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Die unendliche Geschichte

Zwar nicht zu erwarten, aber zu befürchten war, dass die schnelle “Normalisierung“ zu einem heftigen Rollback führen würde. Die Rückkehr zum Tourismus hat die “Fünfte Covid-Welle“ ausgelöst, die wegen des Alters der Betroffenen auch “Junge Welle“ genannt wird. Die distanzlosen dafür partyreichen Klassenfahrten nach Mallorca waren tödlich. Delta ist der vierte Buchstabe des griechischen Alphabets, Lambda der fünfte, genau so heißt die Version des Tierchens, die demnächst über uns herfallen wird.

Geldgier zahlt sich nicht aus. Die vorschnelle Rückkehr zu alten Reise-Gewohnheiten hat eine neue Etappe in der Coronavirus-Pandemie losgetreten. Die Varianten geben sich die Klinke in die Hand, derweil wird kräftig an der nächsten Pandemie gearbeitet. Nichts hat sich verändert. Weder die anti-ökologische Lebensmittel-Produktion noch die Konsum-Gewohnheiten.

(2021-10-04)

ULTRARECHTS

Die Generalversammlungen der postfranquistischen “Volkspartei“ (Partido Popular, ein Euphemismus) heißen nicht mehr Parteitage, sondern Konvention, nach dem Vorbild der Republikaner in den USA. Sie dauern nicht mehr ein Wochenende lang wie bisher, sondern eine geschlagene Woche, mit entsprechend viel Rauch im Nichts. Eine Show im schlechtesten Sinn von Hollywood, die nur ganz am Ende echte Schlagzeilen lieferte, als der alte und neue Parteichef mit dem vielsagenden Namen “Verheiratet“ (Casado) in die Vollen ging. Dabei holte er vor allem die Keule gegen das Baskenland aus dem Sack.

kolu31d04Vor der Baskenkeile machte die Partei mit ihrem Ehrengast deutlich, woher sie kommt und wohin sie will. Der soeben wegen Korruption verurteilte Ex-President der Grande Republique Nicolas Sarkozy durfte sich feiern lassen – Rechtsaußen unter sich. Dann wurde das Parteiprogramm vorgestellt, das vornehmlich darin besteht, all das rückgängig zu machen, was die aktuelle sozialliberale Regierung unter Ministerpräsident Sanchez beschlossen hat. Man werde endlich alle illegale Migrant*innen rausschmeißen und das Erinnerungs-Gesetz (ein zweiter vorsichtiger Versuch, die Diktatur aufzuarbeiten) wieder rückgängig machen (das Gesetz ist noch nicht einmal beschlossen); man werde der baskischen Regierung die Kompetenz über die Gefängnisse wieder wegnehmen (die Kompetenz wurde vor genau vier Tagen ins Baskenland übertragen, nachdem sie der hiesigen Regierung 43 Jahre vorenthalten wurde); Katalonien soll dasselbe Schicksal ereilen, obwohl die Kompetenz bereits vor 40 Jahren übertragen wurde; und die ETA-Gefangenen, die in den vergangenen 10 Monaten endlich ins Baskenland (oder in die Nähe) verlegt wurden, sollen wieder runter nach Andalusien, damit die Angehörigen weiter bei Reiseunfällen ins Gras beißen.

Medien und politische Beobachter*innen sind sich einig, dass mit der ultrarechts-nationalistischen und franco-freundlichen Keule der faschistischen Konkurrenz von Vox die Stimmen wieder abgenommen werden sollen. Fehlt eigentlich nur, dass Franco wieder ins “Tal der Gefallenen“ zurückgebettet wird und vielleicht noch als Ehren-Abgeordneter einen Platz im Kongress auf Lebenszeit zugewiesen bekommt. Spanische Verhältnisse.

UND SONST … Das Baskenland ist die letzte Region im Staat, in der die durch die Pandemie verursachten Restriktionen ausgesetzt werden. Die Zahl der Neuansteckungen ist niedrig wie nie, die Besäufnisse jedes Wochenende kennen keine Scham und keine Grenze.

(2021-09-23)

DER KUBANISCHE IMPFSTOFF

In der westlichen Welt ist eine dritte Impfdosis (die zweite je nach Produkt) in der Diskussion – ein extra Profit für die Pharmaindustrie. In Euskadi wurde 77% der Bevölkerung vollständig geimpft. Nicht mit kubanischen Impfstoffen. Dagegen: “Eine Einzeldosis des FINLAY-FR-1A-Impfstoffs (Soberana+) erhöht die neutralisierende Reaktion bei COVID-19-Rekonvaleszenten und weist ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil auf“. So lautet die Einführung eines Artikels, der kürzlich in der renommierten Zeitschrift “The Lancet Regional Health-Americas“ veröffentlicht wurde.

kolu31c23Laut Dr. Rolando Ochoa Azze, Forscher und Professor am kubanischen Finlay Vaccine Institute (IFV), dem Zentrum, das den Impfstoff entwickelt hat, "bestätigt die Veröffentlichung die Ergebnisse von Soberana Plus, insbesondere seine Rolle bei der Verhinderung von Wieder-Infektionen von genesenen Personen durch neue Varianten von SARS-CoV-2, wie Delta". Die Sicherheit und Immunogenität des Impfstoffs auf internationaler Ebene ist eindeutig", so der Experte.

Die IFV-Forschungsleiterin erklärt: "Der Artikel fasst die Sicherheit der Anwendung einer Einzeldosis von Soberana Plus bei rekonvaleszenten Personen mit Covid-19 zusammen. In dieser Studie wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Folgen gemeldet, die meisten waren leicht. Am häufigsten traten lokale Schmerzen auf, über die 10% der Patienten berichteten. Vor allem aber hat sich die Impfung dieser Personen, die sich von einer neuartigen Krankheit wie Covid-19 erholen, als sicher erwiesen". Aber, so sagte sie, "die neuartigste Erkenntnis sind zweifellos die Ergebnisse der Immunantwort, die wir nachweisen konnten und die mit einer einzigen Impfstoffdosis erreicht werden“.

UND SONST … In zwei Wochen kehrt die Normalität ins Baskenland zurück. Katalonien verliert 70.000 Impfdosen nach Ablauf der Haltbarkeit. In den USA wird die dritte Impfung autorisiert, Europa gerät unter Druck. Deutsche Ferieninsel wird von Vulkan verzehrt.

(2021-09-17)

MIGRANTINNEN: PRÄDESTINIERTE OPFER

kolu31c17Im Kapitel geschlechtsspezifische Gewalt bietet der Jahresbericht der baskischen Justiz eine aufschlussreiche Information: “Dreißig Prozent der Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt sind Ausländerinnen, die aufgrund ihrer irregulären Situation stärker gefährdet" sind. Die Staatsanwaltschaft beklagt das Fehlen einer "spezifischen Behandlung" dieser Frauen im Gesetz und weist auf die Faktoren hin, die ihre Situation verschlimmern. Dazu gehört, "dass sie häufig die Sprache nicht beherrschen und dass viele sozial und familiär isoliert sind".

Die Migrantinnen "haben Angst davor, was mit ihren Kindern in ihrem Herkunftsland geschehen könnte", auch sind sie besorgt, dass "diese Übergriffe in ihren Ländern von der Gesellschaft eher toleriert werden, was dazu führt, dass sie sich scheuen, ihre Partner oder Ex-Partner anzuzeigen". Außerdem befürchten diese Opfer, dass ihre illegale Situation durch die Anzeige aufgedeckt wird und sie abgeschoben werden könnten.

UND SONST … Der Konsum von Beruhigungsmitteln (aus der Hausapotheke) zusammen mit Alkohol führt bei Jugendlichen zu einem Realitätsverlust und zur Zunahme von sexistischen Übergriffen.

(2021-09-10)

SUIZID-TENDENZEN

Die Pandemie hat zu einer Zunahme von Selbstmordversuchen unter baskischen Teenagern geführt. Am Internationalen Tag der Vorbeugung gegen Suizid wird dieses Thema an die Öffentlichkeit gekehrt (seit 2003). Das baskische Bildungs-Ministerium will Lehrer im Bereich der Suizidprävention ausbilden, um Frühwarnzeichen zu erkennen. Neu ist das Thema nicht, doch Coronavirus hat die Sache deutlich verschärft. Die emotionalen Auswirkungen der Covid-Krise auf Kinder und Jugendliche geben Expertinnen und Behörden Anlass zu großer Sorge. "Die Folgen der Pandemie für die psychische Gesundheit sind unbestreitbar", heißt es aus dem Europäischen Parlament. Im baskischen Bildungs-Ministerium ist von der Zunahme von Ess-Störungen, Angst- und Stress-Störungen, Selbstverletzungen und vor allem Selbstmord-Versuchen bei Jugendlichen die Rede.

kolu31c10Um diese zum Schweigen gebrachte Realität sichtbar zu machen, von der Tausende von Menschen betroffen sind, die keinen anderen Weg wählen können, um ihrem Leiden zu entkommen, als ihr Leben zu beenden, wurde in Bilbo die zweite Konferenz zur Suizidprävention im Baskenland veranstaltet. Nach 18 Monaten mit einer tragischen Zunahme von Todesfällen insgesamt und strengen Beschränkungen haben Expertinnen eine Zunahme der psychiatrischen Anfragen von jungen Menschen festgestellt. “Viele Krankheiten beginnen im Kindes- und Jugendalter, daher ist eine frühzeitige Behandlung von entscheidender Bedeutung". Lehrerinnen stehen an vorderster Front. Sie sollen befähigt werden, Warnzeichen frühzeitig zu erkennen. Eine Geste, ein Wort kann ein Weckruf sein, man muss nur wissen, wie der Umgang sein sollte.

Nach Angaben von Eustat (baskische Statistik) nahmen sich im Jahr 2020 insgesamt 184 Baskinnen und Basken das Leben, 27% mehr als im Vorjahr. Alle zwei Tage ein Todesfall. "Es ist zwar nicht die höchste Zahl der letzten zehn Jahre, aber das bedeutet nicht, dass es sich nicht um ein vorrangiges Gesundheits-Problem handelt. Außerdem hat die Zahl der Konsultationen wegen psychischer Störungen zugenommen, vor allem bei jungen Menschen". - "Nicht alle Todesfälle können verhindert werden, aber einige schon, deshalb muss dieses Problem stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Wir sollten nicht immer von einem Ansteckungseffekt ausgehen", sagt ein Soziologe.

Stress ist tödlich. Bestes Beispiel in diesem Sommer war eine US-amerikanische Turnerin, die kurz vor sicheren Olympiasiegen einen Rückzieher machte und “ich halte es nicht mehr aus“ sagte. Die Sportlerin hat es aus eigener Kraft geschafft, sich aus einem gefährlichen Teufelskreis zu befreien, die Verantwortlichen für Gesundheit wollen und müssen "die Spirale des Schweigens und der Stigmatisierung durchbrechen", die über das selbstzerstörerische Verhalten fortbesteht. "Das wird helfen, Leben zu retten".

UND SONST … Nur in Euskadi sind die Discos noch geschlossen. Die fünfte Welle ist auf dem Rückzug. Massen-Impfstationen werden aufgelöst. Covid-Tod eines Motorrad-Rennfahrers, der sich als Negationist profilierte und die Impfung verweigerte.

(2021-08-30)

kolu31b30UNSER TÄGLICH BROT

Bilbao verabschiedet sich von den NO-Fiestas mit Massen in der Altstadt und einem Flaschenwurf. / 14 Festnahmen in Donostia nach einer weiteren Nacht mit Auseinandersetzungen, insgesamt um die 80. / Besäufnisse und Autorennen mit 1.500 Jugendlichen am Strand von Hondarribia. / Der Park von Gorliz erlebt eine weitere Nacht mit schweren Ausschreitungen von Jugendmassen. / Die Polizei untersucht eine Mehrfach-Vergewaltigung in Plentzia. / Flaschenwürfe, Schlägereien und Zusammenstöße mit der Polizei – 18 Festnahmen, viele Verletzte und Polizeieingriffe nach einem Besäufnis mit 2.000 Jugendlichen in Noja, Kantabrien. / In der Metro Bilbao mit einer kaputten Flasche angegriffen. / Euskadi registriert 285 Covid-Fälle und eine niedrige Übertragungsrate. / Der baskische Covid-Krisenrat lockert die Bestimmungen: in Großräumen 60%, n Kneipen 50% und in Stadien 30% der Kapazität. In den schulen darf wieder Sport gemacht werden.

UND SONST … Pandemie: Viele der zuletzt besonders stark von Covid betroffenen baskischen Jugendlichen wollen sich nicht impfen lassen / Internet: Youtube löscht mehr als 1 Million Videos mit Desinformation über Covid / Am Dienstag kommen wieder Kreuzfahrtschiffe nach Bilbo / Klimakatastrophe: Zum ersten Mal in der Geschichte regnet es am höchsten Punkt Grönlands.

(2021-08-15)

SORGENTELEFON FÜR KINDER UND JUGENDLICHE

Zeuk Esan (Sprich du) ist ein Beratungstelefon für Kinder und Jugendliche der baskischen Regierung, das sowohl von Minderjährigen als auch von Erwachsenen mit Minderjährigen in ihrer Obhut genutzt werden kann. Die Zeuk-Esan-Telefonnummer 116111 ist kostenlos, anonym und verfügt über eine Website, soziale Netzwerke, einen eigenen Videokanal und eine Mailbox für Anfragen, die keine Identifizierung erfordern. Die Beratungsstelle bearbeitete in der ersten Hälfte dieses Jahres 1.207 Anfragen, 41,8% mehr als im gleichen Zeitraum des Jahres 2020. Zwischen Januar und Juni gingen 648 Anrufe ein (jeder Anruf kann mehrere Anfragen umfassen), was einen Anstieg von15 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Die Abteilung für Gleichstellung, Justiz und Sozialpolitik der Regierung von Gasteiz hebt hervor, dass in den ersten 6 Monaten des Jahres mehr Anfragen bei diesem Dienst eingegangen sind als in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2017 insgesamt.

kolu31b15Unter den 597 Anfragen, die von Minderjährigen im ersten Halbjahr 2021 gemacht wurden, beziehen sich 31,1% auf psychische Probleme und 23,9% auf familiären Beziehungen. Gefolgt von solchen, die mit Mobbing unter Gleichaltrigen (14,9%) und Beziehungen zwischen Gleichaltrigen (13,7%) zu tun haben, während Liebesbeziehungen und Sexualität keine 10% ausmachen. Bei den 604 Anfragen, die von Erwachsenen mit Kindern gemacht wurden, steht Mobbing durch Gleichaltrige an erster Stelle (36,5%), gefolgt von psychischen Problemen (22%) und familiären Beziehungen (13,9%). Die Vernachlässigung von Kindern, die bei den Beratungen mit Minderjährigen kaum eine Rolle spielt, erreicht bei Erwachsenen 8,4%.

NACH ALTER

Bei Minderjährigen nehmen die Kontakte mit dem Alter zu. In den ersten sechs Monaten 2021 haben nur 20 Kinder unter 12 Jahren angerufen. In der Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen stieg diese Zahl auf 121 Anrufe und in der Altersgruppe der 16- bis 18-Jährigen auf 178 Anrufe. Nach Geschlechtern betrachtet überwiegen Mädchen mit 167 Anfragen gegenüber Jungen mit 155.

Vor Monaten richtete Zeuk Esan auf seiner Website eine spezielle Rubrik für Fragen im Zusammenhang mit der Pandemie ein, da Covid das tägliche Leben von Familien, Kindern und Jugendlichen "drastisch" verändert und verkompliziert hat. Die Direktorin für Familie und Kindheit hat die Bedeutung von Kommunikations-Kampagnen zur Bekanntmachung dieses Dienstes hervorgehoben, die zu einer "stärkeren Sensibilisierung der Gesellschaft in Bezug auf das Wohlergehen" von Kindern und Jugendlichen beigetragen haben. Stellt sich die Frage, ob die Zunahme der Anfragen auf die größere Bekanntheit des Beratungsdienstes zurückzuführen ist, oder auf die Tatsache, dass sich die Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen deutlich verschlechtert hat.

UND SONST … Erpressung unter Jugendlichen in Gasteiz: “Zwanzig Euro pro Monat oder du kriegst Schläge“ / Homophober Übergriff bei den No-Fiestas in Amurrio / Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Jugendlichen in Portugalete und Gorliz

(2021-08-09)

UND WIEDER GRÜSST DAS REISETIER

Sie sind zurück. Mit aller Macht. Mehr denn je, so scheint es: Der Tourismus hat nach zwei Jahren Auszeit seine baskische Kolonien wieder besetzt, Bilbao, Donostia … Weil die Einheimischen ebenfalls in Reiselaune sind, sind die (attraktiven) baskischen Altstädte nun mehrheitlich von Horden (sorry …) von fotografierenden, Eis leckenden, Pommes fressenden und Müll produzierenden Latschenträger*innen besetzt, die keine Ahnung haben, wo sie überhaupt sind. Am Platz in meinem Barrio habe ich heute fünf bekannte Gesichter gesehen, unter 100. Die Mehrheit der Nichteingeladenen stammt aus Gefilden des spanischen Staates, man will ja lieber im Auto zum Ziel kommen, um sich nicht anzustecken. Seit August werden jedoch auch Massen von Frantzesak verzeichnet, die haben es ja nicht so weit. Jeden Vormittag sind 10 (oder mehr) Besichtigungs-Gruppen in der Altstadt unterwegs, zwischen 15 und 30 Mitläufer – kein Durchkommen mehr. An die Pandemie erinnert nur, dass die Geführten alle Masken tragen.

kolu31b09Von den nachdenklichen Erwägungen des vergangenen Covid-Jahres, ob weltweiter Massentourismus in der alten Form denn überhaupt wünschenswert, erträglich und ökologisch vertretbar sei, ist nichts übrig (außer bei denen, die wie ich bewusst zu Hause bleiben). Dabei hätten wir allen Grund dazu. In der baskischen Presse war heute zu lesen, dass unter den aktuellen Bedingungen die Erderwärmung 4 Grad bis 2100 betragen werde, dass jedes Grad mehr 7% mehr Regefälle bedeute (macht 28%), und dass folglich mit entsprechend mehr Gewittern, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen zu rechnen sei (ein Gruß nach NRW) – bei gleichzeitiger Austrocknung anderer Erdregionen (in Sibirien brennt der Dauerfrost).

“Klima, Corona, Kolonialismus: Kann man das beim Reisen alles ausblenden? Oder sollten wir alle der Einsicht, dass unsere Vergnügungslust rücksichtslos ist, endlich auch Taten folgen lassen?” So lautete der Titel eines Spiegel-Artikels vergangene Woche, den ich nicht lesen durfte, weil ich nicht zur Elite der zahlenden Abonnenten zähle. “Rücksichtslos” ist das Zauberwort, “Klimakatastrophe” das Damokles-Schwert. Vogelabschießer des Tages war ein Tourist unbekannter Nationalität in der Bilbo-Altstadt. Auf seinem T-Shirt war ein Fahrrad zu sehen, eingebunden in die Worte “Save the World – By Bike” – nachdem er und seine Familie im Flugzeug oder Auto Hunderte oder Tausende von Kilometern hinter sich gelassen und ihren Teil zur eben beschriebenen Klimakatastrophe beigetragen haben.

Massentouristen sind immer die anderen, schuld für die verfluchte Erderwärmung sind ebenfalls die anderen. Friedlich in die Katastrophe. / PS. Es würde mich “brennend” interessieren, ob unter den überlebenden Überschwemmungs-Opfern von NRW einige ihre Ansichten zum Thema geändert haben. (OLATZ)

UND SONST … “Laxe Corona-Regeln in Urlaubsländern. Europas Tourismuswirtschaft schaufelt sich selbst ihr Grab. Seit heute gelten strengere Einreiseregeln für Urlaubsrückkehrer.“

(2021-08-03)

LAMBDA-VARIANTE IM BASKENLAND

Die Lambda-Variante, als andiner oder peruanischer Stamm bezeichnet, ist im Baskenland angekommen. Osakidetza analysiert derzeit Proben von zwei Personen, die sich mit der Anden-Variante des Corona infiziert haben, um festzustellen, ob es sich um importierte Fälle des Virus handelt, das auch in anderen Regionen des Landes aufgetaucht ist. Die Proben werden analysiert, um festzustellen, ob sie von außerhalb der Gemeinschaft gekommen sind oder ob die Ansteckung im Gebiet stattgefunden hat.

kolu31b03Damit schließt sich das Baskenland anderen autonomen Regionen (wie Extremadura) an, wo diese Variante ebenfalls festgestellt wurde. Sie tauchte letzten Sommer in Peru auf und ist seitdem in etwa dreißig Ländern aufgetreten, vor allem in Südamerika. Experten warnen vor der Ähnlichkeit mit dem hoch ansteckenden und impfstoff-resistenten Delta-Stamm. Sagardui aktualisierte auch den Status der übrigen Varianten, unter denen die indische im Baskenland weiterhin vorherrscht. Bereits 80 bis 85% der in der Region festgestellten Fälle sind Delta. Von dieser Mutation wurden 14.348 Infektionen sequenziert, von Beta 396, von Eta 15, von Epsilon 8 und von Capa eine.

UND SONST … Zahl der Neuansteckungen sinkt leicht. Nach 14 Monaten kehrt Corona nach Wuhan zurück.

(2021-07-31)

LÜGEN UND FAKE

Soeben wird die überraschende Nachricht verbreitet, dass im Jahr 2022 in den Medien und Netzwerken voraussichtlich mehr Fake News als echte Nachrichten kursieren. Mit anderen Worten: Die Informationen, die wir erhalten, sind falsch oder ungenau. Ende letzten Jahres verabschiedete die spanische Regierung eine Verordnung zur Überwachung von Nachrichten und zur Verfolgung "der absichtlichen, groß angelegten und systematischen Verbreitung von Desinformationen". Ein Versuch, der zum Scheitern verurteilt ist. Kommen diese Fake News aus dem Nichts? Oder handelt es sich lediglich um eine Erweiterung des Begriffs. Für uns Baskinnen sind Fake News älter als die gemalten Bisons in den Höhlen von Santimamiñe.

kolu31a31Im März 2003 begannen die USA nach einer langen öffentlichen Kampagne mit der Invasion des Irak und lösten damit eine Eskalation aus, die bis heute anhält. Vorwand war, das Regime von Saddam Hussein verfüge über Massen-Vernichtungs-Waffen (chemische, biologische und nukleare). Die Sache war ein grober Schwindel. BBC schrieb: "Die von der Downing Street und dem Weißen Haus angeführten Fakten beruhten auf Erfindungen, Illusionen und Lügen". Fake News. Diese Super-"Fälschung" wurde von Kriegstreibern und Freunden der Waffenindustrie fabriziert, die an der Destabilisierung der Region interessiert waren. Spain-Präsident Aznar wiederholte vier Jahre lang bis zum Erbrechen: "Glauben Sie mir, ich sage die Wahrheit. Es gibt Massen-Vernichtungs-Waffen im Irak". Die Region wurde dem Erdboden gleichgemacht, Hunderttausende getötet, Aznar gefeiert. Der einstige Falangist wurde Teil der Weltelite, seine Vorträge haben ein Gütesiegel, das die meisten dieser Elite überragt.

Ein Jahr später, am 11. März 2004 kam es zu den dschihadistischen Anschlägen auf Züge in Madrid. Wieder sorgte Aznar für Schlagzeilen. Erneut gelogen, aber mit der Persönlichkeit eines Premierministers als Garantie, um der Lüge Glaubwürdigkeit zu verleihen. Die Lüge bestand in der Behauptung, ETA sei für die Anschläge verantwortlich, bei denen 193 Menschen getötet wurden. Im Baskenland Schaden zu verursachen war der Ursprung des Fake. Auch über den 11-M hinaus waren Zensur, Manipulation und Verleumdung systematisch. Lange Zeit davor waren Lügen noch kaiserlich. Bei der Eroberung des Königreichs Navarra vor 500 Jahren stützten sich die kastilischen Invasionstruppen auf eine falsche päpstliche Bulle, um die Unterstützung der Christenheit zu gewinnen. Und als Jahrhunderte später die stählernen Vögel der Nazis zurückkehrten, um das ikonische Gernika dem Erdboden gleichzumachen, bestand der Fake in der Behauptung, die Basken (und Bolschewisten) hätten die Stadt selbst angezündet. Lange vor den Sozialen Medien. Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges. Bis heute. Trotz und wegen der unendlichen Information.

1998 täuschte ein PP-Ratsmitglied aus der spanischen Süd-Provinz Jaén seine Entführung vor. Er tauchte in Gipuzkoa wieder auf und kurz darauf war klar, die Sache war inszeniert. Doch waren zu diesem Zeitpunkt bereits Ströme von Tinte aus den folgsamen Nachrichten-Redaktionen geflossen, die ETA die Schuld an der Entführung gaben. Irgendwas bleibt immer hängen im Bewusstsein der Leserinnenschaft. Anekdoten, die auf einen Konflikt zurückgehen. Andere Arten von Fälschungen werden in den Büros der Geheimdienste vorbereitet. Die PSOE war Drahtzieherin des Schwindels über den Tod des Babys Begoña Urroz im Jahr 1960, angeblich durch eine Bombe von ETA. Die tödlichen Aktionen der baskischen Organisation sollten damit um acht Jahre vorverlegt werden: grausame Kindermörder während des Franco-Regimes.

Außergerichtliche Hinrichtungen werden in Erschießungen umgewandelt, aus dem Verschwinden von politischen Personen wird eine Abrechnung, systematische Folter wird in Selbstverletzung von Gefangenen umgedeutet. All das sind Beispiele für Fake News, die von den höchsten Ebenen der Macht entworfen und über die Befehlskette nach unten weitergegeben werden, um die kriminellen Umtriebe des Staates zu verschleiern.

Die baskisch-sprachige Tageszeitung "Egunkaria" wurde nicht von ETA dirigiert, die katalanische CDR hatte nicht alle Fäden des Referendums in der Hand, in Altsasu gab es keine gegen die Guardia Civil gerichtete Strategie aus den Bunkern des separatistischen Widerstands; und Moskau finanzierte niemals die Strategie der baskischen Befreiungs-Bewegung. Außerdem leben wir nicht in der Steinzeit, obwohl das Atomkraftwerk in Lemoiz abgerissen wurde. Fake News? Nichts Neues unter der Sonne in einer bekämpften Region, seit sie den Kampf um ihre Unabhängigkeit aufgenommen hat. (Information aus: Gara, Iñaki Egaña: “Fake News“)

UND SONST … Der einsetzende Regen hat mehr Besäufnisse verhindert als ein Dutzend Polizeieinsätze. Die Zahl der Neuansteckungen bleibt hoch bei 1.300, die Inzidenz liegt bei 400. Die Versuche mit einem spanischen Impfstoff wurden gestoppt, der Grund bleibt geheim.

(2021-07-25)

DOSEN FÜR DIE REICHE WELT

Jeweils 66% der Bevölkerung in Euskadi und Navarra haben zwei Impfungen erhalten, 67% bzw. 65% bisher eine. Diese Zahlen liegen knapp über dem spanischen Durchschnitt (54% / 64%), Madrid und die Balearen liegen am Ende (48% / 58%). Bekanntermaßen reicht diese stattliche Zahl nicht aus, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die 14 Tage-Inzidenz streut sich zwischen 193 in Kastilien La Mancha und 888 in Katalonien, ganz wie es der Tourismus diktiert, Euskadi und Navarra liegen mit 468 und 494 im beunruhigenden Mittelfeld. Wir sind also komplett mit der fünften Welle beschäftigt und der deutlich sichtbar zunehmende Tourismus setzt keine guten Zeichen für die Zukunft. Ähnlich sieht es in anderen europäischen Staaten aus. Doch die Ungleichheit bei der Immunisierung weltweit ist das größte Hindernis auf dem Weg zur Beendigung der Pandemie, warnt die WHO: die ungleiche Verteilung von Impfstoffen wird die Pandemie verewigen.

kolu31a25bNUR DIE REICHEN LÄNDER

Zwar haben 27,1% der Weltbevölkerung haben mindestens eine Impf-Dosis erhalten, 13,6% sind vollständig geimpft. Doch nur 1,1% der Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen haben mindestens eine Dosis. Die Rede ist von der sog. “Dritten Welt“. Sie ist im reichen Norden nur interessant, wenn es um die Ausbeutung von Rohstoffen geht, um Kleiderproduktion durch Frauen unter feudalen Bedingungen, um den Verkauf von Waffen aus zweiter Hand, um umweltschädliche Produktionsformen oder um Sex-Tourismus.

Impfung wird fast nur in der nördlichen Hemisphäre praktiziert. In der EU sind 57% teil- und 46% vollgeimpft, in Nordamerika 46% / 36%, in Südamerika 40% / 17% und in Asien 27% / 10 %. In Afrika hat der Impfprozess jedoch kaum begonnen, in der Demokratischen Republik Kongo wurden nur 0,09 Dosen pro 100 Menschen verabreicht. Im Gegensatz dazu die Vereinigten Arabischen Emirate (116 Dosen pro 100 Einwohner), Malta (166), Island (138), Bahrain (132), Chile (129) und Israel (127). Die hohe Zahl in Israel kollidiert jedoch mit Daten aus Palästina, wo nur 19 Dosen pro 100 Einwohner verabreicht wurden. Was zeigt, dass die Verteilung von Impfstoffen von politischen, wirtschaftlichen, sozialen und diplomatischen Zwängen bestimmt wird.

PATENT-LIBERALISIERUNG

Die WHO warnt, dass die ungleiche Verteilung von Impfstoffen dauerhafte Auswirkungen auf den sozio-ökonomischen Aufschwung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen haben wird. Die langsamere Impfung in diesen Ländern macht sie anfälliger für die ansteckendsten Varianten und erhöht die Möglichkeit für neue "gefährlichere" Mutationen. Um den “Armen“ einfacheren Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen, haben Indien und Südafrika einen Antrag an die Welt-Handels-Organisation (WTO) gestellt, Impfstoff-Patente vorübergehend auszusetzen. Der Vorschlag wird von 63 WTO-Mitgliedern unterstützt, aber neben der EU wehren sich auch Großbritannien, Australien, Japan und die Schweiz gegen die Aussetzung der Patente. Die Pandemie-Gewinnler aus Pharma-Branche sind völlig dagegen, es geht um Milliarden.

UNBEZAHLBAR

Die WHO kalkuliert, dass die “armen“ Länder ihre Gesundheits-Ausgaben um 57% erhöhen müssen, um 70% der Bevölkerung zu impfen, während Länder mit hohem Einkommen nur um 0,8% erhöhen müssen. Eine 70%-ige Durchimpfung in den “armen“ Ländern würde 49 Milliarden Dollar kosten, bei einem Preis von 16 Dollar pro Dosis. Das Bild ist düster. Mehr als 8 Milliarden Dollar (die Hälfte des für 2021 prognostizierten BIP-Wachstums) werden benötigt, um 70% der Bevölkerung zu impfen, verglichen mit nur 0,4% des prognostizierten Wachstums in den reichen Ländern. Im Sudan, so die WHO, würden die Kosten für Impfstoffe die Staatsverschuldung im Jahr 2021 um mehr als 562 Millionen Dollar erhöhen, in Mosambik um 367 Millionen Dollar. (OLATZ)

UND SONST … Massenbesäufnisse in Küstenorten enden mit Schlägereien, die Polizei zeigt sich machtlos. In einzelnen Stadtteilen Bilbaos werden wieder legale Fiestas gefeiert, mit Versuchen von Distanz, aber viel Nähe.

(2021-07-23)

WER SIND WIR GEWORDEN?

Achtzehn Monate Pandemie, Lockdown und Restriktionen haben uns verändert. Dabei wissen wir noch nicht einmal genau, in welche Richtung. Wir suchen uns die Freunde genauer aus; müssen auf ein Rathaus-Dokument zwei Wochen warten; erhalten keinen persönlichen Termin mehr bei Hausarzt; lassen uns spritzen wie Versuchskaninchen; sind in einem Jahr nur 2.000 Kilometer mit dem Auto gefahren; steigen ungerne in die Metro; leiden unter Zärtlichkeitsverlust in der Öffentlichkeit; sind froh, in die Nachbarstadt fahren zu dürfen; und tragen die Maske, obwohl sie nicht mehr Pflicht ist.

kolu31a23bAuch wenn es schwer fällt: wir müssen uns eingestehen, dass sich unsere Gewohnheiten verändert haben. Wir fassen uns weniger an und gehen seltener auf den Platz, in die Kneipe. Und wenn, dann verabreden wir uns wie die Engländer oder die Deutschen. Bitte keine unübersichtlichen Gruppen, von Massen ganz zu schweigen. Schlange stehen ist zur Gewohnheit geworden, weil beim Bäcker oder im Tabakladen nur eine Person zugelassen ist. Beim Gang durch die Gemeinde sehen wir alle 10 Meter eine achtlos weggeworfene Maske. Sondermüll, haben wir gelernt. In einem Jahr sammelt sich das Zeug in der schwimmenden Müllinsel im Nord-Atlantik.

Vor genau einem Jahr haben wir zum letzten Mal von den Zoonosen gelesen, die verantwortlich sein sollen für den Ausbruch der Pandemie. Weil der Lebensraum der wilden Tierwelt mit ihren ungefährlichen Virus-Tierchen immer kleiner wird, kommt es immer mehr zu Überschneidungen mit der unzivilisierten Zivilisation. Und plötzlich sind die ungefährlichen Virus-Tierchen gar nicht mehr so ungefährlich. Dazu kommt die industrielle Art der Fleisch-Produktion, in Käfigen mit künstlicher Nahrung und Antibiotikum, dass die geschundenen Viecher nicht krank werden. Mit unserem individuellen Konsum schließt sich der Kreis. Weder in der baskischen Öko-Bewegung, noch bei den Gewerkschaften existiert ein Diskurs, diese Zustände zu ändern. Wir wandern “friedlich in die Katastrophe“. (OLATZ)

UND SONST … Der baskische Coronavirus-Krisenstab hat beschlossen … die Sperrzeit wieder auf ein Uhr nachts vorzuziehen, den Zugang zu Kneipen, Kinos und Kulturveranstaltungen wieder auf 35% zu reduzieren, Stadien nur 20%. Im Westen nichts Neues. Die Gesundheits-Ministerin sieht eine dritte Impfung kommen. Durch die Reaktivierung der Wirtschaft sinkt die Arbeitslosigkeit auf 10,3%. In Tokio werden die sommerlichen Pandemie-Spiele eröffnet. 

ABBILDUNGEN:

(23-07) Collage FAT
(23-07) Zoonosen-Übergriffe
(24-07)

(ERST-PUBLIKATION 2021-07-23)

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