Baskische Musik in Iparralde
"Wir können die Lücke im französischen Markt nutzen, um das Euskara in Iparralde zu unterstützen", sagt Anne Etchegoyen, Sängerin aus der nordbaskischen Provinz Nieder-Navarra. Sie hat mit ihrer aktuellen musikalischen Arbeit ein kleinen Anteil des französischen Musikmarkts erobert: "Die baskischen Stimmen" heißt das Werk, das mit dem Aizkoa-Chor aus Baiona (frz. Bayonne) aufgenommen wurde. Bereits 60.000 Exemplare wurden verkauft, eine Menge in Anbetracht der geringen Bedeutung der baskischen Sprache in Frankreich.
Wer ist diese junge Frau von 34 Jahren aus Donapaleu (frz. Saint-Palais), die in einem Promotions-Video von Chorsängern begleitet in rotem Kleid zwischen Berggipfeln und der Steilküste des Nordbaskenlandes spaziert, ein Werbespot, der bereits mehr als 250.000 Besuche erhielt? Die Geschichte der zweifellos bezaubernden Stimme von Anne Etchegoyen begann im Kinderchor und bei Liederwettbewerben am Wochenende, mit denen die dörfliche Langeweile bekämpft wurde. Der weitere Weg führte über ein Konservatorium vor die professionellen Mikrofone. Im Jahr 2003 hatte sie das Glück, bei der Eröffnungsfeier der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Paris die französische Nationalhymne singen zu dürfen, was zu einer gewissen Bekanntheit führte.Seit 2005 arbeitet Anne Etchegoyen beruflich als Sängerin. Mit der neuen Veröffentlichung hat sie vier musikalische Werke in ihrem Curriculum, zwei Solo-Alben, zwei weitere mit dem Männerchor Aizkoa. Sie singt in baskischer, französischer und spanischer Sprache. Mit der Fernseh-Serie "Herriko Abesbatza" (Le Choer du Village) hatte sie 2012 großen Erfolg. Auch außerhalb des Landes konnte sie Spuren hinterlassen bei Konzerten in Argentinien, USA, England, Irland, in Spanien und natürlich auch im Baskenland.
Anne Etchegoyen produziert nicht nur ihre eigene Musik, sie kümmert sich auch um die Organisation ihrer Konzerte.Für ihre aktuelle Musik-CD hat sie eine beliebte Version des Stücks "Txoria Txori" des vor wenigen Jahren verstorbenen legendären Liedermachers Mikel Laboa aufgenommen, sowie weitere bekannte Werke aus dem baskischen Musikspektrum. Das Jahr 2014 wird infolgedessen voll von Tourneen und Konzerten sein, gleichzeitig arbeitet die Künstlerin am zweiten Teil des Projekts, das sich auf den Santiago-Weg konzentrieren soll.
Wie bist du zum Singen gekommen?
In meiner Heimatstadt Donapaleu habe ich mit acht Jahren in einem Kinderchor zu singen angefangen. Mit 16 wollte ich mehr, also ging ich mit 17 ins Konservatorium nach Baiona (frz. Bayonne) und studierte zwei Jahre lang klassischen Gesang. Es war das beste, was ich hier in Iparralde (nördliches Baskenland) tun konnte, nur in den großen Städten hätte es noch mehr Möglichkeiten gegeben. Auf der anderen Seite wollte ich mir keine Türen verschließen, also habe ich erst Literatur-Wissenschaft studiert und anschließend Betriebswirtschaft. Als ich das Gesangs-Studium begann, war ich noch mit der Betriebwirtschaft beschäftigt, ich wollte eben eine Alternative haben, falls die Geschichte mit dem Gesang nicht funktioniert.
In deinem neuen Album singst du einige Stücke auf Baskisch. Kanntest du sie vorher?
Ja, seit langem. Meine Mutter singt in einem Chor in Errazu, in Navarra, ihrem Herkunftsort, sie spricht gut Baskisch. So hörte ich diese Lieder seit meiner Kindheit. Für die Aufnahmen haben wir Themen gewählt, die ich schon kannte und die ich singen wollte. Andere Lieder über das Baskenland auf Französisch und einige neue Kompositionen haben wir beigefügt. Konkret habe ich drei Stücke geschrieben, eines davon auf Baskisch, "Ongi Etorri", es sind Themen aus dem Alltag.
Du arbeitest zusammen mit dem Aizkoa Chor aus Baiona . Wie hast du sie kennen gelernt, wie hat sich die Kooperation angebahnt?
Es war im Jahr 2006, damals haben wir gemeinsam an einem Album mit baskischen Weihnachts-Liedern gearbeitet . Seitdem hatten wir jedes Jahr ein oder zwei gemeinsame Auftritte. Darüber hinaus bin ich mit einigen Chor-Mitgliedern befreundet, insofern ist die Zusammenarbeit eine ganz natürlich Sache.
Und wie kam dieses neue Projekt zustande?
Ich wollte eine Platte mit Geschichte machen. Außerdem sollte es einem ausgesprochen breiten Publikum zugänglich sein. In der baskischen Kultur machen wir viele wunderbare Dinge, aber manchmal müssen wir uns daran erinnern, dass es Menschen gibt , die keine Basken sind, die aber dieses Land und seine Kultur ebenfalls mögen. An sie haben wir gedacht, als wir an dem Album arbeiteten, an jene also, denen die baskische Kultur nicht so vertraut ist. So haben wir traditionelle Lieder wie "Boga-Boga" (keine Übersetzung) mit anderen, etwas aktuelleren Stilen gemischt. Es gibt populäre Themen wie "Hegoak" (bsk. Flügel), daneben haben wir auch ein wenig experimentiert. Zum Beispiel singen wir zusammen "Haurtxo txikia" (bsk. Kleines Kind) a capella. Wir wollten ein praktisches Beispiel, das zeigt, was traditionell im Baskenland gemacht wurde. Gleichzeitig haben wir auch an die Kriterien von Radio und Fernsehen gedacht, die Lieder sollten sich auch eignen, über diese Medien bekannt zu werden. Wir wollten etwas schaffen, das eine Menge Leute erreicht.
Was gefällt euch am Besten an dieser CD?
Es war eine interessante Erfahrung, ein kleines Abenteuer. Ich liebe die Arbeit mit dem Chor und den Musikern. Außerdem waren die beiden Aufnahmeleiter aus Paris und und kennen das Baskenland sehr gut. Ich war begeistert über die Form, wie wir das Projekt gemeinsam umgesetzt haben. Erfreulich ist natürlich der Erfolg der Platte, wir haben eine Auszeichnung in Gold bekommen. Nun geht das Abenteuer mit Konzerten und Tournéen weiter. Dabei werde ich mit mehreren französischen Künstlern zusammenarbeiten.
Was hat dich auf deinem künstlerischen Weg beeinflusst?
Ich lebe mit vielen Arten von Musik. Ich habe Jack Johnson gehört, Stromae, auch mag ich Mercedes Sosa. Ich verfolge viele französische Sänger/innen, im Bereich baskischer Musik gefällt mir besonders Mikel Urdangarin. Beim Zuhören lerne ich immer etwas.
Im Nordbaskenland hat die baskische Sprache einen ziemlich schweren Stand. Wie ist es zu erklären, dass eine Arbeit Erfolg hat, die sich durch große Nähe mit der baskischen Kultur auszeichnet?
Ehrlich gesagt überrascht mich das gar nicht so sehr, denn in der Musikszene in Frankreich gibt es eine generelle Tendenz in dieser Richtung. In den letzten drei oder vier Jahren hat die Musik der Regionen großen Erfolg. Zum Beispiel traditionelle Lieder aus der Bretagne, einer Region mit ähnlichen Eigenschaften, finden ausgezeichnete Aufnahme. Ich denke, wir können diese Lücke auf dem Musikmarkt auch dazu benutzen, um das Euskara in Iparralde zu unterstützen.
Das heißt, euer Werk kann hilfreich sein, um die Situation der baskischen Sprache im nördlichen Baskenland zu normalisieren?
Das könnte schon sein, ich würde es mir wünschen. Wir sind auch bereit, in Baskisch-Schulen (Ikastolas) Konzerte zu geben, um sie zu unterstützen. Im Moment haben wir aber noch keine Anfragen. Je mehr Leute gemeinsam daran arbeiten, desto leichter wird es sein, dieses Ziel zu erreichen.Ich bin mir des Problems wohl bewusst, momentan lerne ich selbst Baskisch. Wenn es darum geht, zur Verbesserung der Situation beizutragen, mache ich was ich kann.
Welche Bedeutung haben das Baskenland und die baskische Sprache für dich?
Ich fühle mich eindeutig als Baskin. Dies sind mein Land und meine Kultur, auch wenn ich noch nicht so gut baskisch spreche. Das Wichtigste ist, die Sprache zu fördern und die Tradition an andere weiterzugeben. Meine Eltern, meine Großeltern, sie sind Basken, in dieser Umgebung bin ich groß geworden. Dennoch will ich auch wissen, was außerhalb dieser Kultur geschieht, weil es uns bereichert. Es mag überraschen, dass ich meinen Namen auf Französisch schreibe, aber in meiner Familie wurde er immer so geschrieben, aus Trägheit habe ich daran bisher nichts geändert.
Wie sehen deine nächsten Pläne aus?
Mit dem Aizkoa-Chor gehen wir auf Tournée, gleichzeitig werde ich auch Solo-Konzerte geben und in interessanten Duetten auftreten. Im Gespräch ist auch, in Hegoalde aufzutreten (Süd-Baskenland), aber das ist noch in der Planungsfase. Sicher ist nur, dass wir am 5.August in Gasteiz (Provinz Araba) auftreten werden. Darüber hinaus arbeiten wir am zweiten Album von "Les Voix Basques" (Die baskischen Stimmen). Danach werde ich an meine nächste Solo-Aufnahme denken, aber das wird erst im nächsten Jahr sein ...
(Der Text ist zu großen Teilen die Übersetzung eines Interviews, das am 2.2.2014 unter dem Titel "Se puede aprovechar el hueco en el mercado francés para ayudar a izar el euskera en Iparralde" in der baskischen Tageszeitung DEIA erschien. Übersetzung Baskultur.info / Foto: DEIA, last.fm, mintzalagun.com)