Die Reichweite der Nachhaltigkeit
Tourismus hat eine längere Geschichte als wir uns üblicherweise ausmalen. Er begann nicht erst mit Tomas Cook, den Pauschalreisen und den schnellen Verkehrmitteln. Bereits die Römer und Dschingis Khan – um irgendwo in der Geschichte anzufangen – waren Reisende, in jenem Fall in Sachen Eroberung. Barbarossa kreuzte nach Palästina, um dem Papst Genüge zu tun und den Islam zu bekämpfen. Auf Reisen gelang Schliemann im 19.Jh die Entdeckung der Reste des bronzezeitlichen Troja.
Bereits Wilhelm von Humboldt machte sich aus wissenschaftlichem Interesse auf in den europäischen Süden, um im Baskenland diese seltsam-seltene Sprache Euskara zu erforschen. Kurt Tucholsky trieb eher kulturelle Neugier, als er Anfang des 20.Jahrhunderts die Pyrenäen besuchte und sie von West nach Ost, vom Baskenland bis Katalonien durchquerte.
(2015-01-26) Von militärischem, kolonisatorischem und wissenschaftlichem Antrieb waren viele der früheren Reiseunternehmungen vorwiegend beseelt. Kolumbus benötigte ein Stipendium der kastilischen Krone, um sich auf seine folgenreiche Reise machen zu können. Doch erst als der Kapitalismus breiten Massen einen relativen Wohlstand zuerkannte, wurde das Reisen zum Volkssport. In den 50er Jahren zogen die Deutschen erst nach Österreich, später nach Italien, Spanien und Griechenland. Und in die ganze Welt, als Flugzeuge eine entsprechende Leistung boten. Auch wenn es zynisch klingt: auch die Bootsflüchtlinge sind Reisende, wenn sie unter Todesgefahr auf kleinen Booten von Afrika nach Europa zu gelangen versuchen. Reisende in Sachen Flucht und Suche nach einem besseren Leben, wie es vorher viele Mittel- und Südeuropäer in Südamerika und anderswo versucht haben.
Immer gehören zum Reisen zwei Orte: ein Ausgangspunkt und ein Zielpunkt. Akteure sind auf der einen Seite Personen, die über genügend Mittel verfügen, um sich den Luxus von arbeitsfreien Tagen und Reisekosten leisten können. Auf der anderen Seite Personen, die mit dem Empfang der Reisenden ihren Lebensunterhalt verdienen, die Besuche aber nicht unbedingt mit eigenen Reisen beantworten können. Immer schon gab es zwischen der einen und der anderen Seite ein Gefälle. Je stärker bestimmte Orte für den Tourismus erschlossen wurden, oder besser gesagt: monopolisiert, desto stärker wurden die negativen Auswirkungen der Reisetätigkeit für den besuchten Teil. Besucht werden nicht nur Orte wie Gizeh oder Machu Picchu, sondern auch die Menschen, die in der Umgebung leben. Teilweise gehen die Auswirkungen des Tourismus soweit, dass die Besuchten sich ganz und gar nicht mehr über die Ankommenden freuen, Sextourimus oder Kinderprostitution sind ausreichend negativ bekannt. Auch leben in Rom oder Sydney neben den touristischen Zielen auch Personen, die nichts mit dem Tourismus zu tun haben und nur zufällige Nachbarn der Massenanstürme werden.
Im Schatten des uniformen Massentourismus entstand ganz nebenbei ein kultureller Tourismus, geprägt von individuellen Bedürfnissen und praktiziert in kleinen Gruppen oder von Wanderern. Ökologischer Tourismus wird diese Version des Reisens genannt, oder auch sozialverträglich, wenn zum Beispiel Minigruppen in Venezuela auf einer Ranch ihren Urlaub verbringen, wenn der Erlös der Reise den Landbewohnerinnen dort direkt zugute kommt, und kein Pauschalanbieter daran verdient.
Effizienz gegen verbrannte Erde
Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts kam aufgrund der zunehmenden Kritik am rücksichtslosen Umgang mit natürlichen Ressourcen (auch im Tourismus) der Begriff der Nachhaltigkeit auf, "ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem die Bewahrung der wesentlichen Eigenschaften, der Stabilität und der natürlichen Regenerationsfähigkeit des jeweiligen Systems im Vordergrund steht" (1). In verständliche Sprache übersetzt heißt das: dem bedenkenlosen Verbrauch von natürlichen Ressourcen soll mit bremsenden Maßnahmen ein Ende bereitet werden, dass künftige Generationen nicht nur vor verschmutzten Meeren, Hotelburgen aus Zement und Müllhalden stehen und dort leben müssen. Verträglich sollten sowohl die industrielle Produktion wie auch das Reisen werden. Abert verträglich für wen? Vor allem für die kapitalistische Wirtschaft. Denn schlaue Köpfe hatten entdeckt, dass dieses gesellschaftliche Produktionssystem auch zu Tode wachsen könnte, weil Rohstoffe und natürliche Grundlagen ihre Grenzen haben.
Im Laufe der Jahre hat der Begriff der Nachhaltigkeit in fast allen Tourismus-Programmen Eingang gefunden, in alle Bereiche, die auch nur minimal nach alternativem Wirtschaften und Reisen riechen. Nachhaltig wurde zum Bio-Label der Reise-Gesellschaft. Um dem internationalen Tourismus-Sektor auch weiterhin seine Gewinn-Margen zu garantieren, werden verzweifelt neue Konzepte gesucht, die allen Seiten gerecht werden: Reisebüros, den Unterkünften, den Reisenden und den Besuchten. Nicht in Frage gestellt wird der Anspruch auf Profit, er bleibt eine Art Naturrecht derer, die die Reisekalender gestalten und bestimmen, welches Ziel oder Land angesagt ist und welches nicht. Auf der Suche nach sanften oder verträglichen Konzepten von Reisen entstanden neue Organismen, die sich die neuen Kriterien und deren Überwachung auf die Fahnen geschrieben haben.
Verantwortlicher Tourismus
"Verantwortlicher Tourismus ist eine weltweite Herausforderung", ist auf den Webseiten von TourCert zu lesen (2). Dafür wurde die Organisation geschaffen, die jene Anstrengungen ernsthaft kontrollieren soll. "TourCert, die gemeinnützige Zertifizierungs-Gesellschaft, vergibt das CSR-Siegel für Nachhaltigkeit und Unternehmens-Verantwortung im Tourismus. CSR bedeutet Corporate Social Responsibility. CSR ist die Verantwortung der Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt. Dazu müssen die Unternehmen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus soziale und ökologische Anforderungen in ihrem Kerngeschäft erfüllen. CSR steht nicht für einzelne gute Taten, sondern für eine im ganzen Unternehmen verankerte Haltung und strategische Ausrichtung. Mit dem CSR-Siegel bekennen sich Tourismus-Unternehmen klar zu ihrer Verantwortung für einen nachhaltigen Tourismus. Sie verpflichten sich dazu, ihre Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern. Das CSR-Siegel wird in verschiedenen Sektoren vergeben. Für Reiseveranstalter, Reisebüros und Unterkünfte gelten jeweils spezifische Anforderungen und Kriterien an die Zertifizierung (2).
CSR steht für kontrollierte gesellschaftliche Verantwortung im Tourismus. "TourCert" ist das Zertifikat, das die CSR-Organisation jenen ausstellt, die sich auf freiwilliger Basis den Kriterien unterwerfen und sich regelmäßig prüfen lassen von der "Gesellschaft für Zertifizierung im Tourismus". Die Kriterien sind folgende:
• Was bleibt im Land, wenn die Reisesaison vorbei ist?
• Zahlen Touristikunternehmen ihren Beschäftigten im Land Löhne, mit denen sich eine Familie ernähren lässt?
• Vermeiden Hotelanlagen Müll und entsorgen sie umweltgerecht?
• Nimmt die Reiseplanung Rücksicht auf natürliche Ressourcen, z.B. bei der Wasser- und Energieversorgung und beim Natur- und Artenschutz?
• Stammen die Lebensmittel im landestypischen Restaurant wirklich aus heimischer Produktion?
• Wieviel CO² produziert der Reiseweg pro Kunde?
"Diese und viele Fragen mehr sagen aus, wie nachhaltig und sozial verantwortlich ein Reiseveranstalter tatsächlich wirtschaftet" (2).
Unabhängig geprüfte Alternativen
Unternehmen, die dieses Siegel tragen und mit ihm auch gerne Werbung machen, haben ihre Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeit überprüft. "Sie haben sich mit den sozialen, ökologischen und ökonomischen Stärken und Schwächen ihrer Produktpalette, ihrer Leistungsträger, ihres Umgangs mit Kunden und Mitarbeitenden und vielem mehr auseinandergesetzt. Darauf aufbauend haben sie systematisch Verbesserungspotenziale identifiziert und umgesetzt. Entsprechend den Standards von TourCert hat das Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht sowie ein Verbesserungsprogramm erstellt. Mit dem Siegel verpflichtet sich das Unternehmen, seine Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern. CSR ist der Beitrag eines Unternehmens zu einer nachhaltigen Entwicklung, indem es über gesetzliche Vorgaben hinaus soziale und ökologische Verantwortung in seinem Kerngeschäft übernimmt" (2).
Die Berichtsstandards von CSR wurden gemeinsam mit Pilotunternehmen des Unternehmensverbands entwickelt und im Betriebsalltag erprobt. Dadurch wurde ein branchenorientierter Standard für den Bereich des Tourismus geschaffen, der nachprüfbar ist, der Vorschläge zu Verbesserung entwickelt und der auch für kleine und mittlere Unternehmen anwendbar ist. Dieses CSR-System ist kompatibel mit der ISO 26000 (Social Responsibility), der Global Sustainability Tourism Criteria (GSTC), den Berichtsstandards der Global Reporting Initiative (GRI) und den allgemeinen Qualitäts- und Umwelt Managementstandards nach ISO und EMAS – Zeichen dafür, dass bereits eine internationale Vernetzung der Standards stattgefunden hat (2).
CSR-Leistungsbewertung
In der Bestandsaufnahme und Datenerhebung, die durch eine speziell entwickelte Software unterstützt wird, werden alle relevanten Aspekte der Geschäftstätigkeit beleuchtet: wirtschaftliche Kennzahlen, ökologische und soziale Aspekte der zentralen Geschäftsprozesse, der Leistungsträger, sowie die Verantwortung gegenüber Kunden und Beschäftigten. All diese Aspekte werden abschließend in einem standardisierten Nachhaltigkeitsbericht zusammengefasst und veröffentlicht. Im Rahmen der Datenerhebung wird zum Beispiel überprüft, ob Unterkünfte sich aktiv mit den Vorgaben zum Schutz vor sexueller Ausbeutung von Kindern auseinandersetzen oder aus welchen Quellen sie Energie beziehen. Für jede Reise werden außerdem die CO² Emissionen ermittelt, nicht nur für An- und Abreise sondern auch für den Transport und die Unterkunft im Gastland. Die Reiseveranstalter sind angehalten, mit ihren Leistungsträgern in aktiven Dialog zu treten.
Indikatoren-Katalog
Die Erhebung der Daten erfolgt mittels unterschiedlicher Checks, die die Leistungsdaten in einem aussagekräftigen Indikatoren-Katalog zusammenführen. Mit dem Software-Tool des CO²-Reiserechners kann ein Unternehmen beliebig viele Reisepakete und die jeweiligen CO² Emissionen ermitteln. "Es können alternative Reisewege und -mittel kalkuliert und optimiert werden, ein Weg zur klimaeffizienten Produktentwicklung" (2).
Vier "Nachhaltigkeits-Checks" beziehen sich auf zentrale Elemente der Dienstleistungskette:
* die Produktentwicklung bzw. das Zielgebiet, * die Partneragenturen, * die Unterkünfte, * die Reiseleitungen. "Die Checks bestehen aus Fragen zu ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten und beinhalten eine Bewertungsskala, die vom Reiseveranstalter ausgefüllt wird. Diese Bewertung gilt als qualitative Ergänzung zu den Kennzahlen und summiert die qualitative Bewertung in einem Nachhaltigkeits-Index. Die Nachhaltigkeits-Checks gelten zugleich als Orientierungshilfe bei der Auswahl der Leistungsträger am Reiseziel und für die Produktentwicklung.
Der "MA-Zufriedenheitsindex" wird anhand einer webbasierten Mitarbeitenden-Befragung erstellt. Der "Kundenzufriedenheits-Index" wird auf Basis der Kundenrückmeldungen und der Rücklaufquote ermittelt. Der "Kundeninfo-Check" mit einer verdichtenden Bewertung zur Einhaltung von Mindestanforderungen in der Kundeninformation. Zehn Kernindikatoren messen den Grad der Erfüllung dieser Anforderungen:
• CO²-Emissionen pro Gast/Tag
• Unternehmensökologie: CO²-Emissionen pro Mitarbeitenden
• Anteil des Reisepreises, der ins Reiseland fließt (Lokale Wertschöpfung)
• Qualität der Kundeninformation
• Zufriedenheitsindex Kunden (mit Rücklaufquote)
• Zufriedenheitsindex Mitarbeitende
• Unternehmenserfolg: Cashflow im Verhältnis zum Gesamtumsatz
• Nachhaltigkeitsindex Partneragenturen
• Nachhaltigkeitsindex Unterkünfte
• Nachhaltigkeitsindex Reiseleitung
CSR-Zertifizierung – unabhängig und kompetent
"Die Prüfung wird von einem unabhängigen Gutachter auf der Grundlage der CSR-Berichtsstandards und der CSR-Zertifizierungsrichtlinie durchgeführt. Anforderungen für die CSR-Zertifizierung sind der vollständige Nachhaltigkeitsbericht, ein Nachhaltigkeits-Leitbild, die Benennung eines CSR-Beauftragten, die Erfüllung von Mindestanforderungen sowie ein Verbesserungsprogramm. Die Überprüfung basiert im Wesentlichen auf den Daten im Nachhaltigkeitsbericht, einer Dokumentenprüfung, der Einsicht von Zusatzinformationen und Nachweisen sowie der Bewertung der Kohärenz der Informationen und des Verbesserungsprogramms. Bei Unternehmen mit mehr als vier Vollzeitstellen wird eine Überprüfung vor Ort vorgenommen, bei kleineren Unternehmen eine Fernprüfung.
In einem CSR-Prüfungsbericht wird eine zusammenfassende Bewertung mit Empfehlungen vorgenommen sowie ein Vergleich der CSR-Kernindikatoren. Aufgrund der qualifizierten Rückmeldung und der Kernindikatoren kann das Unternehmen sehen, wie es im Verhältnis zu anderen Unternehmen steht, sowie Verbesserungspotentiale erkennen. Ein von Experten besetzter unabhängiger CSR-Zertifizierungsrat beschließt auf Basis des Nachhaltigkeits-Berichts und des Prüfgutachtens über die Zertifizierung. Das Zertifikat ist nach Erstübergabe 2 Jahre gültig, dann jeweils für 3 Jahre. Zur Rezertifizierung muss ein aktueller Nachhaltigkeits-Bericht erstellt werden. Das Verbesserungsprogramm ist jährlich zu aktualisieren und TourCert vorzulegen" (2).
TourCert – die Zertifizierungsgesellschaft
Die CSR-Organisation setzt sich zusammen aus verschiedenen gemeinnützigen Institutionen, die selbst keine materiellen Interessen im Tourismus-Bereich haben, was sicherlich der Glaubwürdigkeit der Kontrollergebnisse dient. Gesellschafter sind: der Evangelische Entwicklungsdienst, Tourism Watch in Bonn, die Kontaktstelle für Umwelt & Entwicklung KATE aus Stuttgart, die Naturfreunde International in Wien, die Hochschule für nachhaltige Entwicklung aus Eberswalde. "TourCert vereint Experten aus Tourismus, Wissenschaft, Umwelt, Entwicklungs-Zusammenarbeit und Politik. Mit ihrer langjährigen Erfahrung stehen sie für eine qualifizierte Schulung, Beratung und Zertifizierung", heißt es in der Selbstbeschreibung von CSR.
Der CSR-Zertifizierungsrat entscheidet über die Anforderungen und Kriterien der CSR-Zertifizierungen, entwickelt die CSR-Zertifizierungsrichtlinie weiter, überwacht die Zertifizierungsgesellschaft TourCert und entscheidet über die Zulassung der Gutachter sowie die Vergabe des CSR-Siegels an die Unternehmen. TourCert führt auch das Register der zertifizierten Unternehmen. Im Februar 2014 trugen das Siegel für Unternehmens-Verantwortung und Nachhaltigkeit im Tourismus insgesamt 79 Unternehmen: 66 Reiseveranstalter, 7 Reisebüros sowie 6 Hotels, vorwiegend aus dem deutsch-sprachigen Raum in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Dazu kommen einige wenige Firmen aus Schweden, Frankreich, Finnland und den Azoren (3). Der Nachhaltigkeitsbericht und die CSR-Siegel ermöglichen es Kundinnen, Reiseveranstalter auszuwählen, die neben wirtschaftlichen auch soziale und ökologische Ziele in ihrem Handeln und ihren Angeboten verfolgen.
Aalborg-Charta – kommunale Eigenverpflichtung
Eine Prüfung nach den CSR-Kriterien würde sicher nicht einmal 5% der weltweit vertretenen Tourismus-Unternehmen aller Art bestehen. Den eingangs zitierten Standards müssten sich vor allem staatliche und lokale Tourismus-Behörden angliedern, wenn sie es denn ernst meinen mit der nachhaltigen Orientierung ihrer Tourismus-Politik. Denn sie sind es, die den Rahmen abstecken, in dem sich die Reise-Unternehmen bewegen können und müssen. Im Jahr 1994 hatten europäische Städte die sogenannte Aalborg-Charta unterzeichnet, mit der sie sich selbst zu nachhaltigem Wirtschaften verpflichteten. Unter dem vollständigen Titel "Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit - Charter of European Cities & Towns Towards Sustainability" wurde im Mai 1994 auf der Europäischen Konferenz über zukunftsbeständige Städte und Gemeinden in der dänischen Stadt Aalborg eine Resolution verabschiedet, die seitdem von rund 2.500 lokalen und regionalen Verwaltungen in 39 Ländern unterzeichnet wurde. "Sie enthält eine Selbstverpflichtung der unterzeichnenden Gebietskörperschaften für eine zukunftsbeständige, nachhaltige Politik und ist Ausgangspunkt der Europäischen Kampagne zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden (Sustainable Cities and Towns Campaign) (...) Die Charta besteht aus drei Teilen: Teil I: Durch Konsens angenommene Erklärung: Europäische Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit. Teil II: Die Europäische Kampagne zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden. Teil III: In Lokale Agenda 21-Prozesse eintreten: Kommunale Handlungsprogramme für Zukunftsbeständigkeit (...) Auf einer Folgekonferenz 1996 in Lissabon, Portugal wurde das Handlungsprogramm zum Lissabonner Aktionsplan konkretisiert" (4).
Mit Blick auf die Tourismus-Politik, zum Beispiel in Bilbao, lässt die Umsetzung der Charta-Inhalte stark zu wünschen übrig, wie es bei vielen internationalen Abkommen üblich ist. Diese Inkonsequenz lässt das Konzept der Nachhaltigkeit in schlechtem Licht erscheinen. Wie bei den Lebensmitteln der Begriff "Bio" tragen heutzutage inflationär viele Unternehmen das Prädikat "nachhaltig", einen Schutz gibt es nicht. Abgerundet werden soll dieser Ausflug in das nachhaltige Reisen und Wirtschaften mit dem Beispiel eines der 66 Reiseveranstalter, der das beschriebene Siegel trägt und – unter anderem – Reisen anbietet, die auch das Baskenland streifen.
"Am Anfang stand für (...) die Idee, die gemeinsame Leidenschaft und Begeisterung für Andalusiens einzigartige Kultur und besondere Landschaften mit anderen Reisenden zu teilen (...) Unsere kleinen Reisegruppen ermöglichen einen Blick hinter die Kulissen eines Reiselandes abseits der touristischen Massen und verschaffen so authentische Einblicke und erhalten die Kulturgüter. Dieses Konzept ermöglicht eine enge Zusammenarbeit mit außergewöhnlichen, kleineren komfortablen Hotels, sowie respektvolle Begegnungen mit den Menschen vor Ort", so lautet die Beschreibung des Anbieters, der unter anderem eine 6-wöchige Reise mit maximal 12 Teilnehmerinnen anbietet, die auf 4.500 Kilometern Strecke durch 11 Regionen, kreuz und quer über die iberische Halbinsel auch das Baskenland in Donostia und Bilbo berührt (5).
Nachhaltigkeit hat ihren Preis
"... mit was für einem Schatz an Erlebnissen und Erfahrungen, Begegnungen und Geschichten kommt man zurück, wenn man in einem großen, faszinierenden Land nicht weniger als 6 Wochen lang unterwegs war! (...) Spanien ist ein solcher faszinierender Kosmos, ein Land von unerwarteter Weite und überraschenden Gegensätzen, ein Land, das sich in der unglaublichen Vielfalt seiner unterschiedlichen Landschaften und Regionen, im Reichtum seiner Geschichte und Kultur erst nach und nach erschließt" – diese Beschreibungen lesen sich eher traditionell als alternativ, sie klingen nach den typischen Beschönigungen von Reisezielen, die seit langem zum Geschäft der großen Mehrheit der implizierten Reiseveranstalter gehören. "Eine Reise, die von echten Spanienkennern konzipiert wurde (...) Ihre Erfahrungen und Beziehungen machen es möglich, auch hinter die Kulissen zu schauen und in einem fremden Land Dinge zu erleben, die man sonst nicht erleben würde" (5). In Kleingruppe und mit sechs Wochen Zeit besteht kein Zweifel, dass sich eine solche Erfahrung einstellen wird. Der Preis ist mit 11.195€ plus Einzelzimmer-Zuschlag entsprechend nachhaltend und sicher nur für große Geldbeutel aus dem Bildungsbürgertum erschwinglich.
Wir lernen daraus, dass Nachhaltigkeit eben ihren Preis hat. Doch bestätigt die bloße Existenz des beschriebenen Unternehmens die Machbarkeit seiner Philosophie. "So war es ein konsequenter Schritt, uns im Rahmen des EU-geförderten CSR-Zertifizierungsprozesses, von einem unabhängigen Gremium auf die Nachhaltigkeit unseres Reiseangebotes prüfen zu lassen. Der CSR-Prozess (...) bietet uns die Möglichkeit, unser eigenes Tun und Handeln nach objektiven Maßstäben kritisch zu bewerten und uns kontinuierlich neue Ziele zu setzen. Eine Vorgehensweise, die – wie wir hoffen – sowohl Reisenden als auch Gastgebern auf lange Sicht zu Gute kommt" (5).
Von Seiten von BASKULTUR schließen wir uns dieser Erwartung an. Gleichzeitig hoffen wir, dass alternatives Reisen – sozial verantwortlich, sozial verträglich, wie auch immer – auch für kleinere Geldbeutel zur Alternative wird. In jedem Fall geht die Suche nach neuen Konzepten jeden Tag in eine neue Etappe.
Quellen:
(1) Wikipedia: Nachhaltigkeit
(2) Tourcert
(3) Tourcert Unternehmensregister
(4) Aalborg-Konferenz, Wikipedia
(5) Geotoura.com
Abbildungen:
FAT (Foto-Archiv-Txeng )