Sklaverei in Spaniens Landwirtschaft
Moderne Sklaverei in Spaniens Landwirtschaft: Das spanische Arbeits-Ministerium geht entsprechend verstärkt gegen diese sklavenähnlichen Verhältnisse im andalusischen Agrarsektor vor. Die Antwort der Grundbesitzer kam prompt, in Form von Gewalt- und Morddrohungen gegen die Ministerin Yolanda Díaz. Dass das ernst genommen wird, zeigen polizeiliche Ermittlungen. Vermutet werden Leichen im Olivenhain, denn in den vergangenen Jahren verschwanden aus Afrika stammende Arbeiter plötzlich und spurlos.
Die kleine andalusische Gemeinde Villacarrillo ist in Aufregung. Schon seit zehn Tagen ermitteln spanische Sicherheitskräfte intensiv vor Ort, nachdem zwei Landarbeiter spurlos verschwunden sind. Im Zentrum der Ermittlungen ein Agrar-Unternehmer, für den der 33-jährige Ibrahima Diouf vor seinem Verschwinden im Januar 2021 in der Olivenernte gearbeitet hatte.
"Warum ermitteln sie jetzt erneut?" fragen sich die Menschen in der Gemeinde in der Provinz Jaén, wo sich das größte geschlossene Olivenanbaugebiet der Welt findet. "Gibt es neue Erkenntnisse?" Da die Ermittlungen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden, ist bisher nur wenig bekannt. Klar ist, dass alle Anwesen von Gutsbesitzer Ginés Vicente intensiv geprüft werden. Ende September 2022 etwa wurde ein Olivenhain im nahegelegenen Ort Villanueva del Arzobispo durchsucht. Die Güter werden von einer Spezialeinheit mit Hunden untersucht, die auf das Aufspüren von Leichenresten spezialisiert sind.
Nach Streit verschwunden
Nach Angaben von Zeugen verloren sich nach einer Auseinandersetzung mit dem Chef über die miesen Arbeitsbedingungen bei der Olivenernte alle Spuren von dem jungen Senegalesen. Die Ermittler konzentrieren sich auf den Unternehmer, da gegen ihn schon einmal ermittelt wurde. Nach einem Streit mit Gutsherr Vicente war im Dezember 2013 auch der damals der 22-jährige Tidiany Coulibaly spurlos verschwunden. Der junge Mann aus Mali war Sprecher von Landarbeitern und verhandelte mit dem Grundbesitzer über die Arbeits- und Lebensbedingungen der von ihm beschäftigten Tagelöhner.
Damals wurde Vicente angeklagt. Ihm drohte eine Haftstrafe von 15 Jahren wegen Entführung und Verschwindenlassen. Auf seinem Hof, auf dem Coulibaly nie gearbeitet hatte, waren dessen DNA-Spuren gefunden worden. Doch wurde der Unternehmer trotz der schweren Vorwürfe gegen ihn aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Verurteilt wurde er jedoch zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe wegen Verstößen gegen Arbeiterrechte. Er habe Einwanderer ohne gültige Papiere unter unmenschlichen Bedingungen ausgebeutet.
Unter dem Mindestlohn
Weit unter dem Mindestlohn habe er ihnen nur 20 bis 30 Euro pro Tag für lange Arbeitstage in der prallen Sonne bezahlt. Leben mussten sie zusammengepfercht auf einem seiner Anwesen. Dort waren sie gezwungen, ohne Betten auf Matratzen auf dem Boden schlafen. Es gab keinerlei Voraussetzungen für eine ausreichende Hygiene.
Dass ein Unternehmer aufsässige Beschäftigte mutmaßlich hat verschwinden lassen, ist in Spanien keine Normalität. Fatale Arbeits- und Lebensbedingungen und die gnadenlose Ausbeutung auf den Landgütern sind allerdings durchaus üblich. Man kann von einer modernen Form der Sklaverei sprechen, die seit einiger Zeit immer breiter kritisiert wird.
Schlimmer als im Flüchtlingslager
Nach einem Besuch in Spanien vor zwei Jahren hatte der UNO-Sonderberichterstatter für extreme Armut auf die fatale Situation von Tagelöhnern hingewiesen. Besonders erschreckt haben Philip Alston dabei die Hüttendörfer in Andalusien. "Wie Tiere" müssten Flüchtlinge und Einwanderer leben, die dort als Tagelöhner in der Erdbeer-Ernte eingesetzt werden. "Ich habe schlechtere Siedlungen als in Flüchtlingscamps gesehen", sagte der Professor von der New York University School.
Sexuelle Übergriffe, Belästigungen und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung, hat eine Buzzfeed-Recherche ergeben. "Die Verantwortlichen kommen ungestraft davon", stellt die Nachrichtenseite fest. Davon zeugt ein Skandalurteil, das kürzlich in Murcia gesprochen wurde. In der kleinen Nachbarregion von Andalusien wurde eine Erntehelferin aus Paraguay von einem Vorarbeiter vergewaltigt. Die zweijährige Haftstrafe konnte er durch die Teilnahme an einem Sexual-Erziehungskurs und einer Geldstrafe von 6.000 Euro umgehen.
Morddrohungen
Da sich die Arbeits-Ministerin Yolanda Díaz verstärkt der Zustände auf dem Land widmet, führt das zu massiven Angriffen gegen sie. Seit langem gibt es Morddrohungen gegen die Chefin der Linkskoalition "Unidas Podemos" (UP). Die derzeit beliebteste Politikerin im Staat hat erklärt, dass sie "von produzierenden Sektoren in diesem Land mit dem Tode bedroht wurde, weil es ihnen nicht gefällt, dass Arbeits-Inspektionen durchgeführt werden". Der Präsident der Vereinigung für Land- und Viehwirtschaft (UAGN), Félix Bariáin, hatte offen mit Gewalt gedroht. "Sie werden diesen Sektor nicht zerstören", erklärte er. "Wenn sie die Inspektionen und die Fragebögen nicht zurückziehen", werde man bei Mobilisierungen "nicht friedlich" sein.
Das Arbeitsministerium hatte Fragebögen zu den Arbeitsbedingungen unter Landarbeitern verteilt und im vergangenen Jahr die Inspektionen auf den Höfen gegenüber dem Vorjahr verfünffacht. Díaz erklärt, dass "niemand Angst vor Inspektionen haben muss", wenn die Gesetze eingehalten und die Rechte der Beschäftigten respektiert werden. Bei den bisherigen Inspektionen wurden in rund einem Drittel der Fälle Verstöße festgestellt und Geldstrafen verhängt. Feudale Verhältnisse.
ANMERKUNGEN:
(1) “Moderne Sklaverei in Spaniens Landwirtschaft: Leichen im Olivenhain?“ Heise.de, Ralf Streck, 29. September 2022 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Sklavenarbeit (vanguardia)
(2) Oliven (juntaandalucia)
(3) Olivenhain (telepolis)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-09-30)