Allendes Sozialismus-Projekt
Vor einem halben Jahrhundert stürzte ein in Washington von der US-Regierung geplanter Staatsstreich den chilenischen Präsidenten Salvador Allende und zerstörte den sogenannten "chilenischen Weg zum Sozialismus". Am 15. Juli 1971 hatte die Regierung von Salvador Allende den Kupfer-Bergbau verstaatlicht. Während der folgenden Diktatur wurden 3.227 Chilenen getötet, darunter der populäre Liedermacher Victor Jara, viele verschwanden spurlos. 1.102 von diesen Ermordeten gelten bis heute als vermisst.
Der Sozialist Salvador Allende Goosen wurde am 3. November 1970 zum Präsidenten der Republik Chile gewählt. Am 11. September 1973 wurde seine Regierung durch einen von den USA organisierten blutigen Militärputsch abgesetzt.
Vor einem halben Jahrhundert wurde Salvador Allende durch einen Staatsstreich gestürzt, der in Washington von dem heute hundertjährigen deutsch-stämmigen Henry Kissinger mit Unterstützung von Präsident Richard Nixon eingefädelt wurde, mit Hilfe des multinationalen Unternehmens ITT als trojanischem Pferd und verschiedenen chilenischen Militärs als sichtbare Köpfe des Umsturzes: Vizeadmiral José Toribio Merino, Kommandant Gustavo Leigh und General Augusto Pinochet. Allendes politisches Projekt eines "chilenischen Weg zum Sozialismus" war damit in Blut ertränkt. (1)
Die Putschisten setzten eine neue Regierung ein, unter Führung einer Militärjunta. Im Juni 1974 wurde General Pinochet, der Präsident der Junta, zum "obersten Führer der Nation" und einige Monate später zum Präsidenten der Republik ernannt. Errichtete wurde ein despotisches Regime, das die Menschen- und Bürgerrechte aufhob und sich bis 1990 an der Macht hielt.
Laut den Menschenrechts-Berichten Valech (I und II) und Rettig wurden von den Schergen der Diktatur 3.227 Chilenen getötet, viele davon verschwanden spurlos, 1.102 von ihnen wurden auch 50 Jahre danach immer noch nicht gefunden. Mindestens 28.459 weitere Personen, der Unterstützung der Allende-Regierung beschuldigt, wurden gefoltert. Von diesen gefolterten Gefangenen waren 2.200 minderjährig. Weibliche politische Häftlinge waren geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Mehr als 200.000 Chileninnen und Chilenen gingen ins Exil.
Drei Jahre zuvor, im September 1970, hatte die von Allende geführte Unidad Popular (Volks-Einheit) die Präsidentschafts-Wahlen mit nur 39.000 Stimmen Vorsprung vor dem rechten Kandidaten Jorge Alessandri gewonnen und damit eine neue Konzeption der Machtübernahme eröffnet, der chilenische Weg bedeutete eine Neudefinition der Linken, die in vielen Teilen der Welt den Volksaufstand als Methode zur Übernahme der Kontrolle über den Staat beibehielt. Die Unidad Popular, Volkseinheit, war 1969 mit Unterstützung der Kommunistischen Partei, der Sozialistischen Partei, der Radikalen Partei und verschiedener Volks- und christlicher Bewegungen gegründet worden.
Bei jenen Wahlen 1970 hatten die USA bereits Maßnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass "zum ersten Mal eine kommunistische Regierung an die Macht kommt". Für Präsident Nixon und seinen Berater Kissinger, so geht aus 2008 freigegebenen Geheim-Dokumenten hervor, hatte Chile oberste strategische Priorität, noch vor dem Nahen Osten.
USA organisieren den Staatsstreich
Die Angst, dass das chilenische Beispiel der Machtübernahme durch demokratische Wahlen Schule machen könnte, insbesondere in Italien, einem NATO-Mitgliedstaat, prägte die Prioritäten der US-Geheimdienste. Dank verschiedener Geheim-Dokumente, die im Sommer 2023 aufgedeckt wurden, kam ans Licht, dass die USA bereits 1970, noch vor Allendes Amtsantritt, einen Putsch vorbereitet hatten, der jedoch laut Nixon daran scheiterte, dass "das chilenische Militär ein ziemlich unfähiger Haufen ist".
Im Jahr 1970 war die revolutionäre Linke weltweit mit dem Vietnamkrieg beschäftigt, der mit einer militärischen Niederlage der USA zu enden drohte. In die Kräfte und das sozialistische Projekt von Allendes Volkseinheit existierte wenig Vertrauen. Am Morgen seines Wahlsieges wandte sich Allende an seine Anhängerschaft mit den Worten: "Ich habe gesagt und ich muss es wiederholen: Wo bereits der Sieg nicht leicht war, wird es umso schwieriger sein, unseren Triumph zu konsolidieren und die neue Gesellschaft aufzubauen". Jemand erinnerte an die Widmung, die Ernesto Che Guevara, der drei Jahre zuvor in Bolivien gestorben war, in seinem Buch über den Guerillakrieg geschrieben hatte: "Für Allende, der auf anderen Wegen versucht, dasselbe zu erreichen". Allende hatte geantwortet: "Es gibt Unterschiede, zweifellos, aber sie sind formal. Im Grunde sind die Positionen ähnlich, gleich".
Das Misstrauen gegenüber dem Erreichen der Macht mit friedlichen Mitteln war groß unter den Kräften, die sich dem Kapitalismus entgegenstellten, vor allem in Lateinamerika. Dabei gab es einige Ausnahmen, wie die chilenische Guerrillagruppe MIR (Movimiento de Izquierda Revolucionaria – Revolutionäre Linke Bewegung), die Allende ihre kritische Unterstützung zukommen ließ.
Im spanischen Staat befand sich der Franquismus angesichts vieler illegaler Streiks, eines stärker werdenden Widerstands oppositioneller Kräfte in seiner letzten Krise, vor allem jedoch, nach dem die Untergrund-Organisation ETA den designierten Franco-Nachfolger Luis Carrero Blanco mit einem Bombenattentat in Madrid ermordet hatte. Die Fortsetzung der franquistischen Diktatur war somit in Frage gestellt.
Im Baskenland bereiteten sich die klandestinen Organisationen seit Sommer auf den angekündigten Burgos-Prozess vor, bei dem 16 Aktivist*innen aus dem Umfeld von ETA angeklagt waren und bei dem es um Todesstrafen ging. Insofern war das Echo auf die Wahl-Kampagne in Chile praktisch nicht vorhanden. Die franquistische Presse titelte derweil: "Panik in Chile".
Verstaatlichung von Kupfer
Im Jahr 1971 kam es in Chile zu einem Ereignis, das für den weiteren Verlauf der Ereignisse entscheidend sein sollte. Die Regierung Allende verstaatlichte den Kupfer-Bergbau, der bis dahin größtenteils in den Händen von US-Unternehmen gelegen war. Im selben Jahr begann die Exekutive mit der Enteignung von mehr als einer Million Hektar Land und der Verstaatlichung der Kohle- und Bank-Unternehmen.
Einige Militärs und Zivilisten begannen, den Sturz des Präsidenten zu organisieren. Dieser Prozess beschleunigte sich im März 1973, als die Rechte versuchte, Allende im Parlament auf von der Verfassung vorgegebenen Wegen zu stürzen. Allendes Volkseinheit (Unidad Popular) erhielt 44% der Stimmen gegenüber 56% der Rechten, doch wäre für eine legale Absetzung eine Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen. Die erste Reaktion der Rechten bestand darin, von Wahlbetrug zu sprechen, so wie es die ultra-konservativen bei den spanischen Wahlen von Februar 1936 nach dem Sieg der Volksfront ebenfalls getan hatten (was am Ende zu Francos Militärputsch und dem Spanienkrieg führte); Ähnliches geschah Jahrzehnte später im Jahr 2021, als die Anhänger des Noch-Präsidenten Donald Trump kurz vor Amtseinführung des neuen Präsidenten Biden ebenfalls von Wahlbetrug schwadronierten und zum Sturm auf das Kapitol aufriefen.
Putsch-Vorbereitung aus den USA
Manager des Multikonzerns ITT, dessen chilenische Tochtergesellschaft Allende im Herbst 1971 verstaatlicht hatte, arbeiteten in Nixons Auftrag ein 18-Punkte-Programm zum wirtschaftlichen Ruin Chiles aus und schickten es an Nixon-Berater Peter G. Peterson. Binnen eines Jahres sanken die kurzfristigen Kredite für das Land von 220 auf 40 Millionen Dollar; die Devisenreserven schrumpften von 377 auf 25 Millionen Dollar. (2)
In Chile bekam es die Volksfront bald mit einer wachsenden Opposition zu tun. Allendes Weg zum Sozialismus und die US-Sanktionen stürzten das Land in eine sich ständig verschärfende Wirtschaftskrise. Kapitalflucht, sinkende Produktivität in den verstaatlichten Betrieben und Investitionsfurcht der Unternehmer schufen Versorgungsmängel und heizten die Inflation an. Die Weltmarktpreise für Kupfer, Chiles wichtigsten Exportartikel, sanken. Einfuhren von Nahrungsmitteln und teure Sozialreformen finanzierte die Regierung über die Notenpresse: In zwei Jahren verfünffachte sich der Geldumlauf.
Der Mittelstand, den die Volksfront am meisten umwarb, wandte sich von Allende ab. Im Oktober 1972 lähmten wochenlange Streiks das Land. Die USA fachten die Unzufriedenheit nach Kräften an: Bei den Kongress-Wahlen im Frühjahr 1973 unterstützte die CIA Volksfront-Gegner, vor allem die Christdemokraten des Allende-Vorgängers Eduardo Frei, mit 1,5 Millionen Dollar. Im Sommer finanzierte Washingtons Geheimdienst einen Streik der Lastwagenfahrer und steckte eine Million Dollar in eine Propaganda-Kampagne, die der Armee weismachen sollte, nur sie könne den drohenden Bürgerkrieg verhindern - durch einen Staatsstreich. Im Morgengrauen des 11. September 1973 schlugen chilenische Generäle mit Augusto Pinochet los.
Der Staatsstreich
Der Angriff der Putschisten am 11. September 1973 auf den Präsidentenpalast, in den sich Allende mit seinen engsten Freunden geflüchtet hatte, wurde für spätere Generationen zu einem Mythos des Widerstands. Eingekesselt im La Moneda Palast, setzte Salvador Allende seinem Leben selbst ein Ende: "In einer historischen Übergangsphase werde ich für die Loyalität des Volkes mit meinem Leben bezahlen. Und ich sage Ihnen, dass ich sicher bin, dass die Saat, die wir dem würdigen Gewissen von Tausenden und Abertausenden von Chilenen gegeben haben, nicht endgültig ausgerissen werden kann".
Der kubanische Musiker Pablo Milanés hat den Mythos Moneda in einem legendären Lied verewigt: "Ich werde wieder durch die Straßen gehen, durch das einst blutgetränkte Santiago. Auf einem schönen, befreiten Platz werde ich anhalten und um die Abwesenden weinen".
Der Widerstand in La Moneda
An jenem 11. September 1973 war die chilenische Armee in Santiago zu einem Tag des Gedenkens an ihren "militärischen Ruhm" versammelt. Der Anlass war günstig. Um fünf Uhr morgens wurde Allende auf eine ungewöhnliche Truppenbewegung in der Hauptstadt aufmerksam gemacht. Der Präsident alarmierte seine private Eskorte, die GAP (Gruppe der Freunde des Präsidenten), die 1971 gegründet worden war, als in der Hauptstadt Gerüchte über einen möglichen Staatsstreich kursierten.
Allende machte sich auf den Weg zum Präsidentenpalast, während seine Familie schnell das Haus verließ, das kurz vor 8 Uhr morgens bombardiert und zerstört wurde. Mit Francisco Argandoña, seinem Sicherheitschef, und 12 GAP-Begleitern traf Allende in La Moneda ein. Wenige Minuten später erreichten weitere 20 Mitglieder der GAP-Gruppe den Palast, der bereits von der aufständischen Carabinero-Polizei umstellt worden war. Die Begleiter wurden verhaftet und in eine Militärkaserne gebracht. Später wurden hingerichtet, die Leichen der meisten von ihnen sind noch immer verschwunden. Dies war nur ein erster Hinweis auf das, was noch kommen sollte. Mit Allende zusammen war es 16 seiner Begleiter gelungen, ins Moneda-Gebäude zu gelangen. Nur vier überlebten.
Der Angriff von Infanterie, Panzern, der Einsatz von Tränengas und schließlich die Bombardierung von La Moneda durch Hawker-Hunter-Flugzeuge brachen die schwache Verteidigung der Eingeschlossenen um Allende. Zuvor jedoch waren die Würfel gefallen. Aus später veröffentlichten Gesprächen zwischen Pinochet und seinen Untergebenen geht hervor, dass das Hauptziel der Aufständischen Allendes Ermordung war. Dreimal befahl Pinochet dem Leiter seiner Operation, dass Allendes Leben beendet werden müsse. Der dritte Befehl lautete, ihn auch umzubringen, sollte er mit dem Angebot eines diplomatischen Abkommens verhaftet werden: "Das Angebot, ihn aus dem Land zu bringen, wird aufrechterhalten ... Und das Flugzeug stürzt ab, wenn es erst fliegt".
Gegen zwei Uhr nachmittags übernahm das Militär den ersten Stock von La Moneda. Ein Stockwerk darüber wurde Allendes Leibwache aufgefordert, sich in zehn Minuten zu ergeben. Der Präsident forderte seine Begleiter auf, hinunterzugehen, während er in den Raum Independencia-Raum ging. In einem Sessel sitzend, erschoss er sich. Sein Arzt, Patricio Guizón, hörte den Schuss, kehrte ins Zimmer zurück und fand den Präsidenten mit zerschmettertem Schädel, die Maschinenpistole zwischen den Beinen und den Körper halb liegend.
Das vorletzte Bild, das Allende lebend, mit Helm und Maschinengewehr zeigt, war vom argentinischen Palastfotografen Orlando Lagos aufgenommen worden, der die Negative an die New York Times verkaufte, wo sie Tage später ohne Unterschrift veröffentlicht wurden. Das Foto, das in jenem Jahr mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet wurde, war jahrzehntelang das Symbol eines Präsidenten, der bis zum Schluss zu seinen Ideen stand.
Verdeckte Operationen des CIA in Chile
Die Vereinigten Staaten waren mindestens seit den frühen 1960er Jahren mit ihrem Auslands-Geheimdienst CIA an der chilenischen Innenpolitik beteiligt. So unterstützten sie regelmäßig die rechte Partido Nacional und auch Eduardo Freis Präsidentschafts-Wahlkampf 1965 – ohne dass dieser davon wusste. Als 1969 Richard Nixon zum Präsidenten der USA gewählt wurde und Henry Kissinger zu seinem einflussreichen Sicherheitsberater aufstieg, wurde die direkte und illegale Einflussnahme auf ganz Lateinamerika deutlich stärker – auch auf Chile. Nachdem die USA die Wahl Allendes 1970 trotz Wahlkampf-Beeinflussung für mehr als 7 Millionen US-Dollar nicht verhindern konnten, versuchten sie, noch vor dessen Amtseinführung die Militärs zum Putsch zu bewegen, was jedoch scheiterte. Dabei übte der US-Botschafter massiven Druck auf die Christdemokraten, es kam zu einer Reihe von Geheimoperationen des CIA.
Die streng geheimen Operationen, intern als “Project Fubelt“ bezeichnet, sollten bis zu 10 Millionen Dollar kosten. Weder Außenminister William P. Rogers noch Verteidigungsminister Melvin Laird noch der US-Botschafter in Santiago, Edward M. Korry noch die CIA-Führung in Chile wurden informiert. CIA-Direktor Richard Helms sagte später über die Operation: “Niemals in meiner Karriere als CIA-Chef habe ich eine derartige Geheimhaltung erlebt und niemals eine derartig unbeschränkte Macht gehabt.“
Das Project Fubelt gipfelte im ersten politischen Mord in Chile seit dem Jahre 1837. Der Oberkommandierende des Heeres, René Schneider, war zwar den USA gegenüber freundlich eingestellt, einer langen Tradition chilenischer Militärs entsprechend aber verfassungstreu (die sogenannte Schneider-Doktrin). Am 22. Oktober 1970 wurde er von rechtsextremen chilenischen Offizieren, die eine Verschwörer-Gruppe anführten, bei einem Entführungsversuch angeschossen und starb drei Tage später. Verstrickt in den Mord waren zahlreiche hohe chilenische Militärs wie Heeresgeneräle Valenzuela und Viaux, die Maschinengewehre und Tränengas-Granaten stammten vom CIA. Der Versuch einer Destabilisierung des Landes scheiterte jedoch fulminant: Noch bevor Schneider starb, wurde Allende zum Präsidenten ernannt und alle politischen Kräfte unterstützten die Schneider-Doktrin. (2) Das Ausmaß der US-amerikanischen Verstrickungen in den Putsch in Chile 1973 kam erstmals während der Untersuchungen eines Sonder-Ausschusses des US-Senats 1975/76 ans Licht (Church Committee).
Im Februar 1999 ordnete der damalige US-Präsident Bill Clinton die Veröffentlichung von Unterlagen an, die mit den CIA-Operationen in Chile in Zusammenhang stehen. Viele aufschlussreiche Dokumente wie CIA-Lageberichte, Memoranden und Telegramme zwischen US-Behörden konnten nun erstmals von Historikern gesichtet werden und wurden einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Demnach unterrichtete der CIA den Bundesnachrichtendienst in Deutschland einige Tage vor dem Umsturz vom geplanten Putsch. Der Bundesnachrichtendienst unterließ es, den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt davon zu unterrichten. Über Alfred Spuhler, einen Stasi-Spion im BND, gelangte die Information in die DDR. Eine Warnung an Allende aus Ost-Berlin kam jedoch zu spät.
Im Jahr 2001 sorgte nochmals ein Buch des US-Journalisten Christopher Hitchens für Aufsehen, in dem dieser schwere Vorwürfe gegen Henry Kissinger erhob (Die Akte Kissinger). Die vorgeworfenen Delikte umfassen unter anderem: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verstöße gegen das Völkerrecht, Verschwörung zum Mord, zu Entführungen, dem systematischen Verschwindenlassen von Menschen vor allem in Südamerika und zur Folter.
Hitchens präsentiert dabei Belege anhand von US-Regierungs-Dokumenten, die eine juristische und politische Verantwortung für Verbrechen zeigen. Kissinger soll im Einzelnen für die vorsätzliche Ermordung von Zivilisten in Vietnam und Kambodscha verantwortlich gewesen sein, sowie für mindestens ein Attentat in Bangladesch. Kissinger soll zur Ermordung eines staatlichen Funktionsträgers in Chile (General René Schneider) angestiftet und an einem Plan mitgearbeitet haben, den Staatschef Zyperns, Makarios, und einen in den USA lebenden Journalisten ermorden zu lassen. Gemeinsam mit Präsident Ford soll er dem indonesischen Staatschef Suharto grünes Licht für dessen Invasion des benachbarten Osttimors 1975 gegeben haben, wobei es zu massiven Menschenrechtsverletzungen an der dortigen Bevölkerung kam. (3)
Fragen nach dem Tod
Der Tod von Allende, der am nächsten Tag im Beisein seiner Witwe Hortensia Bussi heimlich beigesetzt wurde, warf viele Fragen auf. Die Stigmatisierung des Selbstmordes tat ihr Übriges. Die rechte Presse stürzte sich auf den Selbstmord und stellte ihn als einen Akt der Feigheit dar. Einige seiner Begleiter hingegen sagten: "wenn es sich um einen Selbstmord handelte, dann war es seine letzte Tat als Kämpfer". (1)
Jahrelang kursierten unter den Pinochet-Gegnern verschiedene Versionen über den Tod Allendes, bis 2011 ein interdisziplinäres Team, darunter der baskische Gerichtsmediziner Paco Etxeberria, die sterblichen Überreste des ehemaligen Präsidenten ausgrub und untersuchte. Im Juli desselben Jahres wurde der Befund öffentlich gemacht. Allende hatte mit einem AK-47-Maschinengewehr Selbstmord begangen, demselben AK-47, das ihm Fidel Castro 1971 geschenkt hatte. Seine Tochter Beatriz, die wenige Minuten vor der Bombardierung des Palastes aus La Moneda fliehen konnte, beging 1977 in Havanna ebenfalls Selbstmord mit einer Uzi-Maschinenpistole, die sie ebenfalls vom kubanischen Präsidenten erhalten hatte.
Über Allendes Tod wurde in der baskischen Presse, die einer strengen franquistischen Zensur unterlag, kaum berichtet. Nur das baskisch-sprachige Magazin “Zeruko Argia“ (bask: Licht des Himmels) wagte es, darauf hinzuweisen, dass "das Verschwinden von Allende ein harter Schlag für diejenigen von uns ist, die glauben, dass Veränderungen mit demokratischen Mitteln möglich sind". “Zeruko Argia“ wurde in Donostia (San Sebastian) herausgegeben, sein offiziell religiöser Hintergrund half beim Überleben und gegen die immer wiederkehrenden Zensur-Versuche der franquistischen Behörden.
In der illegalen baskischen Untergrund-Presse, die aus nachvollziehbaren Gründen nur sehr unregelmäßig erscheinen konnte, wurde das Verschwinden von Salvador Allende überschattet vom Tyrannenmord an Francos designiertem Nachfolger, dem damaligen Regime-Chef Luis Carrero Blanco drei Monate später. Allendes Konzept von der Unidad Popular, der Volkseinheit, wurde nach dem Tod des spanischen Diktators 1975 von der linken baskischen Unabhängigkeits-Bewegung wieder aufgegriffen, im Jahr 1978 mit der Gründung der Wahl-Koalition Herri Batasuna, was auf Baskisch ebenfalls Volkseinheit bedeutet.
ANMERKUNGEN:
(1) ”Medio siglo del golpe de estado contra Salvador Allende” (Ein halbes Jahrhundert nach dem Staatsstreich gegen Salvador Allende), Tageszeitung Gara 2023-09-10 (LINK)
(2) "Die geheimen außenpolitischen Abenteuer amerikanischer Präsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg" Spiegel, 1987 (LINK)
(3) Putsch in Chile. Verdeckte Operationen des CIA in Chile, Wikipedia (LINK)
(4) US-Intervention in Chile, Wikipedia (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Allende 1973 (collage)
(2) Allende Ausweis (naiz)
(3) Pinochet (naiz)
(4) Kissenger Pinochet (wikipedia)
(5) Victor Jara (naiz)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-09-11)