Das Gebiet von Trapagaran und Arboleda
Vom Wert des Eisenerzes, das in den Bergen am südlichen Nervion-Ufer zu finden war, wussten bereits die Römer. Doch erst technologische Entwicklungen wie die Bessemer-Birne und die Siemens-Technik zur effektiveren Stahlproduktion ermöglichten die massive Ausbeutung dieses natürlichen Reichtums. Die Nähe zu Fluss und Meer ließ außerdem die Transportkosten extrem günstig werden. So wurde diese Grenzgegend zu Kantabrien zum Zentrum des Bergbaus, die Landschaft wurde dort komplett umgegraben.
(2015-09-16) Diese Entwicklung spielte sich schwerpunktmäßig in den Bergen um Triano, Gallarta und La Arboleda ab, unten am Fluss siedelte sich verarbeitende Industrie an. Arbeitskräfte aus armen Gegenden des spanischen Staates wanderten ein und bildeten die Anfänge der baskischen Arbeiterklasse. Zierbena (Ciérvana), Muskiz (Musques), Abanto-Zierbena (Abanto y Ciérvana), Ortuella, Trapagaran (Trápaga) und Zugaztieta (La Arboleda) begannen unaufhörlich zu wachsen und wurden von 1880 an bekannt als die Orte der Gründung erster sozialistischer Parteien, und als Ausgangspunkt für die großen Generalstreiks der sich formierenden Arbeiterbewegung.
Trapagaran (Trápaga)
Die Gemeinde Trapagaran mit 12.000 Bewohner/innen teilt sich in einen unteren Teil am Fluss und einen oberen in den Bergen von Triano mit den Bergen Mendibil (565 m), Bitarratxo (519 m), Tejera (408 m) und La Reineta (428 m). Der untere Teil von Trapagaran ist bis heute von Industrie geprägt, auch wenn in den vergangenen 30 Jahren viele Betriebe geschlossen wurden. Daneben gibt es Möbel- und chemische Industrie. Zwischen 1860 und 1920 verzehnfachte sich die Bevölkerung von Trapagaran auf 7.000 Personen, 1990 erreichte sie nach einem erneuten Industrialisierungs-Schub ihren Höhepunkt von 13.500.
In den Bergen liegen die Ortsteile Zugaztieta (La Arboleda) und Larrañeta (La Reineta). La Arboleda (der baskische Name des Ortsteils ist nahezu unbekannt) ist aufgrund seiner Geschichte zum Inbegriff der industriellen Entwicklung in Bizkaia geworden. Dort waren die großen Bergwerke des Industriekartells La Orconera, an dem u.a. die deutsche Krupp beteiligt war. In Arboleda lebten Arbeiterfamilien unter widrigsten Bedingungen, praktisch als Sklaven der Minenbetreiber, abseits des normalen Lebens im Tal. In langen Schichten von 12 und 14 Stunden mussten sie das Erz aus dem Berg holen, sie lebten in Elendshütten und wurden von den Kapitalisten gezwungen, in werkseigenen Läden (cantinas) teuer einzukaufen. Die Zahl der Verletzungen und tödlichen Unfälle war erheblich, insofern ist es kein Wunder, dass dort die ersten großen Generalstreiks begannen. Der erste im Jahr 1890, als Arbeiter entlassen werden sollten, die sich in der Sozialistischen Partei organisiert hatten. Spontan gingen alle Arbeiter/innen der Minen in den Streik, wenig später griff der Ausstand auf die im Tal liegende Industrie über und weitete sich aus bis Bilbo. Trotz des Einsatzes von Militär zur Sicherung der Arbeitsstätten war der Generalstreik von Erfolg gekrönt (siehe verschiedene Artikel zur Entstehung der Arbeiter/innen-Bewegung bei Baskultur.info).
Als der Erz-Ertrag der Bergwerke erschöpft war, wanderten viele Bewohner/innen ab, langsam wurde Arboleda zum Naherholungsziel. Bis heute steht im Ortskern ein Teil der alten Arbeiterhäuser, am Dorfplatz ist am Balkon des Restaurants La Lonja ein altes Metallschild zu sehen, das davon zeugt, dass hier der erste Sitz der Sozialistischen Partei und Gewerkschaft war. Verrostet sind der Name „Casa del Pueblo“ (Volkshaus) und die Jahreszahl „1889“ zulesen. In der vom Erzabbau zerklüfteten, surrealistisch anmutenden Landschaft liegt nun ein kleiner See, daneben wurde auf Privatinitiative von mehr als 30 Künstler/innen ein Skulpturenpark eingerichtet. Ein Stück weiter an einem zweiten See wurde ein Golfplatz eröffnet.
Gastronomisch bekannt ist La Arboleda durch traditionelle Alubiada-Bohnengerichte. Am Wochenende ist der Andrang in den Restaurants so groß, dass vorbestellt werden muss. Der etwa 20 km vom Stadtzentrum Bilbaos entfernte und mit öffentlichem Transport gut zu erreichende Ort ist beliebtes Ausflugziel. Am Wochenende verkaufen fliegende Händler baskische Naturprodukte aller Art.
Die Gegend um den Ort bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten zum Wandern und Radfahren. Etwas mehr als ein Kilometer oberhalb des Ortes liegt das Naturkunde-Museum (Centro de Interpretación Ambiental Peñas Negras), das die Geschichte des Bergbaus erklärt, es ist Ausgangspunkt für verschiedene ausgeschilderte Wanderrouten ohne Schwierigkeitsgrad, unter anderem zur bekannten Magdalena-Höhle.
Verbunden sind die beiden Ortsteile von Trapagaran mit einer Serpentinenstraße, die sich den Berg hinaufschlängelt und stellenweise hervorragende Blicke auf das gesamte Hafen- und Küstengebiet von Groß-Bilbao liefert. Seit 1926 gibt es zur Überwindung des Höhenunterschieds auch eine Funicular genannte Bahn, die auf Schienen fährt und mit einem Stahlseil gezogen wird. Sie hat eine besondere Form, denn die Kabine hängt nicht schräg am Berg, vielmehr ist der bergabgewandte Teil mit Stelzen derart erhöht, dass die Kabine waagerecht fährt. Eingerichtet wurde dieses Transportmittel zu Beförderung von Arbeitern, Waren und Material. Die Fahrt in der regelmäßig verkehrenden Funicular ist ein Erlebnis, sie startet in Trapagaran und endet oben in Larrañeta, dabei legt sie 1.200 Meter Strecke zurück bei Anstiegen von teilweise 35%. Neben der Endstation erinnert ein faschistisches Adlersymbol daran, dass die Geschichte auch hier noch nicht aufgearbeitet ist, denn per Gesetz sind solche Symbole verboten und müssen aus dem öffentlichen Blickfeld entfernt werden. Im Spanischen Krieg wurde Trapagaran am 22. Juni 1937 drei Tage nach dem Fall Bilbaos ebenfalls von Francos Truppen besetzt.
Zierbena (Ciérvana)
Dieser kleine Ort liegt an der Mündung des Nervión-Flusses, neben dem kleinen alten Hafen wurde der riesige neue Industriehafen Bilbaos gebaut, die ausschweifenden Anlagen ziehen sich von Zierbena bis Santurtzi. Künftig sollen dort (neben Getxo) zusätzliche Kreuzfahrt-Anleger entstehen. Die traditionellen Restaurants am alten Hafen stehen in scharfem Gegensatz zu den hochmodernen Hafenanlagen, sie sind berühmt für ihre Fischgerichte. Zierbena verfügt über ein Netz von 25 km Wanderwegen (GR-123, PR-BI-220 und Santiago-Weg) und ist Ausgangs- oder Endpunkt der Serantes-Wanderung (Santurtzi).
Muskiz (Musques)
Muskiz ist vor Cobaron der vorletzte Ort Bizkaias vor der Grenze zu Kantabrien. Wer über die A-8 von Bilbao nach Santander fährt, überquert den Ort auf einer ausladenden Brücke und wird feststellen, dass seine Gegensätze kaum extremer sein können. Auf der einen Seite ein schöner Strand mit der Mündung des Barbadun-Flusses in Form eines Feuchtgebiets – auf der anderen eine riesige Ölraffinerie, die den Küstenstreifen völlig dominiert und drei Mal größer ist als der Ort selbst. Wie nicht anders zu erwarten ist diese Raffinerie der Ursprung starker Luftverschmutzung, regelmäßig kommt es zu unerlaubten Emissionen. Das Argument der Arbeitsplätze und die enge politische Verbindung zur regierenden PNV-Partei machen jedoch eine Diskussion um den Standort unmöglich.
1859, nach der Desamortisation (Privatisierung) kommunalen Geländes, entstand in Muskiz im Zeichen der industriellen Revolution die erste Erzmine, in den folgenden 19 Jahren folgten vier weitere. Gleichzeitig wurden Eisenbahnen gebaut, Waschanlagen für Mineralien und Seilbahnen zum Transport von gefördertem Material. Folge war, wie in vielen Orten von Groß-Bilbao, eine starke und unkontrollierte Einwanderung, die zu hygienischen Missständen, Elend und Aufruhr führte.
Als Sehenswürdigkeit ist die Festung Muñatones (Castillo) zu erwähnen, ein bis heute gut erhaltener Wehrturm aus dem Jahr 1260, der im 15. Jh. neu gebaut wurde. Nur wenige Kilometer von Muskiz entfernt liegt die Eisenschmiede von Pobeña (ferreria), eine mit Wassermühle ausgestattete Werkstatt zur Eisenverarbeitung, die heute als Museum funktioniert und in der regelmäßig Vorführungen angeboten werden.
In Muskiz startet ein Wanderweg in einiger Höhe über der Küste, der bis weit nach Kantabrien führt und Blicke gewährt in die alten Verladetechniken, mit denen das in den Bergen geförderte Eisenerz auf die Schiffe gebracht wurde. Die Landschaft ist voll von Ladekränen, Ruinen und alten Verhüttungs-Öfen. Dieser Weg führt über Onton (Kantabrien) und Mioño bis Castro Urdiales, er kann auch mit dem Rad zurückgelegt werden.
Abanto-Zierbena (Abanto y Ciérvana)
Wie Trapagaran zieht sich die Gemeinde Abanto-Zierbena über viele Ortsteile vom Tal bis in die Berge, seine Geschichte war ebenfalls vom Bergbau bestimmt. Von den knapp 10.000 Einwohner/innen entfällt die Hälfte auf den oben gelegenen Hauptort Gallarta, der eine ganz besondere Geschichte hat. Die Bodovalle-Mine hatte den Ort im 19. Jh. entstehen und wachsen lassen. Bis in den 50er Jahren entdeckt wurde, dass sich die reichhaltigen Eisenerz-Vorkommen auch unter dem Ort fortsetzten. Die franquistische Diktatur saß fest im Sattel, die politisch Verantwortlichen entschieden, den Ort abzureißen und nebenan wieder aufzubauen. 1958 wurde damit begonnen, Kirche, Fronton, Rathaus und die Häuser von ca. 5.000 Bewohner/innen abzureißen, an ihrer Stelle wuchs ein riesiger kreisförmiger Krater in die Tiefe hinab: Concha II (auch Bodovalle genannt), die größte Tagebau-Mine des Baskenlandes. Von ihrem tiefsten Punkt aus wurden unterirdische Stollen getrieben, die bis weit nach Kantabrien reichen. Vom Rand der riesigen Grube aus ist der tiefste Punkt nicht zu sehen, so steil geht es bergab. „Der Abriss von Gallarta bedeutete Fortschritt für einige wenige Kapitalisten, für die große Mehrheit jedoch den Verlust ihrer Wohnungen, Gärten und ihrer Lebensform“, urteilt der Historiker Santamaría, der die Geschichte Gallartas dokumentierte. Ganze vier Häuser des alten Ortes sind bis heute erhalten, Concha II war die letzte Mine des Gebiets, die 1993 geschlossen wurde.
Heute (2015) entsteht am Kraterrand von Concha II das neue Bergbau-Museum (Museo de la Mineria), allein ein Balkon dieses Komplexes bietet den Blick auf den Minengrund. Im Jahr 2011 wurde diese Mine zum Kulturdenkmal erklärt, auf diese Weise wird das Andenken an den abgerissenen Ort erhalten bleiben, gleichzeitig behält Gallarta ein Stück touristischer Attraktion. Die Lage des neuen Museums ist zwar spektakulär, dennoch wird es ein Verlust sein, wenn der Umzug aus dem alten, nur 50 Meter entfernt liegenden Museum eines Tages von Statten geht. Denn im Gegensatz zur großen Mehrheit heutiger Museen entstand das alte Bergbau-Museum als Privatinitiative eines Kulturvereins, bis heute wird es von ehemaligen Minenarbeitern betreut. Das kleine Gebäude und seine Gartenumgebung sind voller historischer Gerätschaften aus dem Bergbau, alles eng gestapelt und sympathisch chaotisch geordnet. Aber mit Verfallszeit ausgestattet.
Dolores Ibarruri
In diesem Gallarta wurde im Übrigen die bekannte Kommunistin Dolores Ibarruri geboren, die den Spitznamen „La Pasionaria“ trägt, die Passionsblume. Die 1895 als achtes von 11 Kindern geborene wurde zu einer führenden spanischen Revolutionärin und Politikerin der Arbeiterbewegung, sie war Abgeordnete der Kommunistischen Partei im spanischen Parlament und Protagonistin im Spanischen Krieg von 1936 bis 1939. Dolores Ibarruri wird der Ausruf „No pasarán!“ (Sie werden nicht durchkommen) zugeschrieben. Vier ihrer sechs Kinder starben wegen schlechter Lebensbedingungen und extremer Armut. Nach dem Krieg musste sie ins sowjetische Exil. Ihr einziger Sohn fiel im 2.Weltkrieg als Rotarmist bei Stalingrad. Nach Francos Tod kehrte La Pasionaria zurück und wurde für Asturien erneut ins spanische Parlament gewählt. 1989 starb sie im Alter von 93 Jahren.
Vor dem Hintergrund der Industriegeschichte stellen die zerklüfteten Berge zwischen La Arboleda und Gallarta ein einzigartiges Kulturdenkmal dar, das den Charakter Bizkaias beschreibt.
Ortuella
Auch Ortuella trägt bis heute den Charakter eines Industrieortes und hat seinen festen Platz in der Geschichte der baskischen Arbeiter-Bewegung. Im 19. Jh. öffneten Konzerne wie Orconera, Luchana Mining, Franco-Belga ihre Bergwerke zum Abbau von Eisenerz, gleichzeitig wurde eine Eisenbahnlinie eingerichtet (Ferrocarril de Triano). Zu sehen sind bis heute die beiden Bahnhöfe der Linie. Aufsehen erregte Ortuella im Oktober 1980, als ausströmendes Gas in einer Schule zu einer Explosion führte und 48 Kinder in den Tod riss.
ABBILDUNGEN:
(1) Bergbau-Landschaft bei Gallarta (Foto-Archiv-Txeng)
(2) Alte Maschinen beim Naturkunde-Museum Peñas Negras (Foto-Archiv-Txeng)
(3) Wandbild der Funicular-Bahn von La Reineta (Foto-Archiv-Txeng)
(4) Bergbau-Ruine (Foto-Archiv-Txeng)
(5) Naturkunde-Museum Peñas Negras (Foto-Archiv-Txeng)
(6) Bergbau-Museum Gallarta (Foto-Archiv-Txeng)
(7) Bergbau-Ruine (Foto-Archiv-Txeng)
(PUBLIKATION BASKULTUR-INFO 2015-09-16)
Begleitete Exkursion:
Innerhalb seiner kulturellen Aktivitäten bietet der Kulturverein Baskale begleitete Exkursionen an, unter anderem nach Arboleda in Bizkaia. Technische Daten: Ausgangspunkt ist Bilbao, maximal sieben Teilnehmerinnen, genaues Tagesprogramm gemäß konkreter Absprache. Die Optionen für den Tagesausflug ergeben sich aus den im obigen Artikel beschriebenen Orten und Aktivitäten. Der Ausflug bietet mehrere interessante Besuchs-Optionen, die in einer Fahrt nicht alle durchführbar sind. Je nach Interessenlage wird eine Auswahl vorgenommen.
Geschätzte Dauer der einzelnen Aktivitäten: Anfahrt 2 x 40min, Funicular-Fahrt 30min, Skulpturenpark 120min, Stadtrundgang La Arboleda 60min, Naturkunde-Museum Arboleda 60min, Höhlenbesuch 180min, Bergbau-Museum Gallarta 120min, Wanderung Aussichtspunkt San Pedro 120min.
Ausgehend von einer Dauer von 10 Stunden (Abfahrt 9h, Rückkehr 19h) betragen die Kosten für den Ausflug 325€ (300€ Begleitung + 25€ Fahrtkosten). Dazu kommen ggf. Eintritte für das Bergbau-Museum Gallarta (2€ pP), die Funicular-Bahn (1€ pP), sowie ein eventuelles Mittagessen (ca. 15€ pP). Kontakt: baskale.elkarte (at) gmail.com oder baskultur.info (at) gmail.com.