barrika01
Seltener Fund in Bizkaia

Eine internationale Gruppe von Archäologen hat im bizkainischen Ort Barrika ein hölzernes Werkzeug gefunden, das vor ungefähr 90.000 Jahren von Neandertalern benutzt wurde. Es handelt sich um eine Art Hacke, mit der die Erde umgebraben wurde. Entdeckt wurde das Stück im Grabungsort Aranbaltza. Der Ausgrabungsleiter spricht von „einem außergewöhnlichen Fund“, denn ähnliche Gegenstände wurden bisher nur an vier weiteren Orten Europas entdeckt. Die Konservierung von Holzgegenständen ist selten.

In die lange Liste von urzeitlichen Funden im Baskenland hat sich nun der kleine Ort Barrika an der Küste von Bizkaia eingereiht. Dort wurden Instrumente gefunden, die vor fast 100.000 Jahren von Neandertalern benutzt wurden.

Ein Neandertaler schnitt vor 90.000 Jahren der Länge nach ein Stück Eibenholz. Mit Hilfe von Steininstrumenten schliff er das Teil, legte es ins Feuer, um es zu härten oder um den Schliff zu perfektionieren. In der Folge wurde das Werkzeug zum Graben benutzt. Wenn die natürlichen Resourcen der Gegend erschöpft waren, verließen die Mitglieder des Neandertal-Clans den Ort – in diesem Fall Barrika – und zogen weiter. Das Holzwerkzeug ließen sie zurück. So ungefähr lautet die Geschichte der in Barrika gefundenen urzeitlichen Spitzhacke. (1) (2) (3)

barrika02Eine Gruppe von Archäolog*innen hat nun in der Fachzeitschrift PLOS ONE ihre Forschungsergebnisse zu Barrika publiziert. Geleitet wurde die Ausgrabung von Joseba Rios-Garaizar im Auftrag Centro Nacional de Investigacion sobre la Evolucion Humana (CENIEH). Am Projekt beteiligt waren auch verschiedene Universitäten: aus dem Baskenland und Barcelona, sowie aus Burgos und Kantabrien. Vorgestellt wurde nun die Geschichte des bisher ältesten Holzwerkzeugs der iberischen Halbinsel.

Geforscht und gegraben wurde am Ufer des Urgozo-Flusses an der Aranbaltza genannten Fundstelle. Aranbaltza ist Baskisch und bedeutet „Schwarzes Tal“. Entdeckt wurden dort seit 2013 verschiedene interessante Lebensumstände jener Menschenspezies. In Aranbaltza-2 wurde eine Art von Werkstatt gefunden, in der die Neandertaler (und Neandertalerinnen) vor 42.000 Jahren Feuerstein verarbeiteten und bei der Jagd erlegte Tiere zerteilten. Aranbaltza-1 war ein Flussufer, an dem vor 55.000 bis 65.000 Jahren Steinstrukturen gebaut wurden, um sich vor Wind und der Feuchtigkeit im Boden zu schützen. Aranbaltza-3 war ein Tümpel, in dem vor drei Jahren eine 15 Zentimeter lange Spitze aus Eibenholz gefunden wurde.

Dass ein Holzinstrument von diesem Charakter bis in unsere Tage überdauert hat, „ist selten und ungewöhnlich, denn normalerweise verfault Holz sehr schnell“, erklärte Rios-Garaizar. Nur an vier weiteren Orten Europas wurden ähnliche Holzinstrumente gefunden, die älter sind als der Gegenstand aus Barrika: in Clanton-on-Sea (Großbritannien) und in Schöningen (Deutschland), beide aus der Zeit vor 350.000 Jahren, sowie in Lehringen (Deutschland) und Poggetti Vechi (Italien) vor 115.000 Jahren. In Abric Romani in Katalonien wurden außerdem hölzerne Nutzgegenstände gefunden aus einer Zeit, die zwischen 55.000 und 45.000 Jahre zurückliegt.

barrika03

„Damit Holz konserviert wird, muss die Umgebung sehr kalt sein, fast gefroren. Voraussetzung ist ein trockenes Klima, ein Ort mit viel Wasser, der praktisch keinen Sauerstoff zulässt, sodass das Holz nicht von Mikroorganismen zersetzt werden kann.“ So erklärt der Archäologe die Voraussetzungen für den Erhalt von Holzgegenständen. Die zuletzt genannte Bedingung sei auch der Grund dafür, dass in alten Häfen noch Balken aus der Römerzeit gefunden werden können, sagte der Wissenschaftler von CENIEH.

Handwerkliche Feinarbeit

Der Ort, an dem das ca. 90.000 Jahre alte Nutzwerkzeug gefunden wurde ist eine besonders feuchte Gegend. Dort gab es stehendes Wasser und schlammige Zonen. „Zum Leben kann das kein einfacher Ort gewesen sein, also muss er aus anderen Gründen interessant gewesen sein.“ Rios-Garaizar geht davon aus, dass die Neandertaler in diesen Tümpeln und Sümpfen essbare Pflanzen gesucht haben. Einige davon konnten über Pollenreste identifiziert werden. Die Hacken wurden aller Wahrscheinlichkeit nach dazu benutzt, die Erde umzugraben und Knollen,Wurzeln, Tiere oder Fische aus Boden und Wasser herauszuholen. Auch um Gräben und Löcher zu graben, um Feuerstellen anzuzünden und um andere Strukturen zu bauen.“ Nicht auszuschließen ist, dass mit den Hacken auch Feuerstein aus dem Flysch gehauen wurde (4). Der beste Feuerstein war in den Felsen von Barrika zu finden. Er war in Ton eingehüllt und musste ausgegraben werden.

„Das war richtige Feinarbeit“, beschreibt der Archäologe. An der Spitze des Holzwerkzeugs wurden Spuren gefunden, die darauf hindeuten, dass es zum Graben genutzt wurde. Zwei Kerben auf der anderen Seite deuten nach Ansicht der Wissenschaftler darauf hin, dass das Werkzeug erneuert wurde. Ursprünglich war die Holzhacke gerade, bei ihrer Restaurierung war jedoch nicht zu vermeiden, dass sie sich krümmte. Jedenfalls ist das Fundstück gut erhalten.

barrika04„Als ich das Teil zum ersten Mal sah, dachte ich, es sei die Spitze einer Lanze. Es hat mich an Exemplare erinnert, die in Deutschland gefunden worden waren.“ Die Neandertaler von Aranbaltza waren Nomaden, die von einem Ort zum anderen zogen, immer auf der Suche nach den natürlichen Grundlagen für ihre Existenz. Sie jagten Rotwild und Bisons, sammelten Früchte und Knollen, suchten Meeresfrüchte und produzierten fleißig Werkzeuge aus Stein. Allein im Fundort Aranbaltza-2 fanden die Forscher*innen mehr als 3.500 Feuersteine.

Im selben Grabungssektor fanden Rios-Garaizar und sein Team auch ein Objekt, das ebenfalls ein Grabungswerkzeug darstellen könnte. Es ist zwar geschliffen, aber es weist keine eindeutigen Spuren auf, dass damit gearbeitet wurde. Aufgabe der Wissenschaftler*innen ist es somit, Reste der Produktion solcher Werkzeuge zu finden. „So könnten wir mehr darüber erfahren, wie die Neandertaler das Holz bearbeiteten. Sie haben Holz häufig zur Anfertigung ihrer Instrumente benutzt, doch nur wenige Exemplare sind uns bis heute erhalten geblieben.“

ANMERKUNGEN:

(1) Zitate aus dem Artikel „El Pico del Neandertal“ (Die Hacke des Neandertalers), Tageszeitung El Correo Español vom 29.3.2018

(2) Information aus „Hallan en Barrika una de las pocas piezas de madera de la Europa neandertal” (Zwei seltene Holzstücke aus der Neandertal-Zeit Europas in Barrika gefunden) (Link)

(3) Neandertaler: Der Neandertaler (früher auch „Neanderthaler“, wissenschaftlich Homo neanderthalensis) ist ein ausgestorbener Verwandter des anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens). Er entwickelte sich in Europa – parallel zum Homo sapiens in Afrika – aus einem gemeinsamen afrikanischen Vorfahren der Gattung Homo und besiedelte zeitweise große Teile Süd-, Mittel- und Osteuropas. Offensichtlich im Verlaufe der letzten Eiszeit haben die Neandertaler ihr ursprünglich ausschließlich europäisches Siedlungsgebiet bis Westasien (Türkei, Levante, Nordirak), in Teile Zentralasiens (Usbekistan, Tadschikistan) und sogar bis in das Altai-Gebiet hinein erweitert. Die DNA-Sequenzierung des Neandertaler-Erbguts ergab Hinweise auf mehrfachen Genfluss zwischen Neandertaler und Homo sapiens. Zeitliches Auftreten: Pleistozän, 230.000 (130.000) bis 30.000 Jahre. Fundorte: Europa, Kleinasien, Naher Osten (Levante, Mesopotamien), Zentral-Kasachstan. Die Neandertaler stellten Werkzeuge aus Stein und Holz her und ernährten sich, je nach klimatischen Gegebenheiten, teils von Jagdbeute, teils von Pflanzennahrung. Auch beherrschten sie das Feuer. – Mitte August 1856 entdeckten italienische Steinbrucharbeiter in einem kurz darauf dem Kalksteinabbau zum Opfer gefallenen Abschnitt des Neandertals (Nordrhein-Westfalen) einige Knochenfragmente. Sie wurden zunächst achtlos zum Abraum geworfen, fielen jedoch den Steinbruchbesitzern auf, die 16 größere Knochenteile bergen ließen und an Johann Carl Fuhlrott zur Untersuchung übergaben. Durch Presseberichte aufmerksam geworden, begutachtete auch der Bonner Anatom Hermann Schaaffhausen die Knochen und kam zu demselben Ergebnis wie zuvor bereits Fuhlrott: Es handele sich um eine vorzeitliche Form des modernen Menschen. (Link)

(4) Flysch bezeichnet in der Geologie eine marine sedimentäre Fazies, die durch eine Wechselfolge von Tonsteinen und grobkörnigeren Gesteinen (typischerweise Sandsteine) repräsentiert ist. Diese Sedimente sind oftmals nachträglich verformt, z.T. so intensiv, dass es sich dann um metamorphe Gesteine handelt. Flyschserien entstehen während gebirgsbildender Prozesse und die grobkörnigeren Gesteine stellen das erodierte Material der sich bildenden Gebirgskette dar. (LinkAn der baskischen Küste ist Flysch in ausgeprägter Form in Zumaia zu finden, in kleinerer Dimension auch in anderen baskischen Küstenorten wie Donibane Lohizune, Sopela und Barrika.

ABBILDUNGEN:

(1) Spitzhacke aus Barrika (Naiz)

(2) Barrika Ausgrabung (El Correo)

(3) Barrika Ansicht (FAT)

(4) Barrika Ausgrabung (Deia)

Für den Betrieb unserer Webseite benutzen wir Cookies. Wenn Sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, akzeptieren Sie unseren Einsatz von Cookies. Mehr Information