pflege1“Sklavinnen“ melden sich zu Wort

Die meisten von ihnen sind Migrantinnen. Ihre Arbeit besteht in der häuslichen Pflege von bedürftigen Personen, die es sich leisten können. Viele dieser Pflegefrauen wohnen zudem im betreffenden Haushalt und liefern somit eine Versorgung rund um die Uhr. Manche unter sklavenähnlichen Bedingungen, die sexistische Übergriffe einschließen. Diese Frauen haben sich im Baskenland zusammengeschlossen und eine Interessenvertretung gegründet: “Feministische Migrantinnen. Sozial – und Gesundheits-Pflege”.

“Mujeres Migradas Feministas. Cuidadoras Socio-Sanitarias” (MMF.CSS) ist der etwas komplizierte Name einer Art von neuer Gewerkschaft, gegründet von Migrantinnen, die intern angestellt in privaten Haushalten als Versorgerinnen und Pflegerinnen arbeiten.

Mit ihrer neuen Interessenvertretung fordern um die 200 in der häuslichen Pflege beschäftigte Migrantinnen die Anerkennung und Differenzierung ihrer Pflegearbeit sowie eine grundsätzliche Änderung der Gesetze über Pflege und Zuwanderung. Das Pflegegesetz gilt für Personen, die aufgrund ihres Alters, einer Krankheit oder einer Art von Behinderung dauerhaft abhängig sind und in ihren eigenen Wohnungen speziell versorgt werden müssen. Generell fordert MMF.CSS die Abschaffung der internen häuslichen Pflegearbeit zugunsten anderer Formen der Pflege. (1)

“Heute, am 30. März, haben wir die Presse eingeladen, um unseren neuen Verband vorzustellen: Mujeres Migradas Feministas. Cuidadoras Socio-Sanitarias. Diese Organisation wurde am 14. März 2020 gegründet, als der von Covid-19 erzeugte Gesundheits-Alarm ausgerufen wurde. Von diesem Moment an beschloss eine Gruppe von sieben Frauen (allesamt bezahlte Pflegekräfte, die auch Hausangestellte genannt werden) sich zu organisieren, um eine dringende Änderung der politischen und sozialen Struktur der bezahlten Pflegearbeit sichtbar zu machen. Die Arbeitsverhältnisse sollten angeprangert und praktikable Alternativen vorgeschlagen werden. Deshalb haben wir zur öffentlichen Vorstellung den Platz neben der Provinz-Regierung Bizkaia in Bilbao gewählt, weil von hier aus die Pflege verwaltet wird und wir hier unsere Forderungen stellen wollen“.

pflege2Generell geht es dem neuen Verband um die Abschaffung der Beschäftigung in der internen häuslichen Pflege, wie sie bis heute organisiert ist. “Die Pflegearbeit in fremden Haushalten muss verschwinden, weil es sich um eine ausbeuterische Tätigkeit handelt, die nur mit Sklaverei verglichen werden kann und nicht als Arbeit bezeichnet werden sollte: 60 bis 80 Stunden Einsatz mit Mindestlöhnen, ohne Recht auf Pausen, ohne Recht auf Gesundheit am Arbeitsplatz, ohne Recht auf Arbeitslosigkeit, ohne Möglichkeit, die Tätigkeit mit unserem Familienleben zu vereinbaren, das wir durchaus auch haben. Deshalb setzt sich unser Verband für die Abschaffung der internen Hausarbeit ein, denn nur so kann der Wandel hin zu Gleichheit und Gerechtigkeit eingeleitet werden“.

Gefordert wird auch eine Anerkennung und Differenzierung der Pflegearbeit: “Wir sind Sozial- und Gesundheits-Pflegerinnen, unsere Arbeit ist die gleiche wie die in Altersheimen und Kindertagesstätten. Wir haben uns die Zeit genommen, zu studieren und Berufsabschlüsse zu erwerben. Das System, in dem wir weiterhin arbeiten, ist jedoch das der Hausarbeit. Deshalb sind wir der Ansicht, dass zum einen ein spezifischer Tarifvertrag und zum anderen wirtschaftliche Investitionen für die soziale und gesundheitliche Professionalisierung der bezahlten Pflegekräfte erforderlich sind“.

MMF.CSS fordert zudem eine radikale Änderung des Gesetzes über die Pflege und des Ausländer-Gesetzes: “Wir dürfen nicht vergessen, dass es fast 200.000 Migrantinnen gibt, die ohne Papiere arbeiten und keinerlei Rechte geltend machen können. Deshalb fordern wir eine Regularisierung als Voraussetzung für Arbeitsverträge“.

“Einige von uns sind in der feministischen Bewegung mit einheimischen Frauen zusammen aktiv. Wir sind Teil dieser großen lila-farbenen Flut. In dieser Bewegung haben wir die meiste Zeit für Forderungen gekämpft, die für das Kollektiv der Frauen insgesamt spezifisch und wichtig sind, aber nicht für unsere eigenen Forderungen. Deshalb haben wir jetzt diesen Verband gegründet, um für Forderungen zu arbeiten, die spezifisch für unser Kollektiv als Pflege-Arbeiterinnen gelten“.

Zwei Jahre sind vergangen seit jenem 14. März 2020. Heute umfasst Mujeres Migradas Feministas. Cuidadoras Socio-Sanitarias 199 Frauen, die sich um ältere und pflegebedürftige Menschen in den Häusern baskischer Familien kümmern. Sie werden weiterhin rufen: "Abwesende Frauen müssen endlich anwesend sein!“ Von der Unsichtbarkeit zum Protagonismus.

Vernetzung

pflege3Mujeres Migradas Feministas. Cuidadoras Socio-Sanitarias nutzte die Gelegenheit der Pressekonferenz, sich bei allen Verbündeten zu bedanken, die von der ersten Minute an geholfen haben:

(*) Red de Mujeres Migradas y Racializadas de Euskal Herria (baskisches Netzwerk migrierter und von Rassismus betroffener Frauen) (*) Feministas por Nicaragua (*) Mujeres Tejiendo RED (Frauen knüpfen ein Netz) (*) Emigrad@s sin Fronteras (Migrantinnen ohne Grenzen) (*) Ecuador-Etxea (Ekuador-Haus) (*) Famek (*) ATH/ELE mit Arbeits- und Rechtsberatung (*) Bidez Bide Guipuzkoa zur Frage der Homologationen (*) Verband der Pflegekräfte und Hausangestellten in Araba. (*) Auf nationaler Ebene: (*) Verband Micaela del Maresme Barcelona (*) Asoc. de Trabajadores de Hogar de Sevilla (Verband der Hausangestellten Sevilla (*) und viele freiwillige und unterstützende Frauen.

MMF.CSS bittet weiterhin um Unterstützung von ehrenamtlichen Anwältinnen auf nationaler Ebene, um die Themen Einwanderung, geschlechtsspezifische Gewalt und Arbeit in Angriff zu nehmen.

“Wir rufen alle unsere migrantischen Schwestern auf, die sich in irgendeiner Ecke der Region Baskenland und des spanischen Staates befinden, sich mit uns zu organisieren, da wir uns auch auf staatlicher Ebene konstituiert haben. “Wir sehen uns auf der Straße, denn wir werden den Kampf und den Widerstand fortsetzen, bis wir alle frei und legalisiert sind“. (1)

Internationaler Tag

Der 30. März ist der Internationale Tag der Hausangestellten und Pflegekräfte. An diesem Tag ist es mehr als notwendig, die Rechte von Tausenden von Frauen einzufordern, die diese Arbeit verrichten und die nach wie vor einen Sektor mit unsicheren Arbeitsplätzen und ohne Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung darstellen. In einer Tageszeitung in Navarra wird die Situation in diesem Sektor reflektiert. (2)

96% Prozent der Personen, die im spanischen Staat Haus- und Pflege-Arbeiten verrichten, sind Frauen. Daraus geht hervor, dass dieser Sektor stark von Frauen geprägt ist und zu den am wenigsten sozial geschützten Arbeitsbereichen gehört. Hinzu kommt, dass 55% dieser Frauen im Staat ausländischer Herkunft sind. Aus diesem Grund legt die Menschenrechts-Organisation SOS Rassismus Navarra besonderen Wert darauf, die Prekarität des Sektors der Haus- und Pflegearbeit zu beklagen, in dem sich Rassismus mit Patriarchat und Kapitalismus überschneidet.

Überausbeutung

pflege4Das Szenario ist entmutigend. Denn zur Prekarität kommen noch die bürokratischen Hindernisse und die Situation der administrativen Unregelmäßigkeiten, eine direkte Folge der Ausländer-Gesetze. Durch sie werden diese Frauen daran hindert, unter angemessenen Bedingungen zu arbeiten, sie werden in informelle Arbeit und Schattenwirtschaft drängt. Die Covid-19-Pandemie machte die langen und fast sklavenähnlichen Arbeitszeiten der internen Arbeitskräfte deutlich; es waren diese Frauen, die die Pflege der Angehörigen unterstützten, indem sie während der Zeit der Entbindung im Haus ihres Arbeitgebers wohnten, was auf Kosten ihrer psychischen Gesundheit und einer Überausbeutung bei der Arbeit ging.

Migrantinnen, die neben der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft auch Haus- und Pflegearbeit verrichten, sind mit anstrengenden bürokratischen Prozessen konfrontiert. Wenn sie ihre legale Situation im Staat geregelt haben, besteht eines der größten Bedürfnisse dieser Frauen darin, ihre Familien wieder zusammenzuführen. Als wäre es ein unüberwindbarer Hindernisparcours, ist es fast unmöglich, eigene Kinder mitzubringen. Im Gesetz 4/2000 (Ley de Extranjería) heißt es, dass die Zusammenführung von abhängigen Minderjährigen ohne ausreichende wirtschaftliche Mittel und eine angemessene Wohnung nicht wirksam sein kann.

Die Ratifizierung des Abkommens 189 der Internationalen Arbeits-Organisation (engl: ILO, dt: IAO) ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, d.h. der Gewährleistung besserer Arbeitsbedingungen und der Anerkennung des wirtschaftlichen Beitrags der im Bereich der Haus- und Pflegearbeit tätigen Personen. Deshalb fordern wir die Zentralregierung, das Arbeits-Ministerium und das Gleichstellungs-Institut auf, die Ratifizierung dieser Konvention dringend auf die politische Agenda zu setzen. Andernfalls lassen sie diesen Sektor, der heute mehr denn je für die Nachhaltigkeit der Gesellschaft unerlässlich ist, hilflos zurück. Auf der anderen Seite fordern wir die Regional-Regierung Navarra auf, mit eigenen Regelungen die notwendigen Linderungs-Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation zu verbessern, bis es auf staatlicher Ebene zu einer positiven Änderung kommt.

ANMERKUNGEN:

(1) Ecuador Etxea (LINK)

(2) “Día Internacional de las trabajadoras de hogar y cuidados” (Internationaler Tag der Hausangestellten und Pflegekräfte), Noticias de Navarra, 2022-03-30 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) MMF.CSS (ecuador etxea)

(2) MMF.CSS (ecuador etxea)

(3) MMF.CSS (ecuador etxea)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-03-31)

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