FSK01
Im Krieg oft vergessen: Der Kampf der Frauen

Vor 80 Jahren – am 31. März 1939 – endete der Krieg in Spanien. Beim Versuch der Republik und ihrer Unterstützer*innen, Francos Faschisten aufzuhalten, waren auch Frauen vorn dabei. Eine Frau war es, die den populärsten Schlachtruf des 20. Jahrhunderts erfand. Dennoch wurde die Rolle der Frauen – wie allgemein üblich in der Geschichte – weitgehend ignoriert oder verschwiegen. Im Baskenland hat sich das erst in den letzten Jahren verändert, durch Forschung, Publikationen und spezielle Ehrungen.

Geschichtsschreibung wird von Männern und der Geschichte von Männern dominiert. Die Rolle von Frauen in Kriegen, an der Front oder dahinter, wird geflissentlich übersehen. 80 Jahre nach Ende des Spanienkrieges ein Blick auf die Rolle der Frauen.

Den populärsten Schlachtruf des 20. Jahrhunderts verdankt die Welt einer Frau. Als die Truppen des faschistischen Putsch-Generals Francisco Franco 1936 auf die spanische Hauptstadt Madrid zumarschierten, schleuderte ihnen die Kommunistin und spätere Parlamentspräsidentin Dolores Ibárruri ihr berühmtes "No pasarán" entgegen: "Sie werden nicht durchkommen!" (1)

Trotz des entschiedenen Widerstands der Republik und all ihrer Unterstützer*innen kamen die Franquisten am Ende doch durch, vor allem dank der kräftigen Unterstützung durch die nazideutsche Legion Condor und die von Mussolini geschickten italienischen Truppen. Die Hauptstadt Madrid fiel am 27. März 1937 nach fast drei Jahren Krieg, die Rest-Republik brach zusammen, wer konnte versuchte zu flüchten. Am 1. April verkündete Franco das Ende der militärischen Auseinandersetzung. Was folgte war eine brutale Repression gegen alle Republik-Verdächtigen. Hunderttausende wurden erschossen, enteignet oder mit vielen Formen der Unterdrückung überzogen, einige Historiker sprechen auch von Genozid. Für Frauen galten bei der Repression besondere Regeln. Bis heute werden die Massenvergewaltigungen, unter anderem durch die marokkanischen Truppen, unter den Teppich gekehrt.

FSK02Genozid in Navarra

Die besondere Brutalität und der absolute Vernichtungswille der Franquisten wurden nicht zuletzt in der baskischen Provinz Navarra deutlich. Dort hatten sich die Behörden gleich nach dem Putsch den Aufständischen angeschlossen, es gab also keinen Krieg. Dennoch wurden in der Folgezeit mehr als 3.500 Personen umgebracht, das entsprach mehr als einem Prozent der Bevölkerung. Für manche Historiker*innen Grund genug, von Genozid zu sprechen, systematischer Ausrottung aller Andersdenkenden oder Verdächtigen.

Die „Passionsblume“

Verantwortlich für die Zähigkeit (des republikanischen Widerstands) war nicht zuletzt Dolores Ibárruri, genannt La Pasionaria (wörtlich: die Passionsblume). In Rundfunkansprachen und Reden rief die kommunistische Abgeordnete immer wieder zum Widerstand auf, impfte den Verteidigern, den Versprengten, Freiwilligen und Verzweifelten neue Moral ein, um der Übermacht aus Francos Soldaten und deren Hilfstruppen aus Hitler-Deutschland und Mussolinis Italien standzuhalten.

Republikanische Kämpferinnen

Es war nicht zuletzt diese Leidenschaft der Pasionaria, die der Nachwelt den Eindruck vermittelt hat, der spanische Krieg sei in gewisser Weise auch ein Krieg der Frauen gewesen, ein Akt kämpferischer Selbstermächtigung in einem bis dato durch und durch patriarchalisch strukturierten Land. Und es gab solche Frauen: Die Kommunistin Antonia García gehörte zum Generalstab der Luftwaffe, die Sprengstoffspezialistin Rosario Sánchez wurde bekannt als La Dinamitera. Erst als sie eine Hand verlor, gab sie sich mit einem Job in der Poststelle zufrieden. Die Kämpferinnen Encarnación Hernández Luna und Casilda Hernaéz machten die Schlacht am Ebro mit. Solche Milizionärinnen, schreibt die Historikerin Ana Martínez Rus, "repräsentierten die Freiheitsideologie der spanischen Republik", die es im Bürgerkrieg zu verteidigen galt.

FSK03Frauenrechte in der Republik

Frauen hatten der jungen spanischen Republik in der Tat einiges zu verdanken. In der kurzen Lebenszeit der Republik von 1931 bis 1939 wurde mehr für die Gleichstellung der Geschlechter getan als in den Jahrhunderten zuvor. Martínez Rus spricht von Spaniens "goldener Zeit für Frauen": Nach dem Wahlsieg der Linken 1931 und der Ausrufung der Republik wurden Frauen juristisch gleichberechtigt, sie erhielten Bürgerrechte wie Männer, Mädchen sollten nun endlich dieselbe Schulbildung bekommen wie Jungen. Scheidung und Abtreibung wurden legalisiert, das Frauenwahlrecht eingeführt, allerdings erst 1933, was zu der kuriosen Situation führte, dass Frauen in Spanien das passive Wahlrecht vor dem aktiven besaßen. So waren 1931 bereits führende Verfechterinnen der Emanzipation ins Parlament eingezogen, Clara Campoamor und Victoria Kent.

1933 errang die aus dem baskischen Bergwerksort Gallarta stammende Dolores Ibárruri (*1895) für die Kommunistische Partei einen Sitz im spanischen Parlament. Die Tochter eines Bergmanns aus der Industriezone Bilbaos wurde Politikerin, weil sie nicht “das traurige, graue mühsame Sklavenleben unserer Mütter" führen wollte. Dennoch hatte sie selbst sechs Kinder, die sie alle überlebte. 1917 nahm sie am Generalstreik in der bizkainischen Bergbauzone teil, sie wurde zur Rednerin bei Arbeiterinnen-Versammlungen, erst für die Sozialistische später für die Kommunistische Partei. Die Pasionaria wurde zur Pionierin der Gleichberechtigung, lange vor der Republik und ihren Errungenschaften für die Frauen.

Stadt-Land-Gefälle bei Frauenrechten

Doch der Fortschritt erfasste längst nicht alle. Zutage trat bald ein scharfer Gegensatz zwischen urbanen Zentren und dem konservativen Land mit seinen geradezu archaischen Gebräuchen. Dort wurden die neuen Regeln von der Kanzel herab als Teufelszeug verdammt. Unter Großgrundbesitzern und Klerikern fand Francos nationalkatholischer Aufstand 1936 daher starken Widerhall.

Auf dem Lande herrschten für Frauen anderen Regeln und Gesetze. Im Spanien des frühen 20. Jahrhunderts war es oft nicht einmal erlaubt, das Haus ohne männliche Begleitung zu verlassen. Bis in die 1970er Jahre hinein durften Frauen keine eigenen Bankkonten führen. Selbst links eingestellte Männer machten es den Gleichberechtigungs-Bemühungen der Frauen nicht leicht. Dolores Ibárurri kritisierte, dass viele Genossen "sich selbst für große Revolutionäre hielten", bei der Gleichberechtigung aber Machos blieben. Ihre Frauen dürften nicht mit zur Versammlung, weil sie angeblich von Politik ohnehin nichts verstünden. So blieb auch die kämpfende Frau im Bürgerkrieg eine Ausnahme, schreibt Martínez Rus.

FSK04Fotogene Kämpferinnen

Viele Frauen schlossen sich an, und die bedrängte Republik bot ihre kreativen Kräfte auf, damit die Welt das mitbekam - vor allem, als es darum ging, für internationalen Beistand zu werben. Fotos von jungen Frauen im blauen Overall der Milizionärin, erschienen auf künstlerisch gestylten Plakaten und den Titelseiten designter Magazine, den Karabiner geschultert, den Patronengürtel umgehängt, am besten vor der Kulisse einer Stadtansicht von Barcelona, auf einem Armeelaster oder im Schützengraben. Diese stark ästhetisierte Darstellungsform prägt bis heute die Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg.

Interessante Fotos machten die jungen deutschen Nazigegner Hans Namuth und Georg Reisner 1936 und 1937 in Barcelona, Madrid und an der Extremadura-Front. Die beiden wurden in Barcelona vom Ausbruch des Krieges überrascht und sympathisierten mit der marxistischen POUM-Partei. Ihre Bilder zeigten Menschen aus dem Volk, die sich den Aufständischen mit der Waffe in der Hand entgegenstellten. Unter ihnen waren auch viele junge Frauen, deren Bilder in der Folge in westlichen Zeitungen erschienen. Gelegentlich dienten solche Bilder der Propaganda.

Oft ging es weniger darum, Frauen für die Front zu rekrutieren, als kampfesfaulen Männern ein schlechtes Gewissen zu machen. Die Plakate, so schreibt österreichische Historikerin Renée Lugschitz in ihrem hervorragend recherchierten Buch "Spanienkämpferinnen", seien "eigentlich ein Aufruf an die Männer" gewesen, "ihrer Pflicht für die Republik nachzukommen. Welcher Mann könnte noch daheimbleiben, wenn schon junge Frauen ihr Leben für die Demokratie opfern?"

Widerstand gegen Frauenrechte

Vielen spanischen Männern blieb die Erweiterung der Rechte von Frauen suspekt. Dieser Haltung schlossen sich auch ausländische Kriegsbeobachter an, sie zeigten sich reichlich irritiert beim Anblick von Frauenbataillonen. Die Historikerin Lugschitz zitiert einen Bericht der London Times, in dem es mit bedauerndem Unterton hieß: „All das, wofür Weiblichkeit traditionellerweise steht, ist im Verschwinden begriffen." – Schon im Herbst 1936, bei der Neugruppierung des republikanischen Heeres, hieß es, Frauen seien an der Front unerwünscht. "Die Verantwortlichen entschieden, dass der Krieg Männersache sei und Frauen in die Etappe gehörten", schreibt Martínez Rus.

Frauen wurden in den Kriegsjahren erneut die traditionellen Rollen zugeschrieben: Erzieherin, Krankenschwester, Köchin, mitunter auch Prostituierte. Auch die offizielle Propaganda wurde wieder sexistisch. Der offizielle Kampfruf ausgerechnet der republikanischen Frauen lautete ab 1937: „Lieber Witwe eines Helden als Frau eines Feiglings." In den urbanen Gebieten, den Großstädten und Industriezentren tat sich dennoch etwas. Weil die Männer an der Front waren, konnten Frauen traditionelle Männerrollen einnehmen. Damit waren sie die Ernährerinnen und Hauptverantwortlichen. „Niemand fand etwas dabei, wenn sie alleine ausgingen, spät alleine nach Haus zurückkehrten oder eng mit Männern zusammenarbeiteten", schreibt Renée Lugschitz.

Internationale Brigaden

Bei der Verbreitung emanzipatorischer Gedanken spielten auch die internationalen Brigaden eine gewisse Rolle. Bekanntermaßen bestanden diese aus Freiwilligen aus verschiedensten Ländern der Welt: Linke, Kommunist*innen, Republikaner*innen, Anarchist*innen. Nachdem sogenannte demokratischen Mächte wie Großbritannien, Frankreich und die USA der Republik keine Hilfe leisteten, waren sie es, die dem Hilferuf der folgten und sich in die republikanischen Abwehrreihen integrierten. Romantiker und Antifaschisten strömten nach Spanien, unter ihnen viele Frauen. Kampfbereite Brigadistinnen wie die Schweizerin Anni Thoma-Brunner berichteten allerdings, dass ihnen in Barcelona die Kommunisten Waffen verweigerten, die würden für die Männer gebraucht, hieß es.

Doch Ausländerinnen konnten sich noch eher durchsetzen als Einheimische, weil ihnen einen gewisser Exoten-Status zugebilligt wurde. Besonders berühmt wurde die aus Argentinien stammende Französin Mika Etchebéhère. “Sie war wahrscheinlich die einzige Ausländerin im Bürgerkrieg mit Befehlsgewalt über Soldaten", vermutet Lugschitz.

FSK05Weshalb es kein Bürgerkrieg war

Am letzten Tag waren die Piers der Hafenstädte voll von Flüchtlingen, die auf rettende Schiffe der Westmächte warteten. Doch diese Schiffe kamen nicht. Noch im Todeskampf der spanischen Republik wurde sie von den durch die Appeasement-Politik gelähmten demokratischen Mächten alleine gelassen, so wie die drei Jahre zuvor, seit der Faschistengeneral Franco geputscht hatte.

Stalins Sowjetunion hatte zwar Waffen und Personal geschickt, die kommunistische Strategie war jedoch nicht geeignet, der Republik wirklich zu helfen. Denn einerseits war die Hilfe gegen den immer stärker werdenden europäischen Faschismus in Italien und Deutschland und Portugal gerichtet. Andererseits hatten die Sowjets nicht das geringste Interesse an den Bewegungen im spanischen Staat, die für eine soziale Revolution kämpften. Deshalb gingen sie unbarmherzig gegen Anarchist*innen und freie Sozialist*innen vor, in Barcelona kam es sogar zum bewaffneten Konflikt. Die kommunistischen Kader Spaniens waren auf Seite der Republik deutlich in der Minderheit, doch genau sie erhielten Zugang zu Waffen und Ausrüstung. Die hochmotivierten Anarchist*innen oder auch baskische Nationalist*innen blieben angesichts der technischen Überlegenheit der faschistischen Interventionsmächte ohne Mittel.

Italien und Deutschland unterstützten Franco mit Truppen, Bombern und viel Geld. Dagegen konnte die weltweite Solidarität mit der Republik durch Intellektuelle und die internationalen Brigaden nichts ausrichten. Am 31. März 1939 war der Krieg vorüber. Er hat wohl weit über eine Million Menschen das Leben gekostet. Nur wenige Monate nach dem Untergang der Republik erlebten die Westmächte, was die Spanische Republik erlitten hatte: einen mörderischen Angriff des Faschismus.

Zwiespältige Erinnerungen

Mika Etchebéhère übernahm während des Krieges den Befehl über eine Kolonne, nachdem ihr Mann gefallen war. Dennoch waren ihre Erinnerungen zwiespältig. In einem Interview 1977 sagte Etchebéhère, dass ausgerechnet in einer nach der Pasionaria benannten Kolonne die Frauen “geputzt, Betten gemacht und Socken gestopft haben". – Bei den meisten Paaren in den internationalen Brigaden sei die antifaschistische Gesinnung auf beiden Seiten stark gewesen. Mika Etchebéhère schrieb in ihren Memoiren: “Mein Mann und ich sind nach Spanien gegangen, um hier zu suchen, was wir im Oktober 1932 in Berlin zu finden hofften: den Willen zum Kampf der Arbeiterklasse gegen die Kräfte der Reaktion, die dem Faschismus zusteuerten."

Das Bild der emanzipierten und selbstbewussten Frauen aus dem Ausland war für viele einheimische Frauen neu, wenn nicht gar befremdlich, aber auch anregend. Es brachte sie dazu, ihre eigene Rolle zu überdenken, was nicht immer ohne Konflikte abging. Die amerikanische Krankenschwester Ruth Davidow schrieb: “Wir waren eine große Stütze – und wir waren ein großes Problem." Viele Brigadistinnen und Brigadisten gelangten mit der Einstellung nach Spanien, alles besser zu wissen. Die Interbrigadistinnen seien aus einer Welt gekommen, wo der Kampf um Gleichheit zwar noch schwierig, aber immerhin im Gange war, stellt Historikerin Lugschitz fest. Die meisten Spanierinnen waren dagegen noch nie damit in Berührung gekommen.

FSK06Repression und Vergessen

Aus Elgeta, an der Grenze zwischen Bizkaia und Gipuzkoa, wird folgende Geschichte berichtet: „In der Nacht des 24. April gegen drei Uhr morgens kamen einige Aufständische zum Bauernhof Sesto Gain. Sie wollten mich vergewaltigen, ich war damals 13 Jahre alt. Mein Vater weigerte sich, mich ihnen auszuliefern, sie schossen ihm aus nächster Nähe in den Kopf. Als ich erkannte, dass er am Verbluten war, drückte ich meine Hand auf die Wunde, und als sie das zweite Mal auf ihn schossen, zerfetzten sie meine Hand. Meiner Mutter schlugen sie den Schädel mit dem Gewehrkolben ein. Sie starb zehn Tage später, ohne vorher noch einmal zu Bewusstsein zu gelangen. Als sie erkannten, dass sie nicht einfach bekamen, was sie wollten, griffen sie zur Gewalt: Ermordungen, Vergewaltigungen ... all das“. (2)

Das verschwundene Frauengefängnis

Von verschwundener Erinnerung zeugt die Geschichte eines Frauengefängnisses im bilbainischen Stadtteil Santutxu. In der Villa einer wohlhabenden Familie, die den Ort längst verlassen hatte, wurde in einem ausladenden Garten ein Frauengefängnis eingerichtet, das bis 1942 existierte. Bis zum Jahr 2017 wurde die Geschichte dieser Zwangseinrichtung nie untersucht oder erforscht, sicher kein Zufall. Fotos existieren nicht – so als hätte es diese Villa und ihren Verwendungszweck nie gegeben. Die allgemeine Erinnerung beginnt mit dem Abriss des Gebäudes lange Jahre später und der Einrichtung einer Klinik 1968. Ehemalige Gefangene zu finden, dafür ist es zu spät. Doch weil es sich bei den Gefangenen um Frauen aus Bilbao handelte, die regelmäßig Besuch bekamen, tauchten doch noch Zeugnisse auf, eine Zeichnung mit dem Haus, Erinnerungen von damaligen Kindern, die die Mutter oder Tante besuchen kamen.

Vergewaltigungen

Wie in allen Kriegen, egal ob vor 200 oder vor 10 Jahren, erfuhren Frauen besondere Arten der Repression. Umso mehr, wenn sie entgegen der patriarchalisch-katholischen Vorstellungen auch noch politisch aktiv waren. Viele Frauen wurden nach den Kampfhandlungen umgebracht, manche wurden kahlgeschoren und durch die Straßen kutschiert. Eine unbekannt große Zahl wurde vergewaltigt.

Ein in der Franquismus-Aufarbeitung bisher weitestgehend unbehelligtes Thema ist das der „schwarzen Kinder“. Dabei handelt es sich um die Folge von Vergewaltigungen durch die marokkanischen Söldner, die nach erfolgreichen Schlachten „freie Hand“ erhielten, sich unter den Besiegten auszutoben. Dies war nur eine marokkanische Brutalform, doch die daraus resultierenden Kinder waren eben auffälliger als andere. Das Regime zog solche Kinder später geflissentlich aus dem Verkehr. Erst vor Kurzem begannen Frauen, über Vergewaltigungs-Erfahrungen zu sprechen. Teilweise in ihrem Nachlass, indem sie vor ihrem Tod Zeugnis ablegten unter der Bedingung, dass darüber erst posthum gesprochen werden sollte. Die Scham saß ungeheuer tief.

Selbst wenn die Frauen nicht vom Tod, von Vergewaltigung, Gefängnis, Enteignung oder Kahlscheren betroffen waren mussten sie nach dem Verlust der Männer Sklavenarbeit leisten, um ihre Kinder oder Familien durchzubringen. Der gipuzkoanische Erinnerungsverein Intxorta 1937 nahm dies zum Anlass, im Jahr 2017 die spezifische Repression gegen Frauen zum Hauptthema zu machen und an Frauen zu erinnern, die über die Jahrzehnte hinweg auf verschiedenste Weisen den franquistischen Hexenhammer erlitten.

“Im blutigen Sommer von 1936 wurde in Navarra eine schwangere Frau mit sechs ihrer Kinder in die Felsspalte von Legarrea geworfen. Nicht aus politischen Gründen, es ist nicht klar, wie es zu diesem brutalen Mord kam. Was in den Wochen nach dem militärischen Aufstand der Generäle um Franco im kleinen Dorf Gaztelu in Navarra geschah, während der Razzien gegen Republikaner und Republik-Verdächtige, bleibt bis heute ein Mysterium, das die Gemüter der Bewohnerinnen bewegt. Es bleibt unklar, weshalb die schwangere Juana Josefa Goñi mit sechs ihrer sieben Kinder in ein 50 Meter tiefes Erdloch geworfen wurde. Der Älteste, Joaquín, war 16 Jahre alt, die Jüngste gerade eineinhalb.“ (3) Legarrea ist nur ein Beispiel für die Brutalität der Franquisten.

FSK07Formen von Gewalt gegen Frauen

Frauen erlebten sexualisierte Gewalt, Folter, den Raub ihrer Kinder, Kahlscheren, Demütigungen aller Art. Historische Untersuchungen haben ergeben, dass Frauen während Krieg und Franquismus eine doppelte Repression erlebten: weil sie Republikanerinnen waren und weil sie freie Frauen waren. Die Diktatur forderte von allen Frauen ein im religiösen Sinne tugendhaftes Verhalten, das in Gehorsam und Keuschheit seinen Ausdruck fand und der vermeintlichen Verkommenheit der republikanischen Moral diametral entgegenstand. (4)

Jene Frauen, die diesem Bild nicht entsprachen oder entsprechen wollten, forderten den Franquismus offen heraus. Sie erlebten eine sexualisierte Gewalt, die von Gefängniswärtern ausgeführt wurden. Oder von Falangisten, die „Besuche machten“ bei den Gefangenen. Das bedeutete Folter und im ersten Moment dieselbe hasserfüllte Gewalt wie Männer sie erlitten. Jedoch mit einer geschlechtsspezifischen Komponente gegen Frauen. Das fand seinen Ausdruck in Beleidigungen, Elektroschocks im Genitalbereich, Tritten in den Unterleib. Andere Formen dieser spezifischen Gewalt war der Raub von Neugeborenen oder kleinen Kindern in Gefängnissen. Dieser Kinderraub wurde bis 1948 von den Franquisten selbst dokumentiert. Oder dem Kahlscheren von Frauen, dem gewaltförmigen Einflößen von Rizinusöl, um anschließend in demütigenden Prozessionen in der Öffentlichkeit vorgeführt zu werden. (4)

Zurück ins Mittelalter

Der Sieg Francos katapultierte Spanien sozial zurück ins Mittelalter. Die Ungleichheit zwischen einheimischen und ausländischen Antifaschistinnen prägte das Verhältnis. Einheimische Frauen bekamen in Briefen der Brigadistinnen oft noch nicht mal Namen, sondern wurden liebevoll-herablassend “chicas“ genannt: “Mädchen“. So wurden Spanierinnen und Spanier mitunter von ihren ausländischen Helfern etwas paternalistisch wie rückständige gute Wilde wahrgenommen. Dabei waren sie es ja, die einen Krieg um moderne Werte führten.

Am 1. April 1939 war alles vorbei. Der Sieg Francos katapultierte Spanien sozial zurück ins Mittelalter. Der siegreiche Diktator habe “die Erinnerung an ein anderes Spanien" durch seine Repression auslöschen wollen, schreibt Lugschitz. “Frauenrechte und Gleichberechtigung, wie sie Spanierinnen und Ausländerinnen zu Zeiten des Bürgerkriegs diskutierten, erstritten, erlebten, waren danach unbekannt." Dieser Zustand dauerte fast vierzig Jahre – bis zum Tode Francos 1975.

Doch nicht alles konnten die Franquisten auf Dauer zerstören, einiges überdauerte im Verborgenen. Oder im Exil wie zum Beispiel die Pasionaria. Dolores Ibárruri war nach der Niederlage in die Sowjetunion gegangen und kehrte nach Francos Tod nach Spanien zurück. Vom Stalinismus, welcher die republikanische Sache geschwächt hatte, war sie längst geheilt. Sie hatte Sympathien für den Prager Frühling erkennen lassen und war bei der Neuorientierung der spanischen KP daran beteiligt, einen modernen Eurokommunismus durchzusetzen.

Als Dolores Ibárruri im Jahr 1989 starb, zogen Zehntausende in einer Demonstration durch die Straßen Madrids, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Als der Sarg das Zentrum passierte, erschallte tausendfach der Ruf, der La Pasionaria berühmt gemacht hatte: "No pasarán!"

FSK08Denkmal für Frauen

Sartaguda im Süden Navarras ist bekannt als “das Dorf der Witwen“. Nach der franquistischen Eroberung wurden dort alle Männer auf den Ortsplatz bestellt. Ein Teil wurde zur Erschießung abtransportiert, ein anderer Teil wurde für die franquistische Armee zwangsrekrutiert und in gefährlichen Kriegsaktionen an vorderster Front “verheizt“. Die Männer waren tot, die Frauen mussten ums Überleben kämpfen. Daran erinnert seit 2008 der “Memoria-Park“ vor den Toren der Kleinstadt. Auf einer Marmorplatte sind die Namen von allen 3.500 Erschossenen der Provinz eingraviert.

Im ebenfalls südnavarrischen Azkoien (span: Peralta) wurde im Oktober 2016 das erste Denkmal eingeweiht, das an Frauen im Franquismus, Frauen im Widerstand erinnert. Es steht im Stadtpark und besteht aus drei einander zugewandten Frauenfiguren, deren Kleider aus einem Metallnetz bestehen, die mit großen, teilweise bemalten Steinen gefüllt sind.

(Publikation Baskultur.info – 2019-04-09)

ANMERKUNGEN:

(1) “Spanischer Bürgerkrieg – Kampf der Frauen“ Süddeutsche Zeitung, 2019-03-31 (alle Zitate sind kursiv markiert) (LINK)

(2) “Krieg in Elgeta, Gipuzkoa“, Baskultur.info (LINK)

(3) “Historisches Gedenken“, Baskultur.info (LINK)

(4) “Franquisten gegen Frauen“, Baskultur.info (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Frauen im Spanienkrieg (Namuth-SZ) Zu Beginn des Bürgerkriegs machten Hans Namuth und Georg Reisner ikonische Fotos bewaffneter Brigadistinnen. (Foto: Courtesy Center for Creative Photography, University of Arizona/Hans Namuth Estate)

(2) Franquisten-Aufmarsch (SZ)

(3) Frauen-Pose (SZ)

(4) Gefangene Republikaner (SZ)

(5) Milizionär, Milizionärin (SZ)

(6) Franco und Militärs (SZ)

(7) Geschorene Frauen (briega.org)

(8) Azkoien: Frauen-Denkmal (FAT)

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