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Die Basken vom anderen Ende der Welt

Eine große Anzahl von Baskinnen und Basken war es nicht, die das ferne Australien als Emigrationsziel wählten. Konkret zwischen den 1920ern und Mitte der 1960er Jahre. Danach ersetzten Maschinen die handwerkliche Ernte des Zuckerrohrs, Arbeiter wurden nicht mehr gebraucht und der migratorische Zulauf stoppte. Eine neue Vereinigung hat sich nun das Ziel gesetzt, die Erinnerung an jene jungen Bask*innen aufzufrischen, die vom Baskenland nach Australien auswanderten, um in der Zuckerrohrernte zu arbeiten.

Viele der baskischen Auswanderer wussten nicht einmal wo Australien lag. Auch konnten sie sich die enorme Entfernung nicht vorstellen, die zwischen ihrer alten und der neuen Heimat lag. Doch wollten sie im Land auf der Südhalbkugel eine neues und besseres Leben anfangen.

ausi2Die meisten der jungen Auswanderer*innen war vor diesem Abenteuer nie gereist, viele hatten sich nie mehr als ein paar Kilometer von ihrem Dorf entfernt. Die jungen Bask*innen, die ans andere Ende der Welt zogen, um dort Zuckerrohr zu schneiden, standen vor einer Ungewissheit und einer Entwurzelung, die mit den heutigen Maßstäben von Schnelltransporten und unmittelbarer Kommunikation nur schwierig zu nachzuvollziehen ist. Nach einer Schiffsüberfahrt von mehr als einem Monat kamen sie an in einem riesigen und entfernten Land, dessen Sprache sie nicht kannten. Viele stammten vom Land und sprachen nur die baskische Sprache Euskara. Doch Euskara nutzte ihnen hier wenig, gerade mal, um sich mit den Reisekollegen zu verständigen. Was sie neben diesem Problem erwartete war Arbeit bis zum Umfallen, die nichts mit dem zu tun hatte, was sie bisher gewohnt waren. (1)

Ab nach Australien

Die Migration nach Queensland im Nordosten Australiens ist möglicherweise das unbekannteste Kapitel der baskischen Auswanderung und Diaspora. Gleichzeitig ist es das am wenigsten erforschte Thema. Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Personen aus dem Baskenland, vorwiegend aus Bizkaia und aus Navarra, das Risiko dieses Migrations-Abenteuers auf sich nahmen. Der Historiker William S. Douglass, einer der besten Kenner dieser Geschichte, spricht von einer kleinen Kolonie von 200 bis 300 Personen, die vor den 1930er Jahren in Australien lebte. In der Zeit danach, geprägt von der Wirtschaftskrise, vom Spanienkrieg und vom Zweiten Weltkrieg, waren es deutlich mehr. Douglass schätzt die Zahl auf 2.000.

Suche nach der Geschichte

“Diese Geschichte ist praktisch verloren gegangen“, sagt Amaia Uberuaga, eine der Gründerinnen des Euskal Australiar Alkartea, des Baskisch-Australischen Vereins, eine neue Vereinigung, die vermeiden will, dass jene Erfahrungen definitiv in Vergessenheit geraten.

Die Familien von Amaia und Tere Gabiola, einer weiteren Vereinsgründerin, spielten bei diesem Unternehmen eine wichtige Rolle. Ihre persönliche Geschichte dient dazu, einige Elemente des Pioniergeistes dieser Baskinnen und Basken zu enthüllen, die keine Hindernisse scheuten. Amaias Großvater Pascual Badiola stammte aus dem bizkainischen Fischerdorf Lekeitio, obwohl der elterliche Bauernhof nach den Gemarkungsgrenzen zum Nachbardorf Amorroto gehörte. Mitte der 1920er Jahre schiffte er sich nach Australien ein. Begleitet wurde er von einem Nachbarn. Der Bauernhof (baskisch: baserri), in dem beiden gelebt hatten, war in zwei Hälften geteilt, in jedem Teil lebte eine Familie mit acht Kindern. Die zwei Jüngsten aus jedem Hofteil waren jene, die gemeinsam beschlossen, in den entgegengesetzten Teil der Welt umzuziehen.

ausi3Familiengründung, Unternehmensgründung

Einige Zeit nach seiner Tour in den Süden schrieb der junge Begleiter von Pascual an seine Schwester, sie solle doch ihren Verlobten in Lekeitio verlassen, denn Pascual habe eine vielversprechende Zukunft vor sich. Angela Arakistain zögerte nicht lange, verließ ihren Freund und zog ebenfalls nach Australien.

Pascal hatte mittlerweile eine “Farma“ gekauft, so nannten die Basken damals die Gehöfte, in einer Mischung des englischen Wortes “Farm“ mit einer baskischen Endung. Er und Angela hatten bald zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Während eines Baskenland-Aufenthaltes lernte die Tochter einen jungen Mann aus Kortezubi (nahe Gernika) kennen, der in Zaragoza Veterinärmedizin studierte, Alberto Urberuaga. Die Liebe kannte keine Grenzen. Als Alberto das Studium beendet hatte, ging er ebenfalls nach Australien, obwohl dies bedeutete, dass er seinen Beruf niemals ausüben, sondern ebenfalls Zuckerrohr schneiden würde.

Alberto Urberuaga war Amaias Vater. Er widmete sich der Anwerbung von baskischen Arbeitskräften und organisierte drei Schiffsexpeditionen für baskische Arbeiter. “Sie suchten kräftige Burschen von 17, 18 oder 19 Jahren. Dabei bevorzugten sie Wert auf Cliquen, also Leute, die sich bereits kannten. Die Basken hatten damals bereits einen guten Ruf als fleißige Arbeiter“, erzählt Amaia. Zwischen 1958 und 1960 kamen fünf Expeditionen aus dem Baskenland und Spanien. Die ersten drei hatten vorwiegend Basken an Bord, auf den Schiffen “Monte Udala“ und “Toscana“. Jene Anwerbungen von Zuckerrohrschneidern wurden bekannt unter den Namen “Operation Känguru“, “Operation Eukalyptus“ und “Operation Emu“.

ausi4Zwischenstation Oregon

José Ignacio Gabiola, der Vater von Tere, war ebenfalls aus dem bizkainischen Amoroto. Auch er gehörte zu den Pionieren der 1920er Jahre, auch er war das jüngste Kind unter acht Kindern gewesen. Und Landbesitzer war er ebenfalls nach nicht allzu langer Zeit. “Er war ein entschlossener Mann“, erzählt Tere lachend. Noch abenteuerlicher war die Irrfahrt seiner Mutter, Segunda Bereziartua aus Aulesti, ebenfalls Nachbarort von Lekeitio. Sie emigrierte mit ihrem ersten Ehemann nach Oregon und kam erst später ins tropische Australien. “Ihr Mann starb, sie wurde Witwe mit drei kleinen Kindern, der Kredit zum Kauf des Landes lief noch zehn Jahre. Der Direktor der kreditgebenden Bank inspizierte das Gut, um zu sehen, wie gearbeitet wurde. Aber Mutter war hart, sie arbeitete hart und kam voran“, erzählt die Tochter.

Segunda aus Oregon heiratete Jose Ignacio aus Amoroto. Über ihre Farm kam ein großer Teil der baskischen Zuckerrohrschneider ins Land. Denn das Ehepaar leistete die notwenigen Bürgschaften, die für die Einwanderung nötig waren, um von der australischen Regierung akzeptiert zu werden. ”Wir waren eine große Familie“, sagt Tere. Sie und Amaia kamen schließlich ins Baskenland zurück als zwei Personen, deren Herzen an den beiden Orten hängen, die ungefähr 16.000 Kilometer von einander entfernt liegen. Viele ihrer Familienangehörigen sind in Australien geblieben. Die beiden Frauen erinnern sich an Bilder, zum Beispiel an die großen Feuer, die angezündet wurden, bevor das Zuckerrohr geschnitten wurde. Das Knirschen der Flammen und der unerträgliche Geruch blieben ihnen im Gedächtnis.

Mit Machete und Gitarre

Leire Goirigolzarri ist die dritte Aktivistin im Verein Euskal Australiar Alkartea. Ihr Vater war einer jener jungen Leute, die damals emigrierten und jahrelang in der Zuckerrohrernte arbeitete. Auch er kam durch die Gabiola-Farm und kehrte später zurück. “Mein Onkel war bereits gegangen, mein Vater José Ignacio zog mit 18 Jahren los und blieb dort von 1962 bis 1967. Die jungen Leute waren vorher fast nie aus ihrem Dorf Laukiz herausgekommen. Sie kamen an und konnten kein Wort Englisch, dafür arbeiteten sie wie Pferde. Das war mehr als hart, es gab Schlangen, die Narben von der Arbeit sind noch an seinen Beinen zu sehen“, erzählt Leire.

ausi5José Ignacio war ein besonderer Zuckerrohr-Arbeiter, niemand arbeitete schneller als er. In den Pausen unterhielt er die Kollegen mit seiner Gitarre, die er sich gleich nach seiner Ankunft in Australien gekauft hatte. Später sang er sogar in spanischen Clubs von Melbourne und Sydney. In den sechs Monaten, als es kein Zuckerrohr zu schneiden gab, arbeitete er auf Tabakfeldern. Andere gingen zur Obsternte, zu Bauunternehmen oder in die Holzwirtschaft. Zurück im Baskenland machte er sich einen Namen als Txingalari, im populären baskischen Landsport, bei der ausgestorbene Berufe in Wettbewerben vorgeführt werden. Die Txingalaris tragen links und rechts schwere Gewichte über den Platz, wie es in früheren Zeiten volle Milchkannen waren. In der Presse waren er und sein Bruder als “die Australier“ bekannt.

Exilkultur

Das Training dafür organisierten sie bereits während ihrer Zeit in Queensland. Denn jene Bask*innen vom anderen Ende der Welt unternahmen alles Mögliche, um sich dort eine Art kleines Baskenland zu schaffen. Ein Italiener, Eigentümer eines Hotels in Trebonne, bauten ihnen einen Fronton zum Pelota spielen. “Alle Basken aus der Umgebung gingen Sonntag vormittags zur Messe und in dieses Hotel, in echter traditioneller Kleidung“, erzählt Amaia. Ihr Vater brachte aus dem Baskenland zwei große Steine mit für die Harrijasotzaile-Steinheber, eine typisch baskische Landsportart. Dazu eine reichliche Auswahl an Pelotaschlägern und Bällen.

In alten Fotoalben gibt es jede Menge Bilder von den San-Ignacio-Festen auf australische Art. Immer verbunden mit einem kräftigen Schluck Bier. Mitte der 1960er Jahre wurde die Zuckerrohrernte mechanisiert, die Schneider wurden von Maschinen ersetzt. Die baskische Einwanderung stagnierte von einem Tag auf den anderen. Mit den Jahren verblich die Erinnerung an jene Zeit, die die Euskal Australiar Alkartea nun wiederzubeleben versucht.

ausi6Prominente Unterstützung

Julian Iantzi ist ebenfalls ein Sohn der baskischen Diaspora, in seinem Fall waren es die Vereinigten Staaten, er selbst wurde in Kalifornien geboren. Heute ist er einer der Star-Unterhalter im baskischen öffentlichen Fernsehen. Als er von der Geschichte der Zuckerrohrschneider in Queensland erfuhr, war er fasziniert und beschloss, die Initiative der drei Australien-Frauen zu unterstützen. Die Promotorinnen der Euskal Australiar Alkartea hoffen, noch möglichst viele weitere Personen mit Australien-Erfahrung ausfindig zu machen. Dafür organisierten sie im November 2018 ein Abendessen. Zur Kontaktaufnahme haben sie eine Telefonnummer und eine Mail veröffentlicht.

(Publikation Baskultur.info 2019-06-29)

ANMERKUNGEN:

(1) Information und Zitate aus: “Los vascos del otro lado del mundo” (Die Basken vom anderen Ende der Welt) Tageszeitung El Correo, 2018-10-14 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Zuckerrohrschneider (euskaletxeak)

(2) Migrationsschiff Toscana (elcorreo)

(3) Treffen in Sydney (euskalkultura)

(4) Zuckerrohrfelder (bauernzeitung)

(5) Treffen (euskalkultura)

(6) Erinnerungsverein (elcorreo)

 

 

 

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