Bergkloster mit Kunstpolemik
Im Süden der baskischen Region Gipuzkoa, südlich der Städte Arrasate/Mondragon, Oñati, Legazpi und Beasain liegt der Naturpark Aizkorri-Aratz. In seinem Zentrum befindet sich das Kloster-Heiligtum Arantzazu (Santuario), historisch von großer Bedeutung, landschaftlich von magischem Anblick. Die Zufahrt beginnt in Oñati und führt auf 750m Höhe zum Heiligtum Arantzazu. Das Kirchenzentrum ist Ausgangspunkt für Wanderungen ins Aizkorri-Berg-Massiv und für den Ausflug zur Arrikrutz-Höhle.
Die Klosteranlage des Franziskaner-Ordens liegt 10km von der Kleinstadt Oñati entfernt, umgeben von Bergen, Schluchten und Gebirgsbächen. Eine kurvenreiche Straße führt an vereinzelten Bauernhöfen und Pilgerunterkünften vorbei durch eine beeindruckend zerklüftete Landschaft, bis sie in einen großen offenen Platz mündet, der als Parkplatz dient, zwischen den Mauern des Priesterseminars und einer steil abfallenden Schlucht.
Der Name Arantzazu leitet sich aus den baskischen Worten "arantza" = Weißdorn und dem Suffix "zu" = Fülle her und bedeutet somit Üppigkeit an Weißdorn. Das Wort bezieht sich auf die vielen Sträucher dieser Art, die den Ort umgeben. Einer Legende zufolge soll hier im Jahr 1469 eine Heilige erschienen sein. In jener Zeit wurde das Baskenland heimgesucht von einem jahrzehntelangen Krieg zweier Clans, der das Land verwüstete. Dazu kam eine Dürre. Die Erscheinung führte zur Gründung einer Bruderschaft und noch vor dem Jahr 1500 zum ersten primitiven Kloster neben der Heiligengrotte. Auch eine Herberge für Pilger wurde gegründet. Im Jahr der Fertigstellung des Komplexes, 1553, brannte er auch schon nieder, mitsamt dem mittlerweile vorhandenen Archiv. Nur die Kirche überlebte. 1567 war alles wieder aufgebaut. Auf den zweiten zerstörenden Brand im Jahr 1622 folgte ein erneuter Wiederaufbau, größer und in besserer Lage, balkonförmig über der angrenzenden Schlucht. Das 19.Jh war ebenfalls kein erfolgreiches Jahr für das Kloster. 1809 wurden während der französischen Besatzung (Unabhängigkeits-Krieg) von König Josef Bonaparte (Bruder Napoleons) alle religiösen Orden verboten und deren Güter beschlagnahmt. Betroffen in Arantzazu waren die Franziskaner. Der Brand von 1822 war hingegen provoziert von einem Armee-Hauptmann, Konsequenz waren kleinere Schäden, aber auch die Flucht der wieder installierten Franziskaner für ein Jahr. Erneut zerstört wurde das Kloster im ersten Karlistenkrieg (1833-1840), die Franziskaner wurden gefangen genommen. Zwischen 1844 und 1846 wurde die Anlage restauriert, 1881 wurde die Straße von Oñati zum Kloster fertig gestellt. 1918 wurde die heilige Arantzazu zur Schutzheiligen der Region Gipuzkoa ernannt.
Die in den 1950er Jahren neugebaute Basilika ist künstlerisch von großer Bedeutung. Sowohl ihre moderne Architektur, als auch die künstlerisch-bildhauerische Ausgestaltung sind Ausdruck zeitgenössischer baskischer Kunst. Namhafte Künstler von internationalem Ruf waren an ihrer Gestaltung beteiligt. Die Basilika ist Werk der Architekten Sainz de Oiza und Luis Laorga. Die Gestaltung ihrer Fassade übernahm Jorge Oteiza (1908-2003), die der Türen Eduardo Chillida (1924-2002), an der Bemalung der Krypta war Nestor Basterretxea (1924-2014) beteiligt. Arantzazu ist somit das einzige Großwerk, das die drei weltweit bekanntesten baskischen Bildhauer des letzten Jahrhunderts vereinigt. Das moderne Design des neuen Arantzazu führte jedoch zu einem 15-jährigen Baustopp, da dem Vatikan die Gestaltung zu avantgardistisch war, vielleicht auch zu progressiv. Halbfertige Figuren lagen jahrelang im Straßengraben, bevor das II.Vatikanische Konzil von 1962 den Weg zur Vollendung frei machte.
Die Fassade der Basilika wird von stacheligen Zwillingstürmen eingerahmt (siehe Fotoserie). Die vom baskischen Bildhauer Jorge Oteiza gestaltete Fassade beginnt unterhalb des Straßenniveaus. Zu ihrem großen eisernen Portal gelangt man über eine breite absteigende Treppe, der Fries mit den 14 Aposteln liegt also auf Straßenhöhe. Die Türme bestehen aus großen, spitz geschliffenen Kalksteinquadern, die wiederum auf die oben beschriebenen Dornensträucher verweisen. Die benutzten Baumaterialien passen sich der felsigen Schönheit des Höhenzugs Aizkorri an und spiegeln die Nüchternheit wider, die das baskische Volk charakterisiert. Unter dem heutigen Bau befindet sich die ehemalige Basilika, die zur Krypta des Neubaus wurde. Ihr gesamter Raum ist mit großflächigen modernen Wandgemälden bemalt, das Werk von Nestor Basterretxea.
Zum Gesamtkomplex gehören weitere Gebäude, die teilweise der Unterbringung und Versorgung von Besucherinnen dienen. Auch das Friedens-Forschungsinstitut Baketik (von "bakea" = Friede und "etik" = Ethik abgeleitet) hat seinen Sitz in Arantzazu. Es wurde im Jahr 2006 von den Franziskanern ins Leben gerufen und beschäftigt sich sowohl mit Ansätzen persönlicher Weiterentwicklung als auch mit Strategien der Konfliktlösung auf gesellschaftlicher Ebene. In früheren Zeiten, bereits 1968, fand in Arantzazu ein für die Vereinheitlichung der baskischen Sprache bahnbrechender Kongress statt.
Wanderung zu den Urbia-Wiesen
Von Arantzazu aus gibt es mehrere Wanderwege, wobei der Aufstieg zum Berg Aizkorri (1.528m) besonders beliebt ist. Für Wandergewohnte ist es keine besonders anstrengende Wanderung. Sie führt zuerst in die Urbia-Wiesen, ein weitläufiges Karst-Gebiet auf über 1100m Höhe. Geschützt durch den Aizkorri Höhenzug sind sie seit jeher ein beliebtes Weideland: Pferche, Hirtenunterkünfte und Abzäunungen bestimmen die Landschaft, von Mai bis Oktober grasen hier Pferde-und Schafherden, behütet von Hirten und Schäferhunden. Erst wenn sich Schnee und Kälte Bahn brechen, kommt es zur Transhumanz, zum Berg-Abtrieb, dann werden die Herden auf die Winterweiden ins Tal gebracht.
Unsere Wanderung beginnt in Arantzazu und führt nach ca. 20 Minuten an einem Steinbrunnen vorbei. Beim Verlassen des Waldes wird der Weg etwas schwieriger. Nach 80 Minuten begegnet uns der Bergpass Elorra, hier fällt der Weg zu den Urbia-Wiesen hin ab. Kurze Zeit später treffen wir auf eine Kapelle und eine Schutzhütte mit Gaststätten-Betrieb. Hier bietet sich eine kleine Pause in dem vor allem am Wochenende geschäftigen Lokal an. Je nach Zeit und Energie kann von hier aus einer der beiden naheliegenden Berge bestiegen werden, der Enaitz mit 1300m Höhe oder der Zabalaitz mit 1264m. Beide Gipfel belohnen die Anstrengung mit einer beeindruckenden Sicht. Ein Stück höher, nach insgesamt dreistündiger Wanderung liegt der Aizkorri-Gipfel, der mit einer kleinen Kapelle das Massiv krönt und bei guter Sicht bis in die gipuzkoanischen Talstädte blicken lässt.
Höhle Arrikrutz
Von Arantzazu auf halbem Weg zurück nach Oñati liegt hinter einer Abzweigung die Höhle Arrikrutz. Sie nimmt in den Bereichen Höhlenforschung, Archäologie und Paläontologie im Baskenland einen besonderen Platz ein. Erste Ausgrabungen ergaben verschiedene altsteinzeitliche Funde: das vollständige Skelett eines Höhlenlöwen, der erste Fund dieser Art im ganzen spanischen Staat; Schädel und andere Skelett-Teile von Panthern; sowie eine Menge weiterer Knochenreste. Um die Höhle und ihren unterirdischen Wasserlauf ranken sich Legenden, die besagen, dass vor Hunderten von Jahren die Bewohnerinnen der umliegenden Regionen sich von einem Besuch in der Höhle Regen für ihre Felder versprachen. Außerdem badeten sich unfruchtbare Frauen im unterirdischen Wasser und hofften damit auf Erfüllung ihres Kinderwunsches. Während des 60-minütigen Rundgangs durch die Höhle werden auf anschauliche Weise folgende Themen vermittelt: Wasser und Hydrologie als Bildhauer der Höhle; die Höhle Arrikrutz als ein Fragment des 14km langen Kalksteinsystems Gesaltza-Arrikrutz; die geologische Entstehung der Höhle und der Wert ihrer Fundstücke; ein unterirdischer Fluss und eine Galerie bedeutender Stalaktiten; die Herkunft von Mineralvorkommen; archäologische und altsteinzeitliche Funde; die Mythologie rund um die Höhle; die Bedeutung von Arrikrutz in der Geschichte der Höhlenforschung. Für den Besuch ist eine Reservierung notwendig, die Besuchsgruppen sind beschränkt. Unabdingbar sind warme Kleidung und festes Schuhwerk wegen der Gitterstege.
Oñati
Die mittelalterliche Stadt, 1467 gegründet, liegt umgeben von Bergen im Südwesten der Provinz Gipuzkoa, sie hat um die 11.000 Einwohnerinnen und eine gut erhaltene Altstadt. Die Stadt lebte von Land- und Viehwirtschaft, und besaß ausreichend Wald für die Herstellung von Holzkohle. Das produzierte Eisen wurde zu Waffen und Pfannen verarbeitet, vor allem aber zu Nägeln. Im Stadtwappen sind dementsprechend Waffen dargestellt. Eine Besonderheit war die Universität, 350 Jahre lang die wichtigste im Baskenland. 1901 wurde sie geschlossen. Das Universitätsgebäude ist das bedeutendste Renaissance-Bauwerk des Baskenlandes. Es beherbergt seit 1988 das International Institute for the Sociology of Law. Beim Besuch in Oñati sind Dolmen, Menhire, frühzeitliche Steinwege, Wasserbrunnen, öffentliche Waschplätze, Mühlen, Kalköfen, Kirchen und Kapellen zu bewundern, zweifellos einer der sehenswertesten Orte des Baskenlandes.
Lope de Aguirre
Bekanntester Zögling von Oñati ist ein Abenteurer und Kolonisator des 16.Jhs: Lope de Aguirre, dem der deutsche Regisseur Werner Herzog 1974 mit der Person des deutschen Schauspielers Klaus Kinski ein filmisches Denkmal setzte. Idee und Handlung des Films "Aguirre, der Zorn Gottes" basieren vage auf der Lebensgeschichte des baskischen Abenteurers und einer tatsächlichen Amazonasexpedition, die im Jahr 1560 von Peru aus aufbrach, um das sagenhafte Goldland El Dorado zu finden. Der Film bemüht sich nicht viel um reales historisches Geschehen, sondern erzählt eine fiktive Geschichte, die durch diverse historische Anspielungen unterfüttert werden. Teile davon sind historisch gesehen ausdrücklich falsch, z.B. waren der Mexiko-Eroberer Franzisco Pizarro und der Azteken-Herrscher Atahualpa keine Zeitgenossen Aguirres. In jedem Fall war Lope ein widerständischer Soldat, der sich gegen das spanische Königshaus auflehnte, als er sich um seinen Beutepreis bei der Kolonisierung und Ausbeutung der amerikanischen Urvölker geprellt sah. Werner Herzog zeigt Aguirre wirkungsvoll als schillernde und teils entrückte Gestalt. Denn bei vielen der über ihn überlieferten Episoden ist nicht bekannt, ob sie der Wahrheit entsprechen oder nicht. Dabei ist der Abenteurer Lope nur ein kleines Detail der mit Bergen, Tälern und Wäldern, mit Grün und Steingrau beeindruckenden Gegend um Oñati, Arantzazu, Aizkorri und Arrikrutz.
Fotoserie: Arantzazu Arrikruz Oñati
Fotos: Txeng (www.flickr.com/photos/txeng)
Begleitete Exkursion: Innerhalb seiner kulturellen Aktivitäten bietet der Kulturverein Baskale begleitete Exkursionen an, unter anderem zum Kloster Arantzazu in Gipuzkoa. Technische Daten: Ausgangspunkt ist Bilbao, maximal sieben Teilnehmerinnen, genaues Tagesprogramm gemäß konkreter Absprache. Die einzelnen Aktivitäten haben folgende geschätzte Dauer: Anfahrt 2 x 60min, Klosterbesichtigung 60min, Bergwanderung 240min, Arrikruz-Höhle 90min, Rundgang im Ort Oñati 90min.
Ausgehend von einer Dauer von 10 Stunden (Abfahrt 9h, Rückkehr 19h) betragen die Kosten für den Ausflug 341€ (300€ Begleitung + 41€ Fahrtkosten). Dazu kommt der Eintritt in die Arrikrutz-Höhle (9€ pP) und ein eventuelles Mittagessen (ca. 12€ pP). Kontakt: baskale.elkarte (at) gmail.com oder baskultur.info (at) gmail.com.