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Alternativen zum gängigen Tourismus

Im vergangenen Jahr 2016 sind die Zahlen der Besucherinnen im Baskenland deutlich gestiegen. Gleichzeitig existiert ein wachsender Sektor von Reisenden, der sich nicht überall in die Schlange stellen will und Nischen sucht, Alternativen zur herkömmlichen Reiseform. Die Greeters geben darauf eine originelle Antwort. Mit der Vermittlung von freiwilligen Stadt-Begleiterinnen erhalten Besucherinnen einen subjektiven, aber nahen Eindruck ihres Reiseziels, die positive Rückmeldung spricht für sich.

Die internationale Greeters-Bewegung steht zwar nicht für Kultur-Tourismus, dennoch bietet sie intensive, nicht-kommerzielle Einblicke in die Realität weltweiter Reiseziele – nicht zuletzt auch in Bilbo und Donostia.

greet02Idee und Praxis der Greeter sind ebenso einfach wie integrativ und sympathisch: freiwillige Einheimische treffen sich mit interessierten Touristinnen und verbringen ein paar nette Stunden zusammen, besuchen Orte des täglichen Lebens, erfahren Geschichten und Anekdoten über den Ort und seinen Alltag oder trinken zusammen etwas Landestypisches – häufig abseits der üblichen touristischen Pfade und kommerziellen Zentren. Dabei kommen mitunter auch die Schattenseiten der Reiseziele zur Sprache, denn schmerzfrei sind die Wege zu „Guggenheim-Effekten“ beileibe nicht. Das Resultat ist ein Maß an Zufriedenheit von Seiten der Besucherinnen, die alle Grenzen sprengt. 97% der Reisenden, die in den Genuss einer Greeter-Begleitung kamen, bezeichnen ihre Erfahrung als „exzellent“, die restlichen 7% sind sehr zufrieden, die drei übrigen Kästchen werden gar nicht erst angekreuzt – so die Zahlen der Bilbao-Greeters, die ihren Service seit sechs Jahren anbieten. Vor zwei Jahren hat sich Donostia, spanisch: San Sebastian, als zweite Greeter-Stadt in das internationale Netz eingereiht. (1)

Bilbao-Greeters

greet03An die fünfzig meist ältere Freiwillige sind es in Bilbo (span: Bilbao), die sich regelmäßig um die kontaktsuchenden Bilbo-Besucherinnen kümmern und sich zwei Mal im Jahr zu einem internen Treffen versammeln, um Erfahrungen auszutauschen. Die Bilanz 2016 ist beachtlich, nicht nur die allgemeinen Zahlen der Bilbo-Besucherinnen sind gestiegen, auch das Greeter-Konzept wird immer bekannter, obwohl nach wie vor eine große Zahl potentiell am Konzept interessierter Personen noch nie davon gehört hat. (2)

Es gäbe also Spielraum für eine Ausweitung. Doch die beiden Verantwortlichen in Bilbo sehen das Projekt eher an eine Grenze gekommen. Denn mehr Besucherinnen erfordern mehr Freiwillige und die Koordination wird komplexer und schwieriger, was bei ehrenamtlicher Tätigkeit manchmal nicht einfach ist. Öffentliche Förderung gibt es in Bilbo nicht, offenbar besteht an diesem Konzept wenig behördliches Interesse, andernorts ist das nicht so. (1)

Die Zahl der Besucherinnen und Besucher, die 2016 eine Greeter-Begleitung in Anspruch genommen haben, ist deutlich gestiegen. Mehr als 200 Besuche waren es, das sind 10% mehr als im Vorjahr. Dabei gibt es eine wachsende Zahl von Anfragen, die nicht positiv beantwortet werden können (ca. 10%), weil entweder keine Greeter in der gewünschten Sprache zur Verfügung stehen, oder weil die Anfragen zu kurzfristig sind, um Begleiterinnen zu finden. Erwartet werden 10 Tage Vorlauf, viele Touristinnen melden sich jedoch erst, wenn sie bereits unterwegs oder gar vor Ort sind. Dazu kommen einige, die die Greeters offenbar mit einer Reiseagentur verwechseln: Weinreisen in die Rioja organisiert Bilbao-Greeters natürlich nicht, die Begleitung spielt sich ausschließlich in Bilbo ab, überhaupt sind organisierte Fahrten kein Thema, im besten Fall ein paar Stationen mit dem öffenlichen Bilbobus.

Zahlen zur Bilbao-Dynamik

greet04Die Zahlen der öffentlichen Bewertungen, die bezüglich Bilbo in einem internationalen Reiseportal im Internet zu finden sind, ermöglichen einige interessante Rückschlüsse (3). Zum Beispiel gibt es bei den Reisezeiten nicht die übliche Hochsaison, in der sich alles konzentriert. Von März bis November bewegen sich die Zahlen zwischen 24 und 32% des Jahresvolumens, nur zwischen Dezember und Februar geht die Zahl auf 13 zurück, aber immerhin.

Immerhin die Hälfte der Greeters-Kundinnen reist als Paar in die bizkainische Hauptstadt, die in den vergangenen 10 Jahren einen unglaublichen und nicht immer erträglichen Strom von Besucherinnen erlebt hat. Noch ist die Stadt am Nervión weit von inakzeptablen Zuständen wie in Barcelona entfernt (4), doch die unglücklichen Stimmen werden mehr. Neben den Paaren sind Freundeskreise die Reiseform, die an zweiter Stelle der Anfragen steht. Dahinter kommen Familien und Einzelreisende mit je 12%, und sogar Geschäftsreisende erwärmen sich zu 3% für das alternative Besuchs-Konzept.

Etwas schwieriger sind die statistischen Zahlen bezüglich der Sprachen auszuwerten, denn viele Besucherinnen wählen Sprachen, die nicht ihrer Muttersprache entsprechen. So ist davon auszugehen, dass alle Reisenden aus Skandinavien, Island, dem Baltikum und Holland auf Englisch als Kontaktsprache zurückgreifen, wenn nicht sogar auf Spanisch. Jedenfalls ist Englisch mit mehr als 50% die meistgefragte Greeter-Sprache. Dazu trägt auch bei, dass eine große Anzahl von Reisenden aus englisch-sprachigen Ländern stammt: Großbritannien, Australien, Nordamerika, auch Asiatinnen zählen zu diesem Sektor. Marginal hingegen sind Französisch, Deutsch, Portugiesisch (weniger als 1%), doch es gibt auch Greeter in die diesen Sprachen, teilweise sogar Muttersprachlerinnen.

greet05Die einheimische Sprache des Baskenlandes, Euskara, nimmt auch bei den Greeters eine Sonderstellung ein. Es scheint, dass die Besucherinnen aus dem Baskenland selbst bisher noch nichts vom Greeter-Konzept gehört haben. Oder sie erwärmen sich nicht dafür, weil sich niemand als Tourist bezeichnen lassen will, wenn er von Gasteiz-Vitoria nach Donostia oder Bilbo reist. Euskara taucht in der Statistik überhaupt nicht auf, obwohl ein Teil der Greeters (vor allem in Donostia) mit Sicherheit zweisprachig ist, Baskisch und Spanisch. Doch offenbar wird es nicht abgefragt. Nur einer der Kollegen in Bilbao erzählte beim Treffen von seiner Erfahrung in Donsotia, wo er sich erfolgreich um eine Greeter-Begleitung bemüht hatte – zu seiner großen Zufriedenheit. In Bilbo ist Euskara nicht einmal als Sprachversion des Blogs angeboten, fünf Sprachen sind aktiviert, doch wer auf Baskisch klickt, findet Spanisch. Sicherlich ein Manko und nicht untypisch für das Baskenland. In Donostia ist dies anders, hier ist alles (zusammen mit Englisch) dreisprachig, sogar im Web-Namen sind beide Namen der Stadt enthalten: San Sebastian und Donostia. (5)

Aus Donostia liegen keine analysefähigen Zahlen vor, was sich schon daran zeigt, dass der Zeitraum Dezember-Februar als Hauptreisezeit erscheint. Sicher ist die Greeters-Gruppe noch ausbaufähig. Die im Portal publizierten Fotos erzählen jedoch bereits von vielen Begegnungen. Zudem ist davon auszugehen, dass das Jahr 2016 – Donostia / San Sebastian trug den offiziellen Titel der Europäischen Kulturhauptstadt – einen Schub von neuen Anfragen gebracht hat.

Die Greeter-Philosophie

greet06Zur Erinnerung ein kleiner Rückblick auf das, was die Greeters „ihre Philosophie“ nennen, ihre Motivation, das Eingemachte, an dem nichts vorbei führt: (*) Alle Greeters und Greeter-Ziele teilen dieselben grundsätzlichen Werte (*) Greeters sind Freiwillige, die freundlichen Gesichter einer Stadt (*) Greeter begleiten Einzelpersonen oder Gruppen von bis zu sechs Köpfen, die Begleitung ist kostenlos (*) Alle Besucherinnen und alle Freiwillige sind willkommen, ohne jegliche Diskriminierung (*) Greeter-Aktivitäten sind Teil eines nachhaltigen Tourismus, sie respektieren die natürliche und urbane Umgebung und leisten ihren Beitrag zur kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Orte (*) Ziel der Greeter-Programme ist, bei den Besuchern und Besucherinnen ein positives Bild von den besuchten Orten und Zielen zu hinterlassen (*) Die Greeter-Programme eröffnen die Gelegenheit eines gegenseitigen kulturellen Austauschs, sie schaffen Beziehungen zwischen den Beteiligten auf dem Weg zu einer besseren Welt.

Das Greeters-Angebot ist kostenlos, die Initiative finanziert sich über Spenden der Besucherinnen, die jedoch nicht an die Greeter-Begleiterinnen gehen, sondern per Überweisung gemacht werden müssen - den Greeters ist es untersagt, Geld anzunehmen, sie lassen sich allenfalls zu einem Glas Wein einladen.

(Publikation baskultur.info 2017-01-29)

ANMERKUNGEN:

(1) Global Greeter Network – Greeters grüßen in Bilbao (Link)

(2) Bilbao Greeters (Link)

(3) Tripadvisor Bilbo – Bilbao (Link)

(4) Artikel „Hilferufe aus dem kleinen Barcelona“ auf dem Blog von Baskultur.Info (Link)

(5) Donostia Greeters (Link)

ABBILDUNGEN:

(*) Alle Fotos vom Blog der Greeters Donostia-San Sebastian, darunter deren Logo

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