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Die den Weg zum Erfolg zeigten

Im Februar 2019 fand in Bilbao ein zweiter staatsweiter Kongress statt, der sich mit dem Phänomen Frauen und Sport befasste. Zweck der Vereinigung war, die zuletzt errungenen Fortschritte zu dokumentieren und festzustellen, welche Schwierigkeiten noch zu überwinden sind. „Auf dem Weg zur Gleichberechtigung müssen Frauensport und Sportlerinnen sichtbar gemacht werden. Wir haben quantitativ Fortschritte gemacht, aber qualitativ steht uns noch vieles bevor“. So der Ausgangspunkt für den Kongress.

Der „II. staatliche Kongress Frauen und Sport“ im Februar 2019 in Bilbao war eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation des Frauensports und seiner Perspektiven, sowie eine Diskussion über die notwendigen Schritte, die in der Zukunft folgen müssen, um im Sport Gleichbehandlung und Gleichberechtigung zu erreichen.

In den meisten Sektoren der Gesellschaft sind Frauen benachteiligt, werden diskriminiert, schlechter bezahlt oder bleiben unsichtbar. Manche sprechen von Ungleichbehandlung, andere nennen dieses System Patriarchat. Natürlich ist jene Geschlechterdifferenz auch im Sport gültig. Im Weltsport Fußball werden die Leibesübungen der Männer meist live übertragen, Frauen erreichen weder dieselben Sendeplätze noch die gleichen Einschaltquoten. Wer das Männer-Turnier gewinnt kassiert Millionen, über die Prämie der Frauen wird lieber geschwiegen. Typen wie Messi oder Ronaldo verdienen in einem Jahr ausreichend, um ein ganzes Leben lang in Luxus zu leben. Und die Kickerinnen? Meist nebenberuflich. Im generell überbezahlten Tennis gibt es Gleichbezahlung nur bei den großen Grand-Slam-Turnieren, bei den übrigen herrschen riesige Preisunterschiede.

FS02„Zur Gleichberechtigung klettern“ war deshalb das Motto des in Bilbao organisierten Kongresses, bei dem Wissenschaftlerinnen und ehemalige Sportlerinnen referierten. Die Psychologin Ainhoa Azurmendi warf einen Blick zurück auf einen ähnlichen Kongress am selben Ort im Jahr 2001. „In jener Zeit waren Frauen im Sport fast unsichtbar, für Mädchen gab es in der Schule nur Sport-Stereotypen. Es tut mir leid sagen zu müssen, dass wir in dieser Hinsicht nicht allzu weit fortgeschritten sind“. Danach resümierte sie die Normen auf europäischer, staatlicher und regionaler Ebene, mit denen die Gleichstellung im Sport erreicht werden soll. (1)

Mädchen und Frauen müssten ein stärkeres Bewusstsein für ihren Körper entwickeln. Gemeinsame Sport-Aktivitäten von Männern und Frauen lehnte Azurmendi ab. „Es muss ausschließlich Frauen vorbehaltene Räume geben, das ist wichtig, wenn es um die Entwicklung von Verantwortung und von Leadership geht. Unsere Analysen haben ergeben, dass in gemischten Gruppen Männer zu 95% die Verhaltensregeln vorgeben. Gleichzeitig machen immer weniger Mädchen den Schritt vom Schulsport in die Vereine und Verbände“. Positive Worte gab es für die Neuordnung der Fußball-Förderung in Gipuzkoa und für das Handbuch gegen Belästigung, Mobbing und sexistischen Missbrauch“. (1)

Die Senatorin für Jugend und Sport aus der Region Valencia, Isabel García, rief die Entstehung des Kongresses „Frauen und Sport“ in Erinnerung. „Wir begannen mit Überlegungen, wie wir die Situation in Valencia ändern könnten. Als wir merkten, dass die Lage überall im Land nicht viel besser ist, entschlossen wir uns, einen Kongress zu organisieren“. Die Senatorin sieht Fortschritte und Veränderungen, die Entwicklung in Valencia sei sogar beispielhaft für andere geworden was die Organisierung von Frauensport-Events betrifft.

FS03Nekane Balluerka, aktuelle und erste Rektorin der baskischen Universität EHU-UPV mahnte, dass der Sport ein Spiegelbild sei, in dem die Fortschritte im Bereich der Gleichberechtigung exemplarisch sichtbar würden. Dass noch viel zu tun ist, daran bestand für alle Beteiligten kein Zweifel. Erinnert wurde daran, dass bei den Olympischen Spielen 2012 in London zum ersten Mal alle Teilnahme-Länder Frauen im Team hatten. Und erst 2016 in Brasilien waren Frauen in allen Sportarten vertreten.

Weitere aussagekräftige Daten: Immer weniger Frauen wählen an der Universität die Fachrichtung Sport. Von 39% im Jahr 1989 sank die Quote im Jahr 2012 auf 18%. Hingewiesen wurde auf die besondere Rolle der Medien bei der Sport-Berichterstattung. Egal ob Fußball, Pelota oder Basketball – Frauen-Spiele werden deutlich weniger übertragen und beschrieben, sowohl im Fernsehen wie auch in der gedruckten Presse. Auch hier bleiben Sportlerinnen weitgehend unsichtbar. Zumindest für das öffentliche Fernsehen hätte die Politik eine Möglichkeit, die Zustände zu ändern (1).

Baskische Beispiele

Aus dem Baskenland gibt es zum Thema Frauensport Positives und Negatives zu melden. Die Erfolgswelle der Spielerinnen von Athletic Bilbao zwischen 2002 und 2007 führte dazu, dass mehrere entscheidende Spiele im großen Stadion San Mamés angesetzt wurden, mit beträchtlichem Zulauf von Zuschauer*innen. Dabei wurden Rekordmarken im Frauen-Fußball erreicht.

FS04Als die Athletic-Frauen 2016/2017 erneut die spanische Meisterschaft gewannen kam es in der Stadt zu einer Polemik. Als die Männer von Athletic in den 1980er Jahren ihre letzten nationalen Meistertitel errangen, wurden diese Erfolge mit einer von Hunderttausenden besuchten Bootsfahrt auf dem Fluss gefeiert. Daraus ergab sich die „Legende von der Gabarra“ (Schlepperboot), das dann gefahren wird, wenn Athletic einen Meistertitel erringt. Nach dem Erfolg der Frauen erwarteten viele, dass das Schiff gechartert wird – sie erlebten jedoch eine Enttäuschung. Denn das Präsidium des Clubs entschied, dass die Frauen-Meisterschaft kein Grund zum Feiern sei – im Fall der Männer wäre es eine Selbstverständlichkeit gewesen. Eine einmalige aber verpasste Gelegenheit die Bedeutung des Frauensports hervorzuheben, dazu in einem Club, der ansonsten mit viel Stolz seine ureigene Philosophie pflegt: bei Athletic spielen ausschließlich baskische Frauen und Männer. Enttäuschend aber typisch – immerhin wurde das Thema wochenlang in den Medien diskutiert, was deutlich macht, dass zu dieser Frage eine Sensibilität vorhanden ist – allein das verdient bereits eine positive Bewertung.

Mit den Erfolgen von Joane Somarriba im Radsport erlebte diese Disziplin in den Medien einen gewissen Aufwind und mehr Präsenz. Somarriba gewann zwischen 1994 und 2005 spanische Titel, die Tour de France, den Giro d´Italia und eine Weltmeisterschaft. Mit ihrem Karriereende versank die Berichterstattung im Nichts. Bei den überaus populären Ruderregatten in der Sommersaison haben ebenfalls die Männer die Nase vorne, immerhin werden die Frauen-Wettbewerbe mittlerweile ebenfalls übertragen und beachtet. Im urbaskischen Pelota-Sport hingegen ist das Verhältnis 99 zu 1 zwischen Männern und Frauen, was TV-Übertragung anbelangt. In der Presse sieht es etwas positiver aus. Die Medien spielen – wie in der Politik – heutzutage eine entscheidende Rolle, nicht nur als Berichterstatter, sondern als Meinungsbilder und Trendsetter.

Frauen, die den Weg zeigten

FS05Der zweite spanienweite Kongress „Frauen und Sport“, der Ende Februar 2019 in Bilbao stattfand, war nicht nur eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation. Gewürdigt wurden auch einige der Pionierinnen, die sich im baskischen Sport einen Platz erkämpften, als der noch eine fast ausschließliche Männerdomäne war (2). In Zeiten des ultrakonservativen franquistischen Patriarchats knackten sie das Schloss, das Frauen den Zugang zum Sport verwehrte. Die Rede ist von vier Frauen, die in vier verschiedenen Disziplinen bis dahin gültige Regeln brachen und damals als Verrückte oder Spinnerinnen betrachtet wurden. Die verflossene Zeit hat diese Betrachtung zurechtgerückt. Heute werden diese Frauen als Pionierinnen gesehen, als solche wurden sie beim Kongress in Bilbao geehrt. (Auf dem Foto sind von links nach rechts zu sehen: Carmen Solana, Carmen Braum, Ana Astobieta und Jon Juanes, Sohn der Raketista Koro Iragorri).

Bei den vier Idolen aus dem baskischen Frauensport handelt es sich um Carmen Solana, baskisch-kantabrische Ex-Judoka und Lehrerin in dieser Sportart. Daneben Ana Astobieta, die erste Frau, die es in Euskadi zur Fußballtrainerin brachte. Carmen Braum war Handballerin, außerdem Präsidentin der Bizkaia-Föderation Handball und heutige Ehrenpräsidentin. Dazu kommt Jon Juanes, Sohn der verstorbenen professionellen Pelota-Spielerin Koro Iragorri. Sie war „Raketista“ und gehörte zur Pelota-Gruppe Jai Alai (3). Deren Geschichte ist heute weitgehend unbekannt, von den 1920er Jahren bis in die 1980er Jahre nahm sie jedoch erfolgreich an Wettbewerben teil und lockte viel Publikum an. Vor allem in Madrid und Katalonien, sogar in Havanna, wo die Raketistas so bekannt waren wie Gary Cooper oder andere Prominente. Die Gegenwart des heutigen Frauensports baut auf der Geschichte jener Frauen auf.

Ana Astobieta, Sondika, 65 Jahre, Fußball

FS06„In den 70er Jahren haben wir in Sondika als Kirchenverein angefangen“ (Ana Astobieta ist auf dem Foto in der ersten Reihe die zweite von rechts). Anas Verein Sondika (nahe Bilbao) war der erste Frauenclub in Euskadi, der 1982 der Fußball-Föderation beitrat. Später war Ana in Euskadi die erste Trainerin mit einem entsprechenden Titel. „Für uns, die wir mit großen Schwierigkeiten begannen, ist es begrüßenswert, dass der Frauensport heutzutage institutionelle Unterstützung erfährt. Die Früchte dieser Anfänge zeigen sich langsam“, resümiert sie. Die 48.000 Zuschauer*innen, die am 30. Januar 2019 im Bilbao-Stadion von San Mamés dem Pokal-Viertelfinalspiel der Frauen zwischen Athletic Bilbao und Atletico Madrid beiwohnten, wird diese ehemalige Fußballspielerin sicher nicht vergessen – denn gerade sie hat sich und vielen anderen Frauen den Weg auf die Spielfelder geöffnet.

Vergessen wird Ana auch nicht die 7.000 Zuschauer*innen, die vor vier Jahrzehnten ins Stadion Lasesarre von Barakaldo kamen, um ein Spiel der Frauen von Sondika und La Arboleda zu verfolgen. „Ich war glücklich über San Mamés. Denn als wir die Reise in den 1970er Jahren begannen, konnten wir nicht ahnen, dass wir im Jahr 2019 eine solche Leidenschaft erleben“. Astobieta, die sich heute Aufgaben innerhalb der Fußball-Föderation von Bizkaia widmet, ist stolz auf die Sondika-Anfänge: „Wir haben in den 1970er Jahren begonnen. Der Club wurde von einem Priester trainiert. Im Dorf war das alles ganz normal (es herrschte der Franquismus). Wir waren eine Gruppe innerhalb der Kirche, eine soziale Gruppe, die sich mit Sport beschäftigte. Das erste Spiel ging gegen Zamudio und wir gewannen mit 2 zu 0. Die Teams wurden von Unternehmen gesponsert und so wurde der damalige ‘Eisen-Pokal‘ ins Leben gerufen“.

Doch dann kam eine heftige Krise. „Zwischen 1974 und 1979, das war für mich die schwierigste Zeit. Alle Frauen-Teams verschwanden und Sondika blieb allein zurück. 1982 machte ich die Ausbildung als Trainerin, in jener Zeit begannen viele Teams, sich erneut der Föderation anzuschließen. Zu Beginn waren wir nur zwei, dann vier, sechs, acht. Wir haben auch in der staatlichen Liga gespielt – bis hierher sind wir gekommen, wie es so schön heißt“.

Carmen Solana, Santoña, 58 Jahre, Judo

FS07„Wenn ein Mann und eine Frau gleichzeitig eine Weltmeisterschaft gewinnen, wird allein ihm die Aufmerksamkeit zuteil“ – Carmen Solana stammt aus dem kantabrischen Ort Santoña, lebt jedoch schon lange in Bilbao. Sie war eine Elite-Judoka und ist heute Lehrerin in ihrem eigenen Studio. „Ich kam nach Bilbao und habe fast mein ganzes Leben hier verbracht. In der Zeit als Wettkämpferin, in den 1980er und 1990er Jahren, gab es nicht viele Frauen. Für mich war es einfach, gegen die Männer anzutreten. Ich hatte keine Probleme, sie zu besiegen. Sie waren nie ein Hindernis in meiner Karriere als Judoka“. Sie setzte sich durch, weil sie ihre Qualitäten unter Beweis stellte. „Ich stellte mich zum Kampf, der andere musste mich ernst nehmen, um mitzuhalten. Wer mich nicht als ernsthafte Gegnerin ansah, den habe ich fertiggemacht. Ich war ziemlich schnell und habe hart trainiert“. 1992 konnte Carmen nicht an den Olympischen Spielen in Barcelona teilnehmen: „eine meiner großen Enttäuschungen“. „Aber ich war bei acht Europameisterschaften dabei, habe die Europameisterschaft der Frauen gewonnen und war viermal bei einer Weltmeisterschaft“.

Barcelona 1992 empfand Carmen als großen Misserfolg. „Ich war jung und fühlte mich gut. Dann kamen Probleme, das hat mich aus der Bahn geworfen. Ich habe weiter gekämpft, aber letztlich war das Ziel, eine Olympiade zu erreichen. Zudem hat meine Superfreundin Miriam Blasco am Ende die Medaille gewonnen. Wir trainierten zusammen und waren praktisch gleich gut“. Seitdem sind fast drei Jahrzehnte vergangen und die Ex-Judoka sieht eine Entwicklung im Umgang mit Frauen im Sport. „Im Judo hat sich viel geändert. Heute gibt es viel mehr Frauen, die auf Weltniveau Erfolg haben. Wir haben zwei Frauen bei Olympia, und Männer gibt es derzeit keine. Es gibt zwar einen ‘spanischen‘ Weltmeister, aber der ist georgischer Herkunft. Aber eines ist sicher. Wenn es jetzt Weltmeistertitel gäbe, gleichzeitig für einen Mann und eine Frau, wäre die Aufmerksamkeit auf den Mann gerichtet. Davon kannst du ausgehen“.

Carmen Braum, Bilbao, 67 Jahre, Handball

FS08„Wir haben in Röcken gespielt“ (auf dem angefügten Foto ist Carmen Braum in der Mitte zu sehen mit einem karierten Hemd). Carmen war Spielerin des Handball-Teams La Salle aus Bilbao. Sie erinnert sich, dass die Mädchen in ihrer Jugend „in Röcken Handball gespielt haben“. Obwohl Carmens Schulhof im Stadtteil Indautxu nur Platz für ein Basketball-Feld bot. „Mein Sport war damals unbekannt, aber ich fand Handball gut, meine Lehrerin stellte mich als Torhüterin auf. Ich glaube, es waren meine Reflexe. Später nahm mich der Verein La Salle unter Vertrag. Ich teilte das Tor mit Gloria Navarro, Carlos Laiseca war unser Trainer. Ich spielte in der ersten spanischen Liga“.

Später kamen die Aufgaben im Regional-Verband. „Ich hatte geheiratet, hatte Töchter bekommen und mein Mann, auch ein Handball-Torhüter sagte: Komm zum Verband und hilf mit. So engagierte ich mich“. Diese Verbindung mit administrativen und organisatorischen Aufgaben im Sport dauerte drei Jahrzehnte und machte Carmen Braum zu einer lokalen Handball-Institution. „Sie sahen uns als Spinnerinnen und heute sind die Spielerinnen große Kämpferinnen. Alles hat sich verändert, die Spielweise, aber auch wie die Männer uns sehen“.

Carmen Braum hat Spiele zwischen Mädchen und Jungen gesehen, in denen die anfängliche Vorsicht, mit der die Akteur*innen sich behandelten, verschwand: „Dann ging es nur noch darum, das Match zu gewinnen“. Die Mädchen gaben sich alle Mühe, besser zu werden. Diese Duelle waren Teil des Projekts Handball 2000, an dem Carmen beteiligt war. Den Diskussionen über Machismus räumt die Ex-Spielerin keine besondere Bedeutung ein, gerade weil sie die Verbandswelt gut kennt. „In meinem Leben habe ich immer versucht, mit diesem Thema natürlich umzugehen und kein Drama draus gemacht. Ich lebte in einer Männerwelt und bei nationalen Versammlungen gaben sie mir eine Krawatte und eine Zigarre (lacht). Ich habe dem Ganzen keine weitere Bedeutung beigemessen“ (2).

Jon Juanes, Sohn von Koro Iragorri, Raketista

FS09„Die Raketistas waren im Baskenland sehr schlecht angesehen“ (das angefügte Foto ist ein Archivbild der Raketistas aus den 1940er oder 1950er Jahren). Kaum jemand schenkte ihnen bisher viel Aufmerksamkeit. Doch nun hat ein Verein – „Raketistak früher und heute“ (baskisch: Raketistak lehen eta orain) – die Erinnerung an die professionellen Pelota-Spielerinnen aufgefrischt, die fast das gesamte letzte Jahrhundert, von 1917 bis in die 1980er Jahre in den Jai Alai genannten Frontons aller Welt ihre Spiele austrugen: Katalonien, Madrid, Kanarische Inseln, Mexiko, Kuba, Brasilien, Argentinien.

Was waren die Raketistas? Im Laufe seiner Existenz hat das baskische Pelota-Spiel verschiedene Versionen angenommen: das traditionelle Cesta Punta mit dem gekrümmten Korb, das ähnliche Remonte, Trinkete, das mit der Hand gespielte Esku Pilota, das mit Holzschläger gespielte Pelota Palo … und eben Pelota mit Raketas. Diese Version wurde nur von Frauen gespielt, die Holzschläger – Raketa (span: Raqueta) – ähneln Tennisschlägern, gespielt wurde in zwei- oder dreiseitigen Frontons, die zur rechten Seiten offen sind.

Die ersten Raketa-Spielerinnen stammten aus dem Baskenland, paradoxerweise waren sie gerade hier nicht erfolgreich. Unter anderem aufgrund der männlichen Vorherrschaft im Pelota. Jon Juanes, der Sohn einer dieser Frauen, der verstorbenen Koro Iragorri, wurde als Mitglied der Raketistak-Vereinigung zum Kongress in Bilbao eingeladen und nutzte die Gelegenheit, an seine Mutter zu erinnern. „Sie starb, als ich acht Jahre alt war. Sie ging nach Madrid, um Pharmazeutik zu studieren, dort begann sie mit diesem Sport, eine andere Raketista der Fakultät hatte sie überzeugt. Ihr Debüt gab sie 1977, bis 1980 spielte sie im Madrider Fronton. Mit ihrem Verdienst konnte sie das Studium bezahlen, die Wohnung und das erste Auto. Koro war eine der großen Raketistas”.

Jon Juanes erzählt, dass dieses Spiel jahrzehntelang großen Erfolg hatte. „Wo auch immer die Sportlerinnen spielten, ein interessiertes Publikum gab es überall. Ich kann nicht sicher sagen, ob Gary Cooper die Pelota-Spiele in den 1950er Jahren in Havanna gesehen hat, aber bei gesellschaftlichen Anlässen traf er mit den Spielerinnen zusammen“. Hauptsächlich in Spanien wurden diese Spiele ausgetragen, aber ab und zu gingen sie für eine Saison auf Tour durch Amerika. „1923 und 1924 zum Beispiel, und auch 1957 spielten sie in Havanna. In den Jahren 1950 bis 1952 war Mexiko angesagt, danach Brasilien und Argentinien“.

Drängt sich natürlich die Frage auf: Warum hatten die Raketistas in Euskadi keinen Erfolg? Denn anfangs waren ja fast alle Pelota-Spielerinnen Baskinnen, erst später kamen welche aus Madrid und Barcelona dazu. „Stellen Sie sich die 1940er Jahre der Nachkriegszeit vor“, sagt Jon Juanes. „Zu Francos Zeiten war die Frau auf ein bestimmtes Bild reduziert. Abgesehen davon war das baskische Pelota schon immer ein Männersport. Die Spielerinnen waren im Baskenland sehr schlecht angesehen und spielten kaum. Heute ist das anders. Jede Epoche hat ihre eigenen Bestimmungen und Sichtweisen. Aber das Raketa-Spiel der Frauen war wirklich ein Spektakel“.

Aktuelle Nachrichten

Vielleicht stehen die aktuellen Nachrichten noch im Lichte des vor wenigen Tagen organisierten zweiten Frauenstreiks in der Geschichte des internationalen Tages der arbeitenden Frauen am 8. März. In Spanien gab es gewerkschaftliche Aufrufe zu einem Zwei-Stunden-Streik, im Baskenland sollte es ein Generalstreik werden. Allein in Donostia und Bilbao gingen jeweils 50.000 Personen, vorwiegend Frauen auf die Straße und forderten ein Ende des hetero-patriarchalen Kapitalismus. Selbst bürgerliche Medien konnten sich diesem Elan nicht entziehen.

FS10In einer baskischen Tageszeitung ist von den jüngsten Positiv-Nachrichten aus dem Frauensport die Rede. So kamen zu einem Zweitliga-Basketball-Spiel in Madrid rekordverdächtige 13.400 Zuschauer*innen. Zum baskischen Frauen-Fußball-Derby zwischen Osasuna (Pamplona) und Eibar kamen mehr als 10.000 Zuschauer*innen – im Vergleich dazu fasst das Hauptstadion in Eibar nur etwas mehr als 7.000 Personen. Beide Teams kämpfen um einen Platz für die Aufstiegs-Playoffs zur ersten Frauen-Liga, zum ersten Mal wurde ein solches Spiel im Stadion El Sadar ausgetragen, wo sonst nur Männer zu erleben sind. Ein neuer Publikums-Rekord bei einem Frauen-Fußballspiel im Staat wird für das nächste Wochenende erwartet, wenn sich im neuen Wanda-Metropolitan-Stadion von Madrid die beiden Spitzenteams des iberischen Fußballs zum vorentscheidenden Spiel treffen: Atletico und FC Barcelona, seit Jahren das Spitzenduo im spanischen Frauen-Fußball. Erwartet werden mehr als 50.000 Personen, der Januar-Rekord von Bilbao könnte also nur von kurzer Dauer sein.

Baskultur-Publikationen

Unter dem Titel „Frauen im Pelota-Sport - Erfolg ohne Anerkennung“ publizierte Baskultur.info im vergangenen Jahr 2017 ein Portrait von Maite Ruiz, der „erfolgreichsten Pelota-Spielerin aller Zeiten“, die sich im Alter von 44 Jahren aus den Turnier-Wettkämpfen ihres Verbands zurückzog. Hinter ihr liegt eine beispiellose Karriere von Erfolgen. Die fanden dennoch keinen gesellschaftlichen oder medialen Wiederhall. Maite Ruiz hat alles gewonnen, was es in dieser Sportart zu gewinnen gibt. Dennoch blieb sie weithin unbekannt. (4)

(Publikation Baskultur.info 2019-03-12)

ANMERKUNGEN:

(1) Tageszeitung El Correo: „Hay que dar más visibilidad a la mujer deportista” (Sportlerinnen müssen sichtbarer werden) 2019-02-26

(2) Tageszeitung El Correo „Ellas mostraron el camino” (Sie zeigten den Weg) 2019-02-26 (LINK)

(3) „Jai Alai“ ist der Name der großen Pelotahallen oder Frontons, in denen Cesta Punta (mit dem Korb) oder Remonte gespielt wird. Diese beiden Pelota-Versionen gelten als die schnellsten Ballsportarten der Welt, mit Geschwindigkeiten von mehr als 200 kmh. Aufgrund dieser hohen Geschwindigkeiten müssen die Hallen länger sein, als zum Beispiel für Hand- oder Holz-Pelota. Die große Mehrheit der Frontons sind kürzer, „Jai Alai“ ist Baskisch und bedeutet „fröhliches Fest“

(4) Publikation Baskultur.info: „Frauen im Pelota-Sport - Erfolg ohne Anerkennung“ (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Baskische Sportlerinnen. Auf dem Foto sind zu sehen: Ainhoa Tiarpu, Ainhoa Hernandez, Iraia Iturregi, Paula Valdivia, Azahara García und Nayla de Andrés (Foto: Borja Agudo, elcorreo)

(2) Kongress-Plakat Frauen und Sport, Bilbao 2019

(3) Nekane Balluerka ist die erste Rektorin der baskisch-öffentlichen Universität EHU-UPV (naiz)

(4) Frauen des Athletic Club Bilbao (athletic club)

(5) Sport-Pionierinnen (elcorreo). Auf dem Foto sind von links nach rechts zu sehen: Carmen Solana, Carmen Braum, Ana Astobieta und Jon Juanes, Sohn der Raketista Koro Iragorri / Foto: Manu Cecilio

(6) Ana Astobieta (elcorreo)

(7) Carmen Solana (Fajyida)

(8) Carmen Braum (elcorreo)

(9) Raketistas 1950er Jahre (elcorreo)

(10) Joane Somarriba (ciclismo femenino)

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