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Thomas Struth / Bilboargazki Fotofestival

Thomas Struth gilt weltweit als einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Fotografie. Eine Werkschau mit 130 seiner Arbeiten ist seit Anfang Oktober in Bilbao zu sehen. Die Auseinandersetzung mit seinen Bildern ist so interessant wie lehrreich. Bezeichnend für Struths künstlerische Praxis ist die Arbeit an aufeinander folgenden Werkgruppen, die sich mit Themen wie Straßenzügen, Menschen, Museen und Natur beschäftigen. Thomas Struth fotografiert meist mit einer Großformatkamera und in Farbe.

Vom 2. Oktober 2019 bis 19. Januar 2020 ist im Guggenheim-Museum Bilbao das fotografische Werk des Deutschen Thomas Struth zu sehen. Die Ausstellung besteht aus 130, teilweise großen Abbildungen. / Bilboargazki: Die Ausstellungen, Workshops und Konferenzen des Internationalen Foto-Festivals Bilbao verteilen sich an verschiedenen Orten Bilbaos über den ganzen Oktober.

Bereits als Schüler entdeckte Thomas Struth (*1954 in Geldern, Nordrhein-Westfalen) seine Neigung zur Kunst. Impressionisten, die Neue Sachlichkeit, Cezanne, Picasso bildeten seinen ersten Zugang. Er ging an die Kunstakademie Düsseldorf, wo er unter anderem Gerhard Richter und Peter Kleemann als Lehrer erlebte. Doch nach nur zwei Jahren kam er zu dem Schluss, dass in der Malerei "die meisten Dinge gesagt waren" und wandte sich 1976 der Fotografie zu. Er sah dort "mehr und vor allem zeitgemäßere Möglichkeiten", wie er in einem Interview sagte. (1)

foto2Struth studierte bei Bernd und Hilla Becher, die Mitte der 1970er Jahre die Düsseldorfer Photoschule gegründet hatten. Struth wurde Teil einer Arbeitsgruppe, die "Struffskys" genannt wurde: Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky. Die Becher-Schüler lernten, in "Typologien" zu denken und in einer Mischung aus Leidenschaft und Ordnung. “Ihre Lehrer hatten sich der historischen Industrie-Architektur verschrieben, große Tiefenschärfe und eine zentrale Perspektive, frontal oder von oben aufgenommen, zeichnet ihre Bilder aus. Die Liebe zur Architektur und zu zentralen Perspektiven prägen auch viele Aufnahmen Struths, vor allem in seinen Anfangszeiten“.

New-York-Stipendium

1978 erhielt Struth von der Kunstakademie Düsseldorf ein Stipendium, das ihn nach New York führte und das er im Stadtteil Queens mit seiner ersten Einzelausstellung abschloss. Während dieses Stipendien-Aufenthalts entdeckte Struth für sich die Verbindung von konzeptioneller Ordnung und realem Chaos. In der Fotoreihe "Streets of New York" entstand im Jahr 1978 auch die eingangs dokumentierte Aufnahme der Crosby Street in Soho: menschenleer und voller Straßendreck. “Der zentrale und dadurch objektive Standpunkt, die Abwesenheit von Menschen sowie die Schwarzweiß-Fotografie erinnern an städtische Architektur-Motive des französischen Dokumentar-Fotografen Eugène Atget (1857–1927).“ (1)

Mitte der 1980er Jahre begann Thomas Struth mit einer Reihe von Portrait-Fotografien. 1991 entstand in Tokio ein Bild, das die Distanz des Fotografen zu den beiden Portraitierten in einem Arbeitszimmer deutlich werden ließ (siehe Foto Nr. 2). Vom Kritiker Richard Sennett wurde es folgendermaßen kommentiert: "Wir empfinden bei diesen Bildern, wie wir Fremde in einer Menge wahrnehmen; wir spüren ihre Gegenwart, ohne dass es erforderlich ist, Grenzen zu überschreiten, indem wir Intimität oder Offenbarung fordern. Die Menschen bewahren ihre Eigenständigkeit, obwohl sie sich uns direkt präsentieren."

foto3Internationale Anerkennung

Mit seinem Zyklus "Museum Photographs", den er in den Jahren zwischen 1989 und 1992 aufnahm, gelang Thomas Struth der internationale Durchbruch. Dabei handelte es sich anfangs um 17 farbige Großformate, bis der Zyklus 2007 seinen “selbstreflektiven Zenit“ erreichte, als Struth Museumsbesucher im Madrider Prado-Museum fotografierte (siehe Foto Nr. 3). Die Fotografien wurden zu einer Ausstellung im selbigen Prado und Struth wurde mit ihr zum ersten noch lebenden Künstler, der je im Prado hing. Struths großformatige Fotografien der Museumsbesucher*innen werden auf dem Kunstmarkt inzwischen mit Spitzenpreisen bis zu 300.000 Euro gehandelt.

130 Werke im Guggenheim

Eine Werkschau mit 130 Bildern ist nun von Oktober 2019 bis Januar 2020 in Bilbao im Guggenheim Museum zu sehen. Die Ausstellung gibt einen Überblick über die verschiedenen Kreativphasen von Thomas Struth, beginnend mit frühen Arbeiten bis hin zu neueren Serien. "Unbewusste Orte", "Orte der Anbetung", "Natur und Politik", Portraits, Museumsfotos sind die Titel bzw. Themen der Zyklen, daneben Waldbilder aus der Reihe "New Pictures from Paradise". (1)

 

foto4BILBOARGAZKI – INTERNATIONALES FOTOFESTIVAL

BILBOARGAZKI ist eines der etwas unbekannteren Kulturfestivals in Bilbao, vielleicht sogar das am wenigsten bekannte. Dennoch hat es internationalen Charakter und geht bereits in seine 13. Ausgabe. Das “BILBOARGAZKI – Internationales Fotofestival Bilbao“ füllt den ganzen Monat Oktober und stellt die bizkainische Hauptstadt ins weltweite Zentrum des Interesses, mit einer Mischung aus Ausstellungen, Konferenzen und Workshops. Der Festivalname BILBOARGAZKI setzt sich zusammen aus dem baskischen und ursprünglichen Namen von Bilbao: Bilbo; sowie dem ebenfalls baskischen Wort “argazki“, das Fotografie bedeutet. (2)

Organisiert wird BILBOARGAZKI von der Föderation der Fotogruppen des Baskenlandes mit Unterstützung der Gemeindeverwaltung Bilbao. Gezeigt werden acht Ausstellungen international bekannter Fotograf*innen in verschiedenen Sälen der Stadt. Eine davon trägt den Titel “Harria“ (baskisch: Stein), die Fotos von Juan Antonio Palacios dokumentieren das traditionelle baskische Steineheben, dass mittlerweile zum Sport geworden ist. Bereits seit Ende September ist diese Ausstellung geöffnet.

Weitere Ausstellungen: Ariane Roz mit ihrem fotografischen Architektur-Projekt “Ritmo“ (span: Rhythmus); oder die Serie “Deriva“ (Abdriften) mit spektakulären Landschaftsfotos von Juan Pablo de Miguel. “Cuentacuentos“ (Geschichtenerzähler) von Oscar Manso besteht aus 30 Fotografien, die zehn Kurzerzählungen zugeordnet sind. “Dabei vermischen sich die verschiedenen Geschichten, die Interpretation ist immer abhängig von der Betrachtung der Zuschauerinnen“.

foto5Der Argizaiola-Preis für das beste Foto 2019 fiel auf Aitor Arana, die Preisverleihung findet während des Oktober-Programms statt (siehe Foto Nr. 5). Neben Arana waren Oskar Gaskon und Andrés Indurain die weiteren Finalisten. Alle drei nehmen zusammen an einer der Konferenzen teil, die BILBOARGAZKI 2019 begleiten. Die Mehrheit dieser Konferenzen wird von den fotografischen Protagonisten des Festivals gestaltet. Dazu kommen vier Workshops sowie ein Foto-Ausflug, der sich wie in den vergangenen Festival-Ausgaben speziell an Kinder richtet.

Weitere Ausstellungen von Rocío Lopez, José Benito Ruiz, Valiente Verde, Ramón Serras, Jie Halong und Juan Antonio Palacios. Die Orte der Ausstellungen sind: Taberna de los Mundos, Sala Elkano, BilbaoCentro, Colegio de Abogados (Anwaltskammer), UPV-Paraninfo (Universität), La Bolsa Bürgerzentrum, UPV-Altstadt (Uni), FNAC-Laden, sowie das Café Iruña. Einige Expositionen sind täglich zu sehen, andere von Montag bis Freitag. Genaueres auf der baskisch-spanischen Webseite. (3)

ANMERKUNGEN:

(1) Information aus dem Artikel: “Fotograf Thomas Struth: In Disneyland lassen sich Fantasien des Menschen sichtbar machen", Stern, 2019-10-03 (LINK)

(2) Information aus “Bilboargazki 2019, Bilbao se convierte en capital internacional de la fotografía durante el mes de octubre” (Bilboargazki 2019, Bilbao wird im Oktober zur internationalen Foto-Hauptstadt) 2019-10-02 (LINK)

(3) Webseite BILBOARGAZKI-Festival (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Struth (stern)

(2) Struth (stern)

(3) Struth (stern)

(4) Bilboargazki (xatakafoto)

(5) Bilboargazki (xatakafoto)

(PUBLIKATION baskultur.info 2019-10-06)

 

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