Gegen die Festung Europa
Wie jeden Sommer seit sechs Jahren zog auch 2023 eine Gruppe von Migrantinnen und solidarischen Personen vom Baskenland aus in den Süden, um die europäische Flüchtlingspolitik zu denunzieren. Diese Politik findet in der “Festung Europa“ ihren Ausdruck und kostet im Mittelmeer jedes Jahr Tausende von Migrantinnen das Leben. In diesem Jahr war Melilla das Hauptziel, jene spanische Enklave auf afrikanischem Boden, wo mit tödlichen Zäunen versucht wird, jeden Versuch von Grenzübertritt zu verhindern.
Die Migrations-Karawane ist eine Aktion verschiedener Initiativen aus dem spanischen Staat, die Solidaritätsarbeit für Migrantinnen und Flüchtlinge organisieren und im Sommer die menschenfeindliche Flüchtlingspolitik denunzieren. Aus dem Baskenland beteiligt sich Ongi Etorri Errefuxiatuak (Herzlich Willkommen Flüchtlinge).
Am 1. Juli 2023 endete die #CaravanaMelilla2023 im Hafen von Borriana, wo die Besatzung des zivilen Rettungsschiffs Sea Eye Port und die valencianische Grup de Suport L'Aurora den Abschluss der Route organisierten, um Erfahrungen auszutauschen und Netzwerke zu schaffen. 150 Menschen aus dem ganzen Staat waren nach Melilla gereist, um am ersten Jahrestag des Massakers vom 22. Juni 2023 am Zaun zu sein und Gerechtigkeit, Erinnerung und Wiedergutmachung zu fordern. An jenem Tag waren etwa 100 Migrantinnen von der Polizei umgebracht worden, als sie einen Grenzübertritt versuchten. Bis heute sprechen offizielle Stellen von 25 Toten, während Amnesty International nach neuen Untersuchungen von mehr als 100 ausgeht (2). Beendet wurde die Karawane 2023 in Borriana, in der Region Castellón am Mittelmeer.
Karawane Melilla 2023
Borriana wurde als Endpunkt der Karawane gewählt, nachdem sie zuvor Sagunt passiert hatte, einen Hafen, in dem die sogenannten "Schiffe des Todes" (Schiffe mit Waffen-Ladungen) anlegen und eindeutig die Verantwortung der spanischen Gesellschaft für die Kriege zeigen und für die dadurch verursachten Migrationen. Borriana hingegen ist ein Beispiel für einen Hafen der Solidarität, in dem viele der zivilen Rettungsschiffe, die in der SAR-Zone (Search and Rescue) eingesetzt werden, für ihre technische Überholung anlegen.
Die Ankunft dieser Schiffe begann 2018-2019 und führte dazu, dass Menschen aus Borriana und Umgebung kamen, Aktivist*innen aus sozialen Bewegungen, um die Schiffs-Besatzungen auf informelle Weise logistisch zu unterstützen. Mit der Ankunft der Alan Kurdi begannen die Forderungen an Bedeutung zu gewinnen und die Grup de Suport de L'Aurora (Unterstützungsgruppe Aurora) begann sich zu organisieren. Seither ist diese Unterstützungsgruppe gewachsen und verfügt über ein Netzwerk von Lieferanten, die ihre Arbeit erleichtern. Der Schwerpunkt liegt dabei immer auf dem lokalen und nachbarschaftlichen Handel. Außerdem leisten sie Sensibilisierungsarbeit in Schulen und Hochschulen.
Am Morgen des letzten Tages wurde der Hafen besucht, um einige der dort liegenden zivilen Rettungsboote zu besichtigen. Die Welt der Seefahrt ist von Männern geprägt, aber es gibt auch Initiativen wie Louis Michel oder die Sea Punk, Schiffe mit einer sehr heterogenen, meist weiblichen Besatzung, bei denen der Schwerpunkt auf der Selbstverwaltung des Projekts liegt.
Ricard Llombart, Seemann und Kapitän der Sea Eye Port-Rettungsboote, die 2016 ihre Arbeit auf Lesbos aufgenommen hatten, erklärt, wie sich die Situation auf den maritimen Migrations-Routen entwickelt hat. "Jetzt kommen mehr Menschen an, aber mit der Regierungs-Übernahme der Rechtsextremen in Italien wird die Politik immer repressiver und die Rettungsaktivität immer schwieriger. Wir dürfen nur eine Rettungsaktion durchführen, während wir früher fahren konnten, bis das Boot voll war oder wir unsere Vorräte auffüllen mussten. Außerdem sind wir gezwungen, zum Entladen nach Norditalien zu fahren, was Zeit und Geld kostet. Bei Verstößen drohen bis zu 30 Tage Haft und Geldstrafen zwischen 3.000 und 10.000 Euro. Das Ziel ist Zermürbung".
Am frühen Nachmittag beendete die “Caravana Abriendo Fronteras“ (Karawane zur Öffnung der Grenzen) ihre gemeinsame Rundreise, um ihre Öffentlichkeits-Arbeit in den verschiedenen anderen Regionen fortzusetzen. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt auf Melilla, da die verschiedenen Organisationen der Meinung sind, dass das, was dort geschehen ist, nicht vergessen werden und straflos bleiben darf. Es muss vielmehr einen Wendepunkt in der Migrations- und Grenzpolitik darstellen. Sie fordern Gerechtigkeit, Erinnerung, Wiedergutmachung und eine Sicherheit, dass sich Ähnliches nicht wiederholt.
Die Hauptforderungen der Karawane 2023 lauten:
(*) Die Wiederaufnahme des Falles vom 24. Juni 2022 in Melilla, die Klärung der Verantwortung für die Toten und Verschwundenen sowie die Umsetzung von Maßnahmen, damit sich ein solches Massaker nicht wiederholen kann.
(*) Beendigung der gewaltsamen Reihe von sofortigen „“heißen“ Abschiebungen, die gegen internationales Recht verstoßen.
(*) Anerkennung und Respektierung des Rechts auf Migration als Strategie des Widerstands und der Wiedergutmachung gegenüber der ausbeuterischen, patriarchalen und kolonialen Politik.
(*) Legale und sichere Wege, damit bei der Migration niemand sein Leben verliert, und um Ausbeutung, sexistischen Menschenhandel und Menschenschmuggel zu vermeiden.
(*) Ein Ende von Rassismus, Amtsmissbrauch und Gewalt durch die Sicherheitskräfte in Melilla und im übrigen spanischen Staat.
(*) Aufnahme von Aspekten in die Gesetzgebung, die die Rechte verstorbener und verschwundener Personen respektieren und ihren Familien ihre Würde zurückgeben.
(*) Menschen auf der Durchreise in andere Länder sollen nicht länger als politisches Druckmittel benutzt werden.
Die diesjährige Karawane führte von Madrid über Melilla, Malaga, Motril, Salobreña, Almeria, Nijar, Valencia und Sagunt nach Borriana. Mit der Ankunft in Borriana / Region Valencia schließt die Karawane ihre diesjährige Sommer-Etappe zur Denunzierung der spanischen und europäischen Migrations-Politik. Ihre lokale und kollektive Arbeit wird fortgesetzt.
Baskultur.Info berichtete in der Vergangenheit mehrfach über die Situation von Flüchtlingen im Baskenland und über Initiativen, die gegen die herrschende Migrations-Politik angehen: “Der Todesfluss Bidasoa – Rassistische Migrations-Politik“, 2022-05-22 (LINK); “Mariams lange Reise – Afrika und den Atlantik überlebt“, 2021-05-05 (LINK).
ANMERKUNGEN:
(1) “Abriendo Fronteras. CaravanaMelilla23“ (Grenzen öffnen. Karawane Melilla 23), Juli 2023 (LINK)
(2) “Aniversario de la masacre de Melilla: un año de mentiras e impunidad” (Jahrestag des Massakers von Melilla: ein Jahr voller Lügen und Straflosigkeit) TAgesezitung Publico, 2023-06-22 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Karawane 2023 (abriendofronteras)
(2) Grenzzaun (abriendofronteras)
(3) Rettungsschiff Louise Michel 2023 (ep)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-07-06)