greeters1Greeters grüßen in Bilbao

Wenn wir uns auf Reisen begeben, nehmen wir in der Regel in Kauf, dass wir in den Orten die wir besuchen, abgeschottet sind vom normalen Leben, von den dort lebenden Menschen. Kontakt haben wir oft nur mit den in der Tourismus-Branche Beschäftigten, oder in Hotels, Restaurant und Geschäften. Hotelburgen, Massenstrände und Erlebnisparks wie Disneyland stehen dafür. Die weltweite Greeter-Bewegung versucht, diese Isolation zu durchbrechen und ermöglicht persönliche Kontakte mit Einheimischen.

In New York wurde zuerst gegrüßt - Zuerst umgesetzt wurde die Greeter-Idee von der US-Amerikanerin Lynn Brooks im Jahr 1992 in New York. Ihren Verein nannte sie "Big Apple Greeter". Ihre Absicht war unter anderem, das schlechte Image der Millionenstadt durch ehrenamtliche und persönliche Betreuung von Touristinnen zu verbessern. Schon bald folgten weitere Greeter-Projekte in anderen US-Städten sowie weltweit. Mittlerweile "greeten" in New York City über 300 Freiwillige mehr als 7000 Besucherinnen pro Jahr. Die ersten deutschen Greeter gibt es seit 2008 in Berlin. (1) In Bilbao entstanden im Jahr 2011 die Bilbao-Greeters, später die Donosti-Greeters in San Sebastián, eine Greeter-Gruppe in Vitoria-Gasteiz in der Provinz Araba befindet sich im Aufbau.

greetersglobal1Das Greeter-Konzept

Idee und Praxis der Greeter sind ebenso einfach wie sympathisch. Freiwillige Einheimische treffen sich mit interessierten Touristinnen und verbringen ein paar nette Stunden zusammen, besuchen Orte des täglichen Lebens, erfahren Geschichten und Anekdoten über den Ort und seinen Alltag, oder trinken zusammen etwas Landestypisches – in der Regel abseits der üblichen touristischen Pfade.

Greeter sind grundsätzlich ehrenamtlich aktiv, der Spaziergang mit einem Greeter ist kostenlos. Über Internet melden sich die Interessierten bei der lokalen Initiative, dort wird eine sprachlich und thematisch geeignete Person gesucht. Greeter begrüßen einzelne Gäste bzw. kleine Gruppen bis maximal 6 Personen. Im Vordergrund steht der Dialog zwischen Greeter und Gast. Alle Gäste und Ehrenamtliche sind ohne Diskriminierung willkommen. Mit dieser Praxis unterstützen die Greeter-Programme nachhaltigen Tourismus. Sie respektieren die natürliche und soziale Umwelt und fördern die kulturelle Entwicklung lokaler Gemeinschaften. Greeter fördern das Image ihres Heimatortes und ihrer Region. Die Programme bieten Greetern und Gästen die Möglichkeit zum gegenseitigen kulturellen Austausch. "Sie helfen beim Aufbau einer besseren Welt, indem sie Kontakt von Mensch zu Mensch herstellen", wie es im Selbstverständnis des Global Greeter Network formuliert wird. Das Motto einer deutschen Gruppe: "Komm als Gast – geh als Freund!" (2)

Der Ablauf eines Greets

Der Ablauf eines Greets unterliegt keinen starren Regeln, sondern wird von jedem Greeter individuell mit den Besucherinnen vereinbart. Um einen Greet zu vereinbaren, melden sich die Interessierten spätestens zwei Wochen vor ihrer Ankunft an. Entsprechend der Interessen der Reisenden suchen die Greeters aus ihrem Pool einen passenden Greeter heraus. An einem vorher vereinbarten Ort startet die zwei- bis vierstündige Entdeckungstour, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Auf der Hamburger Webseite heißt es: "Wir zeigen Dir unsere Lieblingsorte, Märkte und Plätze auf denen wir sonst unsere Wochenendeinkäufe erledigen, wir uns mit Freunden treffen oder gehen mit Euch in unser Lieblingscafé. Wir teilen mit euch unsere Erfahrungen, kuriose Geschichten, die wir in unserer Stadt erlebt haben. Als Hamburg Botschafter können wir außerdem wichtige Hinweise, Tipps und Tricks zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und dem täglichen Leben geben. Kurz: Dich mit der Stadt vertraut machen. Wir beantworten gern Deine Fragen und versuchen, das Bestmögliche aus deinem Hamburg-Aufenthalt herauszuholen. Die auf diese Weise erlebten Eindrücke von Hamburg und den hier lebenden Menschen wirst du hoffentlich so schnell nicht wieder vergessen. Wer weiß, vielleicht knüpfst du auch neue Kontakte oder es entstehen sogar Freundschaften – alles ist möglich." (2)

Willkommen in Hamburg – zum Beispiel

"Du möchtest Hamburg durch die Augen eines Hamburgers kennen lernen? Du möchtest Geschichten hören, die in keinem Reiseführer stehen? Du möchtest wissen, wie Hamburg funktioniert und wie sich das Leben in Hamburg anfühlt?" Mit diesen Fragen stellt sich die Hamburger Greeter-Initiative vor. "Auf den nächsten Seiten kannst du mehr über die Hamburg-Greeter erfahren. Wie läuft ein Greet ab, welche Greeter kannst du treffen und was sagen andere über diese besonderen Hamburg Botschafter?" Neue Greeter werden geworben mit dem Appell: "Du hast eine besondere Beziehung zu Hamburg? Du nimmst Dir gern ein bisschen Zeit, um anderen Menschen dein ganz persönliches Hamburg zu zeigen? Dann solltest du bei uns mitmachen." (2)

Ongi etorri in Bilbao

Herzlich willkommen heißt in baskischer Sprache Ongi Etorri und ist das Motto der Eusko-Greeters, die nach greetersbilbao2Donostia demnächst in Vitoria-Gasteiz die dritte Filiale einrichten werden. Die erste Gruppe entstand in Bilbao im Jahr 2011 als sozio-kulturelle Initiative, die sich in den Bereich des Tourismus wagte und in deren Augen die direkte Beteiligung von Bilbainos und Bilbainas ein wichtiges Prinzip war. Nicht zuletzt die wirtschaftliche Situation motivierte die beiden Gründerinnen, Marivi Puente und Marta Cortina dazu, neue Konzepte auszuprobieren. Sie meldeten sich beim internationalen Global Greeter Network an und machten Bilbao zur ersten Greeter-Stadt im spanischen Staat.

Gerade in einer Stadt wie Bilbao, in dem sich die Touristenströme viel zu stark auf das Guggenheim-Museum und die Altstadt konzentrieren, tut eine kleine Abwechslung gut. Im Tourismus-Büro wird den Ankommenden zum Beispiel von einem Besuch des Stadtteils San Francisco abgeraten: zu gefährlich und schmutzig. Aber gerade dieses Barrio bietet Einblicke in die Geschichte der Stadt wie kein anderes. Dort leben die Normalos, die Migrantinnen, Studierenden und armen Leute, die sich die Mieten anderer Stadtteile nicht leisten können, dort entstehen avangardistische Kunstprojekte.

Die Kommentare von Gästen, die in den Genuß einerGreeter-Begleitung kamen, stärken dem Konzept den Rücken: "Ein Rundgang durch Bilbao mit Personen, die ihre Eindrücke und Gedanken zu ihrer Stadt vermitteln, haben mir das Gefühl gegeben, nicht nur eine Touristin unter Tausenden gewesen zu sein, es war ein Geschenk an Erfahrung und Stimmung. Nicht einmal der Regen konnte diesen Eindruck trüben." Oder: "Vergangenen Februar war ich mit den Bilbao-Greeters unterwegs, die Erfahrung war einmalig, ich habe Orte gesehen, die ich alleine nie entdeckt hätte. Werften zu sehen, Wandbilder von baskischen Künstlern, eine ganz besondere Kafeteria, die Geheimnisse des salzigen Flusses, oder zu erfahren, was der Name Isozaki bedeutet, all das waren einige der schönsten Reisemomente in meinem Leben", schreibt eine andere Reisende. (3)

Neben den Greeter-Begleitungen trägt sich die Bilbao-Gruppe mit dem Gedanken, zusätzlich individuell konzipierte Touren anzubieten. Dieser neue Service könnte Reisenden einen Ausflug nach persönlichen Wünschen ermöglichen, auch über die Stadt oder die Möglichkeiten der Greeter hinaus, und nebenbei helfen, das Projekt zu finanzieren. Denn dieses Angebot wäre nicht umsonst. Angeregt wurde es von Personen, die einst einen Greeter-Besuch greetersbilbao1mitmachten und die Idee hatten, darüber hinaus Angebote zu entwickeln. Interessierte sollen nach dem Konzept ihre Aktivitäts-Wünsche äußern – Kunst, Wein, Gastronomie, Natur – und die Greeters sorgen für die Umsetzung. Dazu könnte die Abholung vom Flughafen, Automietung, Restaurant-Bestellungen, Eintrittskarten für Oper, Fußball, Pelota oder Basketball, sowie ein Ausflugskonzept gehören. (4)

Auch im baskischen Donostia (spanisch: San Sebastián) gibt es mittlerweile eine Greeters-Gruppe, die Reisende aus aller Welt empfängt. Interessanterweise ist die Webseite dreisprachig: Englisch, Spanisch, Baskisch. Was nur so zu interpretieren ist, dass sich das Begleitungsangebot auch an baskischsprachige Reisende richtet, sprich: an die einheimische Bevölkerung.

Global Greeter Network

Auf internationaler Ebene sind die meisten Greeter-Initiativen im "Global Greeter Network" (GGN) organisiert. Voraussetzung für eine Aufnahme sind unter anderem die Anerkennung der sechs wesentlichen Grundsätze (Core Values): Ehrenamtlichkeit, Begrüßung in kleinen Gruppen, kostenlose Angebote, keine Diskriminierung von Greetern und Gästen, Nachhaltigkeit, gegenseitiger Austausch auf humanistischer Ebene. Das Global Greeter Network organisiert jährlich ein weltweites Treffen der Greeter. Neben den im GGN organisierten Greetern gibt es vereinzelt auch Initiativen, die sich nicht dem internationalen Verband angeschlossen haben. (6)

Organisationsformen

Definition, Organisation und Rechtsform der einzelnen Greeter-Programme unterscheiden sich weltweit teilweise stark. Überwiegend werden die Projekte in Metropolen und in Städten angeboten, teilweise jedoch auch in größeren Regionen (z.B. in Rhein-Ahr, Kent, Pas de Calais) oder sogar landesweit wie in der Elfenbeinküste. Während sich viele Greeter-Gruppen in unabhängigen Vereinen organisiert haben, kooperieren andere stark mit den örtlichen Toruismus-Büros und Stadtverwaltungen. In einem Fall in Frankreich sind die Koordinatoren der Greeters bei der öffentlichen Verwaltung angestellt.

Über die Greeter

Für einen Einblick in das Selbstverständnis der Greeter gehen wir noch einmal zurück nach Hamburg, wo Greets angeboten werden, die neugierige Hamburg-Gäste mit engagierten Hamburgern zusammenbringen. Ihre Philosophie formulieren die Hamburger auf ihrer Webseite: "Wir Greeter sind keine ausgebildeten Stadtführer, sondern lieben unsere Stadt und unseren Stadtteil und möchten anderen Menschen einen Einblick in unser ganz persönliches Hamburger Leben gewähren. Wir begleiten dich durch die Stadt ohne Bezahlung und ohne ein Trinkgeld. So, wie es auch ein Freund ganz selbstverständlich machen würde. Wir Greeter zeigen dir unser Hamburg mit seinen Ecken und Kanten. Dabei wirst Du individuell gestaltete Rundgänge und definitiv mehr als bei einer gewöhnlichen Stadtführung erleben. Wo gibt es den besten Fisch? Wo kann man günstig zu Mittag essen? Wo gibt es die ausgefallensten Geschäfte und was bekomme ich beim Bäcker, wenn ich ein Franzbrötchen bestelle? Greeter wissen Bescheid und kennen die Antworten auf viele deiner Fragen. Was wir dir nicht bieten: eine komplette Sightseeing-Tour zu allen touristischen Attraktionen. Aber wir können dir sagen, wo es welche Stadtführungen, Rundfahrten usw. gibt." (2)

Greeters in den Medien

Hamburg liefert dankenswerterweise einen ausführlichen Überblick, wie sich das Greeter-Phänomen in den Medien bemerkbar macht. Juli 2013: Hamburg-Greeter on Deutsche Welle TV: Deutsche Welle, der internationale deutsche Fersehsender, wiederholte am 20.07.13 einen im NDR schon im August 2012 ausgestrahlten Bericht. Auch ein im April 2012 im NDR ausgestrahlter Bericht ist auf der DW-Plattform zu sehen. Im Januar 2013 berichtete das belgische Fernsehen über das Treffen des Global Greeter Network im Oktober 2012. NDR 90,3 und Deutsche Welle im Juli 2012, auch Die Welt vom Mai 2012, das Hamburger Abendblatt vom 21. März 2012 oder MERIAN online vom 16. März 2012. (7)

Greeters international

Im Jahr 2018 hat das "Global Greeter Network" seinen Namen und seine Webadresse geändert. Auf Beschluss der Mitgliederversammlung heißt die Organisation nun "International Greeter Association".

Im spanischen Staat sind die Greeters laut internationaler Liste nur in Bilbo (Bilbao) vertreten, tatsächlich aber greetereusko1auch in Donostia / San Sebastian. Wer sich im Internet allerdings etwas intensiver auf die Suche macht, findet dazu noch Initiativen in Madrid, Andalusien und Kastilien-Leon. Weltweit sind es laut der offiziellen Liste des Global Greeter Network 76 Städte, in denen sich die Freiwilligen zur Besuchsbegleitung zusammengefunden haben. Interessant ist ein Blick auf die regionale Verbreitung der Greeter-Idee: in manchen Ländern scheint sie sehr populär zu sein, in anderen gar nicht. Ein komplettes Drittel der Greeter-Initiativen weltweit sind in Frankreich angesiedelt, in Italien dagegen gibt es nur eine. In Serbien sind es sechs, in ganz USA nur drei, in Togo bereits zwei. In Deutschland sind es nach aktuellen Informationen neun. Die leicht ergänzte Liste umfasst folgende Länder und Städte:

Argentinien (Buenos Aires) - Australien (Adelaide, Brisbane, Melbourne) – Belgien (Brüssel, Charleroi, Leietreek, Mons, Namur, Verviers) – Kanada (Calgary, Toronto) – Elfenbeinküste – China (Chongking, Hangzhou, Shanghai) – Kroatien (Zagreb) – Finnland (Helsinki) – Frankreich (Aisne, Angers, Chamapgne, Cote-d'Or, Hauts-de-Seine, Loix, Lyon, Marseille, Meurthe et Moselle, Mulhouse, Nancy, Nantes, Nice, Paris, Paris Boulogne, Pas-de-Calais, Pont du Gard, Rennes, St Germain-en-Laye, Selestat, Tarn-Albi, Toulouse, Tours, Troyes, Vallee de Munster, Versailles) – Deutschland (Berlin, Kassel, Hamburg, München, Mannheim, Rhein-Ahr, Köln, Stuttgart, Heidelberg) – Griechenland (Athen) – Italien (Turin) – Madagaskar (Antananarivo) – Serbien (Belgrad, Kragujevac, Nis, Novi Sad, Subotica) – Rumänien (Bukarest) – Russland (Moskau, St.Petersburg) – Schweiz (Zürich) – Niederlande (Den Haag) – Togo (Kpalime, Lome) – England (Brighton, Kent, London) – USA (New York, Chicago, Houston) – Vietnam (Saigon).

(Publikation baskultur.info 2014-07-21)


ANMERKUNGEN:

(1) Wikipedia (LINK)

(2) Hamburg Greeters: (LINK

(3) Eusko-Greeters (LINK

(4) Bilbao Greeters (LINK

(5) Greeters in San Sebastián - Donostia (LINK)

(6) Global Greeter Network - International Greeter Association (LINK)

(7) Hamburg Greeters: (LINK)

Abbildungen:

(*) Logos der Greeter-Seiten im Interne

(*) Fotos: Txeng

Für den Betrieb unserer Webseite benutzen wir Cookies. Wenn Sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, akzeptieren Sie unseren Einsatz von Cookies. Mehr Information