Mehr Licht als Schatten im grünen Bereich
Baskischer Fußball bleibt wie Achterbahn, auf und ab und manchmal sind sogar die Niederlagen ein Grund zur Freude. Im großen Fußballgeschäft zählen nur noch Euromillionen, Petrodollars und Steuerparadiese auf den Jungferninseln. Nicht in Euskal Herria, da ist die Welt noch halbwegs in Ordnung, selbst wenn Abstieg auch hier kein Fremdwort ist. Es wird etwas solider gearbeitet, weniger auf Pump gelebt, das Publikum ist dankbar für jedes kleine Erfolgserlebnis – alles im Rahmen der Möglichkeiten.
Insgesamt acht Fußball-Teams hatte das Baskenland in der zu Ende gegangenen Saison in den Ersten Kicker-Ligen: drei bei den Frauen und fünf bei den Männern. Das wird sich im kommenden Jahr ändern. Auch sechs ist keine schlechte Zahl.
In Prozent ausgedrückt stellten baskische Teams in der Männerliga 25% der Konkurrenz (5 von 20), bei den Frauen waren es 18,75% (3 von 16) – Höchstwerte für eine so kleine und bevölkerungsschwache Region. Zwei sind auf der Strecke geblieben, weil es mit gutem Willen allein nicht geht. Ein bisschen Kleingeld ist doch nötig, um die erste Klasse zu halten.
KE Oiartzun
In der Frauenliga waren vor zehn oder zwanzig Jahren fast nur unbekannte Clubs mit dabei, das ändert sich langsam mit Namen wie Barcelona, Madrid und Valencia, dielamngsam de Frauenfußball entdecken und aus Prestigegründen Geld investieren. Aber wo zum Teufel liegt Oiartzun? Wir finden es im Osten von Gipuzkoa. Vor 25 Jahren, als die Frauenliga ihre ersten Schritte machte, wussten alle wo Oiartzun liegt: dort wo die Meisterinnen trainiert wurden! Denn solche Titel holte sich das Team in jener Zeit gleich mehrere. Doch haben sich die Zeiten verändert, Oiartzun ist wieder zur Provinz geworden. Vor zwei Jahren durfte der Club mitdem Namen Kirol Elkartea erneut Erstliga-Luft schnuppern, jetzt geht es wieder runter in Liga zwei, Platz 15 war einfach zu wenig. Egal, da ist es leichter wieder Meister zu werden, entschuldigung, Meisterinnen natürlich!
Athletic-Frauen
Meisterinnen waren die „Chicas“ von Athletic Bilbao im vergangenen Jahr. Alle waren überrascht, am Meisten sie selbst in Anbetracht der finanzstarken Konkurrenz aus den großen Metropolen. Umso tiefer war der Fall auf den fünften Tabellenplatz am Ende dieses Durchgangs. Keine gute Saison, in der Championsleague wieder in der ersten Runde ausgeschieden, wennauch nur knapp. Und mit Eli, Iraia und Irune hören drei Leistungsträgerinnen auf, das tut besonders weh. Ein Schnitt ist angesagt. Der Präsident hatte immerhin den Takt, beim Spiel anwesend zu sein, obwohl die Männer ihr letztes Auswärtspiel fast zeitgleich in Madrid austrugen – im vergangenen Jahr hatte er den Frauen nach der Meisterschaft die Ehrung verweigert, die den Männern selbstverständlich zugestanden hätte. „Ich hoffe, dass sich die Situation für die Spielerinnen in den kommenden Jahren ändert, dass wir auch vom Fußball leben können“, sagte Iraia zum Abschied. Der Satz machte deutlich, wie groß der Unterschied zur Männerwelt noch ist, wieviel Arbeit noch bevorsteht. Abtretende Spielerinnen haben immerhin den Vorteil, dass sie zu Trainerinnen werden könnten, das täte Athletic gut und würde einmal mehr die Vorreiterrolle des baskischen Fußballs unterstreichen.
Real Sociedad-Frauen
Die Frauen mit dem königlichen Namen aus San Sebastian (baskisch: Donostia) arbeiten sich in kleinen Schritten nach oben. Nach wie vor ziehen sie nicht an Athletic vorbei, doch hatten sie ihren ganz eigenen Saison-Höhepunkt beim Lokalderby gegen die Bilbainas: zum ersten Mal konnten sie ein Spiel für sich entscheiden, das war schon was Besonderes. Doch selbst wenn es dafür die doppelte Punktzahl gegeben hätte, wären sie nicht an Athletic vorbei gekommen. Gesichertes Mittelfeld war das Endergebnis.
Die erfolgreichen Männer
Für die Männer-Teams war es eine historische Saison: fünf Clubs in der Ersten bedeutete historischen Rekord! Er wird es vorläufig auch bleiben, denn 2017/18 werden es wieder vier Vertreter sein, die sich mit Madrid, Barca und 12 anderen messen. Real, Athletic, Deportivo, Eibar, Osasuna war das Einlaufergebnis – mit einigen Überraschungen garniert. Zum Beispiel: dass einen Spieltag lang vier baskische Clubs die Tabellenplätze 6 bis 9 einnahmen. Das macht Eindruck, vor allem bei der Konkurrenz. Dabei war der Baskultur-Tipp vor Saisonbeginn ein 80%-Treffer, wie sich gleich zeigen wird, denn selbst der Absteiger wurde vorhergesagt.
Real Sociedad-Männer
In der inoffiziellen Tabelle der insgesamt baskischen 20 Derbys wurden sie zwar nur dritte, doch auf gesamtspanischem Niveau sprang ein beachtlicher sechster Platz heraus, der den direkten Zugang zur Europa-League garantiert. Ausnahmsweise hatten die Real-Verantwortlichen mal die richtigen Stürmer eingekauft, das hatten sie schon seit 12 Jahren nicht mehr geschafft. Brasilianer und Spanier mit dabei, denn hier gelten schon lange nicht mehr die Athletic-Philosophie der Eigengewächse. Mit etwas mehr Beständigkeit wäre sogar die Championsleague möglich gewesen, doch in den entscheidenden Momenten versagten die Nerven. Wäre Angriffstar Agirretxe rechtzeitig gesund geworden, hätte es vielleicht zu mehr gereicht – hätte, wäre, würde. Dafür das Erfolgserlebnis am letzten Tag, als Athletic patzte und der sechste Platz raussprang. (Baskultur-Tipp: ok).
Athletic-Männer
Für Athletic hätte es besser laufen können, doch einige der sonstigen Leistungsträger (was für ein Gewicht!) liefen nur mit halber Kraft. Nur die Oldies Aduriz, Benñat und Raul Garcia enttäuschten nicht. Der Abwehrnewcomer Yeray musste sogar mit Krebs unters Messer, weshalb Bilbao um seine Hoden zittern durfte. Erfrischend war erneut die „schwarze Perle“ Williams, um den sich bald halb Dollar-Europa schlagen wird. Und die Ablösung im Tor ging ebenfalls erfolgreich und vielversprechend über die Bühne: Kepa für Gorka – Abschiede sind schwer, vor allem wenn die Leistung noch stimmt.
Abschied auch am Steuer, denn der geliebte Valverde ging nach vier Jahren – Athletic bleibt einer der letzten Clubs, wo die Trainer noch selbst entscheiden, wann sie aufhören. Dass Ernesto nun den großen FC Barcelona coachen darf gönnen ihm in Bilbao alle, bei all dem, was er für Athletic geleitet hat, eins ums andere Mal die Quali für Europa. Doch diesmal war es knapp, nur die Pokalniederlage des anderen Baskenclubs machte es möglich. Für die ungeliebte Qualifikationsrunde hat es gereicht, doch dadurch wird der Urlaub kürzer. Nach einem asketischen Jahr will der Club in diesem Sommer auf dem Transfermarkt aktiv werden, um sich um die wenigen guten Basken zu bemühen, die da zu haben sind. Bei der allseits bewunderten bodenständigen Nachwuchsarbeit ist allerdings auf der anderen Seite zu erwarten, dass es bald wieder einen großen Abgang geben wird: Laporte, Williams und der junge Kepa wecken millionenschwere Begehrlichkeiten. (Baskultur-Tipp: ok).
Deportivo Alavés
Basken spielen wenige beim baskischen Hauptstadtclub, der im vergangenen Sommer nach einer Durststrecke in Liga zwei und drei wieder den Gipfel erklomm. Überraschend! Nach Fehleinkäufen und Mäzenskandalen wurde bei Alavés wieder auf verlässliches Handwerk gesetzt. Ein Brasilstar, zwei bei Athletic Ausgemusterte, ein Real-Madrid-Talent und ein Trainer mit gutem Auge waren ausreichend um eine sensationelle Saison zu spielen. Ausgerechnet das Überraschungsteam aus Gasteiz war es, das dem großen FC Barcelona ein Bein stellte und die Meisterschaft vermasselte, denn Depor gewann sensationell im Camp Nou – drei Punkte, die Barca am Ende fehlten. Dafür hielten sich die Katalanen an den Basken schadlos und holten bei Pokalfinale ihren einzigen Titel in diesem Jahr. Für Alavés war schon das Dabeisein die Glückseligkeit an sich. Niemand hatte das Team auf der Rechnung, Athletic verspielte ausgerechnet in Gasteiz die Direktqualifikation für Europa.
Dann das Finale: David gegen Goliath. Fünfzehn Jahre nach den UEFA-Finale gegen Liverpool, das Alavés dramatisch mit 5:4 verlor. Nach dem Überraschungscoup im Camp Nou verlor Depor sein Ligaheimspiel gegen Messi und Co. mit 0:6. Das dämpfte die Erwartungen für das Finale, doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Zum vierten Mal in neun Jahren stand der FC Barcelona (bei sieben Teilnahmen) im Cupfinale einem baskischem Team gegenüber: drei Mal Athletic, nun Alavés. Ein Mehrheit von Katalan*innen und Bask*innen sorgte im Madrider Stadion vor Spielbeginn für ein Pfeifkonzert an den König – oder besser gegen ihn und seine Hymne. Für Spanier(innen) gehören solche regionalistischen Finale verboten, doch die Gesetzgebung geht noch nicht so weit, für das Finale einen Madrider Club zu setzen. Wie zu erwarten setzte es für die Gasteiztarras im Finale eine Niederlage – eins zu drei für Barca. Bei Athletic hingegen durften Spieler und Fans durchatmen, denn durch Barcas Erfolg waren sie als Ligasiebte doch noch in die Europaleague gerutscht. Nun gehen bei Alavés der Realstar und überraschend auch der Trainer, bereits im Jahr zwei ist ein kleiner Neuanfang nötig, um die Erfolgsgeschichte fortzusetzen. (Baskultur-Tipp: ok).
SD Eibar
Das Führungsteam aus der gipuzkoanischen Industriestadt arbeitet wie Werder Bremen zu Zeiten von Willy Lembke. Mit wenig Mitteln gut gehaushaltet, aus mittelguten Spielern ein gutes Team zusammengestellt, die regelmäßig das mit 7.500 Zuschauer*innen kleinste Stadion der Liga begeistern. Ein besonderer Glücksgriff war der bei Mourinhos Madrid gescheiterte Oldtimer Pedro Leon, der als Spielmacher der alten Schule in Eibar die tragende Rolle übernahm. Eine Präsidentin vorneweg und der Baske Mendilibar als Coach bilden ein gutes Gespann, das auch im kommenden Jahr zusammenbleiben wird. Im dritten Erstliga-Jahr hat Eibar es zum ersten Mal geschafft, nach einer sensationellen Vorrunde nicht in der Rückrunde abzustürzen. Ergebnis: ein guter 9.Platz, fünf Spieltage vor Schluss fiel sogar das Wort „Europa“. Für Unruhe sorgten nur zwei Machos, die sich in einem widerlichen Sex-Skandal einen Namen machten und sich eine Anzeige einfingen. Das hat viele Sympathien gekostet, vor allem außerhalb der Stadtgrenzen. (Baskultur-Tipp: verfehlt, programmiert war Abstieg).
Osasuna
Kommen wir zum Tabellenende. Denn dort befand sich der Club Atletico Osasuna aus Pamplona-Iruñea praktisch die ganze Spielzeit. „Wir müssen dasnächste Spiel gewinnen“, war der Standardspruch von insgesamt drei Trainern, die die Verliergewohnheit nicht abstellen konnten. Osasuna bedeutet auf Baskisch Gesundheit. Die trifft auf die Fangemeinde besonders zu: sogar am letzten Spieltag wurde das Team – trotz lange feststehendem Abstieg – begeistert gefeiert. Spielerisch war die Saison eher kränklich, das war absehbar. Führungsstäbe in früheren Jahren hatten den Verein derart verschuldet und ruiniert, dass nun ein Austerity-Programm aufgesetzt werden musste und nur ganz kleine Brötchen gebacken werden durften. Zwei der alten Verantwortlichen sitzen hinter Gittern, weil sie zusätzlich auch noch den Fiskus beschissen hatten. Andere kauften sich mit Kautionen frei, Sportkriminalität, über die nur die allertreuesten Fans hinwegsehen. Das mangelhafte Team gab sich jedenfalls zu keinem Zeitpunkt auf, hatte aber spielerisch keine Chance. Erfolgserlebnis der Saison war, dass mann am Ende Vorletzter wurde – für die Fans ein Grund mehr zum Feiern. Nun ist wieder Neuaufbau angesagt, Kasse machen mit dem Verkauf von ein paar Stars. Dafür gibt es endlich wieder einen baskischer Vertreter in der zweiten Liga! In Pamplona (baskisch: Iruñea) wieder bereits wieder von Aufstieg gesprochen. (Baskultur-Tipp: ok, Abstieg vorhersehbar).
Auf- und Abtritte
Abgetreten ist der vorläufig letzte große baskische Fußballstar Xabi Alonso. Einer, der trotz seiner Erfolge immer bescheiden blieb. Von seinem Hausclub Real Sociedad wurde er einst an Eibar ausgeliehen um Erfahrung zu sammeln. Danach wurde er mit La Real Vizemeister und durfte gehen. Mit Liverpool und später Real Madrid gewann er die Championsleague, mit den ungeliebten Spaniern die Welt- und Europameisterschaft. Zuletzt heimste er Titel ein mit den Bayern aus München. Schade Xabi, wir werden die Bernd-Schuster-Gedächtnispässe sicher vermissen.
Noch nicht am Ende seiner Karriere ist Alonsos baskischer Teamkollege Javi Martinez, der den Bayern noch eine Weile treu bleiben will. Kämen nicht immer wieder Verletzungen dazwischen wäre er unumstrittener Stammspieler, aber … vier Mal Meister und drei Mal Pokalsieger ist auch nicht schlecht. Sogar die WM- und EM-Trophäen durfte er mal anfassen nach jeweils ein paar Minuten Einsatzzeit.
Ein weiterer Athletic-Flüchtling war im vergangenen Jahr auf Titeljagd. Neben vielen anderen Stars glänzte Ander Herrera bei Manchester United unter dem Portugiesen Mourinho. Im Europacup-Finale gegen Ajax Amsterdam wurde er zum besten Spieler gekürt. Bei Athletic trauert ihm dennoch niemand hinterher. Denn wer sich nicht ehrlich verabschiedet wie Valverde oder Laporte (in den nächsten Jahren), der wird schnell vergessen und verdrängt in der „Kathedrale des Fußballs“ wie das bilbainische Stadion San Mamés genannt wird. Die wahren Helden sind dort Fußballarbeiter wie Gaizka Toquero: ein Kicker mit beschränktem Talent, dafür aber ein Kämpfer, Renner und ehrlicher Kollege, der sich auch nach zwei Jahren Reservebank nicht beschwerte. Bei Deportivo Alavés kommt er wieder öfter zum Zuge – in Bilbao gönnen ihm das alle. Auch das Pokalfinale, sein viertes, denn mit Athletic verlor er auch schon drei.
FOTOS:
(*) Letztes Ligaspiel 2017 der Frauen von Athletic Bilbao