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Paris: Fin de siècle – Jahrhundertende

Den politischen und kreativen Aufruhr Ende des 19. Jhs. zeigt aktuell in einer Ausstellung das Guggenheim-Museum Bilbao. Jene unruhige Zeit schlug sich künstlerisch nieder in avantgardistischen Bewegungen der Malerei. Die Künstler verorteten sich politisch links oder rechts und entwickelten den Neoimpressionismus, den Symbolismus und die Nabi-Tendenz. Die Ausstellung besteht aus 125 Werken, von denen viele zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt werden, weil sie zu privaten Sammlungen gehören.

Neo-Impressionismus, Symbolismus und die Nabis sind Teil der Ausstellung „Paris, Ende des Jahrhunderts“, die vom 12. Mai bis 17. September in Bilbao zu sehen ist.

Mit vollem Namen heißt die Ausstellung, die in diesem Sommer im bilbainischen Guggenheim-Museum gezeigt wird: „Paris, Ende des Jahrhunderts. Signac, Redon, Toulouse-Lautrec und Zeitgenossen” (1). Einige der ausgestellten Gemälde, Drucke und Zeichnungen gelten als Meisterwerke der Künstler, die jene drei avantgardistischen Kunstbewegungen maßgeblich vertreten: die Neoimpressionisten Georges Seurat und Paul Signac (2), die Symbolisten Odilón Redón und Maurice Denis (3), sowie die Nabi-Vertreter Pierre Bonard, Edouard Vuillard und Henri Toulouse-Lautrec (4). Aufgebaut ist die Austellung in den drei Räumen der dritten Museumsetage, die üblicherweise der klassischen Kunst gewidmet sind.
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Pariser Aufruhr in Bilbo

Die Bilderschau beginnt im ersten Raum mit Claude Monets Bild „Seerosen” aus dem Jahr 1914. Er gehörte zu keiner der drei Stilrichtungen, wurde aber dennoch von vielen Künstler/innen der damaligen Avantgarde als „Held“ betrachtet. Dies kommentierte die Ausstellungs-Kommissarin Vivian Greene bei der Eröffnung am 11. Mai 2017. Sie ist bei der Solomon R. Guggenheim Stiftung in New York beschäftigt, was ein Licht wirft auf den üblichen Standort der Gemälde. Greene bezeichnete die drei neuen Kunstbewegungen Ende des 19.Jahrhunderts als richtungsweisend für alles, was danach im 20.Jahrhundert kam.

Neoimpressionismus

Die Neoimpressionist/innen setzten in ihren Werken sozialistische, kommunistische und anarchistische Ideologien um. Nicht nur Paris war vor der Jahrhundertwende von sozialen und politischen Turbulenzen geprägt. „Alle waren links“, sagte Greene und meinte damit die Vertreter/innen dieser Richtung. Sie waren inspiriert von den Folgen der Wirtschaftskrise und den gesellschaftlichen Problemen, aus denen eine radikale Linke entstand. 1894 wurde der Präsident Sadi Carnot von einem Anarchisten ermordet, der antisemitisch motivierte Fall des jüdisch-elsässischen Militärs Dreyfuss erhitzte die Gemüter im Land.

Der Begriff Neoimpressionismus wurde von dem Kunstkritiker Félix Fénéon 1886 in einem Beitrag für die belgische Zeitschrift L’art Moderne geprägt. Er wollte damit die Malweise Georges Seurats von der der Impressionisten unterscheiden. Die Stilrichtung sollte später auch unter der von Paul Signac geprägten Bezeichnung Pointillismus (Punktierstil) bekannt werden. Seurat dagegen bevorzugte die Bezeichnungsweise Divisionismus (Teilungsmalerei). Weitere Neoimpressionisten sind Anna Boch, Henri Edmond Cross, Maximilien Luce und Théo van Rysselberghe. Heutzutage wird der Begriff Neoimpressionismus sowohl synonym für Pointillismus, als auch in unscharfer Abgrenzung überlappend mit den Begriffen Spät-, Nach- bzw. Post-Impressionismus gebraucht. (2)
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Symbolismus

Die Symbolisten hingegen stellten eine Gegenbewegung zu den revolutionären Neoimpressionisten dar. Sie besannen sich in ihrer Arbeit auf die Wiederentdeckung von Spiritualität, auf katholisches Denken, standen in der französischen Gesellschaft rechts und waren antisemitisch eingestellt.

Symbolismus bezeichnet eine Kunstströmung der Malerei und Bildhauerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts, seine Hochphase fällt in die Zeit zwischen ca. 1880 und 1910. Einen entscheidenden Impuls lieferte das „Symbolistische Manifest“ des französischen Dichters Jean Moréas im Jahre 1886. Ein Kernsatz dieses Manifests lautete: „Die wesentliche Eigenschaft der symbolistischen Kunst besteht darin, eine Idee niemals begrifflich zu fixieren oder direkt auszusprechen“. Von Frankreich ausgehend breitete sich der Symbolismus über ganz Europa aus, nachdem er erstmals 1889 bei der Weltausstellung in Paris einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden war. (3)

Die Nabis

Die Künstlergruppe der Nabis wurde in den Jahren 1888/1889 von einer rebellischen Gruppe junger Kunststudenten der Académie Julian in Paris gegründet und bestand bis 1905. Der Name Nabi leitet sich von dem hebräischen Wort für Prophet ab, den Begriff prägte der Schriftsteller Henri Cazalis. Vorsteher der Académie Julian war Paul Sérusier, er gehörte dem Kreis um Paul Gauguin an und entstammte der Schule von Pont-Aven. Die Künstlergruppe wird dem Post-Impressionismus zugerechnet. Die ihr angeschlossenen Künstler wurden durch die Vielfalt ihrer verwendeten Medien bekannt. Neben Malerei und Bildhauerei arbeiteten sie auch mit Drucktechniken, Posterdesign, Buchillustrationen, Textilien, Möbeln und Bühnenbildern. Ferner waren sie als Illustratoren auf dem Gebiet der grafischen Kunst einflussreich. Einige der Nabis wurden vom japanischen Farbholzschnitt beeinflusst. Beide Gruppierungen waren durch einige ihrer Vertreter auch mit dem Symbolismus verbunden. Ihre künstlerischen Ziele publizierte die Künstlergruppe vor allem in der Zeitschrift „La Revue blanche“. (4) Die Nabis waren die unpolitischsten der drei Tendenzen der Ausstellung, lebeleicht, fröhlich und oberflächlich, sie stellten in ihren Werken das Leben der Bohème in der französischen Hauptstadt dar.
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Die Ausstellung

„Was die drei Stilrichtungen verband war, dass sie alle die Meinung vertraten, dass das Leben der Menschen mithilfe der Kunst verbessert werden könne“, erläuterte die Ausstellungsmacherin Vivian Greene, die im Rollstuhl durch die drei Gemäldesäle führte. Bedauernd fügte sie an, dass es kaum Frauen in diesen Kunstbewegungen gab, „es war eine stark patriarchale Gesellschaft, malende Frauen gab es nur sehr wenige“. Das spiegelt sich auch in der Ausstellung wieder.

Im ersten Raum – Neoimpressionismus – ist das Werk des Hauptprotagonisten der Bewegung zu sehen, Paul Signac, mit dem Titel „Saint Briac. Les balises Opus 210“ aus dem Jahr 1890. Darauf sind real existierende Leuchttürme zu sehen, die an der Flussmündung bei Saint Briac stehen. Signac arbeitete mit der für die Tendenz typischen Pointillismus-Technik: gemalte Punkte setzten sich zu einer Komposition zusammen. Im selben Saal hängen zwei Werke aus den Jahren 1886 und 1888 von Camille Pissarro. Er gilt als Künstler, der „sich immer wieder selbst neu erfand, seinen Stil änderte und sich mit jungen Künstler/innen und aufstrebenden Bewegungen der Zeit zusammentat“, so Greene.

Im Symbolismus-Raum befindet sich unter anderem das Meisterwerk des Malers Maurice Denis mit dem Titel „April (Anemonen)” aus dem Jahr 1891. Daneben 22 Werke von Odilon Redon, einer der bedeutendsten Figuren unter den Symbolisten (1840-1916). Er war Grafiker und Maler und Mitbegründer der Société des Artistes Indépendants. Sein Werk gliedert sich in eine frühe schwarze Phase mit Spinnen, fliegenden Köpfen und rätselhaften Figuren, und eine späte farbige Phase.
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Im dritten Raum – Nabis – ändert sich die Bildersprache. Hier herrscht der Ausdruck der Bohème-Gesellschaft, an der Wand hängen fröhliche Gestalten in Form von Plakaten, Drucken und Siebdrucken, die von japanischem Charakter inspiriert sind, vom Kabaret und von den bekanntesten Künstlerinnen der Zeit. Henri Toulouse-Lautrec, der berühmteste der Nabi-Künstler ist in diesem Raum mit neun Werken vertreten. Sie sind verschiedenen Orten und Persönlichkeiten des Pariser Nachtlebens gewidmet, so „La troupe de Mademoiselle Eglantine" (1895-96), der Sängerin „Jane Abril" (1899), dem Eigentümer der Gaststätte „Botschafter", Arisatide Bruant, oder dem„Fotografen Sescau", ein Bild aus dem Jahr 1896. All diesen plakativen Drucken war nur eine kurze Lebensdauer vorbestimmt, denn als Ankündigungen waren sie an Wände geklebt und sollten das Publikum animieren. Wenn sie ihre Funktion erfüllt hatten, wurden sie abgerissen und durch neue Plakate ersetzt. Insofern ein Wunder, dass einige dieser Werke überliefert sind.

Eine Fotoserie zeigt Momente der Pressekonferenz zur Eröffnung der Ausstellung (Link). „Paris, fin de siècle“ begann am 12. Mai im Guggenheim-Museum und endet am 17. September 2017. In den Monaten Juli und August ist das Museum auch an den ansonsten geschlossenen Montagen geöffnet. Wegen großen Andrangs empfiehlt sich die Reservierung von Eintrittskarten. Oder gleich der alternative Besuch im künstlerisch ebenso interessanten Museum der Schönen Künste, nur 5 Minuten Fußweg von Gehrys Titanbau entfernt.
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ANMERKUNGEN:

(1) Information aus dem Artikel Gara 12.05.2017: „La efervescencia de París de fines del siglo XIX, en el Guggenheim” (Der Aufruhr in Paris Ende des 19. Jahrhunderts im Guggenheim Museum)

(2) Neoimpressionismus – Wikipedia (Link)

(3) Symbolismus – Wikipedia (Link)

(4) Nabis – Wikipedia (Link)

FOTOS:

(*) „Paris, Jahrhundertende“, Ausstellung Bilbao, Pressekonferenz 2017-05-11 (Foto Archiv Txeng)

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