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Rätselhafte Steinfiguren in der Sierra Andia

In der Sierra de Andia, eine zwischen den baskischen Provinzen Araba und Navarra liegende Berghochebene, wurden sieben rätselhafte Strukturen entdeckt. Sie haben ungefähr die Form eines Seesterns. Gebildet werden sie aus mittelgroßen Steinen, die in den Boden eingelassen sind. Sie umfassen einen Durchmesser von ungefähr 20 Metern, ihre Arme bilden eine Art Fünfkopf, auf baskisch „bostburu“ (bost = fünf, buru = Kopf). Über Geschichte und Funktion dieser Steingebilde gibt es bisher nur Hypothesen.

„Fünfköpfe“(bostburu) nannte der Archäologe Martinez die Steinstrukturen, die er auf einer Hochebene zwischen Araba und Navarra gefunden hat. Kulturell-historische Erklärungen haben die „Bostburus“ bisher nicht.

Die Bezeichnung „Bostburu“ (baskisch in Kleinschrift) prägte Juan Mari Martínez Txoperena, nachdem er die ersten beiden Figuren im Jahr 2009 entdeckt hatte. „Zunächst dachte ich, es könnte sich um eine Art astrologische Darstellung handeln, aber sie können natürlich auch andere Erklärungen haben“, sagt der in Pamplona (Iruñea) lebende Mitarbeiter der wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi. (1) (2)

„An jenem Tag ging ich über eine dieser Strukturen und sah, dass es sich um eine fünfarmige Figur handelte, die aus Steinen geformt war und deren kopfartiges Ende eine leichte Drehung nach links macht. Ganz im Gegenteil zum nach rechts drehenden „Lauburu“. Ich sah das zufällig, vermutlich aufgrund der großen Trockenheit jenes Sommers. Tatsache ist, dass die Figur vom Boden aus betrachtet nicht sehr deutlich erkennbar ist, außerdem sind die Steine tief in die Erde eingelassen. Du kannst in einer Entfernung von 10 Metern daran vorbeigehen und nimmst diese Erscheinung kaum wahr“, erklärt Martínez neun Jahre nach seiner Entdeckung.

Das „Lauburu“

bost02Das „Lauburu“ oder baskische Kreuz besteht aus vier Armen, die wie ein Komma geformt sind. Diese Kreuzform ist heutzutage relativ häufig anzutreffen. Der baskische Ausdruck „lau buru“ bedeutet „vier Köpfe“. Die Herkunft des Wortes ist nicht eindeutig geklärt. Es ist ein Symbol, dass sich mehrfach in künstlerischen Darstellungen keltischer und germanischer Völker wiederfindet. Es hat Ähnlichkeit mit dem Hakenkreuz, weist aber an seinen vier Endungen keine Ecken sondern Rundungen auf. Vieles deutet darauf hin, dass es einen indogermanischen Ursprung hat und in Bezug auf die Benutzung in der baskischen Kultur aus vorchristlicher Zeit stammt. Darstellen könnte es die Sonne, die Entwicklungsphasen eines Menschen oder die vier Grundelemente. Seit dem 16. Jahrhundert erscheint das „Lauburu“ in vielen baskischen Darstellungen, auf Fahnen und Gebrauchsgegenständen. Heute ist es das baskische Symbol schlechthin, vorwiegend in kulturellem oder identitärem aber auch in politischem Zusammenhang, zum Beispiel als Amulette, auf Grabsteinen oder auf politischen Plakaten.

Weitere Fundstellen des Bostburu

Ungefähr 255 Meter entfernt vom ersten Fundort entdeckte Martinez einen ähnlichen „Fünfkopf“, am selben Hang der Sierra de Andia und mit derselben Ausrichtung. Mit Hilfe der geografischen Koordinaten der beiden Figuren lokalisierte er die Darstellungen bei Google Maps. Dabei stellte er fest, dass es sich um zwei außergewöhnliche Strukturen handelte, zu denen es bislang weder Erwähnungen noch Beschreibungen gab.

„Die Form, die sie haben, kann auf keinen Fall zufällig sein. Auch machen die Bostburus nicht den Eindruck als hätte ein Hirte sie zum Zeitvertreib gestaltet. Es handelt sich um große Figuren von zirka 20 Metern Durchmesser. Allem Anschein nach gibt es im Mittelpunkt dieser Steine eine Kammer. Die benutzten Steinplatten sind relativ groß, es scheint recht unwahrscheinlich, dass sie von einer Person allein bewegt worden sind. Das bedeutet, dass es der Beteiligung mehrerer Personen bedurfte“, präzisiert der Entdecker der ersten „Bostburus“.

Martinez nächster Schritt war, die Entdeckung den Fachleuten der Abteilung Kulturerbe der Regierung von Navarra mitzuteilen. Sie stellten die Hypothese auf, die Figuren könnten vom spanischen Militär erstellt worden sein, die in dieser Region der Andia-Hochebene Schießübungen mit Artillerie praktizierten. „Auch ich dachte anfangs, es könnte sich um eine Art Zielscheibe handeln, die aus großer Entfernung erkennbar ist. Aber als ich erneut in die Gegend kam, konnte ich keinerlei Artillerie-Krater oder Vertiefungen von Granatwerfern entdecken, die mit militärischer Praxis in Verbindung gebracht werden konnten“, erläutert Martínez.

Ansammlung von „Fünfköpfen“

bost03Bislang hat der Archäologe trotz der inzwischen vergangenen Zeit noch keine Anhaltspunkte gefunden, dass an dieser Stelle schon einmal gegraben worden wäre. Sicher ist nur, dass die „Fünfköpfe“ eine Bedeutung haben müssen. Die Tatsache, dass in der Folgezeit weitere vergleichbare Figuren entdeckt worden sind, bestärkt diese Annahme. Alle befinden sich in der selben Region, innerhalb des Naturparks Urbasa-Andia. Die einfachste Art und Weise, in dieses Gebiet zu kommen ist über den Bergpass Lizarraga (puerto de Lizarraga). Beim Abstieg Richtung Lezaun führt links eine breite Piste, die für Privatautos gesperrt ist, nach zwei Kilometern zu den „Bostburus“.

Die ersten beiden Figuren, nahe der Zeberio-Schäferhütte, wurden aufgrund des Ortsnamens „Ollaskardi 1 und 2“ genannt. Die beiden nächsten wurden 2015 von Mikel Markotegi entdeckt, er gab ihnen die Namen „Sosaportillo Goikoa“ und „Ritei“. Im Jahr 2017 wurden drei weitere Bostburu-Figuren gefunden, ebenfalls in jenem Gebiet. Patxi Iruin machte den Fund, der später „Ollaskardi 3“ genannt wurde, Mikel Markotegi fand „Sosaportillo Goikoa 2“ und Pedro Iparragirre machte „Ritei 2“ ausfindig.

„Wenn wir alle zusammen betrachten, dann ist die Hypothese von der Zielscheibe völlig fehl am Platz. Die Figuren befinden sich ganz in der Nähe von Schäferhütten. Das widerlegt die Erklärung vollständig. Niemand legt Zielscheiben so nah an belebten Räumen an, weil die kleinste Kursabweichung sie in die Luft sprengen könnte“, so Martínez Txoperena.

Megalithen gleicher Art

Für die rätselhaften fünfarmigen Figuren aus Stein, die so angelegt sind, dass sie nur aus einer gewissen Höhe überhaupt erst wahrgenommen werden können, gibt es weltweit nichts Vergleichbares. „Trotz allem sind sie nicht das Außergewöhnlichste, was ich bei meinen Wanderungen in den baskischen Bergen gesehen habe“, stellt der Entdecker fest.

Der erfahrene Forscher, Mitglied der wissenschaftlichen Gesellschaft Aranzadi, hat hunderte von Megalith-Bauwerken entdeckt. Megalithen sind große, meist unbehauene Steinblöcke, die als Bausteine für Grab- oder Kultanlagen benutzt wurden. Die verschiedenen bekannten Megalith-Bauwerke Europas lassen nicht unbedingt auf eine gemeinsame Kultur – eine Megalithkultur – schließen. Dabei handelt es sich um Grab-, Sonnen- und Kult-Anlagen. Die Ausstattungen dieser Steinanordnungen entstammen keiner einheitlichen Kultur, das gilt auch für die Unterklassen megalithischer Bauwerke wie Menhire, Dolmen oder Ganggräber.

bost04Zu den bisherigen archäologischen Entdeckungen von Martinez gehören die sogenannten „Kilometersteine“, die es ermöglichten, den Verlauf der römischen Handelsstraße durch das Artze-Tal und über den Pass Ibañeta sowie durch die vermeintliche Römerstadt Iturissa nachzuzeichnen. Was ihn allerdings am meisten begeistert, sind die ringförmigen Tumuli (Singular Tumulus). „Sie sind aus kleinen Steinen gebaut, haben aber insgesamt eine große Dimension. Die meisten haben einen Durchmesser von 20 bis 30 Metern, manche auch bis zu 50 oder 60“, beschreibt Martínez. (3)

Dabei handelt es sich um megalithische Steinstrukturen, die innerhalb des Baskenlandes allein in den Berghochebenen Andia, Urbasa und Saldise vorkommen. Martínez erlebte einst eine große Überraschung, als ihm ein Freund ein Buch über megalithische Bauten in Jordanien schenkte. Darin sah er ringförmige Tumuli in Wüstenregionen, die den baskischen gleichen. Hier wie dort wurden archäologische Ausgrabungen durchgeführt, die Material aus der selben Epoche zu Tage brachten, konkret aus der Bronzezeit. Genau wie im Fall der „Bostburus“, sind auch dies Konstruktionen, deren Bedeutung noch ziemlich im Unklaren liegt.

ANMERKUNGEN:

(1) Dem Artikel zugrunde liegt die Publikation „Bostburuak, las enigmáticas figuras de la sierra de Andia” von Iñaki Vigor in der baskischen Tageszeitung Gara am 4. Februar 2018.

(2) Aranzadi: Die Wissenschaftliche Gesellschaft Aranzadi wurde 1947 gegründet als Ersatz für eine von den Franquisten verbotene Forschungs-Gesellschaft. Namensgeber ist der gipuzkoanische Anthropologe Telesforo Aranzadi. Heute beschäftigt sich die Gesellschaft Aranzadi neben archäologischen Arbeiten im Auftrag der baskischen Regierung auch mit der Hebung von Massengräbern aus dem Spanienkrieg von 1936.

(3) Juan Mari Martínez Txoperena war auch maßgeblich an den Ausgrabungen einer Römer-Straße in den navarrischen Pyrenäen betiligt. Siehe folgende Beiträge: (Link-1) (Link-2)

ABBILDUNGEN:

(1) Bostburu (youtube)

(2) Lauburu (mintzalagun)

(3) Tumulus Bougan, Frankreich (wikimedia)

(4) Tumulus Saint Michel, Bretagne (wikipedia)

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