Musikszene der 1970er und 1980er
Vor 70 Jahren, im März 1948, wurde Rory Gallagher im irischen Ballyshannon geboren. Er wurde zu einem der weltweit bekanntesten und beliebtesten Rock- und Bluesmusiker. Musikalisch war er vielseitig, spielte nicht nur Gitarre. Die ersten Erfolge gab es mit der Gruppe Taste. In Vergessenheit geraten ist, dass Rory Gallagher zwischen 1974 und 1986 insgesamt vier Mal im Baskenland gastierte. 1995 starb Gallagher mit 47 Jahren an den Folgen einer durch Alkoholkonsum verursachten Leberkrankheit.
Der weltbekannte irische Rock- und Bluesmusiker Rory Gallagher (1948 bis 1995) kam zwischen 1974 und 1986 vier Mal zu Konzerten ins Baskenland. Aus Anlass seines 70. Geburtstages wird an jene Konzerte erinnert, sowie an die postfranquistische Musikszene der 1970er Jahre.
In Ballyshannon, an der irischen Nordwest-Küste, nahe der Grenze zu Nordirland, steht heute eine lebensgroße Statue, die an William Rory Gallagher, den bekanntesten Bürger der 1.000 Personen zählenden Kleinstadt erinnert. Als er 1948 geboren wurde, war der Zweite Weltkrieg erst kürzlich vorbei. Der Vater spielte Akordeon in der Dorfkapelle, der Sohn ging auf seinen musikalischen Spuren, lernte eifrig Saxophon und Gitarre spielen, im Wesentlichen autodidaktisch. (1)
Mit acht Jahren begann er mit der Gitarre, dem Instrument, das sein Leben bestimmen sollte. Mit zwölf hatte er seine erste elektrische Gitarre und mit 15 Jahren war er bereits Profimusiker, der sich an Muddy Waters und Lonnie Donnegan orientierte. Fontana Show Band, seine erste Band, startete er 1963. Daraus wurde 1966 die bekannte Gruppe „Taste“, mit der er einige eindrucksvolle Studio-Schallplatten aufnahm: im Jahr 1969 „Taste“ und 1970 „On the boards“. Dazu kamen Live-LPs, in denen die wahre Seele des Rock-Trios zum Ausdruck kam: 1971 „Live Taste“ und „Live at the Isle of Wight“ im Jahr 1972.
In Euskal Herria
Rory Gallagher gehört zu jenen wenigen international bekannten Musikstars, die nicht nur ein oder zwei Mal im Baskenland zu Konzerten gastierten. Und das auch noch in einem relativ kurzen Zeitraum von 12 Jahren, konkret zwischen 1974 und 1986.
Nach Taste trat Gallagher ab 1970 mit neuer Band unter seinem Namen auf, zu jener Zeit war er bereits ein angesehener Gitarrist. „Fast alle folgenden Alben produzierte er selbst, die Arrangements wurden differenzierter. Ab 1972 vervollständigten Schlagzeug und Klavier die Band. Die Leser des Musik Express wählten ihn von 1971 bis 1973 in Folge zum beliebtesten Gitarristen. Geprägt war Gallaghers E-Gitarrenspiel-Stil durch ein Blues-Rock-Fundament, auch akustische Gitarre, Mandoline, Mundharmonika und Altsaxophon zeugten von Gallaghers irischem musikalischen Erbe“. (2)
Das erste baskische Konzert fand am 26. Mai 1974 in Donostia (San Sebastian) in der Mehrzwecksporthalle Anoeta statt. Als Vorgruppe eingeladen waren die jungen Rockmusiker der Gruppe Brakaman, die es in der Folgezeit auf drei Singles und eine LP brachten und die zu den Rock-Pionieren des Landes wurden. Der Zeitpunkt dieses Konzerts ist bemerkenswert, denn der Franquismus war noch an der Macht, dem Diktator Franco blieben noch 18 Monate bis zum Ableben. Moderne westliche Musik war in den national-katholischen Reihen nicht gerade gerne gesehen, sie galt als dekadent und unchristlich. Alle Kultur- und Musik-Veranstaltungen mussten durch die Zensur, dabei musste detailliert über Inhalt und Ablauf der Events informiert werden. Doch waren die Grenzen der Diktatur keine Grenzen, die die Jugend davon abhielt, die neue Popmusik zu kennen und zu schätzen. Die Scheiben, die in Donostia, Gasteiz oder Bilbao nicht verkauft werden durften, wurden eben hinter der Grenze in Hendaia (Hendaye) oder Baiona (Bayonne) besorgt. (1)
Gallaghers Anoeta-Konzert war insgesamt einer der ersten internationalen Auftritte, die im Franquismus nicht besonders häufig waren. Die neue Musikkultur wurde ablehnenswert. Dennoch hatte bereits zwei Monate vorher – am 29. März 1974 – im Ayala-Theater von Bilbao die holländische Rockgruppe Golden Earring gastiert und ihren neuen Hit „Radar Love“ vorgestellt. Einen Tag später sollten die Holländer in der Grenzstadt Irun zum Konzert auflaufen. Der Auftritt war ausverkauft, wurde jedoch kurzfristig abgesagt, offiziell wegen des schlechten Zustands der Bühne.
Weitere Gallagher-Konzerte
Schon ein Jahr danach kam Gallagher zurück nach Anoeta, an einem 8. Mai 1975, ebenfalls noch vor dem Tod des Faschistengenerals und Massenmörders Franco. Dass zwei Auftritte so kurz aufeinander folgten hatte seinen Grund darin, dass Gallagher mittlerweile bereits eine neue LP produziert hatte: somit konnte ein neues Programm präsentiert werden.
Vier Jahre später kam der irische Rock- und Bluesmusiker erneut nach Gipuzkoa, in diesem Fall nach Irun, um am 25. Februar 1979 in der dortigen Mehrzweck-Sporthalle Iranzu zu spielen. Es war das Jahr der ersten Kommunalwahlen nach der Diktatur; das Jahr, in dem die AKW-Gegnerin Gladys del Estal grundlos von der spanischen Polizei erschossen wurde; das Jahr des Referendums im Baskenland, bei dem es um das neue Autonomie-Statut ging. Der damalige Eintrittspreis für das Konzert lag bei 400 Peseten, umgerechnet ca. sieben Mark – das war für damalige Verhältnisse nicht ganz billig.
Diese drei Konzerte wurden einst organisiert von Josema Martinez, der in jener Epoche – zusammen mit Felipe Iguiñez – das Unternehmen JF Promociones Musicales führte, das im Musikzentrum Irun (Centro Musical Irunés) eine Vielzahl von Veranstaltungen durchführte. Martinez erinnert sich an ein denkwürdiges Treffen mit Gallagher nach dem Abendessen, das dem Konzert folgte. „Mit Gallagher war ich gut befreundet. Wenn ich nach London kam ging ich bei ihm zu Hause vorbei, um zu grüßen. Nach jenem Konzert im Iranzu gingen wir Essen. Es war nett, wir tranken unaufhörlich und waren betrunken. Er mehr als ich. Mit Mühe kamen wir ins Hotel Alcazar und hatten Probleme mit dem Aufzug. Es war so lustig, dass wir auf dem Boden lagen und lachten. Ich weiß nicht, wie das endete, ich glaube jemand kam uns zur Hilfe“. (1)
Die baskische Musikszene
In den 1960er Jahren spielte Martinez bei der Gruppe Los Cunix aus Irun. Auch zum ersten Konzert in Anoeta 1974 hat er Geschichten zu erzählen. „Das Konzert begann mit 15 Minuten Verspätung. Danach erlebten wir eine Gallagher-Vorstellung von mehr als zweieinhalb Stunden. Er spielte auf seiner geliebten und abgewrackten Fender Stratocaster. Sein Bruder Donald erzählte, jenes Instrument sei das erste Exemplar gewesen, das aus den USA nach Irland gekommen war“. Donald verwaltet heute die Autorenrechte von Rory, er hat nie geheiratet und hat keine Kinder.
„Rorys Amp war ein kleiner Vox AC-30 Röhren-Verstärker aus den frühen 1960er Jahren. Den und die Gitarre benutzte er sowohl auf der Bühne wie im Studio. Bis zu seinem frühen Tod reiste er damit durch alle fünf Kontinente. Rory Gallagher war eine einfache Persönlichkeit, sowohl beim Konzert wie auch im privaten Umgang. Dazu passte seine übliche schlichte Aufmachung: Holzfällerhemd, Lederjacke, Jeans und Turnschuhe. Die Klamotten entsprachen seinem Charakter. Er sprach wenig, war immer ziemlich bescheiden – das krasse Gegenteil von einem Medienstar. Obwohl er alle Größen des Rock der 1970er und 1980er gekannt hatte“.
Josema Martinez organisierte in den 1970er und Anfang der 1980er Jahre mehr als 30 Konzerte mit bedeutenden Namen. Deshalb ist es schwer vorstellbar, wie das Unternehmen mit diesen attraktiven, hochaktuellen und guten Projekten am Ende Pleite ging. Eine Erklärung könnte sein, dass Martinez gleichzeitig Musiker und Fan war, bei dieser Konstellation geschieht es leicht, dass die Leidenschaft über dem nüchternen Kalkül steht. JF Promociones Musicales brachte im Laufe seiner Existenz eine lange Reihe von bekannten Gruppen auf die Bühne: Status Quo, John Mayall, Jack Bruce (mit Cream), Mick Taylor (nachdem er die Rolling Stones verlassen hatte), Genesis (im besten Moment der Gruppe), Johnny Rivers, Wishbone Ash, Whitesnake, Manfred Mann, Soft Machine, Pretty Things … sogar Leute wie ACDC, in diesem Fall zusammen mit Santi Ugarte, der die letzten großen Konzerte organisierte. Auch die Scorpions waren dabei – eine beeindruckende Sammlung von Namen, die in der Geschichte der Popmusik große Kapitel schrieben.
Santi Ugarte arbeitete damals schon nicht mehr unter dem Namen Tiburón Concert (Haifisch Konzert), einem der ersten großen Veranstaltungs-Unternehmen. Sein Ehrgeiz führte ihn aus ähnlichen Gründen zum Bankrott: die Mischung aus Geld und Leidenschaft. Bei Tiburón Concerts sammelte Iñigo Argomaniz hingegen seine ersten Erfahrungen, er gründete Get In, ein Unternehmen, das wirtschaftlich gesehen seriöser und erfolgreicher war.
Rorys letztes Konzert
Zurück zu Rory Gallagher. Der letzte Besuch des irischen Musikers stand noch aus. Am 13. Juli 1986 – mitten in der schlimmsten Zeit der harten Drogen, die im Baskenland eine halbe Generation auslöschten – sollte er Euskal Herria ein letztes Mal besuchen. Im Jahr des Tschernobyl-Unfalls; als in Algier die Verhandlungen zwischen ETA und der spanischen Regierung aufgenommen wurden; und als im Baskenland Regionalwahlen stattfanden. Aufwärmgruppe für das Gallagher-Konzert war die Bilbao-Gruppe „Los Santos“, die sich jedoch als falsche Wahl entpuppte. Jenes Konzert fand in der Santi-Brouard-Sporthalle von Lekeitio statt, es war ausverkauft. Erneut wurde es organisiert von Santi Ugarte, der seinerzeit internationale musikalische Gäste einlud bis er kein Geld mehr hatte. Der Eintritt in Lekeitio belief sich mittlerweile auf 1.000 bis 1.300 Peseten, umgerechnet fünfzehn bis zwanzig Mark.
Gallaghers trauriges Ende
Mit 47 Jahren starb Rory Gallagher an einer Leberkrankheit. Kein übliches Alter für einen Tod. Doch Kolleg*innen wie Janis Joplin, Jim Morrison oder Jimi Hendrix hatten schon lange zuvor Lektionen in Sachen Umgang mit Drogen erteilt. Bei Gallagher waren es nicht die „modernen“ Drugs, die sein Ende beschleunigten. Bei ihm war es der alte Gevatter Alkohol. Rory hatte Flugangst, die er – um seine riesigen Touren durch die Kontinente durchführen zu können – mit Alkohol und Betäubungsmitteln bekämpfte. 1995 brauchte er dringend eine Organ-Transplantation. Nach Wochen intensiver Betreuung starb er am 14. Juni.
Die Legende
Die Times beschrieb das Gitarrenspiel Gallaghers 1973 so: „Er ist einer der wenigen Gitarristen, den man nach Sekunden erkennt, so individuell ist sein Stil. Er sagt, das sei Zufall gewesen und habe mit seiner Stratocaster-Gitarre zu tun, einem geschundenen Gegenstand, den er seit fast 10 Jahren besitzt. Sie erzeugt einen Klang, der während eines Gallagher-Auftritts mit hoher Geschwindigkeit heult und ansteigt – ein Verschmelzen von Obertönen, die er durch das Halten des Plektrums in einem bestimmten Winkel zwischen Daumen und Finger erzeugt. Das führt zu einem chronischen Abrieb des Fingernagels.“ (3)
Neuauflage Rory Gallagher
Zu Gallaghers 70. Geburtstag wird von einer multinationalen Plattenfirma, die sich in der Zwischenzeit alle Rechte gesichert hat, eine Serie von Gallagher-Scheiben neu aufgelegt: BBC Sessions (Doppel-CD Konzert und Studio) / Irish Tour ’74 / Against the Grain / Calling Card / Defender / Deuce / Fresh Evidence / Jinx / Live! In Europe / Photo Finish / Rory Gallagher / Tattoo / Top Priority / Wheels Within Wheels. (1)
(Publikation Baskultur.info 2018-10-25)
ANMERKUNGEN:
(1) Artikel „Rory Gallagher, un irlandés conectado con Euskal Herria” (Rory Gallagher, ein Ire mit Bezug zum Baskenland), Pablo Cabeza, Tageszeitung Gara 2018-08-15
(2) Rory Gallagher, Wikipedia (Link)
(3) Michael Wale: Rory Gallagher: the man from West Cork. In der Times vom 22. März 1973
ABBILDUNGEN
(1) Rory Gallagher (naiz)
(2) Gallagher Konzert (naiz)
(3) Taste (uncut)
(4) Rory Gallagher (discogs.com)
(5) Gallagher Konzert (naiz)
(6) Rory Gallagher (RTE)
(7) Rory Gallagher (thoughtco)