Umstrittene baskische Gas-Pläne
Ökologisch gesehen ist es umstrittener denn je, weiter auf Erdöl, Kohle oder Erdgas zu setzen. Doch letzteres gehört zum Energie-Versorgungs-Plan der baskischen Regierung. Dafür hat sie nun von der spanischen Regierung die Zustimmung erhalten, in der Provinz Araba Probebohrungen durchzuführen, die zu einer Förderung führen könnten. Die baskische Opposition und alle Ökologie-Gruppen laufen Sturm. Zwar ist die Fracking-Methode vom Tisch. Doch fossile Brennstoffe sind mega-out – Windenergie ist in.
Die baskische Regierung setzt auf die Förderung von Erdgas, das im baskischen Süden in großen Mengen vorkommen soll. Dafür erhält sie Rückenwind aus Madrid. Die Ökologie-Bewegung hält von solchen Plänen überhaupt nichts. Streit ist vorprogrammiert.
Eine eigene Entscheidungs-Kompetenz hat die baskische Regierung in der Frage der Förderung von Energiequellen nicht. Entsprechende Entscheidungen werden jeweils in Madrid getroffen. Zum Positiven und zum Negativen. Ursprünglich hatte die Regierung in Gasteiz die Absicht, das in der Provinz Araba vermutete Gas mit der Fracking-Methode aus dem Erdinneren zu holen. Doch dies scheiterte nicht zuletzt an einer breiten Opposition, im Baskenland wie im Staat. Nicht aufgegeben hat die baskische PNV-Regierung den Plan, diese unterirdischen Gasvorkommen auf traditionelle Weise anzuzapfen. Dafür hat sie ein eigenes Unternehmen gegründet, SHESA. Nun hat die spanische Regierung zugestimmt, dass in Araba Probebohrungen ausführt werden können, um die Existenz der Gas-Vorkommen zu verifizieren.
Diese Probebohrungen könnten im Jahr 2021 im südbaskischen Ort Subijana (Araba-Álava) durchgeführt werden. In der Hoffnung, dort Gasreserven zu finden, von denen es heißt, sie könnten das Baskenland 60 Jahre lang mit Energie versorgen. Das klingt sehr verlockend. Unabhängig zu sein von arabischem Erdöl und das ein halbes Jahrhundert lang. Aber auch Erdgas ist ein fossiler Brennstoff, der zur Erderwärmung und zur Klimakatastrophe beiträgt.
Interpretation von Umweltschutz
Die baskische Regierung, mit der christdemokratischen und neoliberalen PNV-Partei als Rückgrat, hat ein seltsames Verständnis von Umweltschutz. Im neuesten Haushalt für 2020 werden die Ausgaben für den Hochgeschwindigkeitszug AHT-TAV als Investition gegen den Klimakollaps definiert. Umweltschutzgruppen sind da anderer Ansicht. Die Zuglinie bricht eine Tunnel- und Brücken-Schneise ins bergige Baskenland, hat nur wenige Haltestellen und dient in keinster Weise zur Lösung der Verkehrs- und Transportprobleme. Sie dient allein der Schnell-Verbindung Paris-Madrid und wird von Brüssel protegiert. Zugverkehr wird gerne mit dem Rückgang von Autoverkehr in Zusammenhang gebracht. Daher die abwegige Öko-Definition. Doch ist das nicht der Fall, weil ein Hochgeschwindigkeitszug per se nicht in jeder Kleinstadt halten kann, ohne seinen Schnell-Charakter zu verlieren.
Ähnliches wird von der PNV mit der Verlängerung der Supersur-Autobahn südlich von Bilbao praktiziert: ebenfalls angeblicher Umweltschutz. Tatsache ist: ein Biotop wird zerstört, nur für eine schnellere Anbindung von wenigen Minuten an die Autobahn Richtung Hauptstadt. Im Biosphären-Reservat Urdaibai (zwischen Gernika und Bermeo) wollen die selbsternannten “Klimaschützer“ nach dem Erfolg des Museums in Bilbao sogar ein zweites Guggenheim bauen, was für das Naturschutzgebiet den Todesstoß bedeuten würde. Beispiele für Umweltschutz als pure Floskeln. Aber Populisten sind immer die anderen.
Vom Fracking zum “nichtschädlichen“ Abbau
Die Zentralregierung in Madrid hat nun einem Antrag von SHESA zugestimmt, den diese vor dreieinhalb Jahren gestellt hatte. SHESA ist ein von der baskischen Regierung gegründetes Unternehmen mit dem Namen “Sociedad de Hidrocarburos de Euskadi“ (Gesellschaft für Kohlenwasserstoffe Euskadi). Zweck der Übung ist die Ausbeutung der vermuteten Gas-Vorkommen. Das Ministerium für den Ökologischen Übergang (Transición Ecológica) in Madrid hat den Antrag geprüft und im November 2019 das Jawort gegeben.
Geprüft wurde vor allem die Studie, die behauptet, das Projekt habe keine schwerwiegenden ökologischen Auswirkungen und sei mit den geltenden Umweltschutz-Verordnungen verträglich. Nun dürfen am Standort Armentia-2 bei Subijana, 20 Kilometer von der baskischen Hauptstadt Vitoria-Gasteiz entfernt – die Vorbereitungen getroffen werden zu Probebohrungen. Bereits 1997 wurden dort (Armentia-1) erste Inspektionen durchgeführt. Nach wie vor sind die Erwartungen hoch. Nach Angaben von SHESA, deren Hauptzweck die Suche nach fossilen Brennstoffen ist, sollen dort 185 Milliarden Kubikmeter Methan lagern, der baskische Energiebedarf für 60 Jahre.
In einer Erklärung betonte der Direktor von SHESA, Luis Muñoz, zur “positiven“ Entscheidung der “Abteilung für Biodiversität und Umweltqualität“, dass noch eine Reihe von Schritten zu unternehmen seien, bevor perforiert werden könne. Vor 2021 sei nicht daran zu denken. Noch fehle die Genehmigung der Generaldirektion für Energie- und Bergbau-Politik. Daneben seien Bau-Genehmigungen auf örtlicher Ebene und die Ausschreibung der Arbeiten notwendig. Dennoch sei es ein bedeutender Schritt, um “unsere energetischen Rohstoffe bewerten zu können“. (1)
Ablehnungsfront von Ökolog*innen
Die baskischen Gas-Projekte – mit und ohne Fracking – sind in der Provinz Araba immer auf den erbitterten Widerstand von ungefähr zwanzig gesellschaftlichen Kollektiven gestoßen. In den letzten Jahren wurde Gasförderung sogar von der eigenen Verwaltung in Frage gestellt. 2017 wurde die Antragstellung dadurch erschwert, dass die Zentralregierung (seinerzeit die PP mit Rajoy) mehr Garantien forderte, weil ihrer Ansicht nach Bohrungen Risiken für die Umwelt darstellen könnten.
Dieselbe Regierung hatte wenige Jahr zuvor voll auf Fracking gesetzt, bis der Widerstand sogar die eigenen Reihen infizierte. Die baskische Regierung musste die Ausschreibung von Expertisen im Wert von 27 Millionen Euro zurücknehmen, für die sich drei internationale Ölmultis beworben hatten. Dabei setzt SHESA zudem auf die Rioja-Karte: in der Viura genannten Gasgrube der spanischen Nachbarregion wird bereits Brennstoff gefördert, SHESA hat dort einen Anteil von 37% der Aktien.
Nun ist aus dem Ministerium zu hören, dass die Arbeiten “keine bedeutenden negativen Folgen nach sich ziehen werden“. Wenn sich die ausführenden Firmen an die geltenden Regeln im Umweltschutz halten, “sind sowohl die Umwelt wie auch die Rohstoffe geschützt“ – eine eigenartige Formulierung für Rohstoffe, die ausgebeutet werden sollen. Das Ministerium wertet außerdem den ausdrücklichen Verzicht auf Fracking als positiv, weil “ein politischer und gesellschaftlicher Konsens in der Fracking-Frage nicht gegeben sei“. (1)
Gescheiterte Fracking-Strategie
Um 2010 hatten fünf große Konsortien ihre Augen auf die Ausbeutung der in der iberischen Erde liegenden Gasvorkommen geworfen. Das Fracking-Wunder der USA sollte hier wiederholt werden. Die Aussicht, sich von Energie-Importen unabhängig zu machen, war mehr als reizvoll. Für diese Pläne fanden die multinationalen Unternehmen in der neoliberalen PP-Regierung verlässliche Partner. Die Konsortien gründeten eine Lobby-Gruppe Pro-Fracking namens Shale Gas España: BNK Hidrocarburos, Heyco und San Leon aus den USA, R2 Energy aus Kanada. Mit dabei war auch die Sociedad de Hidrocarburos de Euskadi (SHESA), eine von der baskischen Regierung ins Leben gerufene öffentliche Gesellschaft.
2013 gab die “Asociación Española de Compañías de Investigación, Exploración y Producción de Hidrocarburos y Almacenamiento Subterráneo“ (Spanischer Unternehmensverbund zur Erforschung, Ausbeutung, Produktion und unterirdischen Lagerung von fossilen Brennstoffen - ACIEP) eine Studie in Auftrag, in der Gasdepots für 70 Jahre Energiekonsum im spanischen Staat ausgemacht wurden, ein Großteil davon in baskisch-kantabrischen Gebieten im Norden. Zu ACIEP gehören Ölmultis (wie Repsol oder CEPSA) und interessanterweise ebenfalls die von der baskischen Regierung gegründete SHESA.
Doch entwickelte sich von Beginn an eine Ablehnungsfront aus Ökolog*innen und Naturschützer*innen, der sich nach und nach auch Stadtverwaltungen und Regionalregierungen anschlossen. Pikanterweise auch von Seiten der postfranquistischen PP, deren Energiepolitik somit nicht nur von außen, sondern auch von innen kritisiert wurde. (2)
Fracking-Risiken
Fracking (Hydraulic Fracturing) ist eine Methode zur Erzeugung, Weitung und Stabilisierung von Rissen im Gestein einer Lagerstätte im tiefen Untergrund mit dem Ziel, die Durchlässigkeit der Lagerstätten-Gesteine zu erhöhen. Dadurch können darin befindliche Gase oder Flüssigkeiten leichter und beständiger zur Bohrung fließen und gewonnen werden. Beim Fracking wird durch eine Bohrung, unter hohem Druck von mehreren hundert Bar, eine Flüssigkeit in den geologischen Horizont gepresst, aus dem gefördert werden soll. Als Flüssigkeit dient Wasser, das mit Chemikalien und Stützmitteln, wie z. B. Quarzsand und Verdickungsmitteln versetzt ist. (3)
Fracking beinhaltet hohe Risiken für die Bevölkerung und die Umwelt. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben und Explosionen. Die verwendeten Chemikalien können in Wasserreservoirs gelangen und sie verseuchen. Das zu fördernde Gas besteht zu großen Teilen aus Methan, welches gefährlicher ist als CO2 und entsprechend mehr zum Treibhauseffekt beiträgt. (4)
Institutioneller Widerstand
Die PP änderte Umwelt-Gesetze, um Fracking möglich zu machen. Doch der breite Widerstand überraschte sogar die Rechte, die es ansonsten gewohnt war, ihre Politik gegen alle Vernunft durchzusetzen. In der Provinz Burgos wehrten sich fünf Stadt-Bürgermeister – alle von der PP – gegen Fracking. Einzelne Regional-Regierungen beschlossen Fracking-Verbote, die jedoch anschließend vom Verfassungsgericht als nicht konform bezeichnet und annulliert wurden. Die versammelte Opposition im Baskenland ging einen anderen Weg. Über eine Unterschriften-Sammlung wurde ein außerparlamentarisches Gesetz-Verfahren eingeleitet zur Änderung der Umweltvorschriften. Fracking sollte nicht verboten, sondern unmöglich gemacht werden, indem die Umweltstandards erhöht wurden.
In Anbetracht des negativen Panoramas im gesamten Staat nahmen die Unternehmen, die teilweise schon Bohrgenehmigungen auf dem Schreibtisch hatten, Abstand von ihren Fracking-Plänen. Im März 2016 forderte eine Mehrheit im spanischen Parlament die Regierung auf, dem Beispiel von Frankreich und Bulgarien zu folgen und Fracking zu verbieten. (2)
Sondierung ja – Ausbeutung nein
Die Studie der baskischen Regierung gibt an, das Bohrgebiet sei außerhalb von wichtigen Orten und von Wohngebieten, Subijana liegt (nur) einen Kilometer entfernt. Ausgeschlossen wurden radioaktive Elemente im Boden. Es sei überdies nicht zu erwarten, dass sich die Arbeiten auf das Grundwasserlager “Calizas de Subijana“ auswirken. Dieses unterirdische Wasservorkommen ist die größte Wasserreserve des Baskenlandes, ein monumentales Naturdepot von 72,5 Millionen Kubikmeter Wasser, was der Füllmenge von 29.000 Olympischen Schwimmbädern entspricht. (1)
Das Ministerium legt Wert auf die Feststellung, die Genehmigung beziehe sich allein auf die Sondierung. Sollte sich die Existenz des Gas-Depots bestätigen, müsste SHESA einen Antrag auf Ausbeutung und Kommerzialisierung von Naturgas stellen, die erneut auf ihre Umwelt-Verträglichkeit überprüft würde. Luis Muñoz von SHESA zählte diese Schritte nach Beginn der Probebohrungen im Jahr 2021 auf, die Perforierung würde ein halbes Jahr dauern. “Wenn die Ergebnisse positiv ausfallen, würde eine kleine Fabrikhalle gebaut werden, um Versuche zu machen, wie die Produktion langfristig ablaufen könnte. Das würde noch einmal sechs Monate dauern“.
EH BILDU,Podemos: Stopp der Sondierungen!
Parlamentarier*innen der linken Koalition Euskal Herria Bildu (EHB) fordert von der baskischen Regierung den endgültigen Verzicht auf die Probebohrungen. Mikel Otero: “Die Gesellschaft in Araba hat ausreichend deutlich gemacht, dass sie in Zukunft keine fossilen Brennstoffe haben will.“ Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Stadtverwaltung Vitoria-Gasteiz noch die Möglichkeit hat, das Projekt zu stoppen, weil es in ihrer Kompetenz liegt, Betriebsgenehmigungen und Bauarbeiten zu beschließen. Das Problem dürfte sein, dass in Gasteiz dieselbe Partei regiert wie in der Provinz- und der Regionalregierung. Von der Partei Unidos Podemos (Vereinigt schaffen wir es) forderte Juantxo López de Uralde “die Beerdigung der fossilen Brennstoffe und die Förderung von erneuerbaren Energien“. Einen anderen Weg gäbe es nicht. Das Ökologie-Kolektiv Berriztu (Erneuern) bezeichnete die Entscheidung der Zentralregierung als “hochgradig schamlos“.
Bereits 2015 und 2017 publizierte BASKULTUR.INFO Artikel zum Thema Fracking. 2015 unter dem Titel “Fracking-Verbot im Baskenland – Energiepolitik und Umweltschutz“ (5). 2017 unter dem Titel “Kein Fracking im Baskenland – Verzichtserklärung der baskischen Regierung“ (6).
ANMERKUNGEN:
(1) Tageszeitung El Correo 2019-11-27: “El Gobierno central da un impulso al proyecto del Ejecutivo vasco para extraer gas en Álava” (Die Zentralregierung unterstützt die baskische Exekutive bei der Ausbeutung von Gas in Alava) (LINK)
(2) Tageszeitung El País 2017-03-12: “La burbuja del fracking en España se pincha” (Die Fracking-Blase in Spanien verliert Luft) (LINK)
(3) Fracking – Wikipedia (LINK)
(4) “Consecuencias del fracking en el medio ambiente y en la salud” (Folgen von Fracking für Umwelt und Gesundheit) (LINK)
(5) Baskultur.info 2015-07-05: “ Fracking-Verbot im Baskenland – Energiepolitik und Umweltschutz“ (LINK)
(6) Baskultur.info 2017-07-09: “Kein Fracking im Baskenland – Verzichtserklärung der baskischen Regierung“ (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Fracking (FAT)
(2) Anti-Fracking (elpais)
(3) Armentia (elcorreo)
(4) Armentia (elcorreo)
(5) Fracking (cadensaser)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2019-12-07)