zwei wichtigen Figuren im antifranquistischen Kampf und in der Theater- und Literatur-Szene. In seiner Antwort schrieb der Dramaturg Alfonso Sastre, dass seiner Meinung der Begriff “euskal“ zwei Definitionen zuließ, entweder alles in baskischer Sprache oder alles, was in Euskal Herria produziert wird, egal in welcher Sprache. Aber mit Begriffen wie “euskal gaiak“ (baskische Themen), “euskal protagonistak“ (baskische Protagonisten) oder “Gehienbat Euskal Herrian gertatzen diren liburuak“ (vorwiegend in Euskal Herria spielende Bücher) zu argumentieren, erschien ihm lächerlich und ungerecht. Immerhin war die zu jenem Zeitpunkt verstorbene Eva Forest eine politische Aktivistin und Autorin. Unter anderem schrieb sie die Bücher “Operación Ogro: Como y por qué ejecutamos a Carrero Blanco“ (deutscher Titel “Operation Menschenfresser. Wie und warum wir Carrero Blanco töteten“), oder “Tortura y democracia“ (Folter und Demokratie), die beide von baskischen Themen handeln.

F. Frankismoa – Franquismus

Die Messe nahm ihren Ausgangspunkt während der Franco Diktatur, um der harten Repression auf der kulturellen Ebene etwas entgegenzusetzen. 2019 werfen mehrere Publikationen ihren Blick zurück in jene finsteren Jahre. Das Buch “De la hoguera al lápiz rojo“ (Vom Scheiterhaufen zum Rotstift) beschäftigt sich mit der Zensur während der Diktatur. Der Autor Joan Mari Torrealdai, 1942 in Forua geboren, einem kleinen Ort bei Gernika, studierte Journalismus und Soziologie. Er publizierte mehrere Bücher und arbeitete bei baskischsprachigen Zeitungen. Im Jahr 2003 wurde er zusammen mit den Herausgebern der einzigen baskischsprachigen Tageszeitung “Euskaldunon Egunkaria“ verhaftet (Tageszeitung der Baskischsprachigen). Die Büros wurden geschlossen und von der Guardia Civil versiegelt. Der zuständige Ermittlungsrichter hatte die Redaktion mit ETA in Zusammenhang gebracht. Im Jahr 2010 wurde Torrealdai nach 7 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen und von allen Anklagepunkten freigesprochen.

Ein weiteres Buch, “Pentaedroa“ (Pentaeder) von Txema García-Viana beschäftigt sich mit der Repression in der ersten Nachkriegszeit. Als die Franquisten ein kleines Dorf besetzen, sieht sich die dortige fünfköpfige Theatergruppe gezwungen, ins Exil zu gehen. Der auf Euskera geschriebene Roman erhielt im September 2019 den Literaturpreis der Stadt Irun. In spanischer Sprache liegt das Buch “Fuego amigo“ (Beschuss aus dem eigenen Lager) von Begoña Elorrieta aus Bilbao vor. Es ist ihr erster Roman. Die Geschichte spielt in Bermeo während des Krieges von 1936 und nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Schlacht von Matxitxako, einer entscheidenden Seeschlacht im März 1937vor der Küste Bermeos, bei der das franquistische Kriegsschiff Canarias ein baskisches Schiff versenkte und zwei weitere schwer beschädigte.

G. Gerediaga

Gerediaga ist eine kulturelle Vereinigung, deren Ziel Studium, Wiederherstellung und Verbreitung der baskischen Geschichte, Kultur und Sprache ist. Gegründet 1965 im Umkreis von Durango (Bizkaia) mit der anfänglichen Zielsetzung, Geschichte, Kultur und Folklore der Duranguesado genannten Region zu studieren und zu verbreiten. Dieses Ziel hat sich im Laufe der Jahrzehnte auf den geografischen Rahmen des ganzen Baskenlandes (Euskal Herria) erweitert. Gerediaga organisiert die baskische Musik- und Buchmesse in Durango, die sich zu einem wichtigen kulturellen Meilenstein im Baskenland entwickelt hat. Gerediaga Elkartea (der Verein Gerediaga) gibt außerdem die Kulturzeitschrift “Astola“ heraus, betreibt in Durango ein Dokumentationszentrum und organisiert die Euskal Herriko Artzai Txakur Txapelketa, die baskische Meisterschaft der Hirtenhunde, sowie den Merinaldeko Ezpatadantzari Eguna, den Tag des Schwerttanzes in der Region.

azoka007H. Hotza – Kälte

Wenn Besucher*innen der Durangoko Azoka nach ihren Eindrücken gefragt werden, fällt irgendwann früher oder später das Hauptwort “Hotza“ oder das Adjektiv “hotz“. Die Umgebung Durangos ist von beeindruckenden mehr als 1000 Meter hohen Bergen geprägt. Die bekanntesten sind der Udalaitz (1120) und der Anboto (1331). In der baskischen Mythologie hatte eine sehr bedeutende Figur, die Dame Mari, in einer Höhle dieser schroffen Berge ihren Wohnsitz. Daher wurde sie “Anbotoko Dama“ genannt, die Dame vom Anboto. Die oft wolkenverhangenen Berge sind verantwortlich für die langen Winter um Durango, Wind, Feuchtigkeit und Kälte prägen das Klima. Wer Wärme in Durango sucht, muss einen weit entfernten Punkt im Atlas aufsuchen: in Victoria de Durango, Mexiko, gibt es lange Sommer und kurze Winter.

I. Irudienea – Haus der Bilder

Irudienea steht für Kino (irudi = Bild, enea = Haus). Untergebracht im Kinosaal Zugaza, wenige Meter von der Messehalle entfernt, werden hier audiovisuelle Werke in baskischer Sprache vorgestellt: Kurzfilme, Spielfilme, Dokumentationen, Fiktion, Spots, Videoclips. Vorrang haben dabei Neuheiten und Werke mit geringer Verbreitung. Die Vorführungen eröffnen Gelegenheiten, Autor*innen kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Wie bereits 2018 findet auch in diesem Jahr wieder der Wettbewerb Rally Topa statt, bei der die besten der Kurzfilme gezeigt und prämiert werden, die im Vorjahr bei Kurzfilm-Wettbewerben präsentiert wurden. Irudienea bietet zudem die Möglichkeit, die neuesten Kreationen im Bereich der audiovisuellen Medien kennenzulernen.

J. Jaia – Fest

Wer denkt, die Besucher*innen der Messe würden sich ausschließlich in der Messehalle aufhalten, um nach Neuerscheinungen Ausschau zu halten, liegt knapp daneben. Das gesamte Stadtgebiet, vor allem jedoch die Altstadtstraßen Durangos verwandeln sich während der Messetage in ein Meer von Menschen. Für die Gastronomiebetriebe Durangos (und derer gibt es viele) ist die Messe wie ein zweites Stadtfest. Wie bei der Fiesta im September sind die Bars und Kneipen voll ausgelastet. Wer die Messe besucht, verbringt in der Regel den ganzen Tag in Durango, und konsummiert nicht nur Kultur. Die Messe ist neben ihrem Hauptanliegen auch Anlass, sich mit Freund*innen zu treffen, essen zu gehen, von Bar zu Bar zu ziehen. Dazu kommen abendliche Konzerte, meist baskischer Musikgruppen und Liedermacher*innen, die den Tag für viele in die Länge ziehen. Nicht wenige gehen nach den Konzerten nicht etwa nach Hause, sondern machen in beliebter baskischer Manier “Parranda“, eine Kneipentour, die bis zum nächsten Morgengrauen dauert.

K. Kazetariak – Journalisten

Für Kommunikations-Medien bedeutet die Buchmesse intensive Arbeitstage. Bei unzähligen Buchvorstellungen, Interviews und Kolloquien sind Journalist*innen als Hauptfiguren beteiligt sind. Dazu gibt es unzählige Veranstaltungen, die dokumentiert werden wollen und über die in Radio- und Fernsehprogrammen berichtet wird. Auch die Tagespresse wird während dieser Tage ständig bedient. Neben dem bereits beschriebenen Irudienea gibt es weitere Sonderräume, teils innerhalb der Messehalle, teils in Zelten oder Veranstaltungsräumen außerhalb:

Areto Nagusia – Hauptsaal: Hier finden die Hauptveranstaltungen der Durango-Messe statt. Es gibt Buchpräsentationen, Pressekonferenzen, Vorträge. Neuerscheinungen der verschiedenen Verlage, Forschungsarbeiten und andere Präsentationen werden hier vorgestellt. / KABI @Digitaler Treff: Kabi @ ist eine Drehscheibe für Technologie und freie Inhalte. Es schafft Verbindungen zwischen allen, die auf dem Gebiet der digitalen Kultur tätig sind: Freischaffende, Designer*innen, Fachleute, Entwickler*innen und für Bildungsprogramme Tätige. / Saguganbara, Dachboden der Mäuse: Saguganbara ist ein Ort für Kinder und Familien, um ihnen die baskische Kultur näher zu bringen. Jedes Jahr werden kreative Arbeiten aus verschiedenen Kunstdisziplinen im Bereich Kinder und Jugendliche avorgestellt. Ziel ist die Verbreitung baskischer Kultur, wobei der Schwerpunkt auf Kinderliteratur liegt und die Kinder zum Lesen anregen soll. / Plateruena (Kulturcafé): Plateruena ist der direkt neben der Messehalle liegende gastronomische Treffpunkt für die Messe. Es handelt sich um eine Art Kulturcafé, das auch Kafe Antzokia genannt wird, Café-Theater. Nach dem Besuch der Messe wird hier getrunken und gegessen. Hier treffen sich Journalist*innen, Buchautor*innen, Musiker*innen und Freundesgruppen. Auf der großen professionellen Bühne finden abends nach Schließung der Messehalle Konzerte statt. Es ist daher nicht ungewöhnlich, tagsüber berühmten Musiker*innen beim Soundcheck zu begegnen. / Ahotsenea – Haus der Stimmen: Ahotsenea ist der Ort der Kreativen. Vor Beginn der Messe buchen Autorinnen und Autoren eine Zeiteinheit, um ihr Werk vorzustellen. Besonders beliebt ist dieser Raum bei Klein- und Eigenverlagen, die nicht per se im Brennpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Hier finden auch Konzerte und Interviews mit Musiker*innen statt. / Eszenatokia – Bühne: Hier haben die darstellenden Künste während der Messe ihren Ort. An allen Tagen finden Workshops und Aufführungen von Theater- und Tanzgruppen statt.

azoka007L. Landako Gunea

Die heutige Messehalle wurde im Jahr 2003 speziell für die Durangoko Azoka gebaut. Das Gelände, auf dem sie steht, heißt seit jeher Landako, vermutlich der Name eines ehemaligen Bauernhofes. Gunea heißt auf Baskisch der Ort. Es handelt sich um einen rechteckigen gläsernen Pavillon, der 4.200 Quadratmeter umfasst. Neben dem Haupteingang gibt es mehrere Seiteneingänge, im Kellergeschoss befindet sich ein Parkhaus. Neben der Messe im Dezember wird hier jedes Jahr das Musikfestival “40 Minutu Rock“ ausgetragen. Im November 2019 wurde hier der dreitägige Kongress baskischer Feministinnen durchgeführt, an dem 3.000 Frauen teilnahmen.

M. Musika Eskola – Musikschule

Wenn über die Messe in Durango gesprochen wird, bleibt die Musik oft unerwähnt. Oft wird die Messe als Durangoko Azoka oder auch nur als Buchmesse von Durango bezeichnet, obwohl sie offiziell die Musik im Namen trägt: “Durangoko liburu eta disko azoka“. In der Tat spielt Musik während der Messetage in Durango eine wichtige Rolle. Um diese Bedeutung zu untermauern, wurde 2019 die Eröffnungszeremonie erstmals in der Musikschule der Stadt ausgetragen. Musik ist omnipräsent in den Bars und Cafés der Altstadt und trägt entscheidend zum guten und vergnüglichen Ambiente bei. Dazu kommen die abendlichen Life-Konzerte im Plateruena-Kafe. Auch innerhalb der Messe gibt es im abgetrennten Ahotsenea-Raum den gesamten Tag über Vorstellungen von Musikgruppen. Dieser im Jahr 2008 eingerichtete Raum befindet er sich in ständigem Wachstum. Bekannte, beliebte und neue Musikgruppen haben hier die Möglichkeit in halbstündigen Konzerten ihre Arbeit vorzustellen.

N. Nobedadeak – Neuerscheinungen

Auch in diesem Jahr (2019) wird die Azoka voller Neuheiten und kultureller Ereignisse sein: 400 Neuigkeiten (257 Bücher, 92 musikalische Neuerscheinungen, 19 Zeitschriften, 5 Videos und 27 weitere Kreationen). Manche Autor*innen legen jeweils zur Buchmesse ein neues Werk vor, worauf die entsprechende Leserschaft bereits wartet. Auf Euskera sind dies zum Beispiel: Joseba Sarrionandia mit “Airea ez da debalde“ (Die Luft ist nicht gratis), Bernardo Atxaga mit “Etxeak eta hilobiak“ (Häuser und Gräber), Karmele Jaio mit “Aitaren etxea“ (Vaters Haus), Harkaitz Cano mit “Antzara Eguna“ (Gänsetag), Edorta Jimenez mit “Ostadarrak lurra ukitzen duen lekua“ (Ort, an dem der Regenbogen die Erde berührt). Neben privaten Verlagen präsentieren auch Institutionen ihre neuen Bücher. Zum Beispiel die baskische Universität UPV/EHU (Universidad del Pais Vasco / Euskal Herriko Unibertsitatea), die an ihrem Stand 25 im Jahr 2019 veröffentlichte Werke in baskischer Sprache anbietet. Das Angebot umfasst Fachtexte, Recherchen, Nachschlagewerke (sowohl Originale als auch Übersetzungen) und populäre Bücher, die sowohl für Studierende als auch für Außenstehende attraktiv sind. In der diesjährigen Ausgabe leistet die UPV/EHU mit der Erstellung des Rechtswörterbuchs der Rechtswissenschaftlichen Fakultät einen besonderen Beitrag.

Im Bereich der Musik sind viele bekannte Namen zu finden, aber auch Bands, die ihre künstlerische Reise gerade erst begonnen haben. Unter den bekannten Bands ragen unter anderem Zea Mays, Doctor Deseo, Maider Zabalegi, Willis Drummond, Eñaut Elorrieta, Ruper Ordorika, Jogurinha Borova, Xabi Solano oder Korrontzi heraus. Dabei sticht besonders die musikalische Vielfalt ins Auge. Der Hauptstil ist Rock, doch auch Pop, Trikitixa (baskisches diatonisches Akkordeon), klassische Musik, Hip-Hop, Elektronik und Soul sind präsent.

O. Ohiturak – Gewohnheiten

Für einen Teil der baskischen Gesellschaft ist der Besuch bei der Buchmesse zur jährlichen Gewohnheit geworden. Die Besuchszahlen liegen bei mehr als 100.000 Personen (2019 – 120.000). Ein bedeutender Teil davon sind Kinder und Jugendliche, die mit ihren Lehrerinnen und Lehrern aus vielen Schulzentren des baskischen Territoriums nach Durango kommen. Speziell für sie wurde der erste Tag der Messe reserviert, der Ikasle Eguna, Tag der Schüler*innen. An diesem Tag haben sie die Möglichkeit, ihre Idole kennenzulernen, die Bücher signieren oder ein Konzert für Kinder geben. Auch Kindertheater und Clownauftritte stehen auf dem Programm. Die Kinder und Jugendlichen kommen, je nach Alter und Schulzentrum, mit einer vorbereiteten Aufgabenstellung und lernen so die Organisationsstruktur der Messe kennen. Diese Nachwuchsarbeit liegt besonders den Kulturschaffenden und Veranstalterinnen am Herzen, denn bei guter Ausführung stellen diese Kinder das zukünftige Azoka-Potential dar und garantieren deren Weiterentwicklung.

azoka008P. Plateruena

Das Plateruena Kafe Antzokia (Café-Theater) befindet sich auf demselben Gelände wie die Messehalle. Es ist das Produkt der Zusammenarbeit zwischen dem Rathaus Durango, dem Verein Gerediaga und Zenbat Gara, einer Initiative zur Förderung der baskischen Kultur. Eröffnet wurde Plateruena im Jahr 2004, ein Jahr nachdem die Messe zum ersten Mal in der neuen Halle stattfand. Ein ebenfalls Kafe Antzokia genanntes Kulturcafé gab es bereits in Bilbao und in Ondarroa. Das Plateruena ist eine Referenz für die baskische Sprache im Raum Durango (Durangaldea). Hier finden das ganze Jahr über Freizeit- und Kulturaktivitäten statt, die mit Euskara in Verbindung stehen. Es ist somit nicht nur ein Raum zugunsten von Euskera, sondern einer, der seine gesamte Aktivität auf Euskera entwickelt. Ein lebendiger Ort, Treffpunkt für Liebhaber der baskischen Sprache und Ort kultureller Aktivitäten für jedes Alter. Die Türen stehen selbstverständlich auch jenen offen, die nicht baskisch sprechen.

Q. Qué es Durango? – Was ist Durango?

Bezogen auf die jährliche Buchmesse ist die Antwort einfach: es ist der wichtigste Treffpunkt der baskischen Kulturwelt. Aber Durango ist noch mehr. Im mexikanischen Victoria de Durango wurde beispielsweise Pancho Villa geboren; in den USA existieren gleich zwei Orte mit Namen Durango (in Colorado und in Iowa); in Italien ein Unternehmen in der Autoindustrie, das sich “Durango Automotive SR“ nennt. Der 1902 in Sevilla geborene und 1963 im mexikanischen Exil verstorbene Dichter Luis Cernuda schrieb ein bewegendes Gedicht mit dem Titel Durango. Dessen letzter Vers lautet: “In Durango erniedrigt / hungrig, verängstigt, kalt / die schönen Krieger haben nur gegeben / eingefroren in Blüte, Trauer, Tränen“. Der Filmemacher Alex de la Iglesia aus Bilbao produzierte 1997 das Roadmovie “Perdita Durango“; in “Clockwork Orange“ fahren die Gang-Mitglieder einen Durango 95; den selben Namen trägt ein Instrumentalstück der Punkband Ramones in ihrem Album “Too Tough To Die“. Was also ist Durango? Musik, Poesie, Film, Kultur ...

R. Rol Jokoa – Rollenspiel

In der letztjährigen Ausgabe der Azoka wurde zum ersten Mal ein Stipendium für Kreativität in baskischer Sprache vergeben, das Ergebnis hat alle Erwartungen übertroffen. Den mit 15.000 Euro dotierten Preis gewann das Projekt Atopia, das erste Rollenspiel in Euskera, vorgelegt von einem bislang unbekannten Kollektiv namens Portu Maritimoa, das aus einer Freundesgruppe besteht. 2018 vorgestellt und prämiert, lag das in Buchform veröffentlichte Rollenspiel ein Jahr später zum Verkauf bereit. Eine Autorin erklärt: “Es bedarf keines Spielbretts und keiner Spielfiguren. Wichtig sind Papier und Stift, vor allem aber Fantasie und gute Freunde“. Atopia spielt in einem alternativen Baskenland, dem realen nicht ganz unähnlich. Es gibt Bandenkriege zwischen konspirativen und aufrührerischen Gruppen, auch politische Satire, alles als Krimi oder Gruselfilm. Der Fantasie sind bei diesen Spielvorgaben keine Grenzen gesetzt.

S. Saiakeriak – Essays

Der über mehrere Unterhaltungs- und Quizsendungen im baskischen Regional-Fernsehen bekannte Kike Amonarriz hat das Buch “Euskararen bidegurutzetik“ (Herausforderung baskische Sprache) vorgelegt. Darin stellt er Überlegungen an bezüglich der neuen historischen Epoche in der baskischen Kulturwelt und im Baskenland im Allgemeinen. Auch Iñaki Egañas Buch “Historia vasca de la humanidad“ (Die baskische Geschichte der Menschheit) reflektiert das Verhältnis zwischen Menschheit und Planet. In der Buchvorstellung des Verlags heißt es, dass Egaña “die Einzelteile auf ein Reißbrett gelegt und meisterhaft wieder zusammengestellt hat, um eine originelle und neuartige Chronik zu schreiben, in der große historische Ereignisse und kleine, aber außergewöhnliche Nachrichten über unsere Vorfahren einen gemeinsamen Weg beschreiben“. In die Kategorie Essay fällt die erstmalige Baskisch-Übersetzung des großen feministischen Standardwerks des 20. Jahrhunderts: “Bigarren sexua“ von Simone de Beauvoir (Das andere Geschlecht).

azoka009T. Teatro – Theater

Tanz- und Theateraufführungen finden unter dem Namen Szenatokia (Bühne) im Kulturzentrum San Agustin statt, einem städtischen Kulturzentrum, das seine Aktivitäten auf Theater, Tanz und Musik konzentriert. Zum ersten Mal hat Szenatokia ein Mikrostück-Festival mit 10 Tanz- und Theaterkompanien, 30 Aufführungen und einem Programm voller Überraschungen organisiert. Die Aufführung der bekannten Tanzgruppe Kukai findet am zweiten Tag der Azoka statt (der erste Tag ist für Workshops für Jugendliche im Rahmen des Schüler*innen-Tages reserviert). Die Kukai-Gruppe um den Tänzer Jon Maya begeistert mit ihrem Stück Erritu (Ritus): "eine lebendige Reise, die durch individuelle und kollektive Übergangsriten die verschiedenen Lebenszustände im Verhältnis zur Natur und zur Gemeinschaft durchläuft. Zustände, die von der Geburt ins Chaos, durch die Wüste der Einsamkeit, zur Begegnung, zur Liebe und schließlich zum Tod führen". Das Festival der Mikrostücke findet an den letzten beiden Tagen statt und besteht aus kleinen Theaterstücken oder kurzen Tanzaufführungen. Zu den teilnehmenden Kompanien gehören Gilkitxaro, Cía Paganini, Haatik, Abarka, Goitibera.

U. Urtea – Jahr

Schwer zu sagen, welches ökonomische Gewicht die Messe für die Verlage hat. In früheren Jahren gaben die Verlagshäuser an, in Durango zwischen 20 und 30% ihres Jahresumsatzes zu machen. Für Verlage außerhalb des Baskenlandes war das fast unvorstellbar. Tatsache ist, dass die Verkaufszahlen seit der Finanzkrise im Jahr 2007 deutlich zurückgegangen sind. Die Zahl der Besucher*innen steigt zwar, aber deren Kaufkraft hat sich reduziert. Viele verbringen einen Tag in Durango, um die Neuigkeiten zu sehen, an Aktivitäten teilzunehmen, Freunde zu treffen, Konzerte zu besuchen oder schlicht das Ambiente zu genießen.

V. Vanitas Vanitatum

Lange vor der Existenz baskischer Literatur wurde vor mehr als zweitausend Jahren das Buch “Ecclesiastes“ geschrieben. Im christlichen Alten Testament wird es zu den Büchern der Weisheit gezählt. Bei Luther trägt das Buch den Titel “Der Prediger Salomo“, weil es sich tatsächlich um die Texte eines Wanderpredigers handelt, der in der Öffentlichkeit über den Sinn des Lebens philosophiert. Wenn es stimmt, was darin gesagt wird, sollte in Durango von Prahlerei und Eitelkeit Abstand genommen werden. Denn “wo es viele Worte gibt, gibt es immer auch eine große Leere“. Für Nichtlateiner: Vanitas bedeutet ungefähr “Eitelkeit, Nichtigkeit, leerer Schein“.

W. Willis Drummond – Rock aus Iparralde

Die 2005 gegründete Rockgruppe aus Iparralde (französisches Baskenland) stellt in Durango ihre neue Produktion vor. “Zugzwang“ heißt die Scheibe, ein Titel ohne Übersetzung, in deutscher Sprache. Willis Drummond ist aufgrund kraftvoller Studioalben eine der meistgefragten baskischen Gruppen. In Durango ist sie bereits zum dritten Mal mit einem Stand vertreten. Musikalisch deckt die Band ein breites Spektrum ab, einzelne Bandmitglieder waren bei den Gruppen Monarch und Skunk aktiv. Direkte, schnelle, schwere Themen, lebendige Stimmen, rhythmische Basis, scharfe Gitarren, gute Texte auf Baskisch sind die Identitätsmerkmale.

azoka011X. Xabiroi

Comic-Zeitschrift, herausgegeben vom Verband der baskischen nichtreligiösen Privatschulen (Euskal Herriko Ikastolen Konfederazioa), in Zusammenarbeit mit den Provinzregierungen Bizkaia und Gipuzkoa und dem Ministerium für Sprachpolitik der Kultur-Abteilung der baskischen Regierung. Das Magazin richtet sich an jugendliche Leser*innen und wird unter den Schüler*innen von Ikastolas (auf Elterninitiativen zurückgehende baskische Privatschulen) verteilt. Damit soll eine Lücke im Bereich der auf Baskisch geschriebenen Comics geschlossen werden. Ein Versuch, jugendliche Leser*innen für die baskische Sprache zu gewinnen.

Y. Yurre Ugarte

Yurre Ugarte ist seit Jahren auf der Messe in Durango präsent. Die 1965 in Tolosa (Gipuzkoa) geborene Autorin ist vielseitig, als Drehbuchautorin hat sie für mehrere Fernsehsender gearbeitet (ETB, TELE5 und TVE3). Daneben ist sie Autorin von Zeichentrickfilmen und Regisseurin von Kurzfilmen. Außerdem hat sie zwei Theaterstücke geschrieben: “Himalaya Blues“ im Jahr 2006 und “Ezin ihesi“ (Nicht flüchten können) 2012. Auch ein Erzählbuch liegt von ihr vor: “Gasolindegian“ (An der Tankstelle) von 2010, sowie Bücher und Comics für Kinder: “Itsasoa maleta batean“ (Das Meer in einem Koffer) von 2013, und “Naia eta Nabil detektibeak“ (Die Detektive Naia und Nabil) von 2014. Dieses Jahr stellt sie in Durango das Buch “Joana Maiz“ vor. Ein kartongebundenes Comic-Buch in einem grafischen Romanformat von 112 Seiten, das sie im Eigenverlag herausgibt: Joana Maiz, erfolgreiche Casting-Direktorin, fällt in eine tiefe Existenzkrise als sie ihren Job verliert ...

Z. Zu – Du

“Zu zara azoka – Du bist die Messe. Ohne dich könnte die Messe nicht leben. Die Messe erwartet dich jedes Jahr, und zwar in allen Facetten: als Buchautor*in, als Musiker*in, als Journalist*in, als Leser*in, als Teilnehmer*in, als Tänzer*in, als Interviewer*in, als Pressesprecher*in, als Gesprächspartner*in, als Filmemacher*in, als Kritiker*in, als Besucher*in.“

azoka012ANMERKUNGEN:

(1) Informationsquelle Aunamendi-Artikel: “Durangoko Euskal Liburu eta Disko Azoka (LINK)

(2) Informationsquelle Tageszeitung Gara, Wochenendbeilage Zazpika: “Durangoko Azoka A-tik-Zeta-ra“ (Die Messe von Durango von A bis Z)

(3) Txistulari: eine Person, die eine mit einer Hand gespielte baskische Txistu-Flöte spielt (aus Holz und Metall, mit einem Ring am unteren Ende zum Halten mit dem kleinen Finger). Meist wird mit der anderen Hand eine kleine am Gürtel aufgehängte Trommel geschlagen. / Albokari: Die Alboka ist ein baskisches Blasinstrument mit zwei Schallrohren, die in einen gemeinsamen Schalltrichter aus Horn münden. Sie gehört zu den Hornpfeifen. Die beiden Rohrblätter werden von einer Windkapsel aus Horn aufgenommen und gemeinsam angeblasen. Das linke Rohr hat fünf, das rechte drei Grifflöcher. Die nebeneinander liegenden Löcher werden jeweils von einem Finger übergreifend abgedeckt. Durch die ungleiche Zahl der Löcher entstehen zweistimmige Effekte (Quinten). Die Alboka wird in Zirkularatmung gespielt. / Bertsolaris (siehe Anmerkung 4).

(4) Bertsolaris, Bertsolaritza, Bertsolarismo: Bertsolarismo, baskisch Bertsolaritza, ist ein frei improvisierter Reimgesang in baskischer Sprache, der im gesamten Baskenland bei gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Ereignissen, sowie bei Meisterschaften praktiziert wird (alle vier Jahre Bertso Finala). In der Regel "unterhalten" sich zwei Bertsolaris (Verssänger/innen) auf der Bühne mit spontan gereimten Versen, die nach thematisch gestellten Aufgaben und vorgegebenen Melodien gesungen werden. Diese Reim-Kunst hat eine große Tradition in Euskal Herria, sie geht zurück auf Zeiten, als es noch keine Schriftfassung des Euskara gab. Vergleichbare Vers-Kulturen gibt es in Irland, Südamerika, Kuba, die auf römische und altgriechische Kulturen zurückgehen. Im Dezember 2013 gewann Amets Arzalluz das Bertso-Finale in Bilbao vor 15.000 Zuschauer*innen, die von morgens um 11 bis abends um 20 Uhr aushielten. Der Begriff Txapelketa kommt von “txapela“ (Baskenmütze), die die Sieger*innen (txapeldunak) von allen Sport oder Kultur-Wettbewerben erhalten. Txapelketa ist die Meisterschaft. (LINK)

(5) “Ez Dok Amairu“. Diese 1964 gegründete Musik- und Literatur-Gruppe wurde zu einer wichtigen Referenz für die baskische Kultur. Zum Thema ein Artikel von Baskultur.info: “Baskische Liedermacher 1 – Laboa, Lertxundi und die wilde Dreizehn“ (LINK)

ABBILDUNGEN:

(*) Durango-Messe 2019 (FAT)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2019-12-14)

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