Arbeiter*innen-Interessen verteidigen
In Zeiten von Pandemie, Krieg, Inflation und kapitalistischer Offensive ist der 1. Mai besonders wichtig. Wenigstens 20 Streiks werden im Baskenland derzeit geführt. Um Verbesserungen zu erreichen, oder um das Schlimmste zu verhindern. "Mehr denn je ist es an der Zeit, zu reagieren und den Arbeitgebern klar zu machen, dass wir uns nicht mit Brosamen zufrieden geben. Dass wir als Arbeitnehmer*innen trotz ihrer Kriege, ihrer Profitgier und ihrer miserablen Umgangsformen unsere Interessen verteidigen".
Die verschiedenen baskischen Gewerkschaften haben bei ihren Mobilisierungen am 1. Mai 2022 deutlich gemacht, dass sie weiter an Arbeitskämpfen festhalten. Im Mittelpunkt steht der Kampf gegen Prekarität, Arbeitsunfälle und Gleichbehandlung von Arbeiterinnen und Arbeitern.
Gemeinsame Stellungnahme der baskischen Gewerkschaften CGT, ESK und STEILAS zur aktuellen Situation und zu den laufenden und kommenden Arbeitskämpfen (1):
“Jetzt, wo sich die Tagesnachrichten auf andere Themen konzentrieren und der Nachhall der völlig unzureichenden Arbeitsreform fast vergessen ist, wurde auf Regierungsebene beschlossen, das Coronavirus zu einer bloßen Grippe zu deklarieren und die Rechte der arbeitenden Bevölkerung in den Hintergrund zu stellen. In diesen letzten zwei Jahren haben wir für einige Momente davon geträumt, dass eine andere Welt möglich sei. Wir haben geglaubt, dass wir aus einer Gesundheits- und Gesellschafts-Krise, die das System erschüttert hat, mit besseren Voraussetzungen herauskommen könnten. Und wir waren nahe daran, das Leben in den Mittelpunkt zu stellen. Für einige Augenblicke schien es unbestreitbar, dass wir als Arbeitnehmer*innen unverzichtbar wären. Aber im Haus der armen Leute ist die Freude häufig nur von kurzer Dauer und dieses kriminelle System hat nicht lange gebraucht, um sich wieder in Stellung zu bringen. Seine Logik ist die des Todes, des Krieges und der wirtschaftlichen Interessen. Und wir sollen die Konsequenzen bezahlen.
Seit Jahrzehnten beklagen wir die zunehmende Prekarität der Arbeit und die soziale Unsicherheit der Arbeiterklasse. Eine Prekarität, die sich in den Modellen der Arbeits-Beziehungen widerspiegelt, die viele Ecken und Kanten hat. Diese Prekarität hat vor allem ein weibliches Gesicht, Frauen kommen immer am schlechtesten weg, die Feminisierung der Armut ist schon lange eine Realität. Sie reden von gläsernen Decken, aber was wir satt haben, sind die klebrigen Böden dieses patriarchalen und hetero-normativen Systems, das uns umbringt und zu einem elenden Leben verurteilt.
Während die Risse im System mehr als offensichtlich geworden sind, ist die Bedeutung der öffentlichen Dienste immer deutlicher geworden: Gesundheit, Bildung, soziale Dienste oder Pflegearbeit. Doch setzen die verschiedenen Regierungen, in Vitoria-Gasteiz und in Madrid, darauf, Bürgerrechte und öffentliche Gelder in private Hände zu legen. Wir dürfen heute nicht vergessen, dass sich die Mehrheit des baskischen Parlaments kürzlich für ein Bildungsmodell entschieden hat, das der subventionierten privaten Bildung Vorrang einräumt, was schon in der Vergangenheit zu viel Segregation und Ungleichheit geführt hat.
Wir begannen das Jahr 2022 mit Sirenengesängen, die bessere Zeiten ankündigten. Aber der Krieg in der Ukraine hat uns wieder einmal in ein Szenario versetzt, in dem die Spekulation mit Rohstoffen und steigende Preise wieder zum allgemeinen Trend geworden sind. Spekulation, die wieder einmal zu einer größeren Anhäufung von Reichtum für diejenigen führen, die ohnehin am meisten haben.
Die Regierenden haben die Verantwortung, ein für alle Mal Gleichgewichte herzustellen und die Verarmung der gesellschaftlichen Mehrheit zu bremsen. Denn während die einen wegschauen, ist der Faschismus mit seinen Lügen und seinem Opportunismus weiter auf dem Vormarsch. Was mit der (versprochenen Rücknahme und gegen uns gerichteten) Arbeitsreform geschah, zeigt uns deutlich die Grenzen auf, innerhalb derer sich die Zentralregierung zu bewegen bereit ist, Hand in Hand mit Arbeitgeber-Verbänden und den spanischen Gewerkschaften, die das (undemokratische) Regime seit 78 unterstützen.
Der Krieg in der Ukraine hat der großen Mehrheit der Bevölkerung die Augen geöffnet für das Leid, das durch Kriege verursacht wird. Sie hat die humanitäre Krise und die Flüchtlingswelle in die Schlagzeilen gebracht. Von hier aus sagen wir Herzliche Willkommen. In der Hoffnung, dass alle Flüchtlinge, auch aus den anderen vergessenen Kriegen, gleich behandelt werden.
Einige Leute scheinen erst kürzlich entdeckt zu haben, dass der Planet begrenzte Ressourcen aufweist. Sie kommen, um uns Lektionen über Umweltschutz und Energiewende zu erteilen. Wir wollen nicht irgendeinen energiepolitischen Übergang, wir halten überhaupt nichts von den grün gestrichenen Iberdrola-Vorschlägen, verbunden mit Lohnkürzungen und dem Abbau von Arbeitsrechten zur Finanzierung des Wandels der Produktion. Wir brauchen einen produktiven Übergang, bei dem die Bedürfnisse und das Wohlergehen der Menschen im Mittelpunkt stehen. Ein Übergang, bei dem wir diejenigen sind, die die demokratische Kontrolle über die Wirtschaft ausüben, ohne dass er den Interessen des Kapitals unterworfen wird. Ein Übergang, der sich von dem Kapitalismus entfernt, den sie uns um jeden Preis verkaufen wollen.
Im Jahr 2021 kam es im Baskenland zu 74.646 Arbeitsunfällen und zu 68 Toten. Wie lange müssen wir das noch hinnehmen? Wie lange müssen wir noch zur Arbeit gehen, ohne zu wissen, ob wir nach Hause zurückkehren werden? Als Arbeitnehmer*innen haben das Recht auf Gesundheit am Arbeitsplatz. Aber vor allem haben wir das Recht, nicht jedes Mal unser Leben zu riskieren, wenn wir zur Arbeit gehen.
Es wurde uns versprochen, die früheren (völlig arbeitnehmer-feindlichen) Arbeitsreformen (der Vorgänger-Regierungen Zapatero und Rajoy) zurückzunehmen. Dann wurde uns gesagt, dass nur die schädlichsten Aspekte der Rajoy-Reform beseitigt würden. Aber in Wirklichkeit wurde wieder einmal eine historische Chance vertan, Arbeitnehmer*innen-Rechte wiederzuerlangen und gleichzeitig neue Rechte zu erkämpfen. Rechte, die wir seit Jahren fordern, wie die Einbeziehung von Hausangestellten in das allgemeine System der Sozial-Versicherung.
Mehr denn je ist es heute an der Zeit, weiter zu reagieren und den Arbeitgebern und ihren Unterstützern klar zu machen, dass wir uns nicht mit ihren kleinen Geschenken zufrieden geben werden. Und dass wir als Arbeitnehmer*innen ihren Kriegen, ihren Profiten und ihren miserablen Interessen entgegenstehen werden. Es lebe der Kampf der Arbeiter*innen! Es lebe der feministische Kampf!
ANMERKUNGEN:
(1) “Gora Maiatzak Bat!“ (Es lebe der Erste Mai!) Gewerkschafts-Erklärung, publiziert bei: Ecuador Etxea, 2022-05-01 (LINK)
https://www.ecuadoretxea.org/gora-maiatzak-1/
ABBILDUNGEN:
(1) 1. Mai 2022 (ecuador etxea)
(2) 1. Mai 2022 (ecuador etxea)
(3) 1. Mai 2022 (ecuador etxea)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-05-03)