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Video-Kunst und Film-Installationen

Der US-amerikanische Video- und Installationskünstler Bill Viola gilt als einer der bedeutendsten Kreativen seiner Branche. Bereits in den 1970er Jahren begann er mit Video zu experimentieren. Sein Werk ist geprägt von Mystizismus, Poesie und Philosophie. Video war für ihn das Medium, sich mit der menschlichen Existenz zu befassen, mit der Entstehung und dem Tod, mit Veränderungsprozessen, Verwandlungen und Wiedergeburt. Seine religiöse Überzeugung als Buddhist ist beim Betrachten seiner Werke präsent.

Bill Viola (*1951) wird als führender Vertreter der Videokunst angesehen. Seine Werke sind vom 30. Juni bis zum 9. November 2017 unter dem Titel „Retrospektive“ im Guggenheim-Museum Bilbao zu sehen.

Biografie und Karriere

Bill Viola studierte bei Jack Nelson und Franklin Morris an der Syracuse Universität, die als Pionierzentrum bei der Nutzung neuer Technologien galt. Von 1974 bis 1976 lebte er in Florenz, wo er die Video-Künstler Nam June Paik, Bruce Nauman und Vito Acconci kennenlernte. In Florenz arbeitete er als technischer Direktor bei Art/tapes/22. Art/tapes/22 war ein Studio, in dem mit neuartigen Methoden der Videoproduktion experimentiert und das von Maria Gloria Conti Bicocchi betrieben wurde. Zu tun hatte Viola auch mit Peter Campus, Joseph Beuys, Wolf Vostell, Frank Gillette, Ira Zinder und Juan Downey, die sein Werk beeinflusst haben könnten (1).
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Auf Reisen studierte er das traditionelle Schauspiel und die traditionelle Musik auf den Salomonen, Java, Bali und in Japan und Indien. 1973 bis 1980 arbeitete er mit dem Avantgardekomponisten David Tudor zusammen. 1976 bis 1980 arbeitete er für das WNET Channel 13-Fernsehstudio in New York. 1977 wurde er von der australischen Fotografin Kira Perov an die La Trobe University in Melbourne eingeladen. Kira Perov folgte ihm 1978 nach New York, sie heirateten. 1979 reisten Viola und Perov in die Sahara. 1980/81 lebten beide in Japan und studierten Zen. 1981 kehrten sie in die USA zurück und wohnen seither in Long Beach in Kalifornien.

Seit 2000 ist Bill Viola Mitglied in der American Academy of Arts and Sciences. 2004 schuf er in Kooperation mit Peter Sellars und Esa-Pekka Salonen eine Neuproduktion von Richard Wagners Oper Tristan und Isolde, die vom Los Angeles Philharmonic Orchestra im Dezember 2004, an der Bastille-Oper in Paris 2005 und am Lincoln Center for the Performing Arts in New York 2007 aufgeführt wurde (1).

Bilbao-Ausstellung

Die in Bilbao angebotene Retrospektive umfasst 27 Werke und greift zurück auf die ersten Kreationen von Bill Viola mit dem Medium Video. Zu sehen sind Werke wie „Four Songs“ aus dem Jahr 1976 oder „The Reflecting Pool“ von 1977-1979, mit denen Viola der Zeit und ihrer Dekonstruktion auf den Grund geht. Ende der 1970er Jahre wird seine spätere Frau Kira Perov zu seiner künstlerischen Beraterin und Begleiterin. In den 1980er Jahren schafft er Werke, die statt Projektion über Bildschirme präsentiert werden und ergänzt physische Elemente. Sein beständiges Interesse an spirituellen Themen kommt in Werken wie „Heaven and Earth“ (1992) oder „Slowly Turning Narrative“ (1992) zum Ausdruck. In dieser Zeit geht er zu Installationen über (Fotoserie).
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Im neuen Jahrtausend erscheinen die Flachbildschirme mit hoher Auflösung. Unter dem Titel „Die Leidenschaften“ produziert Viola Stücke von kleinem und mittlerem Format, dabei benutzt er Zeitlupe: „Surrender“, Catherine´s Room“ oder „Four Hands“. Daneben monumentale Installationen wie „Going Forth By Day“im Jahr 2002. Im der vergangenen Dekade nutzte Viola verschiedene Medien und Formate. In seinen Werken verfolgt er weiter die Ausdrucksformen menschlichen Lebens. Unter anderen benutzt er Wasser bei „The Innocents“ (2007) und Three Women“ (2008) und „The Dreamers“ (2013).

Rundgang durch die Säle

In der Galerie 204 ist das Werk „Four Songs“ von 1976 zu sehen und zu hören, denn es besteht aus vier musikalischen Geschichten, welche die Videos unterlegen. Bereits hier werden Charakteristika von Violas Gesamtwerk deutlich: Wiederholung, langsame Bewegung. „Songs of Innocense“ bezieht sich auf Gedichte von William Blake und eine visuelle Beziehung zwischen Gedächtnis, Niedergang und Tod (2).

In der Galerie 205 sind drei unterschiedliche Werke zu erleben. „The Reflecting Pool“ ist ein Kontrast zwischen Fotografie und Film, das provozieren soll. „Slowly Turning Narrative“ (1992) ist eine große Scheibe, die sich dreht. Auf einer Seite ein Bildschirm, auf der anderen ein Spiegel, in dem sich die Betrachter*innen wieder entdecken. Eine männliche Stimme zitiert fortwährend. „Heaven and Earth“ (1992) kreist um Leben und Tod. Zu sehen sind Violas Mutter in ihren letzten Lebenstagen und er selbst nach seiner Geburt. In der Galerie 206 herrschen bildhafte Hitze und als deren Folge Sinnestäuschungen. Zu diesem Wüsteneindruck bei „Chott el-Djerid“ (1979) passt der weitläufige Raum. Die weiteren Werke neueren Datums – 2012 – beschäftigen sich mit menschlicher Präsenz, Bewegung und Reisen. In der Galerie 207 hält das 21. Jahrhundert mit seinen Flachbildschirmen Einzug. Die Werke: „Catherine´s Room“, „Four Hands“, „Surrender“, alle von 2001; daneben „Night Vigil“ (2005/2009), „Tristan and Isolda“. Eine Besonderheit unter den Werken stellt „The Greeting“ dar, das bei der Biennale in Venedig gezeigt wurde. Dabei arbeitet Viola zum ersten Mal mit einer Schauspieltruppe, um eine Szene mit drei Frauen zu drehen. Die Szene ist vom Gemälde „Der Besuch“ von Jacopo da Pontormo inspiriert (1494-1557): in vertikalem Format und super langsam. Weitere Werke sind in den Galerien 209, 203, 202 und 208 zu finden (2).
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Spiritualität – Esotherimus

Wer sich aus religiöser Sicht mit östlicher Philosophie und Spiritualität beschäftigt, hat gelegentlich einen Fuß in der Esotherik. Damit nicht gemeint ist die Suche nach dem, was in der oberflächlichen Alltagswelt häufig verschüttet bleibt. „Video ist eines der tiefgehendsten Medien, die wir zur Hand haben. Wenn wir eine Kamera oder ein Aufnahmegerät zur Hand haben, erhalten wir einen Teil der Zeit, in der auch das Fehlende deutlich wird und der Lauf der Zeit, die nicht zurückkehrt. Für mich ist Videokunst eine spirituelle Erfahrung“, sagte Bill Viola bei einem früheren Besuch in Bilbao (3). „Das Bild auf dem Computerbildschirm ist nur die oberste Schicht eines ausgedehnten Netzwerks aus Verbindungen und verborgenen Symbolformen, das die eigentliche Realität dessen darstellt, was wir vor uns sehen. Beide Welten, die Innenwelt des Computers und die Innenwelt, in der wir leben, sind nicht sichtbar“ (1).

Obwohl Viola ein High-Tech-Pionier ist, ein Exponent der neuen Bildtechnologie, hat er nie einen Hehl daraus gemacht, dass er seine Inspirationen auch aus der Kreativität vergangener Jahrhunderte zieht. Von italienischen Meistern wie Giotto zum Beispiel: „Ein genialer Maler, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu arbeiten begann und der ein neues Konzept von Raum und Zeit hatte. Die alten Meister waren in Wirklichkeit junge Radikale, Michelangelo war 24 als er für die San Pedro Basilika La Pietà malte. Sie waren wie die Computerfreaks unserer Zeit“ (3). Der folgende bei Wikipedia überlieferte Satz hätte auch von Karl Marx oder Che Guevara stammen können: „Ich glaube fest daran, dass die wahre Kraft der Menschen in ihrer kollektiven Energie liegt. Wenn wir etwas gemeinsam angehen, können wir im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzen“.

Persönliches im Kunstraum

Als Bill Viola sich bei der Vorstellung der Ausstellung in Bilbao vor die Kameras stellte, faltete er die Hände im demütig östlichen Stil und verbeugte sich mehrfach vor den Medienvertreter*innen, die solches sicher nicht kennen. Marx und der Che hätten nicht so gehandelt. Bei der folgenden Pressekonferenz ließ sich Viola wegen Unpässlichkeit von seiner Lebensgefährtin, Beraterin und Managerin vertreten. Die musste sich mit der Frage konfrontieren lassen, was denn nun ihr Beitrag an den Werken von Viola sei. Sie antwortete mit einem Eiertanz. Die Werke seien seine, ohne ihn würden sie nicht existieren. Ohne wenn und aber. Gleichzeitig sei ihre Handschrift durchaus zu erkennen, ihr Einfluss sei über die Jahre größer geworden. Bill saß gegenüber in der ersten Reihe und hörte sich Vorstellung und Nachfragen an. Er wird in die Geschichte der Kunst eingehen, Kira Perov nicht, obwohl sie es möglicherweise ebenso verdient hätte – die in der Kunst sich ewig wiederholende Geschlechterfrage.
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Die Ausstellung ist nicht leicht verdaulich, von Schwermut und Dunkelheit geprägt, eine Wanderung durch schlecht oder unbeleuchtete Räume, nichts von der schrillfarbigen Oberflächlichkeit eines Jeff Koons oder der erfrischenden Provokation von Niki de Saint Phalle. Nur Violas friedliche Tauchbilder haben den etwas fröhlicheren Charakter eines Aquariums. Es fällt schwer, die philosophische Tiefe der Werke zu verstehen, geschweige denn nachzuvollziehen, ohne vorher den Ausstellungskatalog oder wenigstens einen Artikel gelesen zu haben. Leicht Verdauliches ist Fehlanzeige. Meist sind in der Dunkelheit noch nicht einmal die Werktitel als Anhaltspunkte lesbar. Bill Viola, der Pionier und große Vertreter der Videokunst verlangt den Besucher*innen einiges ab. (4)

Preise und Auszeichnungen

Bill Viola ist Ehrendoktor der Syracuse University (1995), des Art Institute of Chicago (1997), des California Institute of the Arts and Craft, Oklahoma (1998), des Massachusetts College of Art, Boston (Massachusetts), des California Institute of the Arts, Valencia (California) (2000), der University of Sunderland, Sunderland, England (2000), des Royal College of Art London (2004), des Columbia College, Chicago (2005), des Otis College of Art and Design, Los Angeles (2006) und der Universität Lüttich (2011). Von verschiedenen Seiten erhielt Viola Auszeichnungen, unter anderem: Preis der MacArthur-Stiftung, Medienkunstpreis des UKM (1989), Medienkunstpreis des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (1993), Eugene McDermott Award in the Arts (2009), Praemium Imperiale/Kunst (2011) (1).

ANMERKUNGEN:

(1) Wikipedia (Link)

(2) Pressemappe Bill Viola Guggenheim Museum Bilbao

(3) Zitate aus: „Los lienzos en movimiento de Bill Viola“ (Die beweglichen Gemälde von Bill Viola”, 30.6.2017, Tageszeitung Deia (Link)

(4) Fotoserie Ausstellungseröffnung Bill Viola Guggenheim-Museum Bilbao (Link)

FOTOS:

(*) Ausstellungseröffnung Bill Viola, Guggenheim (Foto-Archiv-Txeng)

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