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Theater Film Musik Poesie

Der Stadtrat von Iruñea (span: Pamplona) hat in Zusammenarbeit mit der Vereinigung von Lesben und Bisexuellen, Transsexuellen und Cisgender-Frauen – Dekumas LBT – das “Erste Lesbische Kulturfestival von Navarra“ organisiert, um lesbische und bisexuelle Frauen in der Kultur sowohl als kreative Subjekte als auch als Protagonistinnen sichtbar zu machen. Das Festival LES FEN umfasst zwei Filmforen, zwei Theateraufführungen, eine Ausstellung, einen Workshop und einen musikalisch-poetischen Abend.

In Iruñea (span: Pamplona), der Hauptstadt der baskischen Region Navarra, findet vom 17. bis 27. Oktober 2019 unter dem Namen LES FEN das erste Festival Lesbischer Kultur statt.

Den Startschuss für das LES FEN Festival gibt die Fotoausstellung "Zoom lésbico" (lesbisches Panorama), die während der gesamten Dauer des Festivals im Kulturzentrum Civivox Condestable besucht werden kann. In der Ausstellung sind Schnappschüsse aus dem von Dekumas LBT organisierten Wettbewerb zu sehen, Bilder, die lesbische Frauen in verschiedenen Momenten des täglichen Lebens, in ihren Beziehungen als Partnerin, in der Familie, auf der Arbeit und bei Freizeitaktivitäten reflektieren. Die Veranstaltungen des LES FEN Festivals gehen vom 17. Oktober bis zum 27. Oktober. Die Aktivitäten finden in den beiden städtischen Kulturzentren Civivox Condestable und Civivox Iturrama statt (1).

fenles02DEKUMAS LBT

DEKUMAS LBT (2) organisiert und fördert kulturbezogene und deportive (sportliche) Aktivitäten für LBT Frauen. DEKUMAS LBT arbeitet auch mit Gruppen von Frauen zusammen, die nicht lesbisch sind, solange die Grundvoraussetzung der Anerkennung des LBT-Kollektivs gegeben ist. Als Ziele ihrer Arbeit definiert DEKUMAS LBT unter anderem die Entwicklung eines transfeministischen kollektiven Gewissens und den Aufbau einer Allianz zwischen Frauen, die die Erreichung der feministischen sozialen Transformation anstreben.

Gleich am ersten Tag des Festivals findet ein Kinoforum zum Thema familiäre Vielfalt statt mit den beiden Dokumentarfilmen “Homo baby boom“ und “Nada de esconder" (Nichts zu verstecken) von der Regisseurin Anna Boluda. Sowohl sie als auch die Sexualwissenschaftlerin Pili Miqueo sind beim anschließenden Kolloquium anwesend. Anna Boluda Gisbert (Jg. 1976) ist Journalistin und Videomacherin. Sie lebt heute zwischen València und Jávea, nach fast 15 Jahren in Barcelona. Ihr besonderes Interesse gilt sozialen Fragen, Frauenrechten, Kindern und der LGBT-Bewegung. (3)

"Homo baby boom" ist ein Dokumentarfilm, in dem sechs homoparentale Familien erklären, wie sie ihre Söhne und Töchter bekommen haben, welchen Reaktionen sie ausgesetzt waren und wie sie von den Gesetzesänderungen von 2005 betroffen waren, die Heirat und Adoption homosexueller Paare im spanischen Staat ermöglichten. "Nada de esconder" (Nichts zu verstecken) beschäftigt sich mit familiärer Vielfalt, Mobbing und Homophobie, aber auch mit Freundschaft, Komplizenschaft, Mut und den Rechten von LGBT-Menschen.

fenles03Rosaura-Theater

Am Freitag zieht das Festival um ins Kulturzentrum Civivox Iturrama, wo das Stück “Rosaura, en busca de un lugar en la sociedad“ (Rosaura, auf der Suche nach einem Platz in der Gesellschaft) von der Theatergruppe “Teatro Inverso“ aufgeführt wird. Das von Paula Rodríguez und Sandra Arpa gespielte Stück erzählt die Geschichte einer Frau auf der Suche nach ihrer eigenen Identität in einer Gesellschaft, in der die Figur des Mannes über den Rest dominiert. Dieses Theaterstück wurde laut Aussage seiner Regisseurinnen und Protagonistinnen durch das Stück "Life is a dream" von Calderón de la Barca inspiriert. In dieser Theaterversion wird die Geschichte jedoch aus der Sicht Rosauras erzählt, die sich ihrem vorgegebenen Schicksal entgegenstellt und die bestehende Ordnung, sowie die ihr auferlegten Grenzen herausfordert. Es handelt sich um ein sehr poetisches Stück. Die beiden schwarz gekleideten Frauen spiegeln die inneren Widersprüche Rosauras wider mittels in Reimform gesprochener Texte, Szenen zeitgenössischen Tanzes und durch das Erzählen von Geschichten.

“Teatro Inverso“ ist eine Theatergruppe mit Sitz in Madrid, die 2015 von Paula Rodríguez und Sandra Arpa gegründet wurde. “Der Name unseres Unternehmens Teatro Inverso leitet sich von unserem Interesse an Werken ab, die in Versen geschrieben sind und von der inneren Bedeutung des Begriffs Inverso als Gegenpole zwischen zwei gegensätzlichen Parteien; zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Tradition versus Moderne, Alt und Neu, Respekt und Respekt, Schönheit und Hässlichkeit, das Weibliche und das Männliche. Wir glauben, dass gerade aus dieser Konfrontation der Gegensätze der Konflikt erwächst, der unsere Theaterstücke mit Leben füllt“, ist auf der Webseite der Gruppe zu lesen. (4)

Frauen, die Frauen lieben

Am Samstag organisiert Les Fen einen poetisch-musikalischen Abend mit der Künstlerin, Sängerin, Dichterin und Komponistin Marian Ruiz. Marian stammt aus Iruñea. Sie wurde 1977 geboren und hat bereits als Jugendliche Gedichte geschrieben und selbst vertont. Im Jahr 2018 hat sie ihre erste Solo-LP aufgenommen, die ihren Künstlernamen BANDADA trägt. Bandada ist geprägt von einem eklektischen Sound, einer Fusion und Vielfalt verschiedener Stile, die von Rock, über Pop, Rumba, Reggae, Swing und Tango reichen. Das Ergebnis ist schwungvoll, überraschend und auf einzigartige Weise persönlich. Die Lieder zeichnen sich durch ihre ausdrucksstarken, poetischen und kraftvollen Texte aus, mit denen die Künstlerin ihre Gefühle und Leidenschaften zum Ausdruck bringt.

Die Show mit dem Titel "Diversas: mujeres que aman a mujeres" (Vielfältig: Frauen, die Frauen lieben) wurde speziell für diese Veranstaltung entwickelt. Darunter Gedichte von lesbischen und bisexuellen Schriftstellerinnen wie Elvira Sastre, Gloria Fuertes, Alejandra Pizarnik und Silvia Plath. Marian Ruiz alias Bandada begleitet die Gedichte den ganzen Abend über.

fenles04Auch auf Baskisch

Das Programm geht am folgenden Wochenende mit einer zweiten Theateraufführung weiter. In diesem Fall wird das Stück “Käffka“ in baskischer Sprache von der Theatergruppe Kamikaz Kolektiboa aufgeführt. Die Geschichte spielt im Jahr 2049, als die Gesellschaft neue Räume namens Käffka schafft, um die Leidenschaften und Liebesdramen in der Pubertät zu umgehen. Doch genau hier treffen sich die beiden Protagonistinnen der Geschichte.

Unter dem Titel “No quiero más bollo-dramas en mi vida“ (Ich will keine Dramen mehr in meinem Leben) wird ein Workshop angeboten, der sich über zwei Tage erstreckt: am Freitag von 16.30 bis 20.30 Uhr und am Samstag von 10 bis 14 Uhr im Civivox Condestable. Acht Stunden, in denen die affektiv-sexuellen Beziehungen von lesbischen und bisexuellen Frauen bearbeitet werden können. Der Workshop wird von Paula Alcaide geleitet, einer Psychologin, die sich auf die Unterstützung lesbischer und bisexueller Frauen spezialisiert hat, die aus ihrer sexuellen Orientierung Kraft schöpfen und ihre Beziehungen frei genießen wollen. Die Teilnahme ist kostenlos, allerdings ist eine vorherige Anmeldung erforderlich.

Carmen und Lola

Die letzte Veranstaltung dieses ersten lesbischen Kulturfestivals ist das Cineforum "Carmen y Lola", mit einem Film von Arantxa Echeverría, der gleich zwei Goyas gewonnen hat: für die beste neue Regisseurin und für die beste Nebendarstellerin (5). Jene Nebendarstellerin Carolina Yuste, 1991 in Badajoz geboren, hat bereits in mehreren Spielfilmen sowie Kurzfilmen mitgewirkt. Außerdem ist sie bekannt als Theaterschauspielerin und aus dem Fernsehen. Der Spielfilm wird am Samstag, den 26. Oktober im Civivox Condestable gezeigt.

Er erzählt die Liebesgeschichte zweier Roma-Frauen in einem konservativen Umfeld, das sie dazu zwingt, zwischen ihrem Paarleben und der Familie sowie ihrer Kultur zu entscheiden. Die Hauptrollen des Films werden von Rosy Rodríguez und Zaira Romero interpretiert, die beide keine professionellen Schauspielerinnen sind. Diese Tatsache verleiht dem Film einen glaubwürdigen Realismus. Die Goya-Gewinnerin Carolina Yuste ist die einzige professionelle Schauspielerin dieses Spielfilms. Bei der Preisverleihung im Februar 2019 hob sie hervor: “Ich bin glücklich an einem Projekt beteiligt zu sein, das zu 70% aus Frauen besteht. Wenn wir Frauen zu Wort kommen, dann entstehen Filme wie dieser“. 

fenles05Nach der Filmvorführung findet ein Kolloquium statt, das von der Historikerin, Schriftstellerin und Filmkritikerin María Castejón und in Anwesenheit der Direktorin Arantxa Echeverría durchgeführt wird. Der Eintritt ist frei. Arantxa Echevarría, geboren 1968 in Bilbao, ist Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin des spanischen Kinos und Fernsehens. Arantxa ist bekennende Lesbe, möchte jedoch, nach eigener Aussage, nicht als Lesbe sondern als Filmregisseurin in die Geschichte eingehen. 2018 wurde sie bei den Filmfestspielen in Cannes als erste spanische Filmregisseurin für ihren Erstlingsfilm “Carmen y Lola“ ausgezeichnet.

Ausgerechnet Pamplona

Dass das “Erste Festival Lesbischer Kultur“ gerade in Iruñea-Pamplona stattfindet, der konservativsten baskischen Stadt und Hochburg der erzkatholischen ultrarechten Sekte Opus Dei (Werk Gottes), mag verwundern. Mitarbeiter von Opus Dei sind bei der neofaschistischen spanischen Partei VOX stark vertreten. Aus ihrem Umfeld werden seit Jahren Kampagnen gegen sexuelle Liberalisierung und gleichgeschlechtliche Ehen organisiert, sowie gegen Sexualaufklärung in den Schulen. VOX fordert die Rücknahme staatlicher Gleichstellungs-Gesetze und verleugnet patriarchale Gewalt, die euphemistisch “intrafamiliäre Konflikte“ genannt werden (6). Die innerhalb der katholischen Kirche mächtige Personalprälatur Opus Dei betreibt in Pamplona eine Elite-Universität (7). Kaum vorstellbar, dass der neue Bürgermeister der Stadt beim Festival erscheint, er gehört zur rechten Regionalpartei UPN, die verschiedentlich mit VOX koaliert.

ANMERKUNGEN:

(1) CiviVox heißen die Kulturzentren in den verschiedenen Stadtteilen Pamplonas. Dort finden kulturelle Aktivitäten aller Art statt: Kurse, Workshops und Seminare zu Geschichte, Kunst, Musik, Umwelt usw., Theater, Musik, Tanz, Kino, bildende Kunst, kulturelle Exkursionen und Besuche, Wettbewerbe, Ausstellungen, audiovisuelle Projektionen usw. Beim CiviVox Condestable handelt es sich um ein historisches Gebäude aus dem 16. Jahrhundert. Es befindet sich in der Altstadt Pamplonas.

(2) DEKUMAS LBT (DE deporte, KU kultura, M mujeres, AS asociados LBT) (deutsch: Sport, Kultur, Frauen Verein) ist eine Vereinigung von Lesben und Bisexuellen, Transsexuellen und Cisgender-Frauen. (LINK)

(3) Information und Zitate aus “Festival de Cultura Lésbica de Navarra” (Festival lesbischer Kultur in Navarra) Tageszeitung Gara vom 2019-10-16 (LINK)

(4) Teatro Inverso Madrid (LINK)

(5) Goya-Filmpreise sind die spanischen “Oscars“, sie stellen die höchste Auszeichnung im spanischen Filmgeschäft dar. (LINK)

(6) Artikel bei Baskultur.info: “Ultrarechts und ultrakatholisch – VOX und Opus Dei in Navarra“ (LINK)

(7) Opus Dei (WIKIPEDIA)

ABBILDUNGEN:

(1) Les Fen Festival (teatro inverso)

(2) DEKUMAS LBT (dekumaslbt.blogspot)

(3) Les Fen Festival (teatro inverso)

(4) Arantza Echevarria (elespañol)

(5) Les Fen Festival (teatro inverso)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2019-10-20)

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