Demontage spanischer Klischees
Joxe Azurmendi (*1941) ist ein baskischer Schriftsteller, Philosoph, Essayist und Dichter. Er hat zahlreiche Artikel und Bücher über Ethik, Politik, Sprachphilosophie, baskische Literatur und Philosophie veröffentlicht. Er war Direktor eines Verlags, der mehr als 40 Bücher veröffentlichte, hat an der Übersetzung philosophischer Werke ins Baskische gearbeitet, war ein Mitgründer der baskischen Sommer-Universität. Und ist Professor für moderne Philosophie und Dozent an der baskischen Universität.
Der Philosoph Joxe Azurmendi Otaegi wurde zwei Jahre nach dem offiziellen Ende des Spanienkrieges am 19. März 1941 in Zegama, Gipuzkoa geboren. Bereits zwei Jahre zuvor war dieser Krieg in seiner Heimat mit einer Niederlage zu Ende gegangen, es folgte eine unerbittliche Repression und das Verbot der baskischen Sprache.
Joxe Azurmendi war Direktor des Verlags Jakin Irakurgaiak, und hat für den Verlag Klasikoak Klassiker ins Baskische mitübersetzt. Im Jahr 2010 wurde er von der Akademie der Baskischen Sprache, Euskaltzaindia, zum Ehren-Akademiker ernannt. Kurzum, der mittlerweile 80-jährige Azurmendi ist nach Meinung vieler einer der produktivsten und geschätztesten Denker des Baskenlandes.
Lehrjahre
Joxe Azurmendi begann seine Studien bei den Mönchen in Zarautz (span Zarauz, Gipuzkoa) und studierte Philosophie bei den Franziskanern in Olite (Navarra). Dort kam er in Kontakt mit der klassischen baskischen Literatur. Er verbrachte 1959 und 1960 in Kloster Arantzazu (bei Oñati, Gipuzkoa), wo er ebenfalls bei den Franziskanern Theologie studierte. Später, im Jahr 1964, lehrte er baskische und lateinische Literatur in Forua (Bizkaia). Im Jahr 1965 ging er aus politischen Gründen ins Exil und reiste durch Frankreich, Deutschland, Finnland, Ungarn und Italien. Er ließ sich in Rom nieder, wo er ein Jahr lang Theologie studierte. Dann setzte er sein Studium in Münster fort.
In den frühen 1960er Jahren schloss er sich der kulturellen Bewegung um die Zeitschrift Jakin (Wissen) an. Er war Redakteur dieser Zeitschrift, als sie vom Franco-Regime zum ersten Mal verboten wurde. Nachdem die Veröffentlichung wieder aufgenommen werden konnte, lieferte er ununterbrochen weitere Beiträge. Anfang der 1970er Jahre, nach wie vor unter dem franquistischen Regime, widmete er sich der Verbreitung grundlegender Literatur in baskischer Sprache zu Themen, die im Baskenland debattiert wurden, wie zum Beispiel Nation, Sozialismus, Internationalismus, usw.
Wichtige Publikationen
In den 1980er Jahren verließ er den Franziskaner-Orden und begann, an der Universität des Baskenlandes zu lehren. Im Jahr 1984 legte er seine Dissertation über den Priester José María Arizmendiarrieta vor, den Gründer der Genossenschafts-Bewegung von Mondragón (2) (3). In der Dissertation argumentiert er, dass Arizmendiarrietas Projekt darauf abzielte, das Individuum und die Gesellschaft in einer Organisation zusammen zu bringen, die den Sozialismus und den französischen Personalismus vereinte.
Im Jahr 1992 veröffentlichte er im Elkar-Verlag “Espainolak eta euskaldunak“ (Die Spanier und die Basken), sein bekanntestes Werk. Er schrieb es als Antwort auf einen alten Text von Claudio Sánchez-Albornoz (1893-1984), spanischer Historiker und Politiker, Minister während der Zweiten Republik und Präsident der Exilregierung zwischen 1962 und 1971. Der Text lautet: "Die Basken sind die letzten, die in Spanien zivilisiert wurden; sie haben tausend Jahre weniger Zivilisation als jedes andere Volk. (...) Sie sind rauhe, einfache Menschen, die sich auch als Kinder Gottes und Erben seiner Herrlichkeit sehen. Und sie sind nichts anderes als unromanisierte Spanier". In seinem Antwort-Werk demontiert Joxe Azurmendi die Klischees bestimmter spanischer Intellektueller über die Basken.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erreichte sein Werk seinen Höhepunkt. Er veröffentlichte die Trilogie bestehend aus “Espainiaren arimaz“ (2006, im Elkar-Verlag), “Humboldt. Hizkuntza eta pentsamendua“ (Humboldt. Sprache und Denken, 2007, Baskische Sommer-Universität) und “Volkgeist. Herri gogoa“ (Volksgeist. Volkes Wille, 2008, Elkar-Verlag). In dieser Trilogie zeigt Joxe Azurmendi die wichtigsten Aspekte seines Denkens. Er lebt derzeit in Köln, in der Bundesrepublik Deutschland.
Joxe Azurmendis Denken
Seine Arbeit entsteht und entwickelt sich in einer Zeit der Krise, sei es kulturell, politisch oder von Werten. Eine Krise, die er als Möglichkeit für neue Wege begreift und nicht als etwas Negatives. Deshalb dreht sich sein ganzes Denken um die Verteidigung der Freiheit in allen Bereichen, vor allem aber um die Gewissens- und die Gedankenfreiheit. Weit davon entfernt, vor dieser Krise fliehen zu wollen, versucht er, mit seiner Arbeit darüber zu reflektieren, wie man in einer solchen Situation leben kann.
Dazu nimmt er eine relativistische Perspektive ein und kämpft, nachdem die Moderne kein festes Fundament mehr hat, gegen die letzten Reste des Dogmatismus, zu dem eine Gesellschaft in der Krise neigt. In diesem Sinne ist er kritisch gegenüber dem modernen Staat, dem er vorwirft, die neue Kirche zu sein, die die Gewissen kontrolliert. Er kritisiert die Instrumentalisierung der Moral, oder anders ausgedrückt, dass Politiker, anstatt Probleme in ihrer eigenen Sphäre zu lösen, in das Reich der Moral flüchten, um ihre Verantwortung unter dem Deckmantel vermeintlich absoluter Prinzipien zu verstecken.
Sein Beitrag zur Hinterfragung der kanonischen Lesarten, die zu verschiedenen Themen konstruiert wurden, ist wichtig. Besonders bemerkenswert, dank seiner deutschen Gelehrsamkeit und Ausbildung, ist seine Interpretation der deutschen Aufklärung. In diesem Zusammenhang löst er den scheinbaren Gegensatz zwischen der französischen Aufklärung und der deutschen Romantik auf und schafft eine neue Perspektive für das Denken über die verschiedenen Aspekte, die sich aus diesem Gegensatz ergeben. So argumentiert er im Gegensatz zu einigen spanischen und französischen Intellektuellen, dass der Nationalismus in Frankreich entstanden ist (Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Ernest Renan) und später von der deutschen Aufklärung und den Romantikern umgedeutet wurde. So hinterfragt er die Art und Weise, wie Autoren wie Goethe, Schiller, Herder und Humboldt ein metaphysischer Nationalismus zugeschrieben wird.
Azurmendi hat einen wichtigen Beitrag zur Infragestellung des Kirchenrechts geleistet, mit der verschiedene gesellschaftliche Themen interpretiert wurden. Aufgrund seiner Ausbildung in Deutschland ist seine Interpretation der deutschen Aufklärung besonders bemerkenswert. In diesem Zusammenhang löst er den scheinbaren Gegensatz zwischen der französischen Aufklärung und der deutschen Romantik auf und schafft eine neue Perspektive für das Denken über die verschiedenen Aspekte, die sich aus diesem Gegensatz ergeben.
Einen wichtigen Teil seiner Arbeit hat Azurmendi der Wiedergewinnung und Neuinterpretation baskischer Denker gewidmet und sie von verschiedenen Klischees befreit. Bemerkenswert sind seine Forschungen über Jon Mirande, Orixe, Unamuno und andere. Azurmendi scheute sich nicht vor aktuell-politischen Themen, mit Beiträgen wie “Bakea Gudan“ (Frieden im Krieg, 2012, Txalaparta-Verlag) oder “Bakarmena, kondena, tortura“ (Entschuldigung, Verurteilung, Folter. 2012, Elkar-Verlag).
Er ist ein Autor, der aus und für die baskische Kultur schöpft. Er sieht sich von baskischen Autoren der Nachkriegszeit beeinflusst, zum Beispiel in Fragen der Sprache. In diesem Bereich hat er auch zu Autoren wie Heidegger, Wittgenstein, George Steiner und Humboldt geforscht. Aus all diesen Gründen ist die Tatsache, dass er sein umfangreiches Werk in baskischer Sprache verfasst hat, völlig im Einklang mit seinem Denken.
ANMERKUNGEN:
(1) Joxe Azurmendi Otaegi, Wikipedia (LINK)
(2) José María Arizmendiarrieta, Wikipedia (LINK)
(3) Mondragon Corporación Cooperativa, Wikipedia (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Azurmendi (upv)
(2) Azurmendi (jakin)
(3) Azurmendi (elkar)
(4) Azurmendi (elkar)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-07-21)