apock1Menschengemachte Epidemien

Die Menschheit hat es noch nicht geschafft, der Bedrohung durch die Coronavirus-Pandemie von der Schippe zu springen, da lauert bereits die nächste Gefahr einer weltweiten Krankheit: Affenpocken. Die wurden bisher nur in Afrika verortet, doch jetzt ist dem Virus der Sprung auf alle Kontinente gelungen, bis nach Portugal und Spanien, und auch ins kleine Baskenland. Warum schon wieder eine Zoonose? Weil wir zu viel reisen, Ökosysteme zerstören, mit Wildtieren handeln und zu viele Urwälder abholzen.

Affenpocken gehen über sogenannte Zoonosen auf Menschen über. Dies geschieht, wenn sich die Lebensräume von Tier und Mensch zu stark überschneiden. Vor allem Nagetiere sind die bekannten Überträger der Affenpocken.

Die Coronavirus-Pandemie hat es deutlicher gemacht denn je: die Menschheit ist bedroht durch immer neue Zoonosen. Zoonose – was war das nochmal? Die Übertragung von Tierkrankheiten auf Menschen, weil die Lebenswelt der Tiere immer mehr eingeschränkt und der Kontakt zur „Zivilisation“ sich immer häufiger ereignet. Die Coronavirus-Geschichte der Schlachtereien in Wuhan müsste eigentlich noch in frischer Erinnerung sein.

Affenpocken in Madrid und Gasteiz

Nach ein Dutzenden Fällen von Affenpocken in Madrid ist das Virus jetzt auch im Baskenland festgestellt worden. Und alle fragen sich plötzlich: Was steckt hinter der Ausbreitung von Krankheiten wie Affenpocken! Laut Welt-Gesundheits-Organisation WHO handelt es sich um Krankheitserreger, die von Tieren auf Menschen übergesprungen sind, ein globales Problem für die öffentliche Gesundheit, das sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund von Faktoren wie Bevölkerungs-Wachstum, erhöhter Mobilität, Zerstörung von Ökosystemen und Artenhandel vervielfacht hat. (1)

apock2Das ist kein neues Phänomen, aber es beschleunigt sich. Die Ausbreitung von Krankheiten, die von Tieren ausgehen und auf Menschen übertragen werden – die so genannten Zoonosen – stellen nach Angaben WHO weltweit ein "großes Problem" für die öffentliche Gesundheit dar und tauchen immer öfter auf. Eine Erscheinung sind die Affenpocken, eine in Afrika endemische Virus-Zoonose, die in der letzten Woche in 12 Ländern außerhalb des afrikanischen Kontinents nachgewiesen wurde. Obwohl es sich derzeit noch um wenige hundert Ansteckungen handelt, sind diese bereits auf allen Kontinenten vertreten. In Europa waren erst Großbritannien und jetzt (mit etwa 150 Fällen) der spanische Staat an der Reihe. Hier wurden die meisten Fälle in Madrid festgestellt, aber auch in sieben weiteren Regionen, darunter das Baskenland.

Woher kommen Affenpocken?

Affenpocken werden durch ein vergleichsweise großes Virus ausgelöst, das nah verwandt ist mit dem Variola-Virus. Das war der Erreger der echten Pocken, die seit 1980 als ausgerottet gelten. Im Vergleich zu den echten Pocken können die Affenpocken viele Tierarten befallen, darunter auch verschiedene Säugetierarten, zum Beispiel Nagetiere oder Affen. Die meisten Fälle von Affenpocken-Infektionen beim Menschen sind sogenannte Zoonosen. Das heißt: Die Viren werden von Tieren auf den Menschen übertragen. Am häufigsten treten diese Übertragungen des Virus in bewaldeten Gebieten in Zentral- und Westafrika auf. (2)

Die Affenpocken zählen laut RKI zu den "re-emerging diseases". Das heißt, dass die Krankheit sich wieder ausbreitet, nachdem sie bereits auf dem Rückzug war. In den letzten Jahrzehnten konnte man eine Zunahme an Ausbrüchen erkennen, vor allem in West- und Zentralafrika. Laut der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union habe es während der Corona-Pandemie mehrere Ausbrüche von Affenpocken-Infektionen gegeben. Die hätten während der Pandemie aber kaum für Aufsehen gesorgt und seien zudem unter Kontrolle. (2)

Vermutete Verbreitung

In den letzten Tagen wurden die Warnungen im spanischen Staat wieder lauter. Die Mehrheit der bisher festgestellten Fälle konzentrieren sich auf Madrid. Ersten Meldungen zufolge sind junge Männer aus der Schwulenszene betroffen, die möglicherweise an riskanten Sexualpraktiken wie "Chemsex" teilgenommen haben. Eine andere Version deutet auf Maspalomas Pride hin, ein Schwulenfest auf Gran Canarias, an dem 200.000 Personen teilnahmen.

Sollten diese Erklärungsansätze zutreffen, wäre erneut eine bestimmte Personengruppe im Fokus der Beobachtungen. Ohne die Diagnosen vergleichen zu wollen: auch AIDS hat diese Gemeinschaft schwer gezeichnet. Diese Ansteckungen in Spanien und Portugal sind Besorgnis erregend, weil es sich um eine seltene Krankheit handelt und es das erste Mal wäre, dass eine Übertragungskette in Europa auftritt, die nicht mit einer Reise in ost- und zentralafrikanische Gebiete zusammenhängt. Die britische Ansteckung geht auf eine Nigeria-Reise zurück.

Die von Viren verursachte Erkrankung der Affenpocken wurde erstmals 1958 bei Laboraffen (Javaneraffen) mit pockenähnlichen Symptomen beobachtet, daher bezeichnete man sie als “Affenpocken“. Der dänische Virologe Preben von Magnus isolierte im selben Jahr das Virus. Seit der Ausrottung der Echten Pocken (Variola major) in den 1970ern werden sporadische Epidemien dieser Zoonose in West- und Zentralafrika beobachtet. Dennoch gelten Affen als “Fehlwirte“ des Virus. Die eigentlichen Überträger sind Nagetiere, Hörnchen sowie Ratten und andere Nager. Einige Ausbrüche gab es auch in Gefangenschafts-Haltungen von Rhesusaffen. (3)

Affenpocken und andere Viren

apock3Nach Angaben der WHO sind Zoonosen die Hauptursache für neu auftretende Krankheiten bei Menschen und machen 75% der in den letzten 40 Jahren neu festgestellten Krankheiten aus. Zwei Drittel aller zwischen Menschen übertragbaren Krankheitserreger sind zoonotisch, das heißt, sie sind irgendwann von einem Tier auf einen Menschen übergesprungen. "Wir haben schon immer mit Zoonosen gelebt, aber in den letzten zehn Jahren haben sie viel größere Dimensionen angenommen. Es kann sich um Krankheitserreger handeln, die zuvor unbekannt waren oder die bereits in bestimmten Gebieten oder Regionen zirkulierten und nun in anderen auftauchen", beschreibt Ignacio García, Leiter der Forschungsgruppe für Tiergesundheit und Zoonosen an der Universität Córdoba.

Zoonose-Erreger können Bakterien, Viren, Parasiten oder unkonventionelle Erreger sein, die durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder über Lebensmittel, Wasser oder die Umwelt auf den Menschen übertragen werden. Beispiele für zoonotische Infektionen sind das West-Nil-Virus, das Zika-Virus, das Ebola-Virus und die Influenza A. Der Weg, den COVID-19 genommen hat, um zu einer Pandemie zu werden, ist nicht sicher bekannt, aber der Verdacht lag immer beim Wildtier-Markt in Wuhan, China. Es gibt Hinweise darauf, dass Nerze als Überträger des Virus dienen. Auch die MERS-Epidemien von 2012 und die SARS-Epidemie von 2002 sind auf diese Weise entstanden.

Mobilität, sowohl von Menschen als auch von Tieren, ist beim Zustandekommen von Zoonosen und Epidemien-Pandemien ein entscheidender Faktor. Das bedeutet, dass ein Virus, das sich im Zentrum Afrikas befindet, innerhalb von 24 Stunden die andere Seite der Welt erreichen kann, weil jemand ein Flugzeug besteigt.

Beim aktuellen Fall von Affenpocken gibt es bisher mehr Unbekanntes als Gewissheiten. Bekannt ist, dass Impfstoffe gegen die ausgerotteten Pocken Immunität erzeugen. "Affenpocken wurden bis 1980 massiv bekämpft. Wenn es also Einschleppungen dieser Art gegeben hätte, wären sie kaum aufgefallen, weil die Pocken im Umlauf waren und fast jeder geschützt war. Bei dieser Virusfamilie besteht eine wachsende Bedrohung, weil schätzungsweise mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht geimpft ist", sagt ein Forscher am Nationalen Institut für Agrar- und Lebensmittel-Forschung und -Technologie (CSIC).

Konzentration der Bevölkerung

Generell weist der Forscher aus Cordoba darauf hin, dass der Grund für das verstärkte Auftreten dieser Art von Krankheitserregern in den letzten Jahrzehnten in einer "Anhäufung von Faktoren" verschiedener Art liegt. Einige sind das Ergebnis menschlicher Eingriffe in die Natur, andere hängen mit der Bevölkerungs-Entwicklung zusammen. Die Globalisierung und die internationale Mobilität, der Klimawandel, die Zerstörung der Ökosysteme und der Verlust der biologischen Vielfalt, der Handel mit exotischen Arten und das exponentielle Bevölkerungs-Wachstum wurden als Faktoren identifiziert, die die Verbreitung von Zoonosen begünstigen.

"Die Mobilität von Mensch und Tier ist ein entscheidender Faktor und bedeutet, dass ein Virus, das sich im Zentrum Afrikas befindet, innerhalb von 24 Stunden die andere Seite der Welt erreichen kann, weil jemand ein Flugzeug besteigt", erklärt der Forscher von der Universität Cordoba. Hinzu kommt das Wachstum der Weltbevölkerung, deren Zahl von 4,5 Milliarden im Jahr 1985 auf 7,7 Milliarden im Jahr 2020 gestiegen ist. Folgenreich ist auch die Konzentration der Menschen in den Städten. "Im Allgemeinen sind Infektions-Krankheiten dichte-abhängig, das heißt, je mehr empfängliche Individuen vorhanden sind und je konzentrierter sie leben, desto leichter können die Krankheiten übertragen werden".

Der Forscher von der Universität Córdoba bringt das Phänomen auch mit der "Evolution von Krankheitserregern" in Verbindung, die mutieren, um sich anzupassen und “besser“ zu infizieren: "Ein intelligentes Virus versucht nicht, seinen Wirt zu töten, sondern ihn zu infizieren und weiter zu übertragen. Viele Viren mutieren während der Replikation recht leicht und es entstehen Varianten".

Zerstörung der Natur und Tierhandel

apock4Andere Faktoren, die für die zunehmende Verbreitung von Zoonosen verantwortlich sind, stehen im Zusammenhang mit der Zerstörung natürlicher Lebensräume und dem damit verbundenen Verlust an biologischer Vielfalt aufgrund menschlicher Aktivitäten. Die Zerstörung von Ökosystemen und die Vernichtung von Tier- und Pflanzenarten "stören eine Reihe von Gleichgewichten, die diese Krankheitserreger normalerweise unter Kontrolle halten", sagt Luis Suárez, Biologe und Naturschutz-Koordinator beim WWF Spanien (World Wildlife Fund). In dieser Analyse, eine Gemeinschaftsarbeit von 500 Wissenschaftler*innen, wird geschätzt, dass 75% der Land-Oberfläche der Erde bereits durch menschliche Aktivitäten verändert wurden.

Je gravierender die Zerstörung der Ökosysteme ist, desto geringer ist die Chance, Krankheiten bekämpfen zu können. In einem Lebensraum, in dem es eine Vielzahl von Tieren gibt, die für eine Infektion anfällig sind, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Infektion nur bei einer bestimmten Art auftritt, sie kann sogar bei nicht anfälligen Tieren landen, was die Infektion verlangsamt. "Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass das Virus sich verbreitet, weil ein Gleichgewicht zwischen Raubtier und Beute besteht, das wie ein Schutzschild wirkt. Ein typisches Beispiel sind Nagetiere, die ebenfalls Überträger einiger Krankheiten sind. Wenn es weniger Raubtiere gibt, gibt es mehr von ihnen, sie sind untereinander anfälliger für Ansteckung", erklärt Suárez.

Zusammenhang mit Klimakatastrophe

Abholzung von alten Wäldern führt dazu, dass der Mensch in Lebensräume vordringt, in denen Tiere leben, die Krankheitserreger beherbergen. Dies zeigte sich bei einigen Ausbrüchen der so genannten Makaken-Malaria, die in abgeholzten Gebieten Indonesiens (einem der am stärksten von der Zerstörung der Wälder für den Palmanbau betroffenen Länder) auf den Menschen überging.

Hinzu kommt, dass "die Bevölkerung zunehmend mit Wildtieren handelt und sich von ihnen ernährt, sowohl legal als auch illegal", erklärt der Forscher. Ein Beispiel dafür ist der Vorfall in den Vereinigten Staaten im Jahr 2003, als die Affenpocken zum ersten Mal aus afrikanischem Gebiet exportiert wurden, durch den Verkauf mehrerer Präriehunde als Haustiere, die mit infizierten Nagetieren aus Ghana in Kontakt gekommen waren.

Ignacio García verweist auch auf den Klimawandel als eine weitere treibende Kraft hinter den Zoonosen, da die Vektoren, die Krankheiten übertragen können, aufgrund des allgemeinen Temperaturanstiegs "ihr Verbreitungsgebiet vergrößert haben". Was bedeutet, "dass sie in Gebieten präsent sind, in denen sie vorher nicht waren". Suárez nennt als Beispiel die Aedes-Mücke, die Dengue, Gelbfieber oder Chikungunya übertragen kann und die den Angaben zufolge 1970 in neun Ländern vorkam", heute aber in 128 Ländern präsent ist". (1)

ANMERKUNGEN:

(1) “La amenaza emergente de las zoonosis: qué hay detrás de la expansión de enfermedades como la viruela del mono (Die neue Bedrohung durch Zoonosen: Was steckt hinter der Verbreitung von Krankheiten wie den Affenpocken?) El Diario (Internet), 2022-05-22 (LINK)

(2) “Was über die Affenpocken bekannt ist“, Tagesschau, 2022-05-23 (LINK)

(3) Affenpocken, Wikipedia (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Affenpocken (timetotime)

(2) Zoonose (op.online)

(3) Affenpocken (merkur)

(4) Zoonose (radio utopia)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-05-24)

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