Gefürchtet und ausgerottet
Geschichte der Wölfe: Ortsnamens-Forschung, Wappenkunde, und Horror-Legenden – ein Buch über die Spuren des Wolfes in Nafarroa. Mehr als 300 Orts- und Personen-Namen und mehr als hundert Wappen bilden die kulturelle Hinterlassenschaft, die auf Wölfe in Nafarroa zurückgehen. Dazu kommen viele teilweise mündlich überlieferte Horror-Legenden. All das erzählt ein Buch, das der Experte Ignacio Etxeberria den Spuren gewidmet hat, die dieses gefürchtete und bewunderte Tier in der Region hinterlassen hat.
In Ortsnamen, Wappen und vor allem durch eine beachtliche Anzahl von Horror-Legenden hat die Spezie Wolf in Nafarroa tiefe kulturelle Spuren hinterlassen. Der Experte Ignacio Etxeberria hat sie in einem Buch zusammengefasst.
Der Titel seines Werkes lautet "El lobo en Navarra. Otsoa Nafarroan" (“Der Wolf in Navarra“, spanisch, baskisch), herausgegeben von Lamiñarra. In diesem Buch dokumentiert er einen Teil der Informationen, die er bereits in seinem gleichnamigen Blog zusammengetragen hat. Im Buch beschreibt Etxeberria die große Feindseligkeit, die der Wolf aufgrund der von ihm verursachten Verluste an Nutztieren hervorruft und wegen der Angst, die er in der Bevölkerung auslöst. Aus diesem Grund wurde der Wolf jahrhundertelang mit den unterschiedlichsten Mitteln gejagt, mit Netzen, Fallen, Schlingen, Jagden oder Giften. Auch große Hunde, Mastín-Hirtenhunde, wurden zur Wolfsabwehr eingesetzt. Sie trugen ein Halsband mit vielen nach außen gerichteten Nägeln und Stacheln, den so genannten "Karranklak". Oder Instrumente, die Geräusche machten, um die Wölfe zu verscheuchen, wie zum Beispiel Hörner.
Tatsächlich waren Wölfe zusammen mit Bären, anderen Raubtieren und Kaninchen das einzige Tier, das die Bauern und Dorfbewohner gemäß den Fueros von Navarra (baskische Selbstverwaltungs-Rechte) jagen durften. Um ihn zu bekämpfen, erließ die spanische Cortes-Verwaltung 1652 ein Gesetz, das Belohnungen für die Ausrottung von Wölfen vorsah. So wurde eine Zahlung von sechs Dukaten für jeden großen Wolf und zwei Dukaten für jedes Jungtier festgelegt. Die Gelder wurden von den Gemeinden der Region aufgebracht, um diejenigen zu belohnen, die zum Schutz der Nutztiere beigetragen hatten.
Zehn Jahre später wurde diese Regelung erweitert und die Höhe der "Belohnung" variiert: drei Dukaten für jeden großen Wolf und ein Dukaten für jedes Wolfsjunge. Im Jahr 1817 verabschiedete die Cortes ein neues Gesetz, um diese Zahlungen zu aktualisieren, festgelegt wurde eine Belohnung von 120 Reales für jeden erlegten erwachsenen Wolf und 60 Reales pro Jungtier. Letzterer Betrag wurde 1828 nach Protesten einiger lokaler Institutionen, die die Gelder auszahlen mussten, auf 20 Reales reduziert.
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit von besonderer Bedeutung für den Wolf, vor allem in Erribera (dem Süden Navarras), mit den Bardenas (wüstenähnliches Gebiet) als einer seiner letzten Rückzugsorte in Nafarroa. Zwischen 1855 und 1859 wurden beispielsweise 320 Wölfe in der Region getötet.
Die Verluste, die durch Wolfsangriffe in den Herden verursacht wurden, gingen nicht zu Lasten der Hirten, da man davon ausging, dass sie bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar waren. Manchmal kam es jedoch zu Nachlässigkeiten, etwa wenn die Herde nicht zusammengetrieben wurde, nachdem "vor einem Wolfsangriff gewarnt wurde", was obligatorisch war.
Angriffe auf Menschen
Meist griffen Wölfe Nutztiere an, aber es gab auch Fälle, in denen Menschen dem Tier zum Opfer fielen. Wie zum Beispiel die beiden Spinnerinnen, die der örtlichen Überlieferung zufolge in der Traxanatea Straße im Dorf Otsagabia (Vor-Pyrenäen) von einem Wolf getötet wurden. Der Name Otsagabia bedeutet auf Baskisch ausgerechnet “ohne Wölfe“. In Tutera (Süd-Navarra) lief am 23. Juni 1851 ein tollwütiger Wolf in die Stadt und griff mehrere Menschen an, bevor er von einem Polizisten und einem Wachmann getötet wurde. Der Polizist, Pedro Reas "El Roso", starb an den Folgen des Angriffs, ihm ist eine Straße in der Ribera-Hauptstadt gewidmet.
Da es sich um ein so gefährliches Tier handelte, wurde der Tod eines Wolfes mit Brot, Wein, Käse und kleinen Trommeln gebührend gefeiert. Und wenn einer lebendig gefangen wurde, "konnte er in einem Pantomimen-Fest ausgestellt, vor Gericht gestellt und hingerichtet werden, manchmal auch von den Minderjährigen der Stadt", erklärt Etxeberria.
Einige dieser Wölfe, die für ihre ständigen Angriffe bekannt waren, wurden nach ihrer Tötung im Palast der Regional-Verwaltung ausgestellt. Dies war der Fall bei dem Wolf "Aldabidia", der in der Gegend der Urbasa-Hochebene an der Grenze zur Provinz Araba (Álava) sehr aktiv war und im Dezember 1922 erlegt wurde. Seine Jäger, die Brüder León und Raimundo Aramburu, komponierten sogar ein Lied für ihn. Die Belohnung für seinen Tod betrug 5.000 Peseten.
Obwohl viele Wölfe mit Schusswaffen getötet wurden, erwies sich der Einsatz von Giften als die endgültige Methode im Kampf gegen diese Hunde-Spezies. Laut Etxeberria wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts begonnen, die Brechnuss und ihr Extrakt, das Strychnin einzusetzen. Dies gilt "als die eigentliche Ursache für das Beinahe-Verschwinden des Wolfes in Europa".
In dezimiertem Umfang erreichte der Wolf die Mitte des 20. Jahrhunderts, wobei seine Anwesenheit immer sporadischer wurde, bis dann die letzten Exemplare getötet wurden. In Urbasa war es 1981 so weit, nachdem einige Jahre lang der Tod von 600 Schafen im Wert von damals vier Millionen Peseten den Wölfen zugeschrieben wurde. Er wurde von José Luis Garmendia erlegt, der eine Belohnung von 246.000 Peseten erhielt. Der letzte in Nafarroa erlegte Wolf war ein Exemplar, das im April 1990 in Petilla de Aragón gefangen wurde, einer kleinen navarrischen Enklave in der Region Aragon. Die Spur der Wolf-Spezies verlor sich um 1995.
300 Orte mit dem Wolf in Verbindung
Wölfe sind in Navarra nicht mehr anzutreffen, dennoch sind sie in den Ortsnamen seit Jahrhunderten weiterhin stark präsent. Es gibt "mehr als 300 Orte, deren Namen sich auf den Wolf beziehen", die “Hälfte davon sind Orte, an denen Wölfe gejagt wurden".
Die Toponyme oder Ortsbezeichnungen, die sich auf den Wolf beziehen und die Geografie Navarras durchziehen, sind hauptsächlich in baskischer Sprache verfasst, wie Beispiele zeigen, “otso“ oder “otsoa“ ist die baskische Bezeichnung für Wolf: Otsondo, Otsoportillo, Otsartea, Otsagabia, Otxobi oder Otsozulo. Gleichzeitig gibt es auch Begriffe in romanischer Sprache wie “lobera“, die Wolfsfalle (vom Lateinischen lupus, Spanisch lobo, Abwandlung lope).
Der Einfluss der Wölfe hat sogar die Personennamen erreicht: Otsanda war im Mittelalter ein gebräuchlicher Frauenname mit Otsando als männlicher Entsprechung, was in der Folge zu einer Vielzahl von Familiennamen geführt hat wie Otsandorena oder Otxotorena.
In Wappen
Diese Präsenz wurde auch auf die Heraldik (Wappenkunde) übertragen. Auch hier spielen Wölfe eine wichtige Rolle, denn unter den 774 Wappen, die im Wappenbuch des Königreichs Nafarroa erscheinen, ist das Raubtier 122 Mal vertreten. In diesem Fall wird der Wolf mit Tapferkeit, Mut und Risikofreudigkeit assoziiert. Außerdem erscheint sein Bild in Kirchenkapitellen als Darstellung des Teufels, mit dem er im Mittelalter in Verbindung gebracht wurde. Und in der baskischen Mythologie hat er seinen Platz durch die Figur des Gizotso, eines Ungeheuers, das halb Mensch und halb Wolf ist.
Trotz der Horror-Legenden und der Entschlossenheit, ihn auszurotten, erinnert Etxeberria daran, dass die Anwesenheit von Wölfen in der Natur "viele Vorteile mit sich bringt, vor allem die Kontrolle einiger Arten", wie Wildschweine, die heute sehr zahlreich vorhanden sind. Diese Tatsache ist jedoch einer der wenigen positiven Punkte, die für eine Spezie sprechen, die so stark gefürchtet war und die bis zur praktischen Ausrottung verfolgt wurde.
Während in den Pyrenäen Bären aus anderen Ländern wieder eingesetzt wurden, haben sich die Wölfe durch große Wanderbewegungen selbst wieder ein Dasein geschaffen. Aus den Bergen von Burgos kommen gelegentlich Wölfe in den Süden der baskischen Provinz Bizkaia. In Karrantza beklagen viele Schafhirten den Verlust von Tieren durch Wölfe. Doch dabei ist die Polemik bereits serviert. Denn einige Stimmen sagen, es handele sich nicht um Wölfe, sondern um wilde Hunde. Andere halten dies für pure Ausreden, um ein entschlossenes Vorgehen zu vermeiden. Dahinter steht der alte Disput zwischen Hirten und Bauern auf der einen Seite und Tierschützern auf der anderen. Tatsache ist jedenfalls, dass die Hirten zwar für tote Schafe entschädigt werden, jedoch lange nicht für den vollen Wert der Tiere. So gesehen zahlen sie die Rechnung dafür, dass die Wölfe nicht gejagt werden dürfen.
ANMERKUNGEN:
(1) “Lobos: toponimia, heráldica y leyenda negra” (Wölfe: Ortsnamens-Forschung, Wappenkunde, und Horror-Legenden), Tageszeitung Gara, 2023-08-09 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(*) Alle Fotos stammen aus dem Buch “El lobo en Navarra / Otsoa Nafarroan“ und wurden bei Gara abgebildet
(1) Wölfe in Navarra (gara)
José Luis Garmendia posiert neben dem letzten Wolf, der im Juni 1981 in der Gegend von Urbasa getötet wurde (Alfonso Senosiain - El lobo en Navarra / Otsoa Nafarroan)
(2) Wolfs-Darstellung (gara)
Darstellung eines Wolfs in der Kathedrale von Iruñea, der eine Ziege angreift
(3) Kupferstich (gara)
Kupferstich eines Wolfsangriffs auf Menschen aus dem 17. Jahrhundert
(4) Wölfe in der Presse (gara)
Presseausschnitt mit dem im Palacio de Diputación ausgestellten Aldabidia-Wolf
(5) Wolfs-Schädel (gara)
Schädel des letzten in Navarra erlegten Wolfs
(6) Wappen (gara)
Wappen aus dem Wappenbuch von Nafarroa, in denen der Wolf dargestellt ist
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-08-10)