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Weißer Schnee, schwarze Nacht

Zeit der Spritzen und Impfungen. Freiwillig oder gezwungen. Masken und Abstand waren noch akzeptable Übel. Die Spritze ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Darin sind sich viele einig, die ansonsten nichts mit Negationisten am Hut haben. Der Konflikt ist vorprogrammiert. Sozialer Ausschluss droht. Angesichts der anlaufenden dritten Corona-Welle sind die wirtschaftlichen Prognosen nicht schlecht, sondern katastrophal.

Ein neues Jahr – Januar 2021 – mit den alten Schlagzeilen. Baskultur.Info-setzt seine schlaglichtartigen Kurzberichte fort: Wie lange soll die Pandemie noch dauern? Wie viele lassen sich freiwillig spritzen? Wer erinnert sich an die Zapatist*innen und an die Kubanische Revolution, an die Geburt Sabino Aranas, an das langsame Ende des AKW Lemoiz und andere historische Ereignisse ...

INHALT:

* (31-01) Rider organisieren sich * (30-01) Politische Gefangene * (29-01) Arbeitslosigkeit * (28-01) Nazi-Frachter bei Donosti gesunken * (27-01) Was ist Gentrifizierung? * (26-01) Streik der Pflegekräfte * (25-01) Das KZ überlebt * (24-01) Der lange Schatten der Folter * (23-01) Nationen ohne Staaten * (22-01) Iñigo Cabacas * (21-01) Der Innenminister und die Folter * (20-01) Tod in Sestao und Alonsotegi * (19-01) Europa kritisiert spanische Folter * (18-01) Wieder-Eroberung * (17-01) Monarchie Schachmatt * (16-01) Von Opfern leben * (15-01)  Rosa, Karl und das Covid-Finale * (14-01) Rassismus im Erbgut * (13-01) Faschismus in USA * (12-01) Strompreise rauf * (11-01) Anarchistische Kriegs-Reporterin * (10-01) Erster Streik 2021 * (09-01) Die Kurdinnen von Paris * (08-01) Faschisten im Kopyshop * (07-01) Putsch-Geschichten * (06-01) Windenergie * (05-01) Maschinenstürmer * (04-01) WIndenergie für den Planeten Mars * (03-01) Simone, Ravensbrück-Überlebende * (02-01) Kündigungs-Schutz zurücknehmen! * (01-01-2021) Immobilien-Preise steigen (*)

(2021-01-31)

REBELLION (1)

RÜCKBLICKE: (1606) Der englische katholische Offizier Guy Fawkes wird wegen eines Attentatsversuchs gegen den König exekutiert. Fawkes Maske wird von der Okupy-Bewegung adaptiert und ist weltbekannt.

REBELLION (2)

Sie heißen Botxo Riders in Bilbo, Eraman in Gasteiz und Blokal in Gipuzkoa. Dabei handelt es sich nicht um neue Spielgruppen oder Motorradclubs. Es sind Arbeitskollektive, die sich aufgemacht haben, Lieferanten-Multis wie Glovo oder Deliveroo Paroli zu bieten und das schlechte Bild des Liefersektors zu korrigieren.

jan68x31Verschiedene Gerichte haben in jüngster Vergangenheit festgestellt, dass die große Mehrheit der Rider “falsche Kleinselbstständige“ seien, “falsos autónomos“ heißt das auf Spanisch. Zu verstehen ist darunter der Arbeitsstatus dieser modernen Sklaven. Weil die Unternehmen keine Leute fest anstellen wollen, mit allem was dazu gehört, von Sozialversicherung bis Tarifvertrag, müssen sich die Rider als Autonomos selbst anmelden, als Kleinunternehmer.

Diesem Konzept folgen in Zeiten des Neoliberalismus Millionen Personen, von multinationalen Konzernen bis zu Ridern. Voraussetzung für diesen Status ist allerdings, dass die Autonomos für verschiedene Betriebe arbeiten. Weil dies nicht bei den genannten Multis nicht der Fall war, stellten die Gerichte fest, dass es ein Trick ist, um legale Fest-Arbeit zu vermieden und das ist illegal. So wurden die Großlieferanten zur Festeinstellung verurteilt.

Den baskischen Ridern ist das nicht genug. Sie haben auch schon die Föderation CoopCycle gegründet, in der sich die lokalen Kooperativen wiederfinden sollen: unter würdigen Umständen, mit besseren Verdiensten, abseits der Ausbeutung durch die Multis. Bei der Kooperative Blokal in Arrasate-Mondragon handelt es sich um eine Plattform zur Digitalisierung des lokalen Marktes. Das heißt, lokale Produkte sollen an die Kundinnen verteilt werden.

“Unsere Absicht ist, uns mit kleinen Kooperativen von bis zu 10 Mitgliedern im ganzen Territorium Baskenland auszubreiten. Wir nutzen die CoopCycle-Technologie, um ein ganz neues System anzubieten. Denn Nachhaltigkeit ist nicht nur, ein Paket mit dem Fahrrad auszuliefern. Wir wollen aus dem Riderdienst eine würdige Arbeit machen, viel zu lange sind sie malträtiert worden. Gleichzeitig bieten wir den Geschäften faire Preise, und schließlich tragen wir zu einem fundamentalen Wechsel in der Mobilität der Städte bei“, so einer der Gründer von Eraman (bask: Mitnehmen). Mit der Ausbeutung soll Schluss sein.

WEISS UND SCHWARZ

Wie erwartet kam die Nachfrage, was der Nachrichten-Titel “Weißer Schnee, schwarze Nacht“ zu bedeuten habe. Nun, wer in einem guten Suchprogramm aktiv wurde, hat schon eine Antwort gefunden. Es handelt sich um einen Song der Rockgruppe Ihre Kinder, die ihre Stücke 1970 in deutscher Sprache präsentierte. Der Song beschäftigt sich mit Fixer-Drogen und ist eine Assoziation zur aktuellen Spritzen-Diskussion in Covid-Zeiten. Wir alle erleben derzeit eine schwarze Nacht, in der nur der weiße (Pfizer)-Schnee eine Linderung zu versprechen scheint. Die Nadeln sind dieselben.

(2021-01-30)

EIN JAHR DANACH

RÜCKBLICKE: (2020) Alle baskischen Gewerkschaften zusammen mit der anarcho-syndikalistischen CNT rufen zum Generalstreik auf unter dem Motto “Renten, Löhne, würdiges Leben“. (2020) Die Welt-Gesundheits-Organisation WHO erklärt die Coronavirus-Epidemie zur Pandemie. Ein Jahr später (2021) sind 2 Millionen Personen am Virus gestorben.

NEUN JAHRE DANACH

Neun Jahre nach dem definitiven Ende von ETA sind immer noch zweihundert politische Gefangene weit von ihren Heimatorten entfernt eingesperrt. Die Angehörigen und Freund*innen werden nicht müde, diese Situation zu kritisieren. Nun haben viele Personen des öffentlichen Lebens ein Manifest unterschrieben, mit dem sie das Ende dieser extra-legalen Bestrafung fordern (die immer nur die Besucher*innen getroffen hatte).

jan68x31Unter den 250 Akademikerinnen, Journalistinnen, Europa-Parlamentarierinnen und Kongress-Abgeordneten sind auch Personen, die direkt oder indirekt Opfer von ETA-Aktionen wurden. Eduardo Madina war Vorsitzender der baskischen Jung-Sozialisten, als ihm eine Autobombe ein Bein wegriss. Maixabel Lasa war Ehefrau von Juan María Jauregi, Zivilgouverneur von Gipuzkoa, der von ETA erschossen wurde. Das hält sie nicht davon ab, eine Zusammenlegung der Gefangenen in baskischen oder naheliegenden Gefängnissen zu fordern.

“Es macht keinen Sinn, dass es Gefangene gibt, die am Rande der Gefängnis-Normen, die für alle gelten sollten, festgehalten werden und die teilweise schwer krank sind. Wir denken, dass in der neuen Zeit, die die baskische Gesellschaft erlebt, niemand zurückbleiben darf. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Ausnahme-Politik beendet werden muss, um zu neuen Formen der Koexistenz zu kommen. Am Ende des Schreibens folgt ein Hinweis auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der die spanische Gefängnis-Politik wiederholt kritisiert oder abgeurteilt hat.

In der Koalitionsregierung zwischen Sozialdemokraten und Podemos scheint sich diese Haltung bereits verbreitet zu haben. Seit vergangenen Herbst wurden fast jede Woche jeweils fünf Gefangene ins Baskenland gebracht oder angenähert. Das bedeutet, dass Zehntausende von Reise-Kilometern für Besuche wegfallen. Erste Gefangene werden im dritten Grad eingestuft, das heißt, sie müssen nur noch nachts ins Gefängnis zurück. Die Kritik der ultrarechten Opferverbände aus dem Staat wird angesichts der Entwicklung immer leiser. Ruhe vor dem Sturm?

(2021-01-29)

jan68x30ATOMKRAFT TÖTET

RÜCKBLICKE: (1981) Der Direktor des im Bau befindlichen AKW Lemoiz in Bizkaia wird von ETA entführt, um einen Baustopp zu erpressen. Sechs Tage später wird er ermordet aufgefunden. Sein Tod trägt mit zu einem späteren Baustopp bei.

PANDEMIE MACHT ARBEITSLOS

Das Jahr 2020 endete in Hego Euskal Herria (dem südlichen Baskenland, Euskadi und Navarra) mit 16.700 zusätzlichen Arbeitslosen. In allen vier Provinzen (Araba, Bizkaia, Gipuzkoa, Nafarroa) wurden die Folgen der Pandemie deutlich spürbar. Die Zahlen stammen vom Staatlichen Statistik Institut (INE). Bei der Zahl der Arbeitlosen sind jene Personen, die wegen der Pandemie vorübergehend über ERTE-Zahlungen (Kurzarbeit) aufgefangen werden, nicht eingerechnet.

In der Region Euskadi (A+B+G) waren Ende des abgelaufenen Jahres 920.000 Personen in Lohnarbeit beschäftigt, 13.200 weniger als ein Jahr zuvor (minus 1,41%). 101.800 Personen waren arbeitslos, 8.500 mehr als im Vorjahr. Die neue Arbeitslosenquote beträgt somit 9,96%.

Beim Blick auf die vier Provinzen ergibt sich folgendes Bild: Gipuzkoa hat 24.000 Arbeitslose bei einer Quote von 7,02%. In Araba sind die Zahlen 15.100 (9,99%), in Bizkaia 62.700 (11,86%). In Nafarroa haben 36.700 Personen keine formale Beschäftigung, 8.200 mehr als vor 12 Monaten, was einen Anstieg von 28,85% bedeutet und eine Arbeitslosen-Quote von 11,65% hinterlässt.

(2021-01-28)

ANFANG UND ENDE

RÜCKBLICKE: (1311) Juana II. wird geboren, Königin von Navrarra zwischen 1328 und 1349. (1596) Tod des englischen Freibeuters Francis Drake, der unter anderem die baskische Insel Gaztelugatxe überfiel. (1930) Primo de Rivera beendet vor dem spanischen König die Militärdiktatur, die er 1923 errichtet hatte. (1935) Island legalisiert als erstes Land die Abtreibung. (1988) Mit einer Waffenstillstands-Erklärung beginnen in Algier Verhandlungen zwischen ETA und der spanischen Regierung.

jan68x29NAZI-FRACHTER GESUNKEN

Am 7. Juni 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, befindet sich der 100 Meter lange deutsche Frachter mit dem “undeutschen“ Namen Joao Pessoa auf der Fahrt von Bilbao nach Bordeaux. Geladen hat er Eisenerz für die Kriegsindustrie der Nazis. Als er von einem englischen U-Boot geortet wird, ergreift der Kapitän die Flucht an die Küste zwischen San Sebastian und Pasaia, ein wegen seiner Felsenriffe gefährliches Stück Küste. Er wird aufgerissen und sinkt. Die 42 an Bord befindlichen Besatzungsmitglieder werden von der franquistischen Küstenwache gerettet. Am 2.1.2021 wird gemeldet, dass Taucher des Club Nautico Donostia das Wrack 30 Meter unter der Wasseroberfläche gesichtet haben. Damalige Augenzeugen erzählen, dass sie die Seeleute an Deck beim Essen gesehen haben. Bei klarer See sind die Reste des Frachters Joao Pessoa vom Schiff aus im Wasser zu sehen. Für die Taucher des Clubs eine nette Wochenend-Abwechslung.

(2021-01-27)

BEFREIUNG

RÜCKBLICKE: (1806) In Bilbao wird Juan Cristósomo Arriaga geboren, bekanntester Komponist der Stadt, der mit 20 Jahren bereits wieder stirbt. (1945) Tag der Befreiung des KZs Auschwitz durch sowjetische Truppen. Von der UNO seit 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an den Holocaust erklärt.

jan68x28GENTRIFIZIERUNG

Was ist das denn? Fragte mich ein Nachbar, als ich beim Kneipengespräch den Begriff benutzte. Immer diese Fremdwörter! Beide wohnen wir im ärmsten Stadtteil Bilbaos, mit den meisten Arbeitslosen, mit Problemen wie Alkohol und Drogen, mit der höchsten Polizeidichte, mit der durchschnittlich niedrigsten Lebenserwartung. Ich holte mein Mobiltelefon aus der Tasche und zeigte ihm eine Mietanzeige, die ich kurz zuvor gelesen hatte:

“Zwei Zimmer, 60qm in Bilbao La Vieja. Derzeit wird Aufzug eingebaut, Miete während der Arbeiten 650€, danach 850€, Kaution: eine Monatsmiete, Vermittlung: eine Miete, Vorlage von Arbeitsvertrag und Kontoauszug. Lage: Ältester Stadtteil von Bilbao, älter als die Altstadt, die 1300 grgündet wurde. Barrio mit vielen Ausstellungsräumen und Kunstgeschäften, Zeitgeist-Stadtteil Bilbaos, mit Reproduktions-Museum und im Großraum Bilbao gefragten Restaurants. Gute Verbindungen: Hauptbahnhof, Straßenbahn, Metro, Bus.“

“Das ist Gentrifizierung“, sagte ich. “Diese Wohnung ist sicher nichts für dich, oder?“ Er lachte.

(2021-01-26)

SABINOS URKNALL

RÜCKBLICKE: (1865) In Abando, Bizkaia wird Sabino Arana Goiri geboren, Politiker, Schriftsteller und Ideologe, der als Gründer des baskischen Nationalismus betrachtet wird und die Partei PNV gründete (Baskische Nationalistische Partei). (2015) Linke kurdische Guerrilla-Verbände mit Frauen-Brigaden (YPJ) befreien die seit 134 Tagen vom Islamischen Staat besetzte syrische Stadt Kobane.

STREIK DER PFLEGEKRÄFTE

Pflegekräfte sind sichtbar und unsichtbar. Zur Kenntnis genommen wird ihre Arbeit in Krankenhäusern und Altersheimen. Unsichtbar ist ihr Tun in Privathaushalten, in die sie stundenweise geschickt werden oder in denen sie leben (müssen), auf Gedeih und Verderb ausgeliefert den dortigen Bedingungen und den Launen der Auftraggeber.

jan68x27Niemand stellt in Frage, dass die Arbeit der Pflegekräfte eine gesellschaftlich essenzielle ist, für die es keinen Ersatz gibt. Doch weil es sich um die Schattenseiten der Gesellschaft handelt, bleibt der Bereich häufig vergessen. Die Bezahlung kann schlechter nicht sein, die Arbeit ist vorwiegend Frauen vorbehalten. Hauptforderung des Streiks ist folgerichtig, dass eine arbeitsrechtliche und finanzielle Anerkennung über die öffentliche Hand erfolgen muss. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Pflege-Unternehmen zwischen die (teilweise) zahlenden Verwaltungen und die Arbeiterinnen drängeln, meist mit reinem Profitinteresse.

Die fünf größten baskischen Gewerkschaften (außer der anarchistischen CNT) standen hinter dem Streik: ELA, LAB, CCOO, UGT und ESK, unterstützt von der Bewegung der Rentner*innen, die seit drei Jahren jede Woche für eine deutliche Erhöhung der Rente auf die Straße gehen. Immer wieder unterstreichen sie alle, dass die Pandemie die ohnehin üblen Bedingungen noch unerträglicher gemacht hat. In den Altersheimen und Tagesstätten zum Beispiel muss dieselbe Pflegearbeit mit derselben Anzahl von Kräften geleistet werden, obwohl die Schutz- und Trennungs-Bestimmungen äußerst streng geworden sind.

Bei der Pflegearbeit zu Hause sind es meist Migrantinnen, die angestellt sind, einige davon in halblegaler Situation und erpressbar. Manche sprechen zurecht von sklaven-ähnlichen Verhältnissen, die niemand sieht und niemand kontrollieren kann. Und im Hintergrund droht die Ausländer-Behörde. Arbeit an sieben Tagen ist keine Seltenheit, die Bezahlung ist nicht ausreichend zum Leben. Der Lockdown zwang viele dieser Hausangestellten zum kompletten Verbleib in den Haushalten.

Die stundenweise eingesetzten Pflegerinnen sind mit Covid-Ansteckungen konfrontiert und erhalten zu ihrem Schutz nicht einmal vernünftige Gesichtsmasken. In allen Bereichen ist der psychologische Stress unerträglich. Die öffentliche Hand will von all dem nichts wissen, weil sich neue Ausgaben-Forderungen auftun könnten. Pflegearbeit ist gnadenlose Ausbeutung von Frauen. Es wird weitere Streiks (und mehr) erfordern, an dieser Situation etwas zu ändern.

(2021-01-25)

LAGER ÜBERLEBT

RÜCKBLICKE: (2011) In Kairo, auf dem Tahir-Platz beginnt der “Arabische Frühling“ für Ägypten, gegen das Mubarak-Regime. (2014) Tod von Marcelino Bilbao (*1920) der nach dem Krieg von 1936 nach Frankreich flüchten musste und in das Nazi-KZ von Mauthausen kam, wo er medizinische Experimente überlebte.

GEGEN FASCHISMUS

Marcelino aus Bizkaia war Antifranquist und Antifaschist bis zu seinem letzten Atemzug und starb neun Tage nach seinem 94. Geburtstag. Die Geschichte seines Lebens übersteigt jegliche menschliche Vorstellungskraft. Als Neugeborener wurde er ausgesetzt, eine arme kinderreiche Familie adoptierte ihn, am Ende waren es 21 Kinder. Wie alle Waisenkinder jener Zeit erhielt er den Namen Bilbao.

jan68x26Im Alter von 12 Jahren verließ Marcelino die Schule, mit 13 wurde er Mitglied der Vereinigten Sozialistischen Jugend (JSU), jung beteiligte er sich an Streiks. Er arbeitete in einer Mine und in einer Jute-Spinnerei. Zu Kriegsbeginn 1936 trat er in die anarchistische CNT ein. "Er hatte bereits eine Pistole.“ Als Milizionär nahm er an der Schlacht am Alberti-Berg teil, mit den Baskischen Hilfs-Brigaden erlebte er in Asturien die Belagerung von Oviedo. Marcelino sah die Folgen der Bombardierung von Gernika und kämpfte an den Bergen Sollube, Bizkargi, Intxorta und Jata.

Nach dem Fall des Baskenlandes ging er über Frankreich nach Katalonien und kämpfte weiter bis zum Kriegsende. Nach seiner Flucht über die Grenze wurde er in mehreren Konzentrationslagern interniert. Die Nazis schickten ihn 1940 ins Vernichtungslager Mauthausen. Dort musste er schreckliche medizinische Experimente über sich ergehen lassen, die der KZ-Arzt Aribert Heim an 30 Gefangenen durchführte. Den Gefangenen wurden toxische Elemente verabreicht, nur sieben überlebten. Einer davon war Marcelino. Er selbst erklärte, wie ihm der als "Doktor Tod" bekannte Heim über Wochen Benzol spritzte, ohne je ein Wort zu sprechen.

Die baskisch-spanischen Republikaner gründeten Mitte 1941 eine geheime Organisation zur gegenseitigen Hilfe, die bis zur Befreiung aktiv war und vielen Mitgefangenen das Leben rettete. Am 5. Mai 1945 wurde das KZ befreit. Nach einer Odyssee zu Fuß durch Österreich schaffte er es mit anderen Genossen, nach Paris zu gelangen, wo er von der französischen Regierung aufgenommen wurde. Marcelino lebte bis zu seinem Tode in Chatellerault, etwa 600 Kilometer von der baskischen Grenze entfernt.

(2021-01-24)

LANGE SCHATTEN

RÜCKBLICKE: (1977) In Madrid werden (14 Monate nach Francos Tod) fünf linke Anwälte in ihrer Kanzlei von einem ultrarechten Kommando erschossen. (1984) In New York wird der erste Apple MacIntosh Computer zum Kauf angeboten.

jan68x25... DES FOLTERVERDACHTS

Im Baskenland bezweifelt niemand, dass die Fälle von Folter seit dem Ende von ETA deutlich weniger geworden sind. Doch die Aufarbeitung der Folter stagniert – praktisch komplett. Nur der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte meldet sich gelegentlichzu Wort, was den Verantwortlichen bei den spanischen Sicherheits-Behörden eigentlich die Schamröte ins Gesicht treiben müsste. Aber man ist ja mit allen Wassern gewaschen.

Zur Folter gehören drei (hatten wir in einem vorherigen Beitrag beschrieben): die Praktiker, die Gerichtsmediziner und die Richter. Inzwischen zehn Mal hat sich der Europäische Gerichtshof die unzureichende spanische Justiz vorgenommen und sie wegen flagranter Mängel bei der Untersuchung von Folter-Vorwürfen gerügt. In sieben dieser zehn Fälle war der zuständige Richter ein gewisser Grande-Marlaska. Der sitzt heute im Innen-Ministerium und dirigiert Polizei und Guardia Civil – wie damals auch schon.

(2021-01-23)

NEUNZEHNHUNDERTFÜNFUNDNEUNZIG

RÜCKBLICKE: (1995) In Donostia (San Sebastián) wird kurz vor den Kommunalwahlen der PP-Politiker Gregorio Ordóñez von einem ETA-Kommando erschossen.

BEWEGUNG IN EUROPA

Europa-Abgeordnete verschiedener Länder haben in Brüssel eine Gruppe gegründet, die sich mit der Suche legaler Wege zum Erreichen der Selbstbestimmung von “Nationen ohne Staat“ in Europa schäftigen soll. Dazu wird festgestellt, dass verschiedene Gemeinschaften Europas Probleme erlebt haben beim Versuch der Revision ihres politischen Status, auf dem Weg demokratischer Entscheidungen. Katalonien zum Beispiel.

jan68x24Ziel der Gruppe ist es, eine Plattform zu bilden für “Nationen ohne Staat“ und “Nationen mit Territorial-Konflikten“. Um diese Probleme zu lösen soll in Europa zusammengearbeitet werden, zur Suche nach gemeinsamem Vorgehen. Die EU solle sich stärker einmischen, um demokratische Konflikte um die Selbstbestimmung zu schlichten, dort, wo lokale Streitprozesse zu keinem Ergebnis führen. Es soll nach Beispielen gesucht werden, wie in der Vergangenheit andernorts derartige Probleme bearbeitet wurden. Grundlage soll die Doktrin des Rechts auf Selbstbestimmung der Vereinten Nationen sein.

Tatsächlich existieren in Europa Gemeinschaften, die sehr unterschiedliche Anerkennung erfahren, die unterschiedliche Autonomie-Kompetenzen besitzen und unterschiedliche Zielsetzungen haben. Katalonien und Schottland wollen unabhängige Staat bilden, Schottland wurde dafür sogar ein Referendum zugestanden. Im Baskenland bemüht sich die Regierung derzeit um mehr Autonomie-Kompetenzen. Hingegen haben Gemeinschaften wie Korsika oder die Bretagne keinerlei regionale Rechte, weder in Hinsicht auf Eigenregierung noch bezüglich ihrer Sprachen. Genannt werden zudem Flandern und Irland.

Zu den Gründungsmitgliedern der Euro-Gruppe gehören Pernando Barrena (GUE/NGL - EH Bildu), Izaskun Bilbao (Renew – EAJ/PNV), Jordi Solé (Greens/EFA - ERC), Chris MacManus (GUE/NGL - Sinn Féin), François Alfonsi (Greens/EFA - Régions et Peuples Solidaires) und Toni Comín (NI - Junts per Catalunya). Das Gründungs-Manifest ebenfalls unterschrieben haben die bisher nicht anerkannten Europa-Abgeordneten Clara Ponsatí, Carles Puigdemont und Diana Riba.

(2021-01-22)

FREIGELASSEN

RÜCKBLICKE: (1972) Nach vier Tagen lässt ETA den in Abadiño entführten Industriellen Lorenzo Zabala frei. (1993) ETA tötet in Donostia den Gefängnis-Beamten José Ramón Dominguez auf dem Weg zur Arbeit. (2015) In Bolivien wird Evo Morales zum dritten Mal Präsident.

IÑIGO CABACAS

Der Tod des baskischen Fußballfans Iñigo Cabacas durch Polizeischüsse bleibt juristisch fast ohne Folgen. Der einzige Verurteilte spielt den schwarzen Peter. Zur Erinnerung: Am 4. April 2012 spielte Athletic in einem Europacup-Spiel gegen Schalke 04. Vor einer linken Kneipe wollte die Polizei Unruhe ausgemacht haben und schritt ein. Völlig unverhältnismäßig, wie sich später herausstellte. Iñigo Cabacas wurde aus nächster Nähe von einem Gummi-Geschoss getroffen, das ihm den Schädel zerschmetterte, vier Tage später war er tot. Die Darstellung der Polizei stellte sich als komplette Lüge heraus. Der Einsatz wurde befohlen gegen den Eindruck der vor Ort anwesenden Polizeikräfte, die keinen Grund zum Vorgehen sahen. Es folgte eine Serie von kleinen und große Skandalen.

jan68x23Sieben Jahre brauchte die baskische Justiz, um den Prozess zu starten. Die Polizei-Behörden hatten mit allen Mitteln versucht, einen Prozess unmöglich zu machen. Angeklagt waren sechs Polizisten, fünf einfache und ein Kolonnen-Führer. Es ging um den tödlichen Schuss. Die fünf wurden freigesprochen, weil sie zwar zugaben, geschossen zu haben, aber nicht festgestellt werden konnte, wer genau den Schuss abgegeben hatte. Der Kolonnen-Führer, der seinem Bürochef zuvor von einem Einsatz abgeraten hatte wurde verurteilt.

Das Urteil war wie die Ermittlungen: skandalös. Bei der Revision vor dem Obersten Spanischen Gericht, Supremo, wurde die Entscheidung der ersten Instanz nun bestätigt. Den Eltern des toten Fans bleibt somit nur noch die Europäische Justiz. Abgewiesen wurde gleichzeitig auch der Antrag des verurteilten Polizisten. Er muss nicht ins Gefängnis, weil nur zwei Jahre Strafe ausgesprochen wurden. Zudem ist er mittlerweile in Rente.

Die Eltern von Iñigo Cabacas zahlen die Prozesskosten, von Polizeimord zu sprechen, kann juristische Folgen haben. Doch wie sonst soll eine Aktion bezeichnet werden, bei der Polizisten entgegen allen Anweisungen aus wenigen Metern Entfernung und auf Kopfhöhe gezielte Schüsse abgeben? Ein Polizeimord mehr bleibt ohne Folgen.

(2021-01-21)

ARRIAGA, LIZARRA

RÜCKBLICKE: (1806) Geboren wird der bislang bekannteste Komponist Bilbaos, Juan Cristosomo Arriaga. (2000) Nach dem Scheitern des Lizarra-Paktes zur Befriedung des Baskenlandes begeht ETA ein tödliches Attentat gegen einen spanischen Militär.

jan68x23DER INNENMINISTER UND DIE FOLTER

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der spanischen Justiz Vertuschung von Folter zu bescheinigen hat erstens ein Nachspiel, zweitens eine pikante Note. Diejenigen, die vor elf Jahren in den Kellern der Guardia Civil heftige Misshandlungen erlebten, geben sich mit dem Straßburg-Urteil jedenfalls nicht zufrieden. Sie wollen Licht ins Dunkel der Keller bringen.

In den geheimen Verließen der paramilitärischen spanischen Polizei gibt es eine klare Rollenverteilung. Für die Festnahme und die “Behandlung“ in der Zeit der Kontaktsperre sind geschulte Polizisten zuständig, niemand sonst hat Zugang zu den Kerkern. Wenn die fünf Isolationstage ablaufen, werden die (geschundenen) Gefangenen einem Gerichtsmediziner vorgeführt. Der begutachtet, ob die vorgefundenen Verletzungen von Misshandlungen stammen (was in 99% der Fälle nicht geschieht), oder ob sie von “Selbstverletzungen“ herrühren (bevorzugte Version). Wenn Folter vorliegt, machen die Betroffenen an dieser Stelle in der Regel ihre erste Anzeige. Das heißt, diese “Mediziner“ wissen, wen oder was sie vor sich haben. Spielen das Spiel aber mit. Dritte Instanz sind die Untersuchungs-Richter, die den Bericht der Guardia Civil, die (unter Folter erzwungenen) Geständnisse und den Bericht der Gerichtsmediziner studieren und danach entscheiden, ob Haft angeordnet und Anklage erhoben wird.

Pikant an der aktuellen Geschichte aus Navarra ist die Tatsache, dass der damalige Untersuchungs-Richter heute das Innnen-Ministerium des spanischen Staates leitet. Man trifft sich eben immer zwei Mal im Leben.

Die Gefolterten von Barañain sind fürs Erste weit davon entfernt, dem Minister Vertuschung von Folter vorzuwerfen. Doch fordern sie von ihm, sich zum Thema zu äußern und deutlich zu machen, dass er von den Misshandlungen tatsächlich (wie aus seinem weiteren Handeln damals hervorgeht) nichts wusste oder ahnte. Falls nicht ...

(2021-01-20)

TOD IN SESTAO

RÜCKBLICKE: (1857) Geburt des späteren baskischen Unternehmers Ramón de la Sota y Llano, Gründer der Euskalduna-Werft im Zentrum Bilbaos (heute Guggenheim), Politiker, sowie Mitglied und Sponsor der Baskisch Nationalistischen Partei (PNV). Drei Jahre nach seinem Tod 1936 wurde er von den Franquisten wegen Inspiration zum Aufstand“ zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, was dem Regime erlaubte, den Besitz der Familie zu konfiszieren. (1973) Amilcar Cabral (*1924), anti-kolonialistischer Politiker, der für die Unabhängigkeit von Guinea-Bissau und den Kapverden von Portugal kämpfte, wird von portugiesischen Söldnern ermordet. (1975) In Sestao wird der aus dem Nachbarort Portugalete stammende Manuel Pérez Elexpe von der Guardia Civil ermordet, als er Flugblätter verteilt wegen eines Streiks in Navarra. (1980) In der Aldama-Bar von Alonsotegi, einem Treffpunkt gemäßigter baskischer Nationalisten, sterben vier Personen durch einen Bombenanschlag der terroristischen Gruppe GAE, die im Baskenland agiert, zehn Menschen werden verletzt.

jan68x22TOD IN ALONSOTEGI

Der Tod Francos war etwas mehr als vier Jahre her, überall im Staat gab es Arbeitskämpfe für eine neue Gesellschafts-Ordnung und für eine Amnestie der politischen Gefangenen. Doch die alte Garde saß – trotz Wiederzulassung von Parteien und Wahlen – fest im Sattel. In Vitoria-Gasteiz wurde 1976 ein Arbeiterstreik von der Polizei zusammen geschossen; in Madrid wurden 1978 Anwälte in ihrem Büro massakriert. Nicht nur die uniformierte Polizei war unterwegs in Sachen Repression, auch Todesschwadrone, die aus Polizisten, Söldners und Neonzais zusammengestellt waren.

Am 20. Januar 1980 war Alonsotegi, die Nachbarstadt Bilbaos an der Reihe. Vor einer Kneipe, die von baskischen Nationalisten frequentiert wurde, platze eine Bombe. Vier Personen kamen ums Leben. Die Ermittlungen wurden kurze Zeit später eingestellt, es bestand polizeilicherseits kein Interesse an Aufklärung. Wie in Dutzenden von vergleichbaren Fällen davor und danach. Von Demokratie und demokratischem Übergang konnte keine Rede sein. Bis heute ist die Bombe vor der Aldama-Bar ein kollektives Trauma für die Bevölkerung des Ortes, eine Trauma, das angesichts der Nichtaufklärung nicht bearbeitet und abgeschlossen werden kann.

(2021-01-19)

PRAGER FRÜHLING

RÜCKBLICKE: (1969) In Prag stirbt der Student Jan Palach drei Tage nach seiner Selbstverbrennung aus Protest gegen die Repression und Unterdrückung des “Prager Frühling“. (1883) In Frankreich stirbt Pierre-Joseph Proudhon, der zusammen mit Bakunin, Kropotkin und Malatesta zu den ideologischen Gründern des Anarchismus gehört. (1983) In Bolivien wird der Nazi und Kriegsverbrecher Klaus Barbie festgenommen.

SPANISCHER WINTER

Zum dritten Mal wurde der spanische Staat oder seine Justiz vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, Anzeigen wegen Folter “nicht umfassend und wirksam“ nachgegangen zu sein. Dem betroffenen Iñigo González Etayo aus Barañain (Navarra) wurden 20.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. “Niemand darf während eines Untersuchungs-Verfahrens der Folter oder unmenschlichen Behandlungen ausgesetzt werden“ – der EGMR hebt warnend den Finger. Und die verantwortlichen Polizisten in Spanien lachen sich einen Ast.

Iñigo González Etayo wurde im Januar 2011 von der Guardia Civil festgenommen, zusammen mit weiteren jungen Leuten. Der Vorwurf lautete: Mitgliedschaft in der illegalisierten Organisation Ekin, also lange nicht ETA. Alle Verhafteten klagten über Folter. Einer der damals Betroffenen ging sogar in die Geschichte ein. Er unterschrieb sein “Geständnis“ mit dem Wort “Aztnugal“, was rückwärts gelesen “Laguntza“ bedeutet: “Hilfe“. Weil er gefoltert worden war.

jan68x21Das Straßburger Gericht ließ keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage von Iñigo G.E.: “Er beschrieb genau und detailliert die Misshandlungen, die während der Kontaktsperre erlebt hatte und zur Anzeige brachte. Aber wie in hunderten von anderen Fällen üblich, wanderte die Anzeige schnell in den Papierkorb. Denn eine Krähe kratzt der anderen nicht die Augen aus – zwischen Polizei und Justiz ist man sich da einig in Madrid.

“Wenn es vernünftige Gründe gibt, die nahelegen, dass ein Fall von Folter vorliegt, ist es die Pflicht der zuständigen staatlichen Behörden, sofort unabhängige Untersuchungen anzustellen“, schreibt Europa. In Spanien ist das Gegenteil Praxis. Seit den 1960er Jahren und ohne Bruch zwischen Diktatur und Demokratie. “Vor allem unter den Bedingungen der Kontatsperre, ohne Berührung mit der Außenwelt“, müssten sich die Behörden um das Wohl der Verhafteten kümmern. Das ist Theorie und die hört sich immer gut an.

Weitere Ratschläge sind: die Qualität der Gutachten der Gerichtsmediziner zu verbessern. Doch hätten jene diesen Job niemals bekommen, wenn sie sich als unabhängig geoutet hätten. Zudem müsse ein klarer “Verhaltens-Kodex“ erstellt werden, an dem sich im Bunker alle zu halten hätten. Gut gemeint, Papier ist geduldig. Aber die Guardia Civil ist ein Staat im Staat. Mit eigenen Regeln, die im Franquismus definiert wurden.

In diesem Staat gibt es weiterhin Dutzende von Folterkellern, ob sie nun weiter benutzt werden oder nicht. Es gibt Dutzende oder Hunderte von Polizisten, denen nicht einfach mal “die Hand ausgerutscht ist“, sondern die im schmutzigen Handwerk fachgerecht geschult wurden. Eine Badewanne steht schließlich nicht zufällig im Polizeikeller.

Die spanische Rechte und ihre Polizeikräfte werden nicht müde, die Brutalität und Gemeinheit der “Terroristen“ zu brandmarken. Das macht, demokratisch gesehen, einen ungeheuren Eindruck. Vor der eigenen Tür haben sie nie gefegt. Nicht wenn es um die verschwundenen Basken geht, nicht wenn es um zu Tode Gefolterte geht, nicht wenn es um Personen geht, die durch Todesschwadrone aus dem Leben genommen wurden. In dieser Hinsicht hat die Aufarbeitung noch nicht einmal begonnen. Auch wenn Straßburg hin und wieder Schlaglichter setzt.

(2021-01-18)

EROBERUNG

RÜCKBLICKE: (1535) Der berüchtigte spanische Eroberer Francisco Pizarro gündet im späteren Peru die Stadt Lima. (1961) In Südafrika gründet der Freiheits-Kämpfer und spätere Nobelpreis-Träger Nelson Mandela den bewaffneten Arm des ANC mit dem Namen “Lanze der Nation“.

WIEDER-EROBERUNG

Eine Geschichte wie David gegen Goliath, oder moderner ausgedrückt: eine handvoll Eingeborene gegen international zusammengekaufte Millionäre. Geschichten, die der Fußball schreibt. Jene Droge, die auch gegen die Pandemie nicht hilft. Eigentlich ist der sogenannte Supercup nur eine jener Erfindungen von geldgeilen Sport-Funktionären, die die Spieler am liebsten alle zwei Tage ins Grüne schicken würden, um Reibach zu machen mit Fernseh-Geldern.

jan68x20Man muss sich das vorstellen. Der “spanische“ Supercup, ausgespielt von vier Teams, wurden vergangenes Jahr nach Saudi Arabien verkauft, Millionen Erdölgelder flossen nach Iberia und in diesem Jahr sollte das Spektakel unter Männeraugen wiederholt werden, teilnahmeberechtigt: Real, La Real, Barca und Athletic. Dazwischen kam ein Sachverhalt, der in Fachkreisen Coronavirus genannt wird und die Saudis den Schwanz einziehen ließ. Stattdessen war von Malaga und Sevilla die Rede.

97 von 100 Befragten sahen die beiden Großkopfeten des spanischen Fußballs im Finale, beide hatten schon einen Platz in der Trophäen-Sammlung freigeräumt. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man spielt. Schon im Halbfinale kam Barca nur mit Mühe und mit vielen Penaltys gegen wackere Donostiarras über die Runden. Die Kollegen aus dem hundert Kilometer entfernten Bilbo hingegen ließen – mit neuem Trainer, zugegeben – nicht so viel anbrennen. Der Gegner aus der Hauptstadt wurde verdient nach Hause geschickt, Arroganz zahlt sich nicht aus.

So kam es zum sechsten Finale von Barca gegen Athletic in zwanzig Jahren, die eine Art Abonnement auf Cup-Finale zu haben scheinen. Im Fußball verliert niemand gerne. Und wenn schon, dann – aus Sicht der Basken – gegen die Leidensgenossen aus Katalonien. Aber versuchen können wir es doch wenigstens, dachten sich die Wackeren aus Gernika, Portugalete, Ondarru, Zornotza und Murgia. Mit unlauteren Mitteln: der aus Gernika bließ die Trompete und brachte die Mauern von Barcelona zum Einsturz, ohne dass die Dauergewinner merkten wie ihnen geschah. Ein gewisser Welt-Fußballer teilte in der Verlängerung Maulschellen aus und ging vorzeitig in Rente. In Bilbao kannte die Freude keine Grenzen.

Oder doch. Eine Grenze war die Ausgangssperre um 20 Uhr, als sich das Match gerade relativ unentschieden anfangs der zweiten Halbzeit bewegte. Mancher Vorsichtige dachte sich schon in diesem Moment: Hoffentlich gewinnen die nicht, sonst wird die Nacht schlimmer als Silvester 1999. Kein Erbarmen mit niemand, wurde beim Auslandseinsatz in Sevilla in die Trompete geblasen. Athletic gewann seinen dritten Super-Cup in der Geschichte ... und Leichen pflasterten ihren Weg.

Vorhersehbar war der Adrenalinausstoß zu Hause. Wohin damit, wenn nicht auf die Straße und gegen alles, was in Uniform daher kommt. Denn um elf dürfen ja nur noch solche öffentlich in Erscheinung treten. Es ist zu befürchten, dass der Cupsieg der Rotweißen zu einem Highpoint in der Covid-Statistik führt, denn Masken und Abstand waren stellenweise Fremdwörter, frisch und fröhlich kam es zum Austausch von Körperflüssigkeiten. Ein Pokal mehr für die Vitrine.

(2021-01-17)

KONZENTRATIONSLAGER

RÜCKBLICKE: (1826) Der bislang bekannteste Komponist Bilbaos, Juan Cristosomo Ariaga, stirbt in Paris fast 20-jährig an Tuberkulose. (1961) Der erste Ministerpräsident nach der Unabhängigkeit des Kongo, der Sozialist Patrice Lumumba, wird in einer belgisch-amerikanischen Konspiration ermordet, nachdem er im Vorjahr über einen Militärputsch abgesetzt worden war. (1996) ETA entführt den Gefängnis-Beamten José Antonio Ortega Lara, der wird 532 Tage in einem unterirdischen Verließ in Arrasate-Mondragon gefangen gehalten, bevor ihn die Guardia Civil befreit. Ortega Lara wird später zum Gründungsmitglied der neofaschistischen Partei Vox.

DER KÖNIG IST TOT!

Es lebe der König! Klingt wie eine Geschichte aus der französischen Revolution. Ist es aber nicht, obwohl ... eine gewisse französische Beteiligung ist sicher nicht zu leugnen, auch wenn sich die Geschichte im tiefsten und gleichzeitig originärsten Baskenland abspielt: in der Hauptstadt des Königreichs Navarra, Pamplona, Baskisch Iruñea. Wenn auch nicht mehr als Hauptstadt des mittelalterlichen Königreichs, sondern als jene einer kolonisierten Region unter spanischer Fuchtel.

Französische Beteiligung? Über weiß der Teufel welche Erb-Wege kamen im 18. Jahrhundert die Borbonen auf den kastilischen Thron und sind dort bis heute. Zuletzt von Francos Gnaden. Korrupt, ungeliebt, Symbol von Dekandenz, Mittelalter, Militarismus und Franquismus.

jan68x19Da kam der Tag der “Hispanität“ (Hispanidad) für die Kritiker*innen in Navarra ganz gelegen, um mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Früher handelte es sich beim 12. Oktober (Kolumbus sieht Land ...) um den “Tag der Rasse“ – ja, ganz richtig gehört, dem Tag, an dem die Eroberung und Kolonisierung (nicht der Völkermord) Lateinamerikas gefeiert wird. Zum besseren Verständnis muss noch erklärt werden, dass in den USA kurz zuvor wieder einmal ein Schwarzer Zivilist von einem weißen Polizisten getötet und die Black Lives Matter-Bewegung mobilisiert wurde.

Der Unterschied zu vorigen Afrikanoziden war, dass der Funke nach Europa übersprang und in vielen Städten Denkmäler von Kolonisatoren, Rassisten und Völkermördern angegriffen und gestürzt wurden.

Nicht so im Baskenland, hier ging man etwas dezenter zu Werke. In Pamplona war eine Kundgebung gegen die “Völkermord-Feier“ angemeldet, sie wurde präsidiert von zwei überdimensionalen Figuren, die Kolumbus und den spanischen König darstellten. Im gegebenen Moment wurden die beiden Figuren mit Stricken darnieder gezogen. Beim Aufprall auf navarrischer Erde lösten sich die Köpfe von den Rümpfen – den Gesetzen der Physik folgend. Am nächsten Tag titelte die Presse, “der König wurde enthauptet“.

Das war zu viel für die katholische, nationale, monarchische, franquistische und borbonische Seele. Deshalb hat die Sache nun ein Nachspiel. Ein juristisches. Weil der König nicht nur König ist, sondern nebenbei auch noch eine Art Gott (im 21. Jahrundert, trotz Aufklärung und Ende der Lehensherrschaft), darf er nicht beleidigt, auf Papier verbrannt oder auch nur mit bösen Blicken beworfen werden. Orwells Schweine definierten die Demokratie ungefähr so: “Alle Tiere sind gleich, und manche sind gleicher als gleich“. Das trifft den spananischen Sachverhalt. Hier wird regiert ohne Wahlurne, hier herrscht Korruption wie in jeder Bananen-Republik, und wer das Maul aufmacht kommt auf den Scheiterhaufen.

(2021-01-16)

jan68x18KONZENTRATIONSLAGER

RÜCKBLICKE: (1920) In Alonsotegi wird Marcelino Bilbao geboren, nach dem Krieg von 1936 muss er flüchten und kommt in das Nazi-KZ von Mauthausen, wo er medizinische Experimente überlebt. * (1945) Der Kommunist Jesus Carrera Olaskoaga wird nach monatelanger Folter exekutiert, nachdem er 1943 von den Franquisten festgenommen wurde unter dem Vorwurf, Vertreter der illegalen Kommunistischen Partei zu sein. 2018 wird seine Leiche exhumiert und der Familie übergeben. * (2011) Drei linke baskische Parteien publizieren die gemeinsame Erklärung “Euskal Herria Eskerretik“ (Baskenland von links), darin wird die baskische Zukunft nach ETA skizziert.

VON OPFERN LEBEN

Im Jahr 1998 wurde im Küstenort Zarautz ein PP-Stadtrat von ETA getötet. Seither findet sich zum Jahrestag regelmäßig eine Delegation der Partei am Friedhof ein, um dort Blumen und spanische Symbole abzulegen. In diesem Jahr kam es zu einem unerwarteten Zwischenfall.

Der Sohn des Getöteten meldete sich über die Presse zu Wort, um seine Kritik an der fortdauernden Benutzung des Todes seines Vater durch die Postfranquisten zu äußern. Als er in der Zeitung die Fotos der PP-Trauerfeier sah, schrieb er: “Ganz richtig, Herr Casado, der Junge auf dem Foto, das bin ich. Ich wollte nur bemerken, dass euch die Feier am Todestag meines Vaters sehr gut gelungen ist. So gut, dass kein einziges Familienmitglied anwesend war. Macht nur weiter so mit den Familien der Opfer. Genial für euch. Hört doch endlich auf, von den Opfern zu leben, es ist an der Zeit, dass sich eure Politik an etwas anderem orientiert als an unseren Toten. Lasst meinen Vater in Ruhe.“

Die Geschichte ist alt. Viele Angehörige von ETA-Opfern haben sich in weit rechts stehenden Organisationen vereinigt, die sich untereinander nicht ausstehen können. Der Verband der Opfer der islamistischen Anschläge von Atocha 2004 wird verächtlich betrachtet, weil er sich nicht ultrarechts situiert, dessen Sprecherin (Mutter eines Atocha-Toten) wurde mehrfach übel angegangen. Aus Opfern politisches Kapital schlagen, über die Interessen und Ansichten der Angehörigen hinweg, das gehört zum Bild der spanischen Ultrarechten.

Im Baskenland ticken die meisten Uhren anders. Vor einer Woche fanden sich Tausende ein zur jährlichen Demonstration für die Rechte der politischen Gefangenen ein. Angeführt wurde der Marsch von zwei Frauen: Asun Lasa ist die Schwester eines Aktivisten, der von der Guardia Civil entführt, gefoltert und ermordet wurde; Rosa Rodero ist die Witwe eines baskischen Polizisten, der von ETA umgebracht worden war. In der spanischen Rechten will es keinem in den Kopf wie Frau Rodero “für die Terroristenfreunde“ auf die Straße gehen kann.

(2021-01-15)

ROSA UND KARL

RÜCKBLICKE: (1919) Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg (Kommunistische Partei) werden von Freikorps-Leuten ermordet. (2012) Tod des Franco-Ministers Manuel Fraga Iribarne, der auch nach dem Tod des Diktators wichtige politische Funktionen einnnahm. In den 60er Jahren Minister für Tourismus und Verkehr. Im März 1976 verantwortlich für den brutalen Polizeieinsatz gegen einen Streik von Arbeiter*innen in Gasteiz, bei dem fünf Menschen erschossen wurden. 20 Jahre Ministerpräsident der Region Galicien.

KOKAIN, ALL ROUND MY BRAIN

Die Geschichte vom Fußball als Opium fürs Volk ist ein altes Klischee, das heuer wieder einmal an der Oberfläche der Lebensrealität auftaucht. Wenn schon ... die Pandemie unaufhaltbar fortschreitet – wenn schon ... der Job flöten geht – wenn schon ... der Opa das Virus erwischt hat ... Umso wichtiger für die geschundene Seele, wenigstens einen Moment in Glücksgefühlen zu schwelgen. Wie sollten wir nur ohne Drogen diese Pantomime überstehen ... sorry, muss natürlich Pandemie heißen.

Eigentlich begann alles ganz nett. In der spanischen Liga gewannen die, die immer gewinnen; ins Pokalfinale kamen die, die immer verlieren: zwei baskische Teams. Die wollten den Titel (mitten während Corona) nicht ausspielen, weil sie darauf bestanden, dies nur mit ihren Fans zu tun. Was in Zeiten der Cholera selbstverständlich unmöglich ist – aber Basken sind eben Maximalisten. Das Finale ging auf eine Erd-Umlaufbahn und wird aktuell in Mondnähe vermutet.

jan68x17Anders dagegen das Supercup-Finale, eine jener medial-kapitalistischen Erfindungen, um dem Kicksport noch mehr Blut abzuzapfen. Aufgedunsen auf vier Teams, mit den Winners und den Loosers. Mitten im Januar war es so weit. Man verlegte die Geschichte ins trockene Andalusien, weil Madrid ins Iglo geigelt war. Für das Finale vorgesehen war das “Clasico“ zwischen Barcelona und Real Madrid – der größtmöglichen Einschaltquote wegen. Doch spielten die Basken – wie so häufig – das Spiel der Mächtigen nicht einfach mit.

Die Weißblauen aus Donostia trotzen den Katalanen ein Remis ab und gaben sich erst bei den Penaltys geschlagen. Und die Aufschneider aus der bizkainischen Hauptstadt – trotz, weil oder wegen eines neuen Trainers versuchten, die Weißen aus Madrid aufs Eis zu legen. Was gelang und nun erstens zu einer Trainer-Krise bei den “Königlichen“ und zweitens zu einem wiederholten baskisch-katalanischen Finale führt. Zum sechsten Mal in diesem (zugegeben kurzen) Jahrhundert stehen sich Athletic Bilbao und der große FC Barcelona in einem Finale gegenüber. Bisherige Bilanz: eins zu vier.

Wenn sich beim Finale am Sonntag die Tendenz ändern sollte (nicht einmal blinde Passagiere werden im Stadion Sevilla erwartet), werden die begeisterungsfähigen Massen in Bilbao vergessen, was SARS-CoV-2 ursprünglich zu bedeuten hatte und kein Halten mehr kennen. Und die baskische Pandemie wird einen unerwarteten Aufschwung nehmen. Lasst uns also besser verlieren. Um der Gesundheit Willen. (Dieser Sport ging mir schon immer am A…. vorbei ...)

(2021-01-14)

DIE ÄLTESTE DEMOKRATIE

RÜCKBLICKE: (2011) Historischer Tag für Tunesien und die arabische Welt: knapp einen Monat nach der Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi geht Präsident Ben Ali ins Exil. Fortan ist die Rede vom “Arabischen Frühling“, der Kriege, Flüchtlings-Bewegungen und Tyrannenstürze nach sich zieht.

RASSISMUS IM ERBGUT

“Die Gründungs-Väter der ersten modernen Demokratie der Welt waren alle Sklavenbesitzer“, schreibt der baskische Journalist Mikel Reparaz. "Das Land wurde aufgebaut auf der Ausbeutung dieser kostenlosen Arbeitskräfte, aus denen eine unterdrückte Minderheit wurde, die die Folgen bis heute zu erleiden hat.“ Mikel Reparaz ist Auslands-Korrespondent des öffentlichen baskischen Fernsehens EITB. Er war jahrelang in den USA und hat Interviews geführt mit Vertretern aller denkbaren politischen Richtungen. Diese Arbeit hat zur Herausgabe eines Buches geführt, mit dem Titel "Las grietas de Amerika“ (Die Risse Amerikas).

jan68x16Über den Erfolg dieses Buches ist er selbst überrascht, was wiederum wundert, bei der klaren und eingängigen Sprache mit der er die soziale Lage in den USA beschreibt. Viel zu klar eigentlich für einen Journalisten, von dem viele mehr Objektivität erwarten könnten. “In jenem Land findest du das Beste und das Übelste. Große gesellschaftliche und technologische Fortschritte einerseits, und gleich daneben hat die Diskriminierung eine ganz bestimmte Hautfarbe. Der Kampf dagegen hat nie Erfolg.“

Zu den Wahlen im Herbst wurde Mikel wieder in die USA geschickt. Seine Analyse trifft im Baskenland auf die von 95% des EITB-Publikums. Nur Faschisten stören sich daran, doch die schauen ohnehin nicht EITB. “Rassismus ist nicht legal, hält sich aber dominant. Das Ergebnis ist ein ideologisch gespaltener Staat“, sagt er und erinnert daran, dass die weiße Mehrheit den Minderheiten den Rücken zeigt, ohne Kommunikation und Empathie. “Rassismus gehört zum Erbgut der US-Demokratie.“ Gemeint ist natürlich das idelogische Erbgut.

Zu Hause im Baskenland ist Mikel Reparaz unterwegs, um das Buch vorzustellen. Dabei scheut er sich auch nicht vor einem linksradikalen Publikum oder kleinen Kulturcafes mit wenig Zulauf. “Wir sprechen von einem Land, das von Migrant*innen aufgebaut wurde. Außer den Schwarzen, die wurden mit Gewalt gebracht. Nun sind die Mittelamerikaner*innen zum Ziel vieler Debatten geworden.“ Mikel Reparaz` Buchvorstellungen sind politische Bildung, um mit den vielen Klischees und blinden Flecken zu den USA aufzuräumen.

(2021-01-13)

Q wie QANON

RÜCKBLICKE: (1916) In Yukatan findet der weltweit erste Feministische Kongress statt. (1977) Das Kernkraftwerk Gundremmingen erleidet einen Totalschaden. (1980) Die Partei Die Grünen wird gegründet. (1993) Erich Honnecker und Frau gehen ins Exil nach Chile. (1993) In Paris wird das Abkommen zum Verbot chemischer Waffen unterzeichnet. (1995) ETA tötet einen Polizisten. (2002) ETA zündet eine Bombe im Zentrum Bilbaos.

jan68x15DAS ROTE TELEFON

”Hillary Clinton ist die Chefin einer Mafia, die mit Kindern handelt, die in geheimen Zeremonien vergewaltigt und umgebracht werden und in die auch Papst Francisco verwickelt ist. Ein Bekannter von Hillary war 2007 persönlich an der Entführung von Madeleine McCann in Portugal beteiligt. Kim Jong-un wurde von der CIA als Staatschef in Nordkorea eingesetzt, um einen Krieg auszulösen. John McCain starb nicht an einem Hirntumor, sondern wurde exekutiert. Barack Obama ist ein islamistischer Terrorist und Angela Merkel ist Adolf Hitlers Enkelin.“

Kein Drehbuch für einen Science-Fiction-Film, sondern eine Reihe von “Wahrheiten“ der ultrarechten Gruppe QAnon in den USA, die seit drei Jahren die öffentliche Meinung im Land vergiftet und Falschmeldungen am Fließband produziert. Es handelt sich um Ultranationalisten, für die es den Coronavirus nicht gibt und die (im besten KKK-Stil) Schwarzen und Latinos in jeder Hinsicht überlegen sind. Viele der Capitol-Stürmer glauben an diese absurden Geschichten und sind zu allem bereit. So isoliert er politisch auch sein mag, der Chef dieser faschistischen Strömung sitzt im Weißen Haus und hat neben sich das “rote Telefon“, mit dem er einen Atomkrieg auslösen kann.

(2021-01-12)

HANDS UP!

RÜCKBLICKE: (1937) Die heutige spanische Koloniestadt Melilla (auf afrikanischem Boden) wird zum U-Boot-Hafen der Nazis. (1946) Die Vereinten Nationen (UNO) gründen in New York den Sicherheits-Rat. (1976) Der UN-Sicherheits-Rat erlaubt die Teilnahme der PLO an einer Sitzung. (1988) Alle baskischen Parteien außer Herri Batasuna vereinbaren den Ajuria-Enea-Pakt, der offiziell die baskische Autonomie stärken und ETA schwächen soll.

jan68x14DIEBSTAHL AM HELLICHTEN TAG

Tausende haben ihre informelle Arbeit verloren, Tausende ihre Arbeitsplätze, für viele reicht es nicht mehr zum täglichen Mittagessen. Tausende von Kollektiven haben ihre Grundlage verloren. Die staatlichen Zuschüsse kömmen spät oder gar nicht, viele können ihre Miete nicht mehr bezahlen oder die Stromrechnung. Und nun ...

Die Strompreise werden um 27% erhöht. Siebenundzwanzig Prozent! Fast ein Drittel! Begründung? Das Kalt-Wetter-Phänomen Philomena ist schuld. Kälte bedeutet mehr Energiebedarf. Die Erneuerbaren geben bei weniger Sonne weniger her, Gas ist teuer geworden, es muss auf Verbrennungsenergie zurückgegriffen werden, und die fossilen Brennstoffe sind teuer wie eh und je. Also hoch die Preise. Dabei gab es bereits im Dezember eine Erhöhung um 7%. Und während der vergangenen 19 Monate sanken die Kosten für Energie-Produktion langsam aber kontinuierlich – was sich jedoch nicht auf der privaten Stromrechnung bemerkbar machte.

“Ein Überfall mit vorgehaltener Waffe“ – sagen viele, und sie haben Recht. Niemand kontrolliert die Stromkonzerne, die – wie Iberdrola – weiterhin Milliarden-Gewinne machen. Trotz Pandemie und Philomena. Das Konsum-Ministerium prüft, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist und die Einkommensschwachen mobilisieren zum Protest. Ob daraus Widerstand wird, bleibt abzuwarten.

(2021-01-11)

EMBEDDED WAR REPORT

RÜCKBLICKE: (1565) Der im gipuzkoanischen Zumarraga geborene “Entdecker“ und Kolonisator Miguel Lopez de Legazpi erklärt die heutigen Marshall-Inseln zum Besitztum der kastilischen Krone, später wird er zum ersten Generalverwalter der Philippinen. * (1866) Im Golf von Bizkaia sinkt das britische Passagierschiff “London“, 220 Personen ertrinken. * (1913) Tibet wird unabhängig von China. * (1946) Enver Hodscha proklamiert die Albanische Volksrepublik. * (1956) Die USA bezeugen ihr starkes Interesse an einer baldmöglichen NATO-Mitgliedschaft des franquistischen Spanien. * (1989) Der ETA-Führer Josu Urrutikoetxea wird in Frankreich verhaftet. * (2002) Die ersten 20 Gefangenen treffen in der US-Haftanstalt Guantánamo (auf Kuba) ein.

ANARCHISTISCHE KRIEGSREPORTERIN

Cecilia wurde 1915 geboren, ihr Vater war Arbeiter und Anarchist, sie folgte ihm, kultivierte aber auch ihre literarische Ader. Mit 21 schrieb sie Kriegsberichte aus den baskischen Schützengräben, zu denen sie als CNT-Aktivistin Zugang hatte. Am 4. Janaur 1937 warfen Piloten der Legion Condor Bomben auf Bilbao und provozierten zweierlei. Erstens wurde eine Junkers abgeschossen und ein Pilot festgenommen; zweitens suchten die Bombenopfer Rache und stürmten mehrere Gefängnisse, in denen Faschisten oder Verdächtige eingesperrt waren. Am Ende standen mehr als 200 gelynchte Personen zu Buche.

jan68x13Als Journalistin mit Namen erhielt Cecilia von den baskischen Behörden die Erlaubnis, den gefangenen deutschen Piloten zu interviewen. Was er erzählte sollte Jahre später historische Dimension erlangen. Denn die Nazi-Mission der Legion war streng geheim, im Jahr 1937 durfte niemand wissen, was für Gräuel die Deutschen auf der Halbinsel begingen.

Der Krieg ging verloren für die Republik, Cecilia musste ebenso ins Exil wie die baskische Regierung. Die Legion Condor kehrte nach Berlin zurück, fünf Monate später starteten die Nazis den Sturm in den Osten, der den Zweiten Weltkrieg eröffnete. Weitere fünf Jahre danach (Cecilia war in Mexiko) standen sowjetische Panzer vor Berlin und Hitler beging Selbstmord. Es folgten die Nürnberger Prozesse.

Aguirre, der baskische Exilpräsident, erinnerte sich an Cecilias Interview und schickte eine Kopie an die verantwortlichen Nürnberg-Richter. Denn dort hatte sich auch der Nazi-General Hugo Sperrle zu verantworten, der Verantwortliche für die Legion im Spanien-Einsatz. Cecilias nicht besonders ergiebiges Interview wurde plötzlich zum Beweis der (verschwiegenen) Anwesenheit der Nazis im Spanienkrieg.

(2021-01-10)

STREIK ZU JAHRESBEGINN

RÜCKBLICKE: (1886) In Donostia wird José Gonzalo Zulaika geboren, späterer Priester, der unter dem Namen Aita Donostia (Vater Donostia) in die Geschichte der baskischen Musik einging, zudem war er Schriftsteller, er starb am 30. August 1956. * (1917) Die Frauen-Partei der USA beginnt mit Kundgebungen vor dem Weißen Haus mit der Forderung nach Frauen-Wahlrecht. * (1924) In San Sebastián/Gipuzkoa wird der Bildhauer Eduardo Chillida geboren, einer der bedeutendsten baskischen Künstler des 20.Jhs.

jan68x12FLUG- UND WAFFENTECHNIK

Im strukturschwachen Süden der baskischen Provinz Araba (Alava) beginnt das Jahr mit einem Streik. Vor Weihnachten hatte der Konzern AERNNOVA bevorstehende Entlassungen bekannt gegeben. Das Unternehmen produziert Flugtechnik, die zumindest zum Teil für Waffentechnik eingesetzt wird. Deshalb ist der Betrieb auf der schwarzen Liste der Kriegs- und Waffen-Gegner*innen der Provinz. Aber auch Arbeitplätze stehen auf dem Spiel.

Trotz Sonntag und sibirischer Kälte war im kleinen Ort Berantevilla Streiktag. Im Namen der Belegschaft, die zu 100% am Streik teilnahm, forderten die Gewerkschaften die Rücknahme aller Kündigungen. Ursprünglich sollten es mehr als 100 von 454 sein, ein Teil der Betroffenen akzeptierte Entschädigungen,ein weiterer Teil geht in Frührente, bleiben 55 auf der Entlassungsliste. Im Laufe des Januar wird es weitere neun Streiktage geben, die Produktion wird damit gestoppt. Bereits im Dezember kam es zu Streiks.

Die Situation wiederholt sich. Eine ganze Reihe von Unternehmen wollen einen Teil ihrer Belegschaft loswerden, wegen Krise und Absatz-Problemen. Im Jahr 2020 gab es viel Geld für die Zahlung von vorübergehendem Arbeitslosengeld. Aber mit Arbeitsplatz-Garantie. Nun ist Schicht, die Unternehmen wollen sich verkleinern und gleichzeitig rationalisieren, um zum gegebenen Zeitpunkt mit weniger Personal dieselbe Produktion einzufahren. Es wird nicht der letzte Streik 2021 sein.

(2021-01-09)

KURT UND SAKINE

RÜCKBLICKE: (1890) In Göteborg wird der deutsche Schriftstellers Kurt Tucholsky geboren, der ein Buch schreiben sollte über eine Reise durch das nördliche Baskenland: Das Pyrenäen-Tagebuch. * (2013) In Paris werden drei kurdische Frauen erschossen, darunter die PKK-Mitgründerin Sakine Cansiz.

DIE BALLADE VON DEN KURDINNEN IN PARIS

Es war einmal ein kurdisches Kulturzentrum in Paris – ein Dorn im Auge des türkischen Regimes. Über den Geheimdienst wurde ein Killer geschickt, der die drei anwesenden Frauen erschoss: Leyla Şaylemez, Fidan Doğan und Sakine Cansiz. Der Mörder wurde gefasst und starb wenige Tage vor dem Prozess unter ominösen Umständen. Wie es bei Geheimdienst-Fällen unter “befreundeten Staaten“ nicht unüblich ist, wurde der Fall unter den Teppich gekehrt und fand nie eine Aufklärung.

jan68x11Sakine Cansiz war ein Jahr zu vor in Bizkaia zu einer Rundreise mit Informations-Veranstaltungen in Portugalete und Bilbao. Trotz schlechter Übersetzung aus der türkischen Sprache vermittelte sie das Bild eines vorbildlich organisierten Kampfes für die Befreiung der kurdischen Völker aus der post-kolonialen Unterdrückung durch jene Staaten, die die kurdischen Territorien unter sich aufteilen: Irak, Iran, Syrien und die Türkei. Mit dem Denker Öcalan, trotz Inselhaft in vorderster Linie, ist die weitverzweigte Organisation der Kurdinnen und Kurden über den bloßen Wunsch nach einem eigenen Staat hinausgegangen und fordert die Demokratisierung der Besetzungs-Staaten und eine Föderation, in der kurdische Kräfte die Rolle spielen können, die ihnen zusteht.

Demokratischer Konföderalismus heißt das Konzept, das der us-amerikanische Anarchist Mooray Bookchin entwickelte und das Öcalan für die kurdische Befreiungs-Bewegung adaptierte. Sakine beschrieb den Charakter dieses Konzepts. Vor allem aber beschrieb sie die Organisierung von Frauen in eigenen Stukturen innerhalb des Kampfes, zivil wie militärisch.

Auch nach fast zehn Jahren ist der tiefe Eindruck, den sie bei ihrer Anwesenheit in Bizkaia vor allem unter Frauen hinterlassen hat, keine Spur verblasst. Die regelmäßige Erinnerung für sie und ihre toten Mitstreiterinnen an jedem 9. Januar in Bilbao ist ihr sicher. Agur eta ohore.

(2021-01-08)

KÄLTEWELLE

RÜCKBLICKE: (1811) In Louisiana, USA, kommt es zu einem Sklavenaufstand. 500 Aufständische ziehen Richutng New Orleans und zünden Zucker-Plantagen und-Fabriken an. Von Soldaten und Milizen wird die Rebellion niedergeschlagen, 95 Sklaven werden getötet. * (1937 ) Picasso beginnt im Auftrag der republikanischen Regierung Spaniens mit der Gestaltung eines Protest-Gemäldes für die Weltausstellung in Paris im selben Jahr. Während des Schaffens-Prozesses vernichtet die Luftwaffe der Nazis (Legion Condor) die baskische Stadt Gernika, was dazu führt, dass das Gemälde den Namen der Stadt bekommt: Guernica (spanisch). * (1996) Gescheitertes ETA-Attentat gegen den PNV-Politiker Juan Maria Atutxa.

FASCHISTEN IM KOPYSHOP

In Washington leckt man sich die Wunden und weiß keine Antwort auf die Frage, was gewesen wäre, wenn statt der bewaffneten ultrarechten Weißen genauso viele unbewaffnete Schwarze versucht hätten, über die Capitol-Zäune zu klettern. Ein Massaker vom Typ Vietnam ... Black Lives Matter ist auch im Baskenland gezwungen, Rechte von Nichtweißen zu verteidigen.

jan68x10Während der Brandstifter Trump zu kuschen versucht, um nicht eine gehörige Anzeige zu kriegen, wenn seine präsidiale Immunität abläuft, bleiben Hintergründe des Trumpismus unbeleuchtet. In einem sensationellen Beitrag hat der Blonde den Angriff auf die heiligen Hallen verurteilt, die er doch selbst veranlasst hat – vielleicht die größte aller Lügen, die er in den vergangenen Jahren in die Welt gesetzt hat. “Ich verurteile aufs Schärfste, was ich selbst angeordnet habe“ – so oder ähnlich.

TROMPETEN VON JERICHO

Was ist unter Trumpismus zu verstehen? Nicht einfach nur Populismus, sondern an Faschismus grenzende Kampagnen. Seit Wahlkampf-Beginn 2016. Eine rassistische Kampagne, voller Fake-News, ohne jegliche Moral, gespickt mit Schein-Argumenten, die sich vorher niemand zu äußern traute. Das Modell wurde exportiert, nach Brasil (Bolsonaro), Italia (Salvini) und auch nach Spain (Vox). Ein gewisser Steve Bannon schreibt sich das auf seine Erfolgsliste. Er war Trumps Wahlkampfleiter 2016.

Vox kopierte Trumps “America first” mit einem “Primero España“. Beide zeigten sich schamlos xenophobisch, der eine gegen die Mexikaner (“Verbrecher und Vergewaltiger“), die anderen gegen islamische Bevölkerung. Die Pläne ähneln sich: Trump wollte die Grenzzäune zu Mexiko verschärfen, Vox wollte in Ceuta eine Betonmauer bauen lassen. Beide Seiten griffen ein abstrakt-korruptes “politisches Establishment“ an, das “moralisch gesäubert“ werden müsse. Böcke, die zum Gärtner werden wollten.

Während Trump klagte, der Wahlsieg sei ihm geklaut worden, schimpfte Abascal-Vox nach dem Lockdown über den “Diebstahl der Demokratie“. Weder die einen noch die anderen wollten die Pandemie wahrhaben, weil ihre neoliberalen Produktions-Modelle bei der Ursachen-Analyse ganz schlecht wegkommen.

Erst nach den Bildern vom Capitol wollte die Partei des Basken Abascal nichts mehr von ihrem Vorbild wissen: nie habe man sich getroffen (Pressefotos sprechen eine andere Sparache). Um den Angriff in Washington zumindest zu relativieren, benutzte Vox den Vergleich mit 2016, als Podemos-Sympathisantinnen den spanischen Kongress friedlich umrunden wollten. Wer die wirkliche Geschichte nicht kennt, läuft Gefahr, auf den unsäglichen Vergleich voll hereinzufallen. Um die Strategie der spanischen Faschisten zu erkennen, lohnt sich ein Blick über den großen Teich.

(2021-01-07)

W-A-S-H-I-N-G-T-O-N

RÜCKBLICKE: (1528) Geburt der künftigen Königin von Navarra, Juana III. von Navarra (Tod 1572). * (1789) Erste Präsidentschafts-Wahlen in den USA, George Washingtion wird gewählt. * (1822) Der afrikanische Staat Liberia wird mit befreiten Sklaven aus den USA kolonisiert. * (1870) Volksaufstand in Haiti, der Präsident wird hingerichtet. * (1853) USA: Präsident Truman berichtet von der Entwicklung der Wasserstoff-Bombe. * (1959) Die USA erkennen die Revolutions-Regierung von Fidel Castro an. * (1965) In Kolumbien tritt die ELN-Guerrilla in Erscheinung.

PUTSCH-GESCHICHTEN

Nach dem Sturm auf den Regierungssitz in Washington reibt sich die “demokratische Welt“ die Augen. Wer hätte das erwartet! Aber mal ehrlich, ganz so unbekannt ist das Bild doch nicht, wenn wir unsere (zumindest baskische) Erinnerung aktivieren. Einige der gestrigen Szenen aus dem “Land der ersten (Sklaven)-Demokratie“ hatten Ähnlichkeit mit dem versuchten Militärputsch, der Euskal Herria und das erneuerungs-willige Spanien am 23. Februar 1981 aus den Träumen holte (abgesehen vom 18. Juli 1936 und seinen Folgen für das Baskenland).

jan68x8Ein Horde von Faschisten stürmt das Parlament. Mehrere Tote. Sprengkörper werden gefunden. Ausgangssperre verhängt. Verantwortlich? 1. Ein gewähler Präsident. 2. Ein Psychopath. 3. Ein Sexist und Narzisst. 4. Ein Multimilliardär. Oder alles zusammen. Was am 6. Januar in Washington geschah, darf getrost als Fanal in der Geschichte der “Demokratie“ verbucht werden. Faschisten hassen den Parlamentarismus wie das Coronavirus. Das gilt nicht nur für Massenmörder wie Hitler, Pinochet oder Franco, es gilt auch für Low-Level-Faschisten vom Typ Trump oder Bolsonaro.

Mittlerweile braucht es keine Militärputsche mehr, um faschistoide Regime zu etablieren, man bedient sich vielmehr der demokratisch-institutionellen-parlamentarischen Strukturen. Selbst Hitler wurde einstmals “demokratisch“ ins Amt befördert. Beim “demokratischen“ Land USA handelt es sich um jenes, das in der Geschichte die meisten Kriege, Interventionen und Putsche geplant, organisiert und durchgeführt hat (Monroe-Doktrin vom Hinterhof). In aller Herren Länder. Warum nicht auch mal zu Hause?

GESETZT DEN FALL ...

... bei den Tausenden von Demonstrant*innen in Washington hätte es sich nicht um gestandene Ultrarechte (oder warum nicht direkt Faschisten) gehandelt, sondern um Afro-Amerikaner*innen, die wegen des soundsovielten Polizeimordes an einem unschuldigen Schwarzen zum Parlament marschierten ... völlig undenkbar, dass jene angenommene Protest-Masse bis in die heiligen Hallen der US-amerikanischen Demokratie vorgestoßen wären. Auf den Stufen zum Eingang wären sie bei dem Versuch von Gewehrsalven durchsiebt worden.

Was den unzweifelhaften Schluss nahelegt, dass die anwesenden Sicherheitskräfte zumindest “gewisse Sympathien“ hegten für das auflaufende KKK-Pack, von dem sie dann überrollt wurden.

Noch während die von Trump mobilisierten “Säulen der Nation“ den Abgeordneten “Beine machten“, begannen westliche Medien, die dramatische Lage zu beschwichtigen und entschuldigen. Die “Sicherheitskräfte seien überrascht und überfordert gewesen“ – stellen wir uns nur vor, ein Jihad-Kommando wäre auf eine ähnliche Idee gekommen! “Die Polizisten mussten vorsichtig vorgehen, um nicht noch mehr zu provozieren“. All das hört sich nicht nach einer voll militarisierten und MG-bestückten Bevölkerung an. Dennoch wurde der Begriff “bürgerkriegsähnlich“ benutzt. Die linke deutsche Presse sprach peinlicherweise von “Rangeleien und Handgreiflichkeiten“ (mit Todesfolge).

jan68x9DEMOKRATIE UND FASCHISMUS

Zwei Konzepte, die sich annähern. Nicht, weil Demokraten zu Faschisten werden (Ausnahme Gonzalez), sondern weil die Faschisten gelernt haben, sich der demokratischen Strukturen zu bedienen. Bei den Wahlen zum EU-Parlament haben 100 Millionen ultrarechts gewählt. Alle vier Jahre ist die demokratische Welt froh, wenn in Frankreich ein satter Rechter gewählt wird und nicht faschistische Kandidatin. Ein spanischer Ex-Militär schwelgt ungestraft in Völkermord-Phantsasien und der “demokratische König“ als Oberbefehlshaber sagt kein Wort dazu. Eine Demokratie (in direktem Gespann mit ihrer Justiz), die für faschistischen Missbrauch nicht immun ist, ist keine. Sie ist nichts als ein Spielzeug für Le Pen, Abascal, UKIP-Farage oder die AfD.

Noch lassen sie sich wählen, deshalb die Frage: “Von was für Gestalten werden wir regiert?“ – und: “Wer wählt diese Monster?“ Trump hat gezeigt, dass er zu weit mehr als den “demokratischen Regeln“ bereit ist, wenn seine Art Faschismus an den Urnen keine Mehrheit mehr erhält. Nicht der erste, nicht der letzte.

Politische Bildung als Voraussetzung zur rationalen Stimmabgabe, oder einfach nur Bildung im Sinne von sozialem Bewusstsein, ist hier nicht gefragt. In den USA sind die Kreationisten auf dem Vormarsch, Evangelisten schon lange. Die spanischen Faschisten von 1936 haben zuerst eine ganze Generation von Lehrerinnen ud Lehrern ausgerottet. Sie wurden ersetzt von Denkverboten, Katholízismus, Guardia Civil, Mönche und Nonnen, und dem Pfaffen mit Falange-Ausweis. Ins baskische Parlament hat es bislang nur eine Faschistin geschafft – eine zu viel.

(2021-01-06)

ÜBERGANG IM ENERGIEBEREICH

RÜCKBLICKE: (1980) Zum ersten Mal nach dem Franquismus wird im Balda-Fronton von Donostia eine Bertso Txapelketa durchgeführt, die Meisterschaft der Bertsolari-Reimsänger, organisiert von Euskaltzaindia, der Akademie der baskischen Sprache. Gewinner wird Xabier Amuriza.

WINDENERGIE MIT RÜCKENWIND

Siemens ist als Konzern hinlänglich bekannt. Seit sich der Multi mit dem baskischen Windenergie-Unternehmen Gamesa zusammengetan hat, stehen die Zeichen für einen der weltweit größten Produzenten von Windgeneratoren auf Wachstum. Zu Beginn der Pandemie stand der Aktienpreis bei 12 Euro, im Dezember 2020 waren es 29,30 Euro. In Wirtschaftskreisen heißt es, der Doppelkonzern habe seinen Wert verdoppelt und wird auf 20 Milliarden veranschlagt. Die Liste der Aufträge liegt bei 30 Milliarden, allerdings war die Bilanz für 2019 negativ, mit einem Verlust von fast 1 Milliarde.

jan68x7Nun herrscht Rückenwind, alle sprechen von der Wende im Energiebereich, weg von den fossilen Rohstoffen und hin zu erneuerbaren Energien. Wind steht dabei an erster Stelle. Wo hohe Gewinne in Aussicht sind, stehen schnell Investoren an der Tür, um ihr übriges Geld gewinnbringend zum Einsatz zu bringen. Japanische (Mitsubishi) und chinesische Investoren (Shanghai Electric) sollen wegen Kauf des Konzerns angefragt haben. Doch der winkt ab. Derzeit ist Siemens-Gamesa Teil einer Holding mit Namen Siemens Energy, 37 % von deren Aktien kontrolliert Siemens.

Eine vielversprechende Zukunft. Die Milliardenflüsse aus der Europäischen Gemeinschaft stimmen ebenfalls positiv, Brüssel hat großes Interesse an einem Energiewechsel und heizt mit Subventionen in Forschung und Entwicklung das Geschäft an.

(2021-01-05)

SILVESTER-SPASS

RÜCKBLICKE: (1939) Die Fliegerin und Frauenrechtlerin Amelia Earhart aus Kansas, erste Frau die alleine Atlantik und Pazifik überquerte, wird offiziell für tot erklärt, nach dem sie bei einem Flugunfall 1937 verschwand. * (1968) In der ehemaligen Tschechoslowakei wird Alexander Dubcek zum Ministerpräsidenten gewählt, es beginnt der “Prager Frühling“, der mit einem sowjetischen Einmarsch blutig endet.

MASCHINENSTÜRMER

Wenn alle Entlassungen derart umfangreiche Konsequenzen hätten, wären Unternehmer wahrscheinlich ein wenig vorsichtiger. Ein 38-jähriger baskischer Arbeitnehmer gönnte sich kurz vor Silvester einen derben Spaß, den in Vitoria-Gasteiz (mit einem Schmunzeln) so schnell niemand vergessen wird.

Unser einfallsreicher Kollege ging nachts in die Firma in Legutiano, in der er gerade angestellt war und “entführte“ einen Bagger, einen ziemlich großen, wie sie für große Erdbewegungen benutzt werden. Mit dem fuhr er einundzwanzig Kilometer weit in die baskische Hauptstadt, geradewegs auf das riesige Werk von Daimler-Benz zu: seine ehemalige Arbeitsstelle. Warum er dort entlassen wurde, kam bislang nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Für den Weg ins Innere des Daimler-Geländes wählte er einen Zaun vor dem Parkplatz, den er vor den Augen des staunenden Wachmannes durchbrach.

jan68x6In der Folge bearbeitete er ein paar Dutzend dort geparkte neue Fahrzeuge der Viana-Klasse und machte sie mit seinem schweren Gerät schrottreif. Nicht genug, unser Freund kannte sich aus. Nun wandte er sich der Produktionshalle zu, in Richtung der letzten Montage-Bänder. Dort wurde er aus bislang unbekannten Gründen aufgehalten. Entweder war der Sprit zu Ende, oder die inzwischen alarmierte Polizei kam dazwischen.

Bilanz: 69 edle Autos kaputt, geschätzte zwei Millionen Euro Schaden, verletzt wurde niemand. Unvorstellbar, was gewesen wäre, wenn der Mann sein Ziel am Band erreicht hätte: wochenlanger Produktionsausfall (was für die Firmenleitung in Corona-Zeiten möglicherweise die allerbeste Ausrede für einen Produktions-Stopp gewesen wäre).

Für seine Maschinenstürmerei verbrachte der Einzelgänger mehrere Nächte im Gefängnis, bevor er wieder entlassen wurde. Das einzige, was fehlt in diesen virtuellen Zeiten: dass sein Abenteuer gefilmt und live in alle Welt übertragen wird. Viana-Leaks. Der Mann verdient einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde! Oder hat jemand jemals mehr neue Daimler-Bullis geschrottet?

(2021-01-04)

BASKISCHE FORSCHUNG

RÜCKBLICKE: (1937) Bilbao wird zum wiederholten Mal von der nazi-deutschen Legion Condor bombardiert. Bei der Bombardierung auf die Altstadt (Iturribide Straße) werden eine Kleinfabrik und ein Wohnhaus zerstört, zwei Piloten werden abgeschossen, einer wird direkt gelyncht. Die Empörung der Bevölkerung führt zum Sturm auf Gefängnisse, dabei werden 224 faschistische Gefangene gelyncht. * (1986) In Biarritz stirbt der Elektriker Robert Caplanne an den Folgen eines elf Tage vorher erfolgten Attentats der spanischen Todesschwadron-Gruppe GAL. Dabei wurde Caplanne mit einem mutmaßlichen ETA-Mitglied verwechselt.

jan68x5WINDENERGIE FÜR DEN PLANETEN MARS

Wenn wie geplant im Jahr 2030 auf dem Mars die erste bewohnte Station eingerichtet wird, könnte baskische Technologie dazu beitragen, für die notwendige Energie zu sorgen und die Roboter am Laufen zu halten. Denn angesichts der manchmal ein halbes Jahr andauernden Mars-Stürme fehlt den üblichen Solar-Plaketten die Quelle für den Energie-Nachschub. Deshalb wurde das baskische Technologie-Zentrum Tekniker von der Europäischen Raumfahrt-Behörde ESA beauftragt, für das HORACE-Projekt eine Anlage für Windenergie zu entwickeln. Für schlappe 175.000 Euro.

Im Januar gehts los und im Juni 2022 muss die Gerätschaft im dänischen Aarhus vorgestellt werden. Dort existiert der einzige entsprechend ausgerüstete Windtunnel, mit dem die baskische Spitzen-Technologie auf Herz und Nieren geprüft werden kann. Dann entscheidet sich, ob es auf die Reise geht oder nicht. Die Idee stammt von Tekniker selbst, man habe sich einen guten Startplatz im Raumfahrts-Rennen gesucht. Das bedeutet auch direkte Konkurrenz zur NASA. Sollte es klappen, würde dies auch dem Ruf der baskischen Spitzen-Technologie nützen, die in der staatlichen Liga ohnehin auf Platz eins steht.

(2021-01-03)

OPFER DER NAZIS

RÜCKBLICKE: (1924) Ulyana Matveevna Gromova wird in der sowjetischen Ukraine geboren. Nach der Nazi-Besetzung schließt sie sich einer Widerstands-Gruppe an, wird verhaftet und am 16. Januar von den Besatzern exekutiert, ihre Leiche wird in eine Minengrube geworfen.

SIMONE, RAVENSBRÜCK-ÜBERLEBENDE

Im Alter von 97 Jahren starb in Hendaia (frz: Hendaye) die Baskin Simone Chrisostome, eine der letzten Überlebenden der Konzentrationslager des Dritten Reiches. Wie ihr Vater war sie Kommunistin, als Grenzbeamter half er aus dem Süden kommenden Flüchtlingen vor dem Vormarsch der Franquisten. Simone schloss sich nach der Nazi-Besetzung der Resistance an, in der Folge wurde die Familie nach Angers verbannt. Sie wurde 1942 festgenommen, zuerst im Gefängnis Romainville festgehalten und später nach Nord-Deutschland ins Frauen-Konzentrazionslager Ravensbrück deportiert.

jan68x4Bei der Ankunft dort wurden alle Frauen von den Nazi-Wächterinnen geschlagen, mit Hunden bedroht und geschoren, Simone wurde ins Außenlager “Kommando Neubrandenburg“ gebracht, 50 Kilometer vom Hauptlager. Dort nahm sie den Spitznamen Monette an. Vier Jahre verbrachte sie in den Konzentrationslagern, ihre Lebensjahre 19 bis 23. Angesichts des sowjetischen Vormarschs versuchten die Nazis, die KZs zu leeren. 5.000 Gefangene mussten zu Fuß Richtung KZ Bergen Belsen gehen. Als sie am 30. April 1945 von sowjetischen Truppen befreit wurde, wog Simone noch 30 Kilo.

Zurück in Hendaia arbeitete sie als Krankenschwester und heiratete den Katalanen Luis Vilalta, der das KZ Mauthausen überlebt hatte. Zeit ihres Lebens wurde sie nicht müde, den Faschismus anzuklagen und von ihrer Zeit in den Konzentrationslagern zu erzählen. Erst 2019 erhielt sie die Verdienstmedaille ihrer Heimatstadt. Mit ihrem Tode verschwindet eine der letzten Stimmen, die aus eigener Erfahrung von der Vernichtungs-Strategie der Nazis berichten können.

(2021-01-02)

ENTLASSUNGEN ERWÜNSCHT

RÜCKBLICKE: (1492) In Granada ergibt sich der letzte Mauren-Sultan Boabdil kastilischen Offizieren. Die Reconquista ist vollendet und öffnet die Tür für koloniale Abenteuer (Kolumbus), die in einem millionenfachen Völkermord an Indigenen in Amerika und Afrika enden. * (1999) Juan Jose Ibarretxe wird zum dritten Lehendakari (baskischen Ministerpräsidenten) der Zeit nach Franco und zum fünften in der baskischen Geschichte gewählt. Die Wahlen vom 25.Oktober 1998 stehen im Zusammenhang mit einem von ETA erklärten Waffenstillstand und der Unterzeichnung des partei-übergreifenden Lizarra-Abkommens zur Überwindung des spanisch-baskischen Konflikts.

KÜNDIGUNGS-SCHUTZ ZURÜCKNEHMEN!

Der Präsident des Unternehmer-Verbands Bizkaia CEBEC hat die Zentralregierung aufgefordert, den sechs-monatigen Kündigungsschutz für temporäre Arbeitslose zurückzunehmen. Das sei eine schlechte Maßnahme zu Ungunsten der Unternehmen.

Wir erinnern uns: Um angesichts von Lockdown und produktiver Inaktivität Massenentlassungen zu vermeiden, beschloss die Regierung das ERTE-Programm. Es sah vor, dass durch die Pandemie zur vorläufigen Schließung gezwungene Unternehmen ihre Beschäftigten in eine zeitweise Arbeitslosigkeit schicken konnten, die nicht von deren Anwartschaftszeit abgezogen würde. Einzige Bedingung: nach ERTE-Ende müssen die Leute zumindest sechs Monate weiter beschäftigt werden. Von dieser Maßnahme profitierte Mercedes genauso wie der kleine Blumenladen mit einer Angestellten oder die Bar um die Ecke.

jan68x3Die Maßnahme kostete Miliarden, war aber gut durchdacht und hatte einen dreifachen Sinn: Entlassungen wurden vermieden, die Beschäftigten hatten ein minimales Auskommen und die Unternehmen wurden entlastet. Von den Kapitalisten kam kein Widerspruch, die einzigen, die Grund zur Beschwerde hatten, waren die Beschäftigten, denn die Zahlungen ließen teilweise drei und vier Monate auf sich warten.

“Manchmal sind Entlassungen notwendig“, zieht nun der CEBEC-Chef ein altbekanntes Argument aus dem Ärmel. “Notwendig, um sowohl das Unternehmen wie auch die übrigen Arbeitsplätze zu erhalten“. Das Argument riecht nach Spaltung. Die eine Person entlasssen um die andere weiter zu beschäftigen – und was “notwendig“ ist, entscheidet einer allein.

Unternehmer sind geschundene Erdbewohner. Sie zahlen Unmengen von Steuern und Sozialabgaben, immense Löhne, erleiden jede Krise an vorderster Front und dürfen nicht entlassen, wann sie wollen. Dazu müssen sie zufrieden sein, wenn sie nur zwei statt fünf Millionen Jahresgewinn machen. Ein Fall für die Menschenrechts-Kommission.

Die Schutzregelung mitten in der ERTE-Laufzeit zurückzunehmen, würde bedeuten, dass die Gelder ausgezahlt wurden und mit Ablauf der Zahlung die Arbeitslosigkeit beginnt. Doppelter Vorteil also – aber nur für eine Seite. CEBEC spricht von einer aktuell “großen Krise“ und meint damit die fallenden Verkäufe und Profite – von der Armut, die sich in den vergangenen acht Monaten drastisch verschärft hat, ist keine Rede. In Krisen seien Entlassungen notwendig: “Auch wenn es manchmal hart ist, so ist es doch nötig, um das Schiff zu retten. Ein Unternehmen leidet stark, wenn die Produktion nicht an den Absatz angeglichen werden kann.“

Besorgt zeigte sich der Unternehmer-Chef über das Brutto-Inlands-Produkt für 2021 und schielte dabei sogleich nach Brüssel. Man müsse schauen, “was für eine Wirkung die aus Europa kommenden Gelder auf die Unternehmen haben“. Auf die Unternehmen! Nicht auf die Gesellschaft, die Sozialpolitik, die Krisenbewältigung – auf die Unternehmen! Ganz plötzlich ist öffentliches Geld wieder willkommen, wie ERTE. Um gleich danach die rote Karte zu ziehen.

(2021-01-01)

IMMOBILIEN-PREISE STEIGEN

RÜCKBLICKE: (1959) Die Guerrilleros um Fidel Castro und Ernesto Che Guevara ziehen siegreich in Havanna ein, nachdem sie eine zahlenmäßig hoch überlegene und von den USA finanzierte Armee geschlagen haben. (1994) Aus dem mexikanischen Chiapas wird überraschend gemeldet, dass die Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung, EZLN, in der Südregion sieben Dörfer besetzt hat – Auslöser für eine internationale Solidaritäts-Bewegung. Am selben Tag tritt der NAFTA-Handelsvertrag zwischen USA, Mexiko und Kanada in Kraft.

NOCH NIE SO TEUER

Die Armut steigt, die Immobilienpreise in den drei Euskadi-Provinzen ebenfalls. Das besagt die regelmäßige Marktstudie eines Immobilien-Portals. Donostia bleibt die teuerste Stadt im Staat, Bilbao weist die höchste Steigerung auf, nur Gasteiz geht leicht gegen den Trend.

jan68x02Bilbao ist zu einer der attraktivsten Städte geworden, auch für Immobilien-Spekulation. Das macht sich auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar. Prozentual sind die Preise nirgendwo stärker angestiegen als hier. Eine 80-Quadratmeter-Wohnung (als Vergleichs-Element) kostete im November 2020 im Schnitt 267.000 Euro, das sind 6,61% mehr als 12 Monate zuvor. Und bedeutet eine Steigerung um 220 Euro pro QM. Eine Zahl, die vor dem Hintergrund der Pandemie gesehen werden muss, während der Zehntausende ihre Arbeit verloren haben, ihre Einkünfte, ihre Existenzgrundlage. Und womöglich ihre Wohnung, durch eine Zwangsräumung aufgrund von Zahlungsunfähigkeit.

Die QM-Preise in Bilbo sind sogar stärker gestiegen als in Madrid (94,6 Euro) und in Barcelona (4,5 Euro). Doch stellt die Hauptstadt von Gipuzkoa weiter alles andere in den Schatten: in Donostia / San Sebastián sind die QM seit Januar um 232 Euro teurer geworden, vom Betrag her wenig mehr als Bilbao, prozentual etwas weniger. Doch das reicht, um den Spitzenplatz als teuerste Immobilien-Stadt des Staates zu behalten: 5.140 Euro pro QM.
Den Gegenpol bilden die Euskadi-Hauptstadt Vitoria-Gasteiz und die Provinz Araba (Alava). In Gasteiz sank der QM-Schnitt um 18 Euro (0,74% auf 2.409 Euro). Für País Vasco / Euskadi generell verzeichnet die Studie für ältere Wohnungen 2.753 Euro pro QM, eine Steigerung um 2,13% (die fünft-höchste unter den spanischen Regionen). Was die absoluten Preise anbelangt wird aus dem fünften ein dritter Platz: Nach den Balearen (3.107 €/QM) und Madrid (2.766 €/QM) ist Euskadi die teuerste Region auf dem Wohnungsmarkt. Der spanische Gesamt-Schnitt liegt bei 1.725 €/QM und sinkt durchschnittlich 0,29% pro Monat. Dennoch ist im Jahresvergleich eine Steigerung von 1,13% zu beobachten.

“Spitzen-Steigerungen bei den Preisen gibt es derzeit nicht mehr, von einigen lokalen Ausnahmen abgesehen“, heißt es. Eine Prognose mag niemand abgeben. Weder zur Preisentwicklung, noch zu den künftigen Kaufgewohnheiten. Lediglich die Tendenz, dass viele aus der Stadt weg wollen und auf dem Land nach Immobilien suchen, als Ausdruck der Suche nach einem neuen und qualitativ besseren Lebensumfeld. Zu einer Verbilligung der Stadtpreise führt das nicht.

Die fatale Lage vieler Familien nach der Pandemie, die der Armut und sozialen Ausgrenzung jeden Tag näher rücken, führt die beschriebene Preisentwicklung unweigerlich zu einer Vertreibung aus den Stadtgebieten. Gemeint sind nicht die Zentren, in denen die Marginalisierten ohnehin keine Chance auf Wohnraum haben –Preise und Rassismsus verhindern dies.

Das Immobilien-Geschäft orientiert sich immer stärker an den bisher weniger gefragten Arbeiter-Vierteln, wo es noch viele billigere Objekte zu kaufen gibt. Nach einer Renovierung können diese teuer vermietet oder verkauft werden, die Gentrifizierung schreitet voran. Aus bislang verachteten Umfeldern werden (zusammen mit der Öffnung von Hipster-Kneipen und Kunst-Galerien) attraktive Wohngebiete. Arme und Migrant*innen können den Preiswettlauf nicht mitmachen. Eine längst überfällige und notwendige öffentliche Mietkontrolle gibt es nicht.

ABBILDUNGEN:

(2021-01-01) Spekulationsobjekt San Francisco

(2021-01-02) Rote Karte gegen Kündigungen

(2021-01-03) 

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-01-01)

 

 

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