erlaitz01Höhlenfunde ohne Ende

Im Dezember 2014 wurden in der Danbolinzulo-Höhle von Zestoa (Gipuzkoa) 18.000 Jahre alte Höhlen-Malereien entdeckt. Nur wenige Wochen später konnte die Provinzregierung einen neuen Fund im selben Ort bekannt geben. Ebenfalls in Zestoa, nicht aber in derselben Höhle. Denn die nunmehr entdeckten acht prähistorischen Kunstwerke wurden in der Erlaitz-Höhle gefunden. Dabei handelt es sich nicht um Malereien, sondern um Gravuren, in den Fels geritzte Figuren von Pferden, Hirschen und Auerochsen.

(2015-03-09) Über die Datierung dieser Gravuren besteht bisher keine Einigkeit. Normalerweise werden solche Werke auf ein Alter von 22.000 bis 15.000 Jahren verortet. Der aktuelle Fund liegt altersmäßig zwischen Danbolinzulo, der ältesten Höhle, und Ekain, deren Abildungen mit 14.000 Jahren als jünger veranschlagt werden. Die Malereien von Ekain, die in einem Museum nachgestellt sind, gehören zu den besten Kollektionen prähistorischer Kunst in Europa. Daneben gibt es in Gipuzkoa weitere Fundstätten wie Praileaitz oder Altxerri, weitere Entdeckungen wären alles andere als eine Überraschung. Neben den genannten Höhlen weist die Provinz weitere archäologische Fundstätten von Bedeutung auf, zum Beispiel die Lezetxiki-Grotte, in der der Oberarmknochen eines Neanderthaler-Vorgängers gefunden wurde. Oder die Steinwerkzeuge-Werkstatt von Irikaitz, die als eine der ältesten offenerdigen Fundstellen Europas bezeichnet wird. (1)

Entdeckt wurden die Gravuren der Erlaitz-Höhle von einem Mitarbeiter von Antxieta Jakintza Elkartea, einer wissenschaftlichen Organisation, die sich der Höhlenforschung gewidmet hat. Der Fund in der Nachbarhöhle Danbolinzulo im Dezember 2014 ermutigte die Forschergruppe, andere Höhlen erneut zu inspizieren, die zwar in der Vergangenheit bereits untersucht worden waren, in denen aber nichts gefunden worden war. Darunter die Erlaitz-Höhle, die von Antxieta Jakintza im Jahr 1978 entdeckt und seither erforscht worden war. Gefunden wurden in Erlaitz paläolitische und aus späterer Zeit stammende Materialien. Trotz verschiedener Besuche über die Jahre hinweg waren den Forschern die Gravuren bislang jedoch verborgen geblieben. "Es ist sehr schwierig, sie zu entdecken. Tatsache ist, ich ging als erster hinein und habe sie erlaitz02nicht gesehen", gestand Höhlenforscher und Antxieta-Mitglied Iñigo Arizaga bei der Pressekonferenz ein. Die Kollegen nach ihm waren aufmerksamer, alle zusammen konnten die Entdeckung eines neuen "Juwels" unter den Höhlenmalereien bestätigen.

Die meisten der zuletzt entdeckten Höhlen-Kunstwerke haben ihren Standort in Ost-Bizkaia und Gipuzkoa, vor allem die
baskische Ost-Provinz wird immer mehr zur archäologischen Schatzkammer des Baskenlandes. Die Kultur-Senatorin erinnerte daran, dass vor Kurzem nur die Malereien von Ekain bekannt gewesen seien. Die Entdeckungen von Danbolinzulo und Erlaitz erlauben jedoch, von einer "völlig anderen kulturellen Landschaft" zu sprechen, deren Aufarbeitung mit einem umfassenden Konzept angegangen werden müsse. Denn neben dem Licht der Neuentdeckung gibt es auch Schatten zu festzustellen, denn der Schutz prähistorischer Schätze ist nicht überall in besten Händen. So grenzt an die bekannte Praileaitz-Höhle ein Steinbruch, in dem in relativer Nähe regelmäßig gesprengt wird – alles andere als eine Garantie für den Erhalt der antiken Schätze. In diesem Sinne nutzten die aktuellen politischen Verantwortlichen die Pressekonferenz dazu, einen wissenschaftlichen Bericht anzukündigen, der die juristische Situation der Höhle und die notwendigen Maßnahmen zu ihrem Schutz zusammenfassen soll. Dieser Bericht soll die Rechtsunsicherheit beseitigen über die genaue Ausdehnung der Praileaitz-Höhle und die Beschränkung von industriellen Aktivitäten in ihrer Nähe. Im Moment ist die minimale Entfernung mit 50 Metern festgeleget, Expertinnen gehen davon aus, dass wenigstens 100 Meter erforderlich sind für einen eindeutigen Schutz. Doch ist leider der Erhalt von historischem Erbe nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine politische Frage, in die materielle Interessen einfließen. In der Vergangenheit hat die Politik den Schutz vernachlässigt und der Industrie freien Lauf gelassen. Welche Folgen das haben kann zeigt die Pozalagua-Höhle von Karrantza (Bizkaia): auch dort wurde so lange gesprengt, bis eine einmalige Großkammer der Höhle durch die Erschütterungen zum Einsturz gebracht wurde – ein historischer Verlust.

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Expertinnen meinen, die Erlaitz-Höhle beinhalte "ein hohes Potential wissenschaftlicher Information, um Daten zu erhaltenüber eine Zeitetappe, die bisher wenig bekannt ist in Hinblick auf grafische und symbolische Ausdrucksformen seiner Bewohnerinnnen, Jäger und Sammler aus dem Oberen Paläolithikum.

Begleitet von den Bürgermeisterinnen von Deba und Zestoa nahm Aranzadi-Mitglied (2) und Hochschullehrer Álvaro Arrizabalaga die Frage vorweg, ob es in der Höhle möglicherweise weitere Gravuren zu entdecken gäbe: "Sicher wird es nächste Woche, nächsten Monat oder im nächsten Jahr gute Nachrichten geben". Die Erlaitz-Höhle besteht aus drei Niveaus, sie wurde im Spät-Paläolitikum und danach als Wohnstätte benutzt – das bezeugen die menschlichen Reste und die Keramik, die dort im unteren Bereich gefunden wurden. Möglicherweise ist die Grotte zu einer bisher nicht weiter definierten Zeit auch zu Beerdigungsriten benutzt worden sein, in der Kupfer- oder Bronzezeit.

Der Eingang der aus Schutzgründen verschlossenen Erlaitz-Höhle liegt auf der Höhe der mittleren Etage, die Gravuren wurden im oberen Bereich in einem kleinen Raum mit schwierigem und gefährlichem Zugang gefunden. Der Archäologe erklärte, die Gravuren seien "nicht so spektakulär und nicht so leicht zu sehen wie die Malereien". Zum Beweis zeigte er einige Fotos, auf denen die Umrisse der urzeitlichen Tiere Gipuzkoas digital hervorgehoben sind. Zu erkennen sind Köpfe, Körper und Füße von Pferden, Rotwild und Auerochsen. Auch wilde Jungbullen, die den im 17.Jh ausgestorbenen Stieren ähneln. Ein weitere Figur könnte einen Bison darstellen.

Die urzeitlichen Bewohnerinnen gravierten und malten in den Höhlen zu allen Epochen. Sie brauchten keine Modelle: "Die Proportionen der Tiere waren ihnen derart präsent, sie konnten mit geschlossenen Augen anatomische Feinheiten malen". Der Künstler von Erlaitz könnte einen Stichel aus Silex benutzt haben, um auf der Kalksteinwand zwei bis drei Milimeter breite Furchen einzugravieren. Um diesen dunklen Raum zu beleuchten, könnten Lampen aus Tierfett benutzt worden sein, Knochenmark zum Beispiel wurde häufig zur Verbrennungs-Beleuchtung eingesetzt.

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ANMERKUNGEN:

(1) Die Information stammt aus zwei Artikeln baskischer Tageszeitungen vom 26.2.2015: DEIA unter dem Titel "Crece la fauna rupestre en las cuevas de Gipuzkoa" (Die prähistorische Tierwelt in Gipuzkoa wächst); und GARA: "Hallados grabados de entre 22.000 y 15.000 años en Erlaitz (22.000 bis 15.000 Jahre alte Gravuren gefunden in Erlaitz).
(2) Die Wissenschafts-Gesellschaft Aranzadi wurde 1947 gegründet mit der Absicht, die Arbeit der im Franquismus verbotenen Gesellschaft für Baskische Studien fortzuführen. Ihr Zweck ist die wissenschaftliche Erforschung von Natur und menschlichem Wirken. Ihren Namen hat die Gesellschaft von Telesforo de Aranzadi, einem bekannten Anthropologen und Ethnologen (1860-1945). Besondere Bedeutung kommt Aranzadi heutzutage bei der Aushebung von Massengräbern aus der Zeit des Spanischen Krieges und der Identifizierung der dort gefundenen Opfer des Faschismus zu.

ABBILDUNGEN:

(1) Forschungs-Mitglieder der Antxieta Jakina Elkartea
(2) Eine der Erlaitz-Gravuren: www.diariovasco.com
(3) Höhleneingang Erlaitz: www.arqueologia-paleoramaenred.blogspot.com
(4) Eine der Erlaitz-Gravuren: www.lacienciadivulgativa.blogspot.com

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