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4. Ausgabe des Azken-Muga-Festivals

Das Kunst- und Kultur-Festival AZKEN MUGA 2019 – Letzte Grenze, Última Frontera – nimmt in seinem vierten Jahr konkrete Formen an. Um keine Langeweile aufkommen zu lassen auf dem Zarate-Pass zwischen Bedaio in Gipuzkoa und Azkarate in Navarra, haben die Organisatorinnen neue Aktivitäten geplant. Einer der Höhepunkte ist die Wiederbelebung der traditionellen Holzkohle-Produktion in einem großen Holzmeiler, der eine Woche lang brennen und schwelen wird, um schließlich eine Tonne Holzkohle zu liefern.

AZKEN MUGA, das Kunst- und Kultur-Festival an der Grenze zwischen Gipuzkoa und Navarra bietet in seiner 4. Ausgabe neue Aktivitäten. Neben Tanz, Konzerten, Ausstellungen und Skulpturen auf einer entlegenen Bergwiese gibt es in diesem Jahr auch Steinheber und einen Käse-Wettbewerb. Dazu wird die Tradition der Holzkohle-Herstellung wiederbelebt.

am19bDie Organisatorinnen des Festivals AZKEN MUGA (Letzte Grenze) haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, ihr Programm nicht einfach jedes Jahr zu wiederholen. Stattdessen sollen immer wieder neue Aktivitäten eingebaut werden. Die vielfältige baskische Landkultur der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte erleichtert dieses Vorhaben, immer wieder neue alte Geschichten ans Tageslicht zu holen und einem interessierten Publikum vorzuführen.

Einzigartig

In der vielfältigen Landschaft von kulturellen und künstlerischen Aktivitäten, die das Baskenland jedes Jahr zu bieten hat, nimmt AZKEN MUGA einen besonderen Platz ein. Nicht unbedingt wegen seiner Auswahl an Angeboten, sondern wegen des Ortes, an dem alles stattfindet. Kunst und Kultur sind Elemente, die üblicherweise in größeren Orten präsentiert werden, wo ein großes städtisches Publikum anzutreffen ist. Dies läuft der Tatsache entgegen, dass die baskische Kultur vom Land geprägt ist, von alten Traditionen, die mitunter mühevoll erhalten wurden.

Erinnerung an Geschichte und Tradition

Wie zum Beispiel der sogenannte Landsport. Damit gemeint sind ehemalige Berufe aus der Landwirtschaft, aber auch aus der Industriegeschichte, die ausgestorben sind, oder besser gesagt: die der industriellen Mechanisierung weichen mussten. Steinestecher, Strohballenheber, Holzfäller, Sensenleute – es vergeht keine Fiesta im Baskenland, bei der solche Vorführungen oder Wettbewerbe fehlen. Dabei geht es nicht um Nostalgie oder um “die guten alten Zeiten“. Vielmehr geht es darum, an die kulturellen Wurzeln zu erinnern und – vor allem den nachwachsenden Generationen – deutlich zu machen, wie ihre Großeltern und Eltern gelebt und gearbeitet haben: auf dem Bauernhof, in der Fabrik oder in den Bergwerken. Zurückgeblickt wird auch, welche Kriege oder Emigrationen die Vorfahren erlebt und erlitten haben.

Letzte Grenze

Um diese Art von kultureller und historischer Erinnerung geht es bei AZKEN MUGA. Das von Juli bis September dauernde Festival lässt das urbane Ambiente hinter sich und setzt seine Akzente in einem scheinbar abgeschiedenen Tal, in einem kleinen Ort mit knapp 30 Häusern und weniger als 100 Bewohner*innen unterhalb des Balerdi-Berges. Nicht alle Mobiltelefone haben hier eine Deckung, dafür wird zu 90% Euskara gesprochen, Internet ist ein Luxus und wird im Tal kostenlos in den Kneipen angeboten. Der Zugang zu den AZKEN-MUGA-Aktivitäten geht über die 3-Kilometer-Steigung nach Azkarate und einem 1,4 Kilometer langen Fußmarsch zum Aktionsgelände.

am19cWer das hinter sich bringt, hat es verdient, baskische Kultur hautnah und ohne die sonst üblichen Massen zu erleben, in einem Ambiente, das nur schwer zu übertreffen ist: mit Skulpturen bepflanzte Wiesen, ein offener Buchenwald, eine kleine Steinhütte für Ausstellungen. Das alles am Fuße eines beeindruckenden Berges, umrahmt von den Geräuschen der Natur – oder den Gesängen von Bertsolaris, von Jazzmusikern oder von den Sägegeräuschen des Landsports. Mitunter finden sich hier mehrere Hundert Personen ein, um an den Aktivitäten aktiv teilzunehmen.

AZKEN MUGA ist ein Kontrapunkt, der rote Punkt in der Kulturlandschaft, eine Kritik an der urbanen Hast, die Flucht aus den Museen und Kulturzentren, die Weigerung, für Kunst und Kultur Eintritt zu kassieren, antagonistisch, nichtkommerziell.

2019-Programm

Im Mittelpunkt von AZKEN MUGA stehen natürlich wieder die Skulpturen von Zarate, verteilt zwischen den Buchen und Wiesen. Sie zieren die Landschaft, auch wenn keine konkreten Aktivitäten laufen, sicher zur Überraschung einsamer Wanderer*innen. Verantwortlich für die Kunst im Gelände zeichnet eine neue Gruppe von Künstlerinnen, die in diesem Jahr einen ausgeprägt internationalen Anstrich hat: Argentinien, Katalonien, Deutschland, Mexiko, England, Iparralde sind vertreten. Ende Juli kommen die Kreativen nach Azkarate ins Basislager (ein angemietetes Bauernhaus), um oben ihre Werke aufzustellen oder sie direkt auf dem Berg zu kreieren. Ebenfalls untypisch für die Kunstszene ist, dass die in Zarate zu findenden Werke eine Verfallszeit haben. Jene, die aus Naturstoffen hergestellt sind, überdauern gerade mal Sommer und Herbst, bevor sie vermodern, Plastik leidet unter der Witterung und wird im Oktober aus ökologischen Gründen entfernt. Was aus vergangenen Jahren geblieben ist: der Gigantenstuhl aus dem ersten AZKEN-MUGA-Jahr, der Umarmungs-Stamm oder der eiserne Vogel aus dem zweiten.

Festival-Symbol

Wie jedes Jahr hat AZKEN MUGA ein auffallendes und aussagekräftiges Symbol als Blickfang. 2016 war es ein überdimensionaler Stuhl von sieben Metern Höhe (der mit LKW zur Pressekonferenz ins 70 Kilometer entfernte Pamplona transportiert wurde). 2017 war es ein Heuhaufen von 5 Metern, 2018 kam eine riesige Hand ins Spiel. In diesem Jahr wird es eine Widderfigur sein, die den Aktivitäten vorsteht, erneut unübersehbar groß. Ein schwarzer Widder wird es sein, bzw. ein schwarzer Bock: ein “mutur beltz“, was übersetzt “schwarzer Kopf“ oder “schwarze Schnauze“ bedeutet. In einfacher Übersetzung könnte es sich auch um das sprichwörtliche “schwarze Schaf“ handeln, das in der heutigen Viehwirtschaft immer seltener wird.

am19dNeue Programmpunkte

Im Programm 2019 vorgesehen sind auch wieder Konzerte, Tanz, Bertsolaris und Volksessen. Daneben gibt es Ausstelllungen in der kleinen Bergbaracke, Vorträge, Landsport und Filmvorführungen. Und es gibt eine Reihe von Neuerungen. Die erste besteht im Aufruf an alle Interessierten, den Weg von Azkarate zum Zarate-Pass mit fantasievollen Vogelscheuchen zu bevölkern (bask: txorimalo, span: espantapajaros) – Kunst sollte kein Privileg von Profis sein, sondern eine demokratische Ausdrucksform von vielen. Bleibt abzuwarten, wie viele dem Aufruf folgen, um sich künstlerisch zu verausgaben.

Holzkohle

Das erste historisch-kulturelle Highlight ist bereits in Arbeit. Dabei handelt sich um einen Holzberg oder Kohlenmeiler, bei dem Buchenholz langsam verbrannt (oder verschwelt) wird, im Inneren entsteht in einem einwöchigen Prozess Holzkohle. Bis in die 1950er Jahre war diese Technik in Wäldern und ländlichen Gebieten weit verbreitet, Köhler hieß der Beruf, der für den wertvollen Brennstoff sorgte. Die Köhlerei ist eine der ältesten Handwerkstechniken der Menschheit.

Zum Bau von Kohlenmeilern wurden die Eichen oder Buchen nicht etwa gefällt, vielmehr wurden in drei Meter Höhe armdicke Äste herausgeschnitten, der Baum blieb erhalten. Bis heute ist vielen Eichen und Buchen an ihrer Wuchsform noch anzusehen, dass sie einst für die Carboneros (spanisch) oder Txondorrak (baskisch) genutzt wurden. (1)

Die Vorbereitung für den diesjährigen Kohlenmeiler – Txondorra – begannen bereits vor der Eröffnung des Festivals. Ein Forstwart brachte Buchenholz, das in verwertbare Teile von 80 Zentimetern gesägt wurde. Nächster Schritt war das Ausheben einer kleinen Rasenfläche und der Bau des Holzberges. Dazu kam einer der letzten Spezialisten dieser Branche, aus Navarra. Er baute den Holzhügel fachgerecht auf, letzter Schritt war die Bedeckung des Berges mit Erde und Laub, um dem Meiler den Sauerstoff zu nehmen und die Verbrennung weitgehend zu reduzieren. Erst am Eröffnungstag sollte der Meiler dann angezündet werden. Danach werden die Organisatoren von AZKEN MUGA eine Woche lang die Nächte auf dem Berg verbringen, um über den Schwelprozess zu wachen. Um den Anschauungseffekt zu erreichen reicht ein eher kleiner Kohlenmeiler, der dennoch ca. 1.000 Kilo Holzkohle liefern soll.

Steine heben – Gedichte schreiben

Iñaki Perurena ist im Baskenland eine weithin berühmte und geschätzte Persönlichkeit. Die Bekanntheit geht zurück auf seine Tätigkeit als Steineheber – ebenfalls ein ausgestorbener Beruf, der vor allem in den Bergwerken und Steinbrüchen ausgeübt wurde. Heute ist es ein Vorführ-oder Wettbewerbssport. Perurena geht es nicht einfach um das Heben der schweren Brocken, für ihn ist es eine Lebenshaltung, die er bei AZKEN MUGA über einen Workshop vermitteln wird. Neben der scheinbar grobschlächtigen Tätigkeit als Steinheber ist Perurena auch bekannt aus dem Fernsehen, als Schauspieler und als Gedichteschreiber. Als er vom Charakter des AM-Festivals erfuhr, sagte er seine Teilnahme sofort begeistert zu.

Käsekultur

Wo es Ziegen und Schafe gibt, lässt eine ausgeprägte Käsekultur nicht lange auf sich warten. Interessanterweise werden nicht überall dieselben Käsearten produziert, jede Region hat ihre eigene Geschichte und Produktionsweise. Bei vielen Fiestas werden Käsewettbewerbe organisiert, deren Sieger beachtliche Preisgelder mitnehmen. Denn bekannte Restaurants haben es sich zur Gewohnheit gemacht, den etwas mehr als ein Kilo schweren Käse zu kaufen, oder die Hälfte, zum stattlichen Preis von bis zu 6.000 Euro. In der Folge wird der Siegerkäse in der Edelgastronomie als Nachtisch gereicht.

In die Sterneküchen oder Michelin-Restaurants werden es die Käsesorten, die bei AZKEN MUGA präsentiert werden, sicher nicht schaffen. Auch hier steht der didaktische Wert im Vordergrund. Dafür wurde ein Spezialist eingeladen, der üblicherweise die großen Wettbewerbe organisiert. Er wird sein Wissen dem anwesenden Publikum preisgeben.

am19eWeitere Programmpunkte

Die Aktivitäten von AZKEN MUGA konzentrieren sich auf die Wochenenden, vor allem Freitag und Samstag. Es wird Filmvorführungen geben zum Thema Tanz und Geschichte, bei einem Treffen von Künstler*innen steht Erfahrungsaustausch im Vordergrund. In drei Etappen werden im kleinen Exporaum Kunstwerke und Bilder ausgestellt, die alle zwei Wochen wechseln. Im Kinderprogramm wird ein großflächiges Bild des baskischen Malers José Luis Zumeta nachgemalt – wenn seine Gesundheit es zulässt wird er anwesend sein.

Zum ersten Mal wird es in Zarate eine Theater-Vorstellung geben, daneben die üblichen Bertsolari-Sängerinnen, Tanz, zwei Konzerte (Cumbia und Jazz), sowie ein Treffen von Straßen-Gesangsgruppen, die in Euskal Herria eine große Tradition haben. Am 25. Juli nimmt das Festival seinen Anfang, mit Bertsos, einem Imbiss und dem Anzünden des Kohlenmeilers.

Unruhiges Grenzgebiet

Der Name des Festivals – Azken Muga, Letzte Grenze – geht zurück auf die Geschichte des Zarate-Passes unterhalb des Balerdi-Berges, der zum Aralar-Massiv gehört. Hier verläuft die Grenze zwischen den baskischen Provinzen Navarra und Gipuzkoa. Die politisch Verantwortlichen des 19. Jahrhunderts hielten es für notwendig, dort eine Grenzstation bauen zu lassen, um den Fluss von Personen und Waren zu kontrollieren. Denn Schmuggel war nicht selten.

Bereits in vorigen Zeiten ging es im Araitz-Tal (auf der südlichen Seite von Zarate) trotz dessen Abgelegenheit häufig unruhig zu. Denn nachdem das Königreich Kastilien um 1200 dem Königreich Navarra die Provinz Gipuzkoa militärisch entrissen hatte, war Araitz Grenzgebiet und erlebte Überfälle in beide Richtungen. Von der Grenzer-Station der Mikeletes am Zarate-Pass, wie diese Polizeieinheit genannt wurde, sind nur Ruinen übrig. Nur das Lagerhäuschen steht noch und dient als Ausstellungsraum.

Anreise

Der Zugang zum Zarate-Gebiet führt über das Dorf Bedaio auf der Gipuzkoa-Seite und über den Ort Azkarate auf der Navarra-Seite. Von Bedaio her ist der Zugang nur zu Fuß möglich, weil eine Schranke motorisierten Fahrzeugen den Weg versperrt. Von Azkarate her ist Zarate hingegen auch mit Fahrzeugen zugänglich, die letzten 1,4 Kilometer allerdings über eine schlechten steinigen Weg mit vielen Löchern.

Das Araitz-Tal ist von Norden her über Tolosa (Gipuzkoa) und von Süden her über Lekunberri (Navarra) zu erreichen. Der Weg aus der ehemaligen Provinz-Hauptstadt Tolosa führt über den Ort Lizartza nach Atallu. Hier zweigt die drei Kilometer lange Bergstraße nach Azkarate rechts ab. Wer von Lekunberri kommt, fährt über Betelu und Arribe und kommt an dieselbe Kreuzung in Atallu, in diesem Fall geht die Abbiegung Richtung Azkarate nach links. Wer gut zu Fuß ist sollte in Azkarate, einen Ort mit Kirche, Fronton und zerstreuten Bauerhäusern, das Auto stehen lassen und sich zu Fuß auf den 1,4 Kilometer langen und nur leicht ansteigenden Weg zum Zarate-Pass machen. Der Blick ins Tal ist hervorragend.

Übernachtung

Zur Übernachtung im Tal bieten sich zwei Optionen: 1. Das Restaurant San Miguel neben der Tankstelle in Arribe hat Zimmer zu vermieten. 2. Ebenfalls das etwa 1 Kilometer entfernte Restaurant Betelu im gleichnamigen Ort Betelu Richtung Lekunberri. Auch in Lizartza (Gipuzkoa) gibt es gegenüber der Bar José Mari eine Pension, die jedoch meist von Arbeitsmigranten belegt ist.

Blog von AZKEN MUGA:
www.azken-muga.blogspot.com
Webseite 2016:
http://www.azkenmuga.co.nf/
Eine neue Webseite ist in Arbeit.

In den vergangenen Jahren publizierte Baskultur.info drei Artikel zum Thema:

„Azken Muga – Letzte Grenze“ – Partizipatives Kunst- und Kultur-Projekt
http://www.baskultur.info/kuenste/kunst/269-azken-muga

Azken Muga orchestral – Klassik, Rock und Volkslieder
http://www.baskultur.info/kuenste/musik/345-et-incarnatus

Azken Muga 2017, Bilanz – Zweite Ausgabe des „Letzte Grenze”-Festivals
http://www.baskultur.info/kuenste/kunst/384-azken-muga-2017

(Publikation baskultur.info 2019-07-11)

ANMERKUNGEN:

(1) Kohlenmeiler (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Azken Muga (FAT)

(2) Azken Muga Plakat

(3) Kohlenmeiler

(4) Azken Muga Plakat

(5) Azken Muga Holzarbeiten

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