Laufen für die Sprache
Im Jahr 2013 – wie alle zwei Jahre – war im Baskenland wieder eine KORRIKA fällig. In der baskischen Sprache, dem Euskara, bedeutet KORRIKA laufen, es ist eine kulturpolitische Initiative, die den Gebrauch des Euskara fördern soll. Elf Tage und Nächte lang laufen kleine und große Gruppen von Euskaldunen durch das gesamte Gebiet des historischen Baskenlandes, das sich aus den Provinzen, Regionen und Gebieten Iparralde, Navarra, Araba, Gipuzkoa und Bizkaia zusammensetzt.
Organisiert wird die KORRIKA von AEK, einem Verband von Baskisch-Schulen. Ihr Ziel ist es, zum Gebrauch der Sprache zu animieren und Geld für ihre Weiterentwicklung zu sammeln. Seit der ersten KORRIKA im Jahr 1980 hat sich der Lauf zum wichtigsten medialen Ereignis für das Euskara entwickelt. In 33 Jahren wurden 18 Läufe ausgeführt. Gelaufen werden jeweils mehr als 2.000 km, Tag und Nacht, ohne Pause. Menschen jeden Alters laufen in ihrer Nachbarschaft mit, angeführt von einer ausgewählten Person, die den Staffelstab trägt. In seinem Inneren ist eine Botschaft aufbewahrt, die am Ende veröffentlicht wird. Einzelne Lauf-Kilometer werden gekauft von Organisationen, die sich dem Euskara verpflichtet fühlen, oder an seinem täglichen Gebrauch und seiner Verbreitung interessiert sind.
Neben dem regelmäßigen Unterricht hat AEK (neben einer ganzen Reihe weiterer Euskaltegis, Baskisch-Schulen) das Ziel, die Gesellschaft zu re-euskaldunisieren, dh. die Bevölkerung im täglichen Leben, in Arbeit und Freizeit, zum häufigeren Gebrauch der baskischen Sprache zu animieren. AEK arbeitet zusammen mit der Akademie der Baskischen Sprache (Euskaltzaindia) auch an wissenschaftlicher Forschung, Erarbeitung von Lehrmaterial für Euskara, der Ausbildung von Lehrpersonal und organisiert Kulturprogramme für die genannten Ziele. Die ersten Euskara-Alphabetisierung-Gruppen gab es bereits 1965, als die Sprache – in Zeiten der Franco-Diktatur – noch verboten und ihre Benutzung unter Strafe gestellt war. In heimlichen Lerngruppen unterrichteten insbesondere Frauen, zu Hause und nachts, anderes war nicht möglich. Mittlerweile veröffentlicht AEK regelmäßig eine Zeitung und unterhält mehr als 100 Schulen, darunter Barnetegi-Internate, in denen Schüler/innen aller Altersgruppen Intensivkurse machen können, von einer Woche bis zu einem Jahr.
Die Situation des Euskara in Iparralde (dem französischen Baskenland) und in der Autonomen Region Navarra (beide zum historischen Baskenland gehörend) ist prekär. In Iparralde ist das Euskara keine offizielle Sprache, der französische Staat anerkennt keine der im Land existierenden Sprachen, nicht Korsisch, nicht Bretonisch, nicht Okzitanisch. Unterrichtet wird Baskisch nur in privaten Ikastolas, die von Eltern und Mobilisierungen wie der KORRIKA finanziert werden. Trotz dieser Blockade erfreut sich das Euskara immer größeren Zuspruchs zwischen Bayonne, Biarritz und den Pyrenäen. Die Sprach-Politik in Navarra ist nicht viel besser. Obwohl teilweise ko-offizielle Sprache wird dem Euskara von unwilligen Regierungen nahezu jede Unterstützung verweigert. Die Region ist aufgeteilt in drei Zonen: im vascofonen Norden ist Euskara offiziell, im Zentrum hängt die Förderung von der Willigkeit der Behörden ab, im Süden herrscht Ausgrenzung. Wie in Iparralde unterrichten nur private Ikastolas in baskischer Sprache, ohne öffentliche Förderung. Auch in der Provinz Araba sind es nur ca. 12% der Bevölkerung, die Euskara sprechen. Ihre Hochburg hat die Sprache in Gipuzkoa, wo ihr Anteil auf mehr als 40% steigt, in ländlichen Gebieten auf praktisch 100%.
Finanziert wird die KORRIKA neben Zuschüssen der baskischen Regierung in Vitoria/Gasteiz überwiegend privat. Engagierte Leute erwerben für 12 Euro eine Anstecknadel, allerlei Merchandising geht unter die Leute, Klamotten, Mützen, Hosen. Wohlwollende Geschäfte und Firmen werben mit ihren Logos. Auf der Webseite www.korrika.org wird informiert.
Der 18. KORRIKA-Lauf begann am 14. März in Andoain (Gipuzkoa) und endete am 24. in Baiona-Bayonne auf der anderen Seite der Staatsgrenzen mit einem großen Fest. Er schlug verschiedene bisherige Rekorde, nie zuvor nhmen derart vieleMenschen teil, nie wurden so viele Kilometer gelaufen, die Zahl der verkauften Kilometer war entsprechend groß – alles Zeichen der großen Popularität und Bereitschaft, für die Entwicklung des Euskara aktiv einzutreten. In größeren Orten, durch die die KORRIKA tagsüber kommt, um eine breitere Beteiligung zu ermöglichen, wird von Schulen die KORRIKA TXIKI organisiert, kurz vor dem Einlauf des eigentlichen Laufs. Selbst außerhalb des Baskenlandes gibt es seit langer Zeit kleinere KORRIKA-Läufe, in Buenos Aires zum Beispiel organisiert vom baskischen Kulturzentrum ähnlich wie in Idaho/USA. Nicht zuletzt auch in Deutschland, konkret in Berlin. Vor allem bei ihrer letzten Ausgabe machte die KORRIKA international von sich Reden. Neben Buenos Aires, Idaho und Berlin hat sie auch in Sydney, Brüssel, New York, Santiago de Chile, Leipzig, Madrid, Barcelona, Quebec, Mexiko-City, Valencia, San Francisco, Paris und dem tschechischen Brno Station gemacht – Orte, in denen baskische Migrant/innen leben und Freund/innen der baskischen Sprache.
Neu in der dieser Reihe ist unter anderem die deutsche Stadt Leipzig. Das baskische Institut für baskische Sprache, Instituto Etxepare, hat 2012 an der Universität ein Lektorat für baskische Sprache und Kultur durchgeführt, an dem 40 Personen teilnahmen. Ein Teil ist Sprachunterricht, ein anderer führt in die baskische Kultur, Geschichte und Anthropologie ein, unter fachlicher Anleitung des Professors Unai Lauzirika. In Form eines bunten Laufs vom Uni-Gelände in die Stadt schlossen sich die Studierenden der Leipziger KORRIKA an, so gelangte sie auch auf die Leipziger Buchmesse, wo sie von einem euskaldunen Harry Potter begrüßt und von Messe-Besucher/innen neugierig empfangen wurde. Im Sommer werden an der Universität Leipzig weitere Klassen angeboten, Musik und Kino steht auf dem Programm.
Mit zur Verbreitung der KORRIKA-Idee beigetragen haben Internet und soziale Netze. Die Laufmotivation wird gesteigert durch die Aussicht, nahezu zeitgleich am anderen Ende der Welt gesehen zu werden, sowie durch den Reiz, an unterschiedlichsten Punkten der Welt im selben Moment dasselbe Anliegen auf die Straße zu bringen. Die älteste existierende Sprache Europas hat den globalen Sprung geschafft, nur die Situation zu Hause macht noch Sorgen.